Aktenzeichen 10 B 13.1318
BGB § 133, § 157, § 1626 Abs. 3 S. 1
EMRK Art. 8
GG Art. 6
Leitsatz
1 Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, im Wege der Auslegung zu ermitteln, welchen Aufenthaltszweck der jeweilige Ausländer unabhängig von der im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angegebenen Rechtsgrundlage verfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwar kann der biologische ausländische Vater eines deutschen Kindes aus Art. 8 EMRK grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit dem Kind ableiten, auch wenn noch kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht; aufenthaltsrechtlich ist jedoch lediglich sicherzustellen, dass der Vater die Möglichkeit erhält, eine geschützte familiäre Beziehung aufzubauen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Dies muss nicht zwingend durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geschehen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Dauer der Durchsetzung eines Umgangsrechts vor den Familiengerichten und der Kontaktanbahnung kann dem ausländischen Vater eines deutschen Kindes zur effektiven Wahrung seiner Rechte aus Art. 8 EMRK auch eine Duldung erteilt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 K 12.1662 2013-03-05 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 29. November 2012 und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Neuverbescheidung des Antrags vom 1. März 2012 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels bzw. auf Neuverbescheidung seines Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder befristeten Aufenthaltserlaubnis wegen der Beziehung zu seinem am 6. Januar 2007 geborenen Sohn J. der deutscher Staatsangehöriger ist.
1. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Behauptung des Klägers, dass er einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts bzw. zur Neubescheidung habe. Der Kläger hat am 1. März 2012 die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen beantragt. Die Beklagte hat im Bescheid vom 29. November 2012 den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt. Das Verwaltungsgericht ist in seinem Urteil vom 5. März 2013 jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag vom 1. März 2012 nicht nur auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerichtet war, sondern der Kläger die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt, um den Umgang mit seinem Sohn ausüben zu können. Für die Auslegung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gilt nichts anders als für die Bestimmung des Streitgegenstandes einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dieser bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (vgl. VGH BW, B.v.17.12.2015 – 11 S 1998/15 – juris Rn. 3 m. w. N.). Nach dem sog. Trennungsprinzip (BVerwG, U.v. 4.9.2007 – 1 C 43.06 – juris Rn. 26) ist der Ausländer zwar gehalten, seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche aus den Rechtsgrundlagen abzuleiten, die der Gesetzgeber für die spezifischen vom Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat. Allerdings hat die Ausländerbehörde die Pflicht, im Wege der Auslegung aus der maßgeblichen Sicht ihres Empfängerhorizonts (vgl. § 133, 157 BGB entsprechend) zu ermitteln, welchen Aufenthaltszweck der jeweilige Ausländer unabhängig von der im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angegebenen Rechtsgrundlage verfolgt.
2. Das Verwaltungsgericht ist hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den Vorschriften des 6. Abschnitts über den Aufenthalt aus familiären Gründen (§§ 27 ff. AufenthG) herleiten kann.
2.1 Er hat keinen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG setzt voraus, dass der Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewesen ist. Eine solche Aufenthaltserlaubnis wurde dem Kläger jedoch nie erteilt. Vielmehr hat der Kläger nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf seinen Antrag vom 11. Februar 2009 am 25. Februar 2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erhalten. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 1. März 2012 bestand auch kein Anspruch auf Verlängerung der dem Kläger zur Ausübung der Personensorge für seinen Sohn erteilten Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Denn diese Regelung lässt nur die Verlängerung einer zuvor erteilten akzessorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 27, § 30 oder § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht zu (Marx in Gemeinschaftskommentar Aufenthaltsgesetz, Stand: April 2016, § 31 Rn. 19).
2.2 Ebenso scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG aus. Alleinige Inhaberin des Sorgerechts für den minderjährigen Sohn des Klägers ist dessen geschiedene Ehefrau.
2.3 Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG besteht ebenfalls nicht. Nach dieser Regelung kann dem nicht sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Der Kläger lebt jedoch mit seinem Sohn nicht in familiärer Gemeinschaft. § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG setzt eine familiäre Gemeinschaft im Sinne einer Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft voraus. Gefordert wird hierfür in der Regel ein Zusammenleben mit dem Kind. Leben die Familienmitglieder getrennt, müssen zusätzliche Anhaltspunkte vorhanden sein, um eine familiäre Gemeinschaft annehmen zu können. Diese Anhaltspunkte können in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Urlauben oder in der Betreuung und Versorgung des Kindes bestehen. Unterhaltsleistungen sind ebenso zu berücksichtigen wie Kontakte per Telefon oder Brief. Hierbei ist eine differenzierte Bewertung des Einzelfalls erforderlich, eine schematische Einordnung verbietet sich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB der Umgang mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört (vgl. Tewocht in Beck’scher Online-Kommentar, AufenthG, Stand: 1.2.2016, § 28 Rn. 27; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, AufenthG § 28 Rn. 29 ff.). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Kindes und des Elternteils im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 1.12.2008 – 2 BvR 1830/08 – juris Rn. 31).
Nach den vorliegenden aktuellen Stellungnahmen des Jugendamtes des Landkreises W. vom 10. März 2016 und des Verfahrensbeistandes des Sohnes des Klägers vom 7. März 2016 besteht eine den genannten Anforderungen entsprechende familiäre Gemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Sohn derzeit nicht. Der letzte persönliche Umgang zwischen dem Kläger und seinem Sohn fand im Jahr 2012 statt. Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau haben sich in einem familiengerichtlichen Vergleich vom 11. Juni 2014 darauf geeinigt, dass es bis März 2015 keine weiteren Umgangskontakte zwischen dem Kläger und seinem Sohn geben solle. Die Exfrau erklärte sich im Gegenzug bereit, auf Vermittlung des Jugendamtes eine systemische Familienberatung in Anspruch zu nehmen. Ein direkter schriftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und seinem Sohn findet nicht statt. Im Rahmen der Therapie bestand für die Kindesmutter die Auflage, für den Kläger alle drei Monate einen Entwicklungsbericht über J. zu verfassen. Der Kläger hatte die Möglichkeit, über das Jugendamt Briefe und Pakete an seinen Sohn weiterzuleiten. Von diesem Angebot hat der Kläger regelmäßig Gebrauch gemacht. Eine Antwort auf die Briefe erfolgt aber nur über die Mutter an das Jugendamt. Ein telefonischer Kontakt zwischen dem Kläger und seinem Sohn besteht nicht. Ein Angebot des Klägers, mit seinem Sohn zu telefonieren, hat dieser – wie sich aus der Stellungnahme des Jugendamtes W. vom 10. März 2016 ergibt – abgelehnt. Insgesamt kommen das Jugendamt und der Verfahrensbeistand übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es aktuell nicht dem Kindeswohl entspreche, einen Umgang des Sohnes mit dem Kläger zu erzwingen. Zum jetzigen Zeitpunkt zeige der Sohn kein Interesse, an diesem Vorhaben mitzuwirken. Der aktuelle Kontakt mit den vierteljährlichen Briefen sei ausreichend.
Aus den genannten Stellungnahmen wird deutlich, dass eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 21) zwischen dem Kläger und seinem Sohn schon angesichts des fehlenden persönlichen Kontakts nicht besteht. Eine kontinuierliche emotionale Bindung des Kindes zu dem Kläger ist nicht vorhanden. Einfluss auf die Entwicklung des Kindes kann der Kläger nicht nehmen. Ihn trifft an dieser Situation zwar kein Verschulden, weil er – auch unter Ausschöpfung der ihm gegebenen rechtlichen Möglichkeiten – stets versucht hat, sein Umgangsrecht mit seinem Sohn wahrzunehmen bzw. herzustellen. Dies ist aber aus den nachfolgenden Gründen letztlich nicht entscheidend.
Einer erweiternden Auslegung des Begriffes der familiären Gemeinschaft i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 21. Dezember 2010 (Rs. 20578/07 – juris) bedarf es nicht (vgl. hierzu Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 28 Rn. 34). Nach Auffassung des EGMR kann die Versagung des Umgangs des leiblichen Vaters mit seinem Kind einen Eingriff in das gemäß Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens oder zumindest des Privatlebens darstellen, auch wenn der leibliche Vater noch keine sozialfamiliäre Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte. Zwar kann nach dieser Rechtsprechung der biologische Vater aus Art. 8 EMRK grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit seinem Kind ableiten, selbst wenn noch kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, jedoch hat dies nicht zur Folge, dass dem durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG Rechnung getragen werden muss, solange die familiäre Gemeinschaft noch nicht gelebt wird. Sicherzustellen ist aufenthaltsrechtlich allenfalls, dass der Vater die Möglichkeit erhält, eine solche geschützte familiäre Beziehung aufzubauen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Macht der nicht sorgeberechtigte ausländische Elternteil glaubhaft, dass er sich gegenüber dem das Umgangsrecht vereitelnden anderen Elternteil nachhaltig und ernsthaft um die Ausübung des Umgangsrechts mit dem Kind, etwa durch Einschaltung des zuständigen Jugendamtes, bemüht hat, kann ein beabsichtigtes Familienleben ausnahmsweise unter den Schutz des Art. 8 EMRK fallen. Wird die Herstellung einer beabsichtigten familiären Gemeinschaft verhindert, weil die Ausländerbehörde den ausländischen Vater zur Ausreise auffordert, stellt dies eine Verletzung von Art. 8 EMRK dar, es sei denn, dieser Eingriff ist „gesetzlich vorgesehen“, verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden“ (EGMR, U.v. 2.10.2010 – Rs. 20578/07 – juris Rn. 63). Es ist zu prüfen, ob die zur Rechtfertigung des Eingriffs vorgebrachten Gründe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK zutreffend und ausreichend sind. Von entscheidender Bedeutung ist, ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Wohl des Kindes dient. Je nach seiner Art und Bedeutung kann das Kindeswohl den Interessen des Elternteils vorgehen (EGMR, a. a. O. Rn. 65).
In Bezug auf den Kläger ist insoweit festzustellen, dass er nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft versucht hat, einen regelmäßigen Kontakt mit seinem damals noch kleinen Sohn aufrechtzuerhalten. Dies wurde zunehmend erschwert, weil die geschiedene Ehefrau des Klägers eine neue Familie gründete und verzog. Der Kläger versuchte, in einem familiengerichtlichen Verfahren sein Umgangsrecht durchzusetzen. Ihm kann daher nicht entgegengehalten werden, dass er kein Interesse an seinem Kind gezeigt und sich nicht ernsthaft um eine familiäre Beziehung bemüht hätte. Den Sohn betreffend lässt sich den vorgelegten fachbehördlichen Stellungnahmen entnehmen, dass dieser über die vierteljährlichen brieflichen Kontakte hinaus einen persönlichen Umgang mit dem Kläger ablehnt. Einen Telefonkontakt verweigert er mit der Begründung, dass er den Kläger nicht verstehen würde. Aus Sicht des Jugendamtes soll die bisherige Umgangsregelung (Briefe des Klägers an seinen Sohn) beibehalten und es dem Kind überlassen werden, ob es eine persönliche Kontaktaufnahme zum Kläger wünsche. Der Verfahrensbeistand hält es nicht für geboten, Umgangskontakte zwischen dem Sohn und dem Kläger zu vereinbaren, da der Sohn kein Interesse habe, bei diesem Vorhaben mitzuwirken. Er sei in seiner neuen Familie fest verwurzelt. Es widerspräche dem Wohl des Kindes, wenn gegen seinen Willen Umgangskontakte zum jetzigen Zeitpunkt stattfänden.
Bei dieser Sachlage ist daher der Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Herstellung des Umgangsrechts des leiblichen Vaters zu seinem Kind, der sich aus der erforderlichen Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet ergibt, gerechtfertigt, weil ein intensiverer, ggf. erzwungener Kontakt gegen den Willen des Kindes nicht seinem Wohl entspricht. Der bisherige Kontakt des Klägers zu seinem Kind über Briefe, die ihm durch seine Großeltern bzw. das Jugendamt zugeleitet werden, lässt sich in gleicher Weise auch vom Ausland aus aufrechterhalten. Ein vollständiger Abbruch des Kontakt ist daher nicht zu befürchten.
2.4 Ein Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 31 Abs. 1 AufenthG. Es kann offen bleiben, ob sich der Kläger als bisheriger Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auf diese Vorschrift überhaupt berufen kann (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 2.12.2015 – 11 S 2155/15 – juris Rn. 5; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, AufenthG § 28 Rn. 57; Hailbronner, AufenthG, Stand: April 2016, § 28 Rn. 44). Jedenfalls erfüllt der Kläger die Voraussetzung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in entsprechender Anwendung nicht. Danach hätte er mindestens drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sein müssen. Aufenthaltserlaubnisse wurden ihm jedoch nur für den Zeitraum vom 25. Juni 2009 bis 24. Juni 2010 und dann wiederum vom 28. Juli 2011 bis 17. Juni 2012 erteilt. Selbst unter Hinzurechnung etwaiger Fiktionszeiten für den zwischenliegenden Zeitraum ist die Dreijahresfrist des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt.
3. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung bzw. Herstellung des Umgangsrechts mit seinem Sohn besteht auch nicht nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK. Die Ausreise des Klägers ist nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Selbst wenn der Kläger das Bundesgebiet verlassen müsste, läge kein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben und damit ein rechtliches Ausreisehindernis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vor (s.o. 2.3). Insoweit kann daher offen bleiben, ob die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG bereits deshalb ausscheidet, weil der Kläger einen Lebenssachverhalt zum Gegenstand seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis macht, für den der Gesetzgeber in den § 27 ff. AufenthG detaillierte und damit spezielle Voraussetzungen geschaffen hat (zum Verhältnis dieser Vorschriften: VGH BW, B.v. 10.3.2009 – 11 S 2990/08 – juris Rn. 22, U.v. 18.4.2007 – 11 S 105/6 – juris; NdsOVG, B.v. 12.3.2013 – 8 LA 13/13 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 22.7.2008 – 19 CE 08.781 – juris ).
Nach dem bereits erwähnten Urteil des EGMR (v. 21.12.2010 – Rs. 20578/07) kann zwar die Versagung des Umgangs des leiblichen Vaters mit seinem Kind einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen, auch wenn der leibliche Vater noch keine sozialfamiliäre Beziehung zu seinem Kind aufbauen konnte. Der Herstellung des Umgangsrechts kommt hinsichtlich des Erfordernisses der Führung einer familiären Gemeinschaft mit dem Kind eine gewisse Vorwirkung zu (Marx in Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: April 2016, § 28 Rn. 155). Für die Dauer der Durchsetzung eines Umgangsrechts vor den Familiengerichten und der Kontaktanbahnung kann dem Kläger zur effektiven Wahrung seiner Rechte aus Art. 8 EMRK jedoch im Übrigen auch eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilt werden (vgl. Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 28 Rn. 33 Praxishinweis).
5. Der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, bleibt ebenfalls ohne Erfolg, weil schon die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Anspruchsnormen nicht vorliegen. Auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung kommt es folglich nicht mehr an.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt
(§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).