Aktenzeichen 9 C 18.2676
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 795 S. 1, § 890 Abs. 2
Leitsatz
Bei der Vollstreckung aus einem Vergleich muss dieser einen vollstreckungsfähigen Inhalt derart haben, dass auch für einen Dritten erkennbar ist, was der Vollstreckungsgläubiger vom Vollstreckungsschuldner verlangen kann. Der Vergleichstext ist dabei einer Auslegung zugänglich, maßgebend ist aber allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 V 18.1356 2018-12-14 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Vollstreckungsgläubigerin begehrt die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft gegenüber dem Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner.
Der Antragsgegner betreibt auf seinem Grundstück FlNr. … Gemarkung P. eine Gaststätte mit Hofbetrieb sowie ein Weinbistro mit Vinothek und Freisitz auf dem öffentlichen Straßenraumgrundstück FlNr. … Gemarkung P. Mit Bescheid vom 18. April 2017 hob das Landratsamt K. die Nebenstimmung T0201 zur Baugenehmigung „Umbau des bestehenden Anwesens zu Weinbistro mit Vinothek“ vom 22. Mai 2014, die die Öffnungszeiten hierfür regelte, auf und legte ergänzend fest, dass der Betrieb im Wirtsgarten um 22:00 Uhr einzustellen ist. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht. Im gerichtlichen Augenscheinstermin am 18. Juli 2017 schlossen die Beteiligten auf Anraten des Gerichts einen Vergleich, der u.a. folgende Regelung enthält:
„Der Beigeladene (Anm.: Antragsgegner im hier vorliegenden Verfahren) verpflichtet sich, gemäß der Baugenehmigung vom 22. Mai 2014 entweder nur das Weinbistro mit Vinothek oder aber nur die Gaststätte im hintern Gebäudeteil zu betreiben. Ein gleichzeitiger Betrieb von Gaststätte und Vinothek ist ausgeschlossen. Unabhängig davon darf der Wirtsgarten bis 22:00 Uhr betrieben werden. Um 22:00 Uhr, so verpflichtet sich der Beigeladene weiter, wird das Tor zum Innenhof zwischen dem Anwesen der Klägerin (Anm.: Antragstellerin im hier vorliegenden Verfahren) und dem Beigeladenen geschlossen. D.h. nach 22:00 Uhr findet keinerlei Gastbetrieb weder im Wirtsgarten, noch im Gastraum im Hintergebäude statt.“
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, gegen den Antragsgegner für den Fall, dass er entgegen der in „Ziffer 1.“ des Vergleichs vom 18. Juli 2018 übernommenen Verpflichtung handelt, ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzudrohen, weil der Antragsgegner die Vinothek betreibe und gleichzeitig den Hofbereich/Wirtsgarten bewirtschafte. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2018 drohte das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner für den Fall, dass er entgegen „der in Ziffer I. des Vergleichs vom 18. Juli 2018 übernommenen Verpflichtung, entweder Gaststätte bzw. Wirtsgarten oder Weinbistro mit Vinothek zu betreiben, zuwiderhandelt, ein Ordnungsgeld von 5.000,00 Euro“ an. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt sämtlicher Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Androhung des Ordnungsgeldes ist hier § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO. Danach muss der Verurteilung zu einem Ordnungsgeld oder einer Ordnungshaft eine entsprechende Androhung vorausgehen, die hier aufgrund des Vergleichs, aus dem vollstreckt werden soll, vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wurde. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist hierbei kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis, insbesondere in Form eines bereits erfolgten Pflichtverstoßes des Vollstreckungsschuldners erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2016 – 9 C 15.2497 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Die begehrte Androhung eines Ordnungsgeldes stellt eine Maßnahme und den Beginn der Zwangsvollstreckung dar. Es müssen daher bereits zu diesem Zeitpunkt die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen – d.h. Titel, Klausel, Zustellung – vorliegen (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 795 Satz 1 ZPO; vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2016 – 9 C 15.2497 – juris Rn. 9 m.w.N.). Die Beteiligten sind hier über den Inhalt des vom Verwaltungsgericht gem. § 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO protokollierten Vergleichs i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO uneins.
Erforderlich ist, dass der Vergleich, aus dem hier vollstreckt werden soll, einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, d.h. es muss auch für einen Dritten erkennbar sein, was der Vollstreckungsgläubiger vom Vollstreckungsschuldner verlangen kann (Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 168 Rn. 1; Seibel in Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 704 Rn. 4). Der Vergleichstext ist dabei auch einer Auslegung zugänglich, maßgebend ist aber allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (OVG LSA, B.v. 12.7.2011 – 3 O 475/10 – juris Rn. 10; Geimer in Zöller, a.a.O., § 794 Rn. 14a).
Bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Nr. I. Satz 1 des Vergleichs vom 18. Juli 2018 ergibt sich, dass sich der Beigeladene verpflichtet hat, entweder nur das Weinbistro mit Vinothek oder aber nur die Gaststätte im hinteren Gebäudeteil zu betreiben; ein gleichzeitiger Betrieb der Gaststätte im hinteren Grundstücksbereich und der Vinothek im vorderen Gebäude zum K. ist ausgeschlossen (vgl. Nr. I. Satz 2 des Vergleichs). Das Verwaltungsgericht ist bei der Auslegung dieses auf sein Anraten vor ihm geschlossenen Vergleichs davon ausgegangen, dass dieser keine von der Baugenehmigung vom 22. Mai 2014 abweichende Regelung hinsichtlich alternativer Nutzung von Gaststätte und Wirtsgarten auf der einen Seite und der Nutzung der Vinothek auf der anderen Seite trifft. Es hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass der Hofgarten/Wirtsgarten zur Gaststätte im hinteren Gebäudeteil und der Freisitz/Gastgarten zur Vinothek im vorderen Gebäudeteil gehört. Nr. I. Satz 5 i.V.m. Satz 2 des Vergleichs vom 18. Juli 2018 zeigt, dass diese Trennung der Nutzungen im hinteren und vorderen Teil auch Eingang in den Vergleich gefunden hat und mit dem Gastbetrieb im hinteren Gebäudeteil sowohl der Wirtsgarten als auch der Gastraum gemeint war. Dies wird bestätigt durch die dem Verwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakten zu den Baugenehmigungen vom 28. August 1991, 19. Juni 1997 und 23. September 1999. Da der Vergleichstext hier unmittelbar auf die Baugenehmigung vom 22. Mai 2014 Bezug nimmt, ist zur Auslegung des Vergleichs auch ein Rückgriff auf diese sowie die dieser vorausgegangenen und noch bestehenden Genehmigungen zulässig.
Dieses Ergebnis der Auslegung entspricht auch der ordnungsgemäß unterzeichneten Betriebsbeschreibung (Art. 64 Abs. 4 Satz 1 BayBO) vom 18. Juni 2014. Es kommt damit nicht darauf an, dass sich in den vorhergehenden Betriebsbeschreibungen zwar ähnliche Angaben finden, diese aber nur vom Entwurfsverfasser unterzeichnet sind. Die Betriebsbeschreibung vom 18. Juni 2014 datiert zwar zeitlich nach der Baugenehmigung vom 22. Mai 2014, sie stellt jedoch die Grundlage des angefochtenen Ergänzungsbescheids vom 18. April 2017 und der vergleichsweisen Erledigung des hiergegen angestrengten Klageverfahrens dar. In dieser Betriebsbeschreibung zielt der Antragsgegner auf eine Verbesserung der Situation im Innenhof (Wirtsgarten) und Lärmverminderung durch eine Verringerung der Nutzung desselben ab. Auch insoweit zeigt sich, dass ein gleichzeitiger Betrieb des vorderen und hinteren Nutzungsbereiches ausgeschlossen sein sollte, was zudem auch den stetig dokumentierten Interessen des Antragsgegners, mit den Maßnahmen keine Erhöhung der Stellplatzpflicht auszulösen, entspricht. Das Verwaltungsgericht stellt auch zutreffend darauf ab, dass – unabhängig von einer eventuellen Verfahrensfreiheit des Wirtsgartens (Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. d BayBO), die im Hinblick auf den einheitlichen Betrieb und die alternativen Betriebszustände kaum isoliert von der Fläche des Freisitzes/Gastgartens zu sehen sein dürfte – auch diesbezüglich immissionsschutzrechtliche Anforderungen zu beachten sind (Art. 55 Abs. 2 BayBO), die bei einem gleichzeitigen Betrieb von hinterem (Wirtsgarten/Hofbetrieb) und vorderem (Freisitz/Gastgarten) Freischankbereich bislang nicht im Wege der erteilten Genehmigungen berücksichtigt wurden, weil stets nur ein alternativer Betrieb zwischen hinterem und vorderem Grundstückbereich sowie Innen- und Außenbewirtung beantragt und genehmigt wurde.
Soweit der Antragsgegner meint, die Formulierung „unabhängig davon“ in Nr. I. Satz 3 des Vergleichs vom 18. Juli 2018 spreche dafür, dass für den Wirtsgarten nur die Betriebszeit geregelt worden sei, widerspricht dies dem o.g. Ergebnis der Vergleichsauslegung nicht. Denn der Ausschluss gleichzeitiger Nutzung ergibt sich bereits aus der Bezugnahme auf die Baugenehmigung vom 22. Mai 2014 und der – wie oben ausgeführt – nicht zu beanstandenden Auslegung des Verwaltungsgerichts. Die Formulierung mag wenig geglückt erscheinen, das Verwaltungsgericht stellt aber darauf ab, dass die Regelung unabhängig von allen anderen Öffnungskonstellationen erfolgt ist, weil für die Vinothek und den Freisitz auf FlNr. … Gemarkung P. die zeitliche Beschränkung gerade durch den angefochtenen Bescheid vom 18. April 2017 aufgehoben wurde. Die im Nachgang erteilte Baugenehmigung vom 21. August 2018 steht dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen, da sie – entsprechend Nr. II. des Vergleichs vom 18. Juli 2018 – speziell das Verhältnis zwischen Landratsamt und Antragsgegner regelt, um die in Nr. I des Vergleichs genannten Regelungen in die Form einer für das Landratsamt vollstreckungsfähigen Baugenehmigung zu bringen.
Die weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB; § 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hierzu trägt das Beschwerdevorbringen auch nichts vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).