Aktenzeichen 4 CE 18.88
VwGO § 80 Abs. 7, § 123
Leitsatz
Ob sich eine Erledigungserklärung nur auf das Rechtsmittelverfahren bezieht oder auf den Rechtsstreit insgesamt, ist durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 22 E 17.5927 2017-12-21 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
1. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Das Beschwerdeverfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO von dem nach § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO zuständigen Berichterstatter aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen einzustellen; zugleich war über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden.
a) Der Antragsteller hat sich zwar auf die von der Antragsgegnerseite mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 bezüglich des Beschwerdeverfahrens abgegebene Erledigungserklärung nicht geäußert. Der betreffende Schriftsatz konnte ihm weder an die zuletzt bekannte Unterkunft in München noch an die von der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilte Postanschrift in der Justizvollzugsanstalt zugestellt werden; es war auch keine sonstige aktuelle Adresse bekannt. Dem Antragsteller wurde aber aufgrund eines Beschlusses des Senats vom 21. Februar 2018 im Wege der öffentlichen Zustellung (§ 56 VwGO i. V. m. §§ 166, 185 ff. ZPO) mit Aushang vom 26. Februar 2018 ein Schreiben des Gerichts übermittelt, in dem er auf die von der Antragsgegnerin abgegebene Erledigungserklärung sowie auf die entsprechend § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolgen im Falle eines nicht innerhalb von zwei Wochen erklärten Widerspruchs hingewiesen wurde. Da das betreffende Schreiben mit Ende der einmonatigen Aushangfrist am 26. März 2018 als zugestellt galt (§ 188 ZPO) und der Erledigungserklärung nicht innerhalb der nachfolgenden zwei Wochen widersprochen wurde, gilt der Rechtsstreit bezüglich des Beschwerdeverfahrens kraft Gesetzes als erledigt; das Gericht hat danach gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
b) Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen, da er bei streitiger Entscheidung voraussichtlich unterlegen wäre. Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren einen Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 6. Juni 2017 vorgelegt, wonach der Antragsteller aufenthaltsrechtlich zur Wohnsitznahme im Landkreis Fürstenfeldbruck verpflichtet war. Wegen dieser rechtsverbindlichen Beschränkung seines Rechts auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) durfte er im Stadtgebiet der Antragsgegnerin keinen Wohnsitz nehmen und konnte daher dort auch nicht obdachlos werden; sein im Eilverfahren geltend gemachtes Unterbringungsbegehren scheiterte schon an der Passivlegitimation.
c) Die deklaratorische Feststellung des Erledigungseintritts und die damit verbundene Kostenentscheidung beziehen sich allerdings nur auf das Beschwerdeverfahren; der – dem Antragsteller günstige – erstinstanzliche Beschluss einschließlich der dortigen Kostenentscheidung bleibt davon unberührt und könnte, falls insoweit nicht bereits faktische Erledigung eingetreten ist, allenfalls im Wege eines Abänderungsverfahrens entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO revidiert werden (dazu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 35 m.w.N.).
Die schriftsätzlich abgegebene Erledigungserklärung der Antragsgegnerin konnte angesichts ihres eindeutigen Wortlauts nur so verstanden werden, dass sie allein das Beschwerdeverfahren betraf. Die Beteiligten eines Rechtsmittelverfahrens können darüber disponieren, ob sie den Rechtsstreit insgesamt oder nur bezüglich des Rechtsmittelverfahrens für erledigt erklären (vgl. OVG SH, B.v. 23.11.1999 – 2 M 50/99 – NVwZ 2000, 1317 m.w.N.; Clausing in Schoch u.a., VwGO, Stand Juni 2017, § 161 Rn. 20). Erledigungserklärungen, die sich allein auf das Beschwerdeverfahren beziehen, führen nur zur Beendigung dieses Verfahrens; die vorangegangenen erstinstanzlichen Entscheidungen sind davon nicht betroffen und werden unanfechtbar (vgl. zum Revisionsverfahren BVerwG, Beschluss vom 22.4.1994 – 9 C 456.93 – BayVBl 1994, 543).
2. Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 35.3 des Streitwertkatalogs.