Verwaltungsrecht

Zuweisung einer öffentlich geförderten Wohnung

Aktenzeichen  M 12 E 16.2411

Datum:
23.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123, § 188 S. 2
WoBindG WoBindG § 5

 

Leitsatz

Nach dem BayWoBindG steht der Behörde in Bezug auf Sozialwohnungen gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht zu. Vor der Benennung trifft die Behörde eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung durch Aufnahme des Berechtigten in eine u.a. nach Dringlichkeitsstufen differenzierte Vormerkkartei (Vormerkbescheid). (redaktioneller Leitsatz)
Ein im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernder Anspruch kann nur bestehen, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und kein anderer Bewerber vorgeht. Dabei besteht kein Anspruch auf unmittelbare Zuteilung einer Wohnung. Die zuständige Stelle muss dem Verfügungsberechtigten mindestens fünf Wohnungssuchende benennen; der Abschluss des  Mietvertrages bleibt ihm vorbehalten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zuweisung einer öffentlich geförderten Wohnung.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2015 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin für eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Dringlichkeit I mit 121 Punkten vorgemerkt. Der Antragsteller erhielt 96 Grundpunkte, 10 Vorrangpunkte und 15 Anwesenheitspunkte (Bl. 12 f. der Gerichtsakte – GA). Der Bescheid hatte eine Gültigkeitsdauer bis 16. Januar 2016.
Der Antragsteller beantragte am … März 2016 bei der Antragsgegnerin erneut die Vormerkung für eine Sozialwohnung. Er führte aus, von einer Rente und von Sozialleistungen zu leben.
In der Akte befindet sich das Attest eines Facharztes für Orthopädie Dr. N. vom 19. Juli 2013 (Bl. 3 der Behördenakte – BA).
Am …. März 2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag gem. § 123 VwGO gestellt mit dem Antrag,
ihm „eine öffentlich geförderte und für seine Gesundheitsbelange geeignete Wohnraumfläche aus dem kommunalen Wohnungsbaubestand mit sofortiger Wirkung zuzuweisen“ (Bl. 7 Rückseite GA).
Mit Beschluss vom 18. April 2016 hat das Sozialgericht den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt (Nr.1) und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen (Nr.2; Bl. 95 f. GA).
Am … April 2016 trug der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen vor, er habe seit dem Jahr 2004 keine Wohnung erhalten.
Mit Bescheid vom 14. April 2016 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin für eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Dringlichkeitsstufe I mit 123 Punkten vorgemerkt. Der Antragsteller erhielt 96 Grundpunkte, 10 Vorrangpunkte und 17 Anwesenheitspunkte. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Die Antragsgegnerin beantragt am 13. Juni 2016
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Antragsteller wohne seit dem 12. August 2015 im Beherbergungsbetrieb … in … Die Kosten der Unterkunft würden aus Sozialleistungen bestritten. Der Antragsteller sei zuletzt mit Bescheid vom 14. April 2016 mit 123 Punkten in Rangstufe I für eine Ein-Zimmer-Wohnung registriert worden. Er habe in der Vergangenheit bereits 4 Auswahlvorschläge erhalten, zuletzt am 21. Juli 2015, die er alle zugesagt habe (Bl. 10 BA). Zu einer Wohnungsvermittlung sei es aber nicht gekommen, weil die Verfügungsberechtigten jeweils einen anderen Bewerber ausgewählt hätten. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Zuweisung einer öffentlich geförderten Wohnung. Er habe nur einen Anspruch auf Vormerkung. Diese sei auch mit der Einordnung in Rangstufe I mit 123 Punkten rechtmäßig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
Das Gericht legt den Antrag des Antragstellers gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend aus, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet werden soll, dem Antragsteller eine öffentlich geförderte Wohnung zuzuweisen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Zuweisung einer geförderten Wohnung.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom 14. April 2016 ergangen, im Jahr davor mit Datum vom 28. Oktober 2015.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vielmehr dargelegt, dass der Antragsteller vorgemerkt und in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen wurde. Der Antragsteller wird damit seiner Dringlichkeit entsprechend berücksichtigt und er hat in der Vergangenheit bereits vier Auswahlvorschläge erhalten, allerdings wurde er von den Verfügungsberechtigten nicht berücksichtigt.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin nicht möglich. Da es sich bei dem Gebiet der Antragsgegnerin um ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne von Art. 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern handelt, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139). Auf die Auswahl der benannten Bewerber durch den Verfügungsberechtigten hat die Antragsgegnerin keinen Einfluss.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).

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