Aktenzeichen 12 CE 17.616
Leitsatz
1 § 24 Abs. 3 S. 1 SGB VIII gewährleistet nur einen Anspruch auf den Besuch der Tageseinrichtung selbst, nicht hingegen einen solchen auf kostenfreie bzw. kostengünstige Betreuung, weshalb auch ein Platz in einer Einrichtung eines freien oder privaten Trägers in Betracht kommt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Verweis auf eine – gegenüber einer kommunalen Kindertageseinrichtung – teurere private Kindertageseinrichtung löst gegebenenfalls unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten einen Ausgleichsanspruch aus, der indes als eigener Antrags- bzw. Klagegegenstand in einem separaten Verfahren geltend zu machen ist (ebenso BayVGH JAmt 2016, 620). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 18 E 17.391 2017-03-06 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der am … 2014 geborene Antragsteller verfolgt mit seiner zulässigen Beschwerde die Zuweisung eines Platzes in einer Kindertageseinrichtung durch die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung weiter. Das Verwaltungsgericht hat die von ihm beanspruchte Verschaffung eines „zumutbaren Kindergartenplatzes mit einer zusammenhängenden wochentäglichen Betreuungszeit von jedenfalls 8 Stunden, die in der Zeit von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr liegt“, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt und der Senat bereits entschieden hat (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2340 – Rn. 8), richtet sich der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) nicht ausschließlich auf einen – kostengünstigen – Kindergarten Platz in einer kommunalen Einrichtung. Vielmehr genügt die Antragsgegnerin als Jugendhilfeträger dem Verschaffungsanspruch des Antragstellers auch dann, wenn sie für ihn einen Kindergarten Platz in einer Einrichtung eines freien oder privaten Trägers nachweist (vgl. hierzu Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 24 Rn. 38). Dem ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall jedenfalls durch die Benennung eines freien Platzes in der Einrichtung „Bauernhofkita“, G.-Straße 12, M., nachgekommen.
2. Die Inanspruchnahme dieses Betreuungsplatzes ist für den Antragsteller nicht deshalb unzumutbar, weil es sich um die Einrichtung eines privaten Trägers handelt, dessen Betreuungskosten diejenigen einer kommunalen Kindertageseinrichtung übersteigen. § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gewährleistet vielmehr nur einen Anspruch auf den Besuch der Tageseinrichtung selbst, nicht hingegen einen solchen auf kostenfreie bzw. kostengünstige Betreuung (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2340 – Rn. 8; Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 24 Rn. 33). Die Auffassung des Antragstellers, nur eine Kindertageseinrichtung mit einem – kostengünstigen – kommunalen Gebührenrahmen bzw. eine private Einrichtung verbunden mit einer Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Leistung einer Ausgleichszahlung sei anspruchserfüllend, findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze.
3. Weiter hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung im angefochtenen Beschluss ebenfalls zu Recht darauf abgestellt, dass das Verweisen des Antragstellers auf eine – gegenüber einer kommunalen Kindertageseinrichtung – teurere private Kindertageseinrichtung gegebenenfalls unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten einen Ausgleichsanspruch auslöst, der indes als eigener Antrags- bzw. Klagegegenstand in einem separaten Verfahren gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen wäre (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, U.v. 22.7.2016 – 12 BV 15.719 – juris Rn. 64 ff., insb. Rn. 71 ff.; zuvor bereits B.v. 17.11.2015 – 12 ZB 15.1191 – juris Rn. 45 ff.). Den normativen Anknüpfungspunkt dieses Ausgleichsanspruchs bildet § 90 Abs. 3 SGB VIII. Nur ergänzend und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme sei darauf hingewiesen, dass der Antragsteller in diesem Kontext zwar vorgetragen, jedoch nicht glaubhaft gemacht hat, dass aufgrund der Einkünftesituation seiner Eltern eine vollständige oder teilweise Übernahme der Kindergartenbeiträge durch den Jugendhilfeträger nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nicht in Betracht kommt. Erst wenn dies glaubhaft gemacht wäre, läge überhaupt eine Ungleichbehandlung des Antragstellers gegenüber den in einer kommunalen Kindertageseinrichtung Betreuten vor.
4. Der von der Antragsgegnerin für den Antragsteller nachgewiesene Betreuungs Platz in der Bauernhofkita, G.-Straße 12, M., ist auch im Hinblick auf die Erreichbarkeit mit dem Privat-Pkw der Eltern als zumutbare Betreuungseinrichtung anzusehen. Ausweislich des Routenplaners GoogleMaps beträgt die einfache Fahrzeit zwischen der Wohnung der Eltern des Antragstellers und der Einrichtung 8 Minuten. Angesichts der beanspruchten Betreuungszeit von acht Stunden im Zeitraum von 7:30 bis 16:00 Uhr und einer geplanten Arbeitszeit der Mutter des Antragstellers von 09:00 bis 13:00 Uhr, während der sie den Pkw selbst benötigt, ist auch unter Berücksichtigung der rd. 30 km entfernten Arbeitsstelle nicht ersichtlich, dass das Kraftfahrzeug für das Bringen und Holen des Antragstellers nicht zur Verfügung stünde. Hinzu kommt, dass die Einrichtung, die der Bruder des Antragstellers in der P.-Allee besucht, sich auf dem Weg zur Bauernhofkita in der G.-Straße befindet. Zeitliche Kollisionen mit den speziellen Fördermaßnahmen des Bruders des Antragstellers, die dessen Eltern durch Homeoffice-Tage bewältigen möchten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Auf die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob und in welchem Zeitrahmen die Bauernhofkita in der G.-Straße 12 zu Fuß oder mit einem Fahrrad erreicht werden kann, kommt es daher vorliegend nicht an, ebenso wenig auf die Frage der Zumutbarkeit der weiteren von der Antragsgegnerin zunächst nachgewiesenen Betreuungseinrichtung in der Z.-Straße 26, in der ein Betreuungs Platz für den Antragsteller aktuell jedoch nicht mehr zur Verfügung steht.
Da die Antragsgegnerin dem Anspruch des Antragstellers aus § 24 Abs. 3 SGB VIII durch Nachweis des Betreuungsplatzes in der Bauernhofkita, G.-Straße 12, M., nachgekommen ist, fehlt es für den angestrebten Erlass einer einstweiligen Anordnung an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München war daher als unbegründet zurückzuweisen.
5. Der Antragsteller trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.