Aktenzeichen 10 ZB 16.133
Leitsatz
Die Höhe eines Zwangsgeldes muss im Sinne seiner “Beugewirkung” auch darauf ausgerichtet sein, den Verpflichteten effektiv zur Befolgung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung anzuhalten, so dass die einer ständigen Verwaltungspraxis entsprechende Verdoppelung des Zwangsgeldes bei einer erneuten Zwangsgeldandrohung vertretbar ist, um die Öffentlichkeit wirksam vor Gefahren zu schützen, die von einem unangeleinten Hund ausgehen. (Rn. 11 und 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 22 K 15.2331 2015-11-19 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage bezüglich der Fälligstellung von Zwangsgeld und einer erneuten Zwangsgeldandrohung weiter.
Mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 2. April 2014 war dem Kläger auferlegt worden, seinen Hund „Nino“ nur noch angeleint auszuführen, wobei die Leine schon vor Verlassen der Wohnung anzulegen sei und erst nach Rückkehr wieder abgelegt werden dürfe; Freiauslauf dürfe dem Hund gewährt werden auf allseits übersichtlichen, weiträumigen Freiflächen ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung, soweit nicht andere Bestimmungen entgegenstünden und keine Kinder in Sichtweite seien. Für den Fall eines Verstoßes wurde ein Zwangsgeld von 500,- Euro angedroht. Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 stellte die Beklagte fest, dass das Zwangsgeld nach einem Vorfall vom 7. April 2015 fällig geworden sei, und drohte mit Bescheid vom gleichen Tag ein Zwangsgeld von nunmehr 1.000,- Euro für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Anleinpflicht an. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 19. November 2015 die auf Feststellung, dass das mit Schreiben vom 4. Mai 2015 fällig gestellte Zwangsgeld nicht zur Zahlung fällig sei, und auf Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2015 gerichtete Klage abgewiesen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).
1. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Hinblick auf die begehrte Feststellung, das fällig gestellte Zwangsgeld von 500,- Euro sei nicht fällig geworden, im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 2. April 2014 sei ein wirksamer und vollstreckbarer Grundverwaltungsakte im Sinn des Art. 19 Abs. 1 VwZVG; hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Höhe des Zwangsgeldes liege jedenfalls keine Nichtigkeit vor. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass der Kläger am 7. April 2015 gegen die Leinenanordnung aus Ziff. 1 des Bescheids vom 2. April 2014 verstoßen habe.
a) Der Kläger bringt hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das Zwangsgeld wegen wirtschaftlicher Unangemessenheit zu hoch sei, weil keine konkrete Gefahr für andere Personen, insbesondere Kinder, und Hunde bestanden habe. Insoweit reiche die Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Zwangsgeldes von 500,- Euro aus, besonders schwerwiegende und offenkundige Fehler im Sinn von Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG seien nicht erforderlich.
Der Kläger lässt hier außer Acht, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2014, in dessen Ziff. 4 das Zwangsgeld in der Höhe von 500,- Euro angedroht worden ist, bestandskräftig geworden und somit auch die Höhe des Zwangsgeldes unanfechtbar ist. Ein Fall des Art. 21 VwZVG ist weder geltend gemacht noch erkennbar. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass keine Gefahr für andere Personen bestanden habe; vielmehr war gerade die Tatsache, dass durch den Hund des Klägers ein Kleinkind verletzt worden war, Anlass für die Anordnungen in dem Bescheid vom 2. April 2014.
b) Weiter trägt der Kläger vor, die Festsetzung des Zwangsgeldes sei materiell rechtswidrig. Nach dem Bescheid vom 2. April 2014 dürfe er auf allseits übersichtlichen, weiträumigen Freiflächen ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung seinem Hund freien Auslauf ohne Leine gewähren. Um eine solche Freifläche handele es sich aber bei der „streitgegenständlichen Wiese“ an der H.-Straße. Einen Beweisantrag auf Ortseinsicht habe das Verwaltungsgericht nicht beschieden.
Auch damit werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage gestellt. Noch in der Begründung des Zulassungsantrags wird zugestanden, es sei richtig, „dass der Kläger selbst eingeräumt hat, seinen Hund auf dem Weg zum Müllhäuschen und an der Ecke F.-Straße/H.-Straße unangeleint laufen“ gelassen zu haben. Damit ist unbestritten, dass der Hund bei dem Vorfall an dieser Straßenkreuzung, den die Beklagte zum Anlass für die Fälligstellung des Zwangsgelds genommen hat, allein und unangeleint gewesen ist, unabhängig davon, ob er dort wirklich einen anderen Hund angegriffen hat. Unerheblich ist damit, ob der Hund sich (vorher) auch noch auf einer „allseits übersichtlichen, weiträumigen Freifläche ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung“ im Sinn der Ziff. 2 des Bescheids vom 2. April 2014 befunden hat. Damit kann offen bleiben, ob es sich bei der Grünfläche, die sich an das Nebengebäude („Müllhäuschen“) neben dem Anwesen H.-Straße 40 (mit der Wohnung des Klägers) anschließt, um eine Freifläche in diesem Sinn handelt. Nach dem zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gemachten Luftbild ist die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts aber durchaus nachvollziehbar. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass sich zwischen der fraglichen Grünfläche und der Kreuzung F.-Straße/H.-Straße noch ein weiteres Bauquartier befindet und die Entfernung etwa 50 m beträgt. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde auch kein Beweisantrag auf Durchführung einer Augenscheinseinnahme gestellt.
2. Die Abweisung der Anfechtungsklage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung vom 4. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Höhe von 1.000,- Euro im Wesentlichen damit begründet, dass dies den Vorschriften des Art. 36 Abs. 5 und des Art. 31 Abs. 2 VwZVG entspreche.
Die Höhe des Zwangsgeldes sei nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festzusetzen. Dabei sei das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen. Ebenso von Bedeutung seien die Umstände des Einzelfalls wie Verschuldensgründe, Ausmaß des Ungehorsams, Dauer und Intensität der Pflichtverletzung und öffentliches Interesse an der Durchsetzung der Anordnung.
Gegen die Höhe des Zwangsgeldes von 1.000,- Euro bestünden keine rechtlichen Bedenken. Sie halte sich am unteren Rand des gesetzlichen Rahmens gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Die der Bemessung zugrundeliegenden Erwägungen der Beklagten seien nicht zu beanstanden. Diese stütze die Entscheidung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen Gefahrenabwehr und die notwendige Beugewirkung. Eine Verdopplung des ersten Zwangsgeldes erscheine vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das erste Zwangsgeld den Kläger nicht zur Einhaltung der Anordnung habe anhalten können, zwar nicht zwingend, aber durchaus vertretbar, um die Öffentlichkeit vor Gefahren, die von dem unangeleinten Hund ausgingen, wirksam zu schützen. Darüber hinaus entspreche die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 1.000,- Euro für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, die dem Gericht aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt sei. Es sei nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, was im vorliegenden Einzelfall ein Abweichen von der bewährten Praxis gebieten würde.
Mit seinem Einwand, dass die Festsetzung des Zwangsgeldes mit 1.000,- Euro unverhältnismäßig hoch sei, kann der Kläger diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage stellen. Es hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Höhe des Zwangsgeldes auch darauf ausgerichtet sein muss, den Verpflichteten effektiv zur Befolgung der jeweiligen Anordnung anzuhalten; es muss also eine „Beugewirkung“ haben, um das öffentliche Interesse an der Durchsetzung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung zu gewährleisten (vgl. Kugele/Kugele/Thum, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand: April 2017, Art. 31 VwZVG Rn. 3; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand: März 2017, Art. 31 VwZVG Anm. VI). Der Kläger hat bereits im Rahmen seiner Anhörung am 14. April 2015 unumwunden eingeräumt, dass er seinen Hund beim Verlassen des Hauses nicht angeleint und ihn außerdem aus den Augen gelassen hatte, während er im Müllhäuschen war. Das angedrohte Zwangsgeld von 500,- Euro hat ihn offensichtlich nicht an diesem Verhalten gehindert.
Wenn der Kläger erneut darauf hinweist, dass es sich bei der „streitgegenständlichen Wiese“ um eine übersichtliche Freifläche handle, ist nicht erkennbar, warum das Zwangsgeld von 1.000,- Euro deswegen unverhältnismäßig hoch sein sollte; der Hund des Klägers ist eben nicht auf dieser Wiese nahe der H.-Straße 40 unangeleint angetroffen worden, sondern an der beträchtlich entfernten Kreuzung F.-Straße/H.-Straße.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).