Aktenzeichen M 9 K 18.2949
ZwEWG Art. 3
VwGO § 86, § 99
ZPO § 273
Leitsatz
1. Bei kollusivem Zusammenwirken zwischen Untervermieter und Untermieter ist eine einfache Kündigungserklärung oder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht ausreichend, um nachzuweisen, dass der Untervermieter die zweckentfremdete Wohnung nicht weiter betreibt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht kann sich seine Überzeugung (allein) aus dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs bilden, wenn gegen die Richtigkeit der dort enthaltenen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhoben werden. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar zulässig. Insbesondere im Hinblick auf die Fälligkeitsmitteilung ist nur die allgemeine Feststellungsklage statthaft, § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. u.a. VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 17.1104 – juris). Auch führen weder die Kündigung noch die Rückgabe der WE zur Unzulässigkeit der Klage: Vorliegend ist nicht der Grundbescheid beklagt, dessen Anordnungen – und nur diese – sich dadurch für die Zukunft erledigen (vgl. auch BayVGH, B.v. 18.10.1993 – 24 B 93.92 – NVwZ-RR 1994, 548). Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich die Anordnungen des Grundbescheids hinsichtlich der vergangenen Zeiträume nicht erledigt haben, da dieser noch Grundlage von Vollstreckungshandlungen war bzw. ist, vgl. Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwZVG. Vom Ermessen in Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwZVG will die Beklagte, wie die hier im Streit stehende Vollstreckung zeigt, zu Recht keinen Gebrauch machen, da eine unbillige Härte bei bewussten Verstößen gegen die auferlegte Unterlassenpflicht nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2000 – 2 B 95.331 – juris) und zudem eine Existenzgefährdung nicht nachgewiesen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Das mit Ziff. 2 des Bescheids vom 17. Januar 2018 angedrohte Zwangsgeld ist, wie aus der Fälligkeitsmitteilung des streitgegenständlichen Bescheids vom 15. Mai 2018, Ziff. I hervorgeht, fällig geworden, der Kläger war somit zur Zahlung verpflichtet (1.). Ziff. II des Bescheids vom 15. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (2.).
1. Der Nichteintritt der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes hätte vorausgesetzt, dass innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Grundbescheids die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung beendet wird, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
*Dem ist nicht so, wie die Ermittlungen der Beklagten belegen (vgl. die nachfolgenden Ortseinsichten vom 20. Februar 2018, Bl. 47ff. d. BA, und vom 2. Mai 2018, Bl. 53f. d. BA).
Wenn der Kläger darauf hinweisen lässt, dass er trotz Fortdauerns der zweckfremden Nutzung fristgerecht alles ihm Mögliche getan habe, um diese zu beenden, so ist dazu Folgendes festzuhalten: Der Untermieter des Klägers, Hr. M. R., ist zwar nominell „echter“ Zwischenvermieter – was in anderen Personenkonstellationen zu erhöhtem Begründungsaufwand für das Pflichtenprogramm und die Störereigenschaft des Hauptmieters führen mag -, der Kläger und er wirken aber kollusiv zusammen, weswegen eine einfache Kündigungserklärung oder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht ausreichen, um nachzuweisen, dass der Kläger die zweckfremde Nutzung nicht weiter betreibt (vgl. nur BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – Umdruck; B.v. 8.5.2017 – 12 ZB 17.571 – Umdruck). Diese Entscheidungen ergingen für dieselbe Personenkonstellation, für die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausführte, der Kläger betreibe die Zweckentfremdung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Hr. M. R. als Geschäftsmodell. Im Anschluss daran und auf Basis der einschlägigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. statt aller VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4276 – BeckRS 2017, 150260; B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris; im Nachgang dazu und im Anschluss daran auch VG München, U.v. 15.2.2017 – M 9 K 16.4641 – juris) zur genannten Personenkonstellation genügt zum Nachweis der Beendigung der zweckfremden Nutzung nur mehr der Nachweis der fristgerechten Rückgabe der Wohneinheit (vgl. jüngst VG München, B.v. 25.7.2018 – M 9 E 17.2460 – zur Veröffentlichung anstehend).
*Nach alledem hat die Beklagte auch ihre Auskunftspflicht, Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG nicht verletzt. Eine Auskunft ist nur dann zu erteilen, wenn diese erforderlich ist, der Beteiligte also auf die Auskunft angewiesen ist. Die Beklagte verzichtete bei dem vorliegend gegebenen kollusiven Zusammenwirken der Beteiligten zum fortgesetzten Verstoß gegen das behördliche Unterlassungsgebot zu Recht darauf, weitere Auskünfte zu erteilen – und erwartet aufgrund ihrer Erfahrungen in einer Vielzahl von Verfahren mit diesen Personen und ihrem Geschäftsmodell zu Recht jeweils die tatsächliche Rückgabe der Wohnung.
Ein Erstattungsanspruch aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 VwZVG – nicht aus Art. 39 Satz 1 VwZVG (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.1993 – 24 B 93.92 – NVwZ-RR 1994, 548) – scheidet aus.
2. Die erneute Zwangsgeldandrohung, Ziff. II des Bescheids vom 15. Mai 2018, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 18f. VwZVG, waren durchgehend bis zur mündlichen Verhandlung gegeben. Die Grundverfügung ist auf ein Unterlassen (Nutzungsuntersagung) gerichtet, Art. 18 Abs. 1 VwZVG. Ihre sofortige Vollziehung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 ZwEWG; der Grundbescheid wurde zudem – mangels Angriffs hierauf – mit Ablauf der Klagefrist bestandskräftig. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwZVG sind mithin erfüllt.
Die Grundverfügung ist auch hinreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann eine etwaige Unbestimmtheit der zwangsmittelbewehrten Anordnung auch im Vollstreckungsverfahren gerügt werden, da eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Feststellung, welche Pflicht aus der Sicht des Adressaten nach Art und Umfang zu erfüllen gewesen wäre, bei Fristablauf aber nicht erfüllt worden ist, nicht getroffen werden kann, wenn diese Pflicht unbestimmt ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris). Die Nutzungsuntersagung, Ziff. 1 des Bescheids vom 17. Januar 2018, aber ist nicht unbestimmt. Das Pflichtenprogramm, gerade auch in der hier gegebenen Personenkonstellation, ist durch die Rechtsprechung in extenso ausgeformt worden (vgl. die unter Ziff. 1 der Entscheidungsgründe genannten Fundstellen aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der Kammer).
*Andere Einwendungen gegen die Grundverfügung, insbesondere die Frage der korrekten Störerauswahl, können mit einem Rechtsbehelf gegen einen Folgebescheid nicht mehr vorgebracht werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2016 – 12 CS 16.1401 – Umdruck).
Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 31, 36 VwZVG, lagen vor. Das Zwangsgeld wurde in bestimmter Höhe angedroht, Art. 36 Abs. 5 VwzVG, die Beträge hielten sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben war, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. „Erfolglos“ bedeutet dabei nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden dürfe, wenn das zunächst festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben oder zumindest ein Beitreibungsversuch gemacht worden sei. Die Behörde muss vielmehr nur abwarten, dass das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (statt aller BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874 – Umdruck; VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 24.2.2016 – M 9 K 15.3083 – juris). Eine etwaige Begleichung des Betrags würde nichts mehr daran ändern, da die Zahlung eines Zwangsgeldes so lange nicht zum „Erfolg“ einer Zwangsgeldandrohung führt, wie der (Grund-) Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen wird.
Dass der Kläger – weiterhin – zu Recht als Pflichtiger i.S.v. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG herangezogen wurde, ergibt sich aus den obigen Ausführungen (Ziff. 1 der Entscheidungsgründe). Die Höhe des Zwangsgeldes entspricht dem wirtschaftlichen Interesse, das der Kläger an der Vornahme bzw. am Unterbleiben der Handlung hat(te), Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG. Tagesmieten von bis zu EUR 380 pro Tag – vgl. die Ortseinsicht vom 7. August 2017 (Bl. 11ff. d. BA) – rechtfertigten ein erstes Zwangsgeld von EUR 9.500 (Grundbescheid vom 17. Januar 2018). Die Verdoppelung des Betrags im Folgenden hat sich der Kläger durch seine fortgesetzte Zweckentfremdung selbst zuzuschreiben; sie entspricht der üblichen Verwaltungspraxis und ist angemessen (statt aller VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 13.5.2013 – M 8 K 12.2500 – juris). Die Behörde darf Zwangsmittel so lange und so oft anwenden, bis die Verpflichtung erfüllt wird, vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG.
3. Der bedingt gestellte Beweisantrag wird abgelehnt.
Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ohne an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Es bestimmt grundsätzlich den Umfang der Beweisaufnahme und die Art der Beweismittel nach seinem Ermessen.
Dem Beweisantrag war danach aus diversen Gründen nicht weiter nachzugehen:
a) Es mangelt bereits an der Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Mit der Formulierung „zum Inhalt des Ermittlungsberichts“ ist kein bestimmtes Beweisthema benannt, es handelt sich um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag, der die formellen Anforderungen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt (statt aller Vierhaus, Beweisrecht im Verwaltungsprozess, Stand 2011, Rn. 56). Der Ermittlungsbericht liegt zudem vor (Bl. 35ff. d. BA), seine Inhalte sind bekannt.
b) Die mit den nachfolgenden Satzfragmenten „dass Hr. A. angegeben habe, er hätte die Wohnung von dem Kläger Y. G. bekommen“ und „er habe am 10. Januar 2018 gegenüber Hr. T. im Rahmen der Ortsermittlung angegeben, er habe die Wohnung von Hr. Y. G. erhalten“ aufgestellten Behauptungen – wollte man sie als Nennung bestimmter Beweistatsachen interpretieren – geben von vorn herein keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung, weil diese Tatsachen angesichts des Ermittlungsberichts zur Überzeugung des Gerichts bereits feststehen bzw. erwiesen sind (Eyermann, VwGO, Stand: 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 39) – vgl. auch Ziff. 3 lit. d der Entscheidungsgründe. Die Tatsache dagegen, deren (Nicht-) Vorliegen mit dem gestellten Beweisantrag wohl eigentlich überprüft werden sollte – dass der Kläger dem Endnutzer die WE nicht selbst übergeben hat -, wurde mit dem Beweisantrag nicht benannt.
c) Jedenfalls das Beweismittel „Zeuge Hr. A.“ wurde – mangels Nennung einer ladungsfähigen Anschrift – nicht hinreichend individualisiert benannt, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 373 ZPO.
d) Unabhängig von Vorstehendem drängte sich dem Gericht die Vernehmung der Zeugen weder hinsichtlich der benannten Beweisthemen noch hinsichtlich des eigentlichen Beweisziels auf (vgl. Ziff. 3 lit. b). Die Inhalte und Umstände des Gesprächs wurden der gängigen Praxis der Beklagten entsprechend in einem detaillierten, datierten und unterschriebenen Ermittlungsbericht wiedergegeben, der direkt nach der Befragung erstellt wurde. Diese Form der Dokumentation und Sicherung der Ermittlungsergebnisse wird vonseiten des Gerichts und des Obergerichts in ständiger Rechtsprechung akzeptiert (statt aller BayVGH, B.v. 12.7.2018 – 12 ZB 18.1213 – Umdruck; VG München, U.v. 11.4.2018 – M 9 K 17.2381 – juris m.w.N.). Das Gericht darf die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen auf derartige Inhalte beigezogener und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachter Akten stützen, § 87 VwGO i.V.m. § 273 Abs. 4 Satz 1 ZPO, § 99 Abs. 1 VwGO (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 13.9.1988 – 1 B 22/88 – juris); es kann sich seine Überzeugung (allein) aus dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs bilden, wenn gegen die Richtigkeit der dort enthaltenen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhoben werden (statt aller Eyermann, VwGO, Stand: 14. Auflage 2014, § 96 Rn. 4).
Dies ist vorliegend der Fall.
Der Kläger beschränkte sich, bevor sein Bevollmächtigter den Beweisantrag stellte, auf die nicht näher ausgeführte Behauptung, „es stimme nicht“, dass er die WE dem Endnutzer übergeben habe. Ein derartiges einfaches und unsubstantiiertes Bestreiten der Ermittlungsberichte – die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, was unabhängig von einer Zustimmung der Beteiligten möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.2011 – 8 B 76.10 – juris) – ist nicht geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der enthaltenen Feststellungen wecken zu können (vgl. statt aller BayVGH, a.a.O.; i.Ü. auch OVG NW, U.v. 23.7.2009 – 1 A 2084/07 – juris; Eyermann, VwGO, Stand: 14. Auflage 2014, § 96 Rn. 4). Eine weitere Sachaufklärung durch Befragung der beteiligten Personen zu den genauen Inhalten eines Gesprächs, das vor mehr als einem halben Jahr geführt – und in transparenter Form dokumentiert – wurde, drängt sich dem Gericht dementsprechend nicht auf.
e) Unabhängig von alledem ist weder der Inhalt des Gesprächs noch die Tatsache, deren (Nicht-) Vorliegen mit dem gestellten Beweisantrag letztlich wohl überprüft werden sollte – dass der Kläger dem Endnutzer die WE nicht selbst übergeben hat -, für die Entscheidung von Bedeutung, vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog (vgl. Vierhaus, Beweisrecht im Verwaltungsprozess, Stand 2011, Rn. 155). Ob der Kläger in dem spezifischen Einzelfall des am 10. Januar 2018 angetroffenen Endnutzers diesem in persona die WE übergeben hatte, ist für das vorliegend allein interessierende Fortdauern der zweckfremden Nutzung unerheblich. Diese Frage wäre selbst für die nicht mehr angreifbare (vgl. oben) Störereigenschaft des Klägers unerheblich, da irrelevant ist, ob er selbst die Wohnungen im Einzelfall überlässt oder nur als Hintermann agiert und den Zwischenvermieter gegen den Zugriff der Behörden abzuschirmen sucht. Genauso verhält es sich mit der Wiedergabe der Gesprächsinhalte.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.