Aktenzeichen 11 W 1324/18
Leitsatz
Verfahrensgang
082 O 1247/14 — LGAUGSBURG LG Augsburg
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert beträgt 3.694,95 €.
Gründe
I.
Die Kläger erhoben mit Schriftsatz vom 09.10.2013 Klage gegen den Beklagten zu 1) auf Beseitigung eines teilweise bereits errichteten Anbaus auf seinem Hausgrundstück. Die Klage wurde später auf die Beklagte zu 2) erweitert.
Mit Beschluss vom 24.06.2014 ordnete das Landgericht Augsburg Beweiserhebung durch Erholung eines Sachverständigengutachtens an. Zum Sachverständigen wurde Herr … bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 23.07.2015 reichte der Beklagte zu 1) ein Privatgutachten des Sachverständigen … vom 02.06.2015 ein. Weiterhin beauftragte der Beklagte den Privatsachverständigen … mit der Durchführung einer Ortsbesichtigung. Hierfür fielen bei dem Beklagten Kosten in Höhe von 1.190,00 €, 952,00 € und 1.552,95 € an.
Mit Endurteil vom 02.08.2017 wurde die Klage abgewiesen und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner auferlegt. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil wurde mit Beschluss des OLG München vom 02.02.2018 zurückgewiesen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 11.08.2017 beantragte der Beklagte zu 1) unter anderem, die oben genannten Kosten für die Tätigkeit der von ihm beauftragten Privatgutachter festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 24.08.2017 wandte sich die Klagepartei gegen eine Festsetzung der beantragten Kosten der Privatgutachter.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 führte der Beklagte zu 1) aus, die Privatgutachten seien erforderlich gewesen. Ohne das von den Klägern eingeleitete Klageverfahren sei weder für die Trennwand noch für die Gebäudeabschlusswand ein Gutachten erforderlich gewesen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige … sei für die Beklagten zu einem negativen Ergebnis gekommen. Die Beklagten seien keine Baufachleute und hätten ohne gutachterliche Unterstützung die notwendigen Einwände gegen das Gutachten … nicht vorbringen können. Die Begutachtung durch … sei notwendig gewesen zum Sachvortrag dafür, dass die Trennwand raumabschließend und feuerhemmend sei. Die Beauftragung des Sachverständigen … sei erforderlich geworden, weil der Sachverständige … moniert habe, dass eine Besichtigung vor Ort in den Gutachten … und … sowie … nicht stattgefunden habe. Dem sei mangels eigener Kenntnisse der Beklagten nur dadurch zu begegnen gewesen, dass das Gutachten des Sachverständigen … im Hinblick auf den Brandschutz eingeholt worden sei. Auch im Termin vom 31.05.2017 sei zusammen mit dem Sachverständigen … die Erläuterung des Privatsachverständigen … in brandschutztechnischer Hinsicht erforderlich gewesen.
Die Kläger treten dem entgegen und tragen vor, die Ausführungen des Sachverständigen … seien nicht falsch gewesen. Die Beklagten hätten die Ausführungen des Sachverständigen … auch nicht mit Hilfe der Privatgutachter widerlegt. Die Beklagten hätten das noch nicht fertiggestellte Gebäude lediglich mit Hilfe der Gutachter entsprechend den Vorgaben aus dem Gutachten des Sachverständigen … geändert. Die Kosten des Gutachters … seien für die Genehmigung des vom Beklagten verwendeten Baumaterials erforderlich gewesen, weil dieses im Bundesgebiet keine allgemeine Zulassung habe.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.06.2018 setzte das Landgericht die von der Klagepartei und die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 8.506,63 € nebst Zinsen fest. Die Ersatzfähigkeit der Kosten der Privatgutachter … und … wurden mit der Begründung verneint, dass diese nicht prozessfördernd gewesen seien. Es habe sich um die Beschaffung von Kenntnissen für die ordnungsgemäße Fertigstellung des Baus gehandelt. Abzustellen sei für die Privatgutachterkosten auf den Zustand des Gebäudes bei Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen. Die Veränderung durch Baufortschritt während des Verfahrens und die hierfür anfallenden Kosten der Planung und Ausführung seien nicht der Gegenpartei überzubürden. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.07.2018 zugestellt.
Mit Schreiben vom 09.07.2018, eingegangen bei Landgericht Augsburg am 12.07.2018, legte der Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein. Zur Begründung führt er aus, die Kosten für den Privatgutachter … seien keine Kosten für Planung aus Ausführung. Es handele sich um Nachweis- und Projektdokumentationskosten, die das Landgericht mit Verfügung vom 17.08.2015 für notwendig erachtet und angefordert habe. Der Sachverständige … habe einen Ortsbezug in seinen Schreiben an das Gericht vom 03.06.2015, 25.04.2017 und 11.08.2015 angefordert. Diesen habe der Gutachter … für … durchgeführt. Die Gebäudeabschlusswand sei schon zum Beginn des Prozesses vollständig fertiggestellt gewesen und habe bautechnisch nicht ertüchtigt werden müssen. Die Trenn- und Zwischenwand sei durch den Zimmerer Schick im Juni 2015 fertiggestellt worden.
Mit Beschluss vom 30.07.2018 half der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die zulässige Beschwerde des Beklagten zu 1) bleibt in der Sache ohne Erfolg, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO. Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Ausgleich der Kosten für die mit der Beschwerde geltend gemachten Parteiauslagen nicht zu.
1. Nach der Rechtsprechung des BGH sind nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähige notwendige Kosten solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftliche vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen (BGHZ 192, 140). Dabei kann die Partei grundsätzlich nur solche außergerichtlichen Kosten geltend machen, die ihr selbst entstanden sind.
Die Kosten eines von einer Partei eingeholten Privatgutachtens sind nach einhelliger Meinung nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits anzusehen. Sie können dann ausnahmsweise zu den erstattungsfähigen Kosten gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH a.a.O; BGH DS 2013, 188; BGH VersR 2009, 563). Holt eine Partei ein privates Sachverständigengutachten unmittelbar prozessbezogen ein, wird die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, in der Rechtsprechung des BGH in den Fällen bejaht, in denen die Partei in Folge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war (BGH DS 2017, 132, 133). In aller Regel sind die Kosten für ein im Laufe des Rechtsstreits auf Veranlassung einer Partei erstelltes Privatgutachten nicht erstattungsfähig (OLG Köln, NJW-RR, 2010, 751, 751). Entscheidend ist, ob die Partei im Zeitpunkt der Einholung des Privatsachverständigengutachtens die Aufwendung dieser Kosten als notwendig und sachdienlich ansehen konnte.
Die Einholung eines Privatgutachtens während des Rechtsstreits ist in der Regel dann notwendig und sachdienlich, wenn der Partei die nötige Sachkunde fehlt, um ihren Anspruch schlüssig zu begründen, sich gegen die geltend gemachten Ansprüche sachgerecht zu verteidigen oder zu einem ihr ungünstigen, vom Gericht selbst eingeholten Sachverständigengutachten gezielt Stellung nehmen zu können (s. BGH NJW 1990, 122, 123; BGH NJW 2007, 1532; Senatsbeschlüsse vom 08.05.2014 – 11 W 630/14, 05.06.2013 – 11 W 751/13 und 22.02.2016 – 11 W 192/16; OLG Hamm NJW-RR 1996, 830).
Die Kosten eines vorprozessual erholten Gutachtens sind darüber hinaus nur dann erstattungsfähig, wenn sich das Gutachten auf den konkreten Rechtsstreit bezieht und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden ist (Senatsbeschluss, NJW-RR 2013, 1106). Richtigerweise lässt sich der Prozessbezug für das vorprozessual erholte Privatgutachten nur im Rahmen einer wertenden Betrachtung feststellen, in die sowohl sachliche als auch zeitliche und sonstige Aspekte einfließen (MüKoZPO/Schulz, § 91 Rz. 92-97).
Diese Voraussetzungen sind im Kostenfestsetzungsverfahren glaubhaft zu machen (§§ 104 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO) – dem Rechtspfleger bzw. dem Gericht ist also die Einschätzung zu vermitteln, dass sie „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ feststehen, vgl. BGH, Beschluss vom 13.07.2011 – IV ZB 8/11 Tz. 10: Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104 Rz. 8). Dabei ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine summarische Prüfung hin angelegt und dient lediglich einer – unkomplizierten – Umsetzung der Kostengrundentscheidung, streitige Tatsachen und komplizierte Rechtsfragen sind darin nicht z klären, schon weil es um eine zügige und praktikable Abwicklung geht (BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 539/11; Beschluss vom 13.10.2011 – V ZB 290/10).
2. Nach diesen Kriterien ist die Beurteilung durch den Rechtspfleger hier nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Voraussetzungen einer ausnahmsweise vorliegenden Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Es verbleibt daher beim Regelfall, nachdem die Kosten des Privatgutachtens von der Partei zu tragen sind, die das Gutachten beauftragt hat.
2) Das Gutachten von … vom 02.06.2015 ist nicht als unmittelbar prozessbezogen anzusehen, auch wenn es während des Verfahrens eingeholt worden ist. Anders als der Beklagte in seiner Beschwerdeschrift vorträgt, waren die Ausführungen des Sachverständigen nicht zum Sachvortrag dafür bestimmt, dass die Trennwand raumabschließend und feuerhemmend sei. Dies ergibt sich zum einen aus dem Gutachten selbst, in dem der Zweck des Gutachtens folgendermaßen formuliert ist: „Diese gutachterliche Stellungnahme dient zur Beantragung einer Zustimmung im Einzelfall bei der Obersten Bauaufsicht“ (S. 5 des Gutachtens vom 02.06.2015).
Zum war das Privatgutachten des … nicht die Grundlage für Sachvortrag, um das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zu erschüttern, sondern es diente dazu, die angegriffene Baumaßnahme im Hinblick auf das Ergebnis der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche so zu verändern, dass solche Ansprüche nicht mehr bestanden. Denn nach dem Privatgutachten entsprach der damalige Zustand der Gebäudeabschlusswand gerade nicht den Brandschutzanforderungen. Die Gebäudeabschlusswand wurde entgegen dem Vortrag des Beklagten nach dem Gutachten des … verändert, was sich aus den Ausführungen in der vom Beklagten vorgelegten Dokumentation vom 11.08.2015 ergibt, wo es heißt: „Die Gebäudeabschlusswand wurde gemäß den Vorgaben des Gutachtens des Herrn … vom 02.06.2015 brandschutztechnisch durch die Zimmerei Schick ertüchtigt.“ Darauf folgt eine Beschreibung durch vorgenommenen Ertüchtigungsarbeiten. Die Gutachterkosten, die zur Bestimmung von notwendigen Veränderungen an einem Bauwerk anfallen, die zur Abwendung der gegnerischen Beseitigungsansprüche erforderlich sind, können nicht von der Gegenpartei erstattet verlangt werden. Die Veränderungen waren auch nicht, wie der Beklagte meint, nur durch den Prozess erforderlich geworden. Zwar mag das Gebäude sonst durch die Baugenehmigungsbehörde nicht beanstandet worden sein, die Einhaltung der Brandschutzvorschriften liegt jedoch zuallererst im ureigenen Interesse des Bauherrn und erst in zweiter Linie im Interesse des gegen das Gebäude vorgehenden Nachbarn.
2) Das Gutachten des Privatsachverständigen Ulrich diente nach den Ausführungen des Beklagten zu 1) der Vorbereitung des Gutachtens von … durch die Durchführung einer Ortsbesichtigung, diese Kosten sind daher ebenfalls nicht erstattungsfähig.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.