Zivil- und Zivilprozessrecht

Kosten des Rechtsstreits

Aktenzeichen  12 HK O 2773/16

Datum:
25.10.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 58731
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 92 Abs. 2 Nr, 1, § 101, § 709

 

Leitsatz

1. Ein Vertrauensverlust könnte dann entstehen, wenn eine Nachbesserung kategorisch abgelehnt worden wäre. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einen Arbeitgeber trifft eine Fürsorgepflicht bei möglichen Gesundheitsgefahren für seine Mitarbeiter, die durch Abbau und Einlagerung der Möbel deren Lack enthaltene Formaldehydanteil ausdampft, nur vorläufig beseitigt sind.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 150.737,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2015 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich die Kosten der Nebenintervention sowie einschließlich der Kosten für das Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht München I, Az. 12HK OH 18767/15.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die gelieferten Möbel.
Die Beklagte ist nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.
1. Die Beklagte hat einen Mangel der Möbel nicht nachweisen können.
Für die Mangelhaftigkeit der Kaufsache ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
a. Untersuchungsbericht vom 23.11.2016 (Anlage B 16):
Der von der Beklagten beauftragte Privatsachverständige Mier hat eine Untersuchung der seit 07.10.2015 in Stretchfolie eingewickelten und eingelagerten Möbelteile vorgenommen. Dabei stellte er erhöhte Werte an Formaldehyd und flüchtigen organischen Stoffen fest. Diese Feststellungen beruhten auf der Raumluftmessung in der Garage sowie der Luftprobenabnahmen unter der Stretchfolie. Diese Untersuchung war jedoch, worauf der gerichtliche Sachverständige hingewiesen hat, methodisch falsch und damit für einen Beweis untauglich. Dies folgt zum einen daraus, dass die Raumluft in einer Garage nicht verglichen werden kann mit der Raumluft im Büro, bei dem die Möbel ausgepackt stehen und regelmäßig gelüftet wird. Zum Anderen beruht dies auf der Tatsache, dass die Probeentnahme an den Möbeln direkt unterhalb der Stretchfolie, die eine Ausgasung wenn nicht verhindert so doch wesentlich verlangsamt hat durchgeführt wurde; in diesem Zusammenhang relativierte der Sachverständige M. seine Feststellungen sogar selbst, indem er eine Übertragung der Ergebnisse auf eine normale Nutzung in Büroräumen „nur sehr eingeschränkt“ für möglich erachtete. Damit können anhand dieser methodisch falschen Messmethoden keine Nachweise geführt werden.
b. Sachverständigengutachten vom 06.11.2017 und 23.05.2018
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat die Möbelteile in einer Emissionsprüfkammer und in einer Emissionsprüfzelle gemessen.
aa. Pulverbeschichtete Teile
Insoweit stellte der Sachverständige kein Formaldehyd fest und sehr geringe VOC-Emissionen.
bb. Nasslackierte Teile
Auch insoweit stellte der Sachverständige kein Formaldehyd fest und teilte mit, dass der im Lack enthaltene Formaldehydanteil ausdampft. Darüber hinaus vom Sachverständigen festgestellten chemischen Bestandteile erreichen die Orientierungswerte teilweise nicht. Soweit Orientierungswerte teilweise überschritten werden, hält es der Sachverständige jedoch nicht für möglich, von diesen Werten eine seriöse Rückrechnung auf den 28.09.2015 durchzuführen. Damit war es der Beklagten auch mit dem gerichtlichen Sachverständigen nicht gelungen, einen Bestand an erhöhten gesundheitsgefährdenden Stoffen oberhalb der Grenzen bzw. Orientierungswerte zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nachzuweisen. Aus diesem Grunde sind die von der Beklagten zuletzt gestellten Fragen (Bl. 183) an den Sachverständigen mit Hinweisbeschluss vom 01.08.2018 (Bl. 193 d. A.) für unzulässig erachtet worden. An dieser Einschätzung ändert sich nichts, so dass es bei den Feststellungen des Sachverständigen verbleibt, dass er eine Rückrechnung seriös nicht durchführen kann.
c. Gesundheitsbeeinträchtigungen
Die Beklagte hat Atteste ihrer Mitarbeiter vorgelegt, die verschiedene Symptome nach Auslieferung der Möbel beschreiben. Die von der Beklagten beantragte Einvernahme der Zeugen zu diesen Symptomen (Bl. 26) ist jedoch entbehrlich, da eine solche zwei Jahre nach Auslieferung der Möbel keine weiteren über die vorliegenden schriftlichen Atteste hinausgehenden Erkenntnisse liefern würde. Zudem würde eine Einvernahme der Zeugen sowie eine Auswertung der Atteste einen Nachweis der Mangelhaftigkeit der Möbel nicht ermöglichen, denn die vorgetragenen Gesundheitsbeschwerden können allenfalls als mittelbares Indiz dafür dienen, dass die Möbel mit Schadstoffen oberhalb der Grenz- und Orientierungswerte belastet waren, jedoch einen Nachweis hierfür nicht erbringen.
2. Frist zur Nachbesserung
Die Beklagte hat am 06.10.2015 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, ohne der Klägerin eine Frist zur Nachbesserung einzuräumen. Eine solche Frist wäre schon aus tatsächlichen Gründen vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch nach der Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen die Emissionen mit der Zeit abnehmen, insbesondere was das Formaldehyd aus den Lacken betrifft, erforderlich gewesen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Fristsetzung nicht entbehrlich. Zwar trifft die Beklagte eine Fürsorgepflicht bei möglichen Gesundheitsgefahren für ihre Mitarbeiter, weshalb sie dann auch am 07.10.2015 die Möbel abgebaut und eingelagert hat. Dies hinderte die Beklagte jedoch nicht, der Klägerin eine Frist zur Nachlieferung zu setzen, denn die Gesundheitsgefahren für die Mitarbeiter waren damit jedenfalls vorläufig beseitigt. Eine Fristsetzung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin selbst zum Ortstermin am 05.10.2015 nicht durch einen eigenen Mitarbeiter vertreten war, sondern ein Mitarbeiter der Streithelferin diesen Termin wahrgenommen hat. Denn dies bedeutete nicht, dass die Klägerin von vornherein eine Nachbesserung abgelehnt hätte. Schließlich kann auch ein behaupteter Vertrauensverlust eine Fristsetzung nicht entbehrlich machen, denn verlorenes Vertrauen könnte allenfalls dadurch entstanden sein, dass die Klägerin eine Nachbesserung kategorisch abgelehnt hätte, was sie jedoch nicht getan hat.
Somit scheitert ein Rücktrittsrecht der Klägerin wegen Sachmängelhaftung jedenfalls an der unterbliebenen Nachfristsetzung. Die Beklagte hat somit den unstreitig noch offenen Kaufpreisanteil von 150.737,18 € an die Klägerin zu bezahlen.
II. Montagekosten
Die Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten Montagekosten in Höhe von € 2.040,85 bestritten. Die Klägerin hat hierauf nicht weiter vorgetragen und insbesondere die abgerechneten Stunden nicht näher aufgeschlüsselt.
Daher war die Klage insoweit abzuweisen.
III. Nebenforderungen
1. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr, 1, 101 ZPO.
Zu den Kosten des Rechtsstreits gehören sowohl die Kosten der Nebenintervention gemäß § 101 ZPO als auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 12 HK OH 18767/15. Denn das selbständige Beweisverfahren betraf den identischen Sachverhalt und die identischen Parteien und ist daher als Teil der Verfahrenskosten anzusehen.
Keinen Nachweis hat die Klägerin für vorgerichtliche Mahnauslagen erbracht, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war.
Auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin trotz Bestreitens nicht näher vorgetragen, insbesondere nichts zum Inhalt der Beauftragung und der ausgeübten Tätigkeit. Auch hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass diese Gebühren ihr gegenüber abgerechnet worden seien.
Somit ist auch insoweit die Klage abzuweisen gewesen.
2. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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