Zivil- und Zivilprozessrecht

Vertrauensschadensversicherung der Notarkammern: Anspruch der Berufshaftpflichtversicherung eines pflichtwidrig handelnden Notars auf Aufwendungsersatz; Ausschlussfristregelung für die Geltendmachung von Schäden

Aktenzeichen  IV ZR 180/10

Datum:
20.7.2011
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 19a Abs 2 S 2 BNotO
§ 19a Abs 2 S 4 BNotO
§ 67 Abs 3 Nr 3 BNotO
§ 9 AGBG
§ 307 BGB vom 02.01.2002
§ 4 Nr 2 ABV
Spruchkörper:
4. Zivilsenat

Leitsatz

1.
Der nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO vorleistende Berufshaftpflichtversicherer kann seine Aufwendungen im Falle wissentlicher Pflichtverletzung des Notars gemäß § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO nur vom Vertrauensschadenversicherer, jedoch nicht von der Notarkammer ersetzt verlangen .
2. Die in § 4 Ziff. 2 der Bedingungen der Vertrauensschadenversicherungsverträge der Notarkammern für die Geltendmachung von Schäden bestimmte Ausschlussfrist von vier Jahren ist wirksam. Der Versicherer kann sich auf die Fristversäumnis jedoch nicht berufen, wenn diese unverschuldet ist .

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 14. Juli 2010, Az: 4 U 22/10, Urteilvorgehend LG Frankfurt, 19. Januar 2010, Az: 2-17 O 110/09

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main  4. Zivilsenat  vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin, die als ehemaliger Berufshaftpflichtversicherer des Notars W.         wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Notars eine Leistung an die Geschädigte erbracht hat, verlangt von der Beklagten zu 1 als Notarkammer und von der Beklagten zu 2 als Vertrauensschadenversicherer die Erstattung des gezahlten Betrages nebst Zinsen ab dem Zeitpunkt ihrer Leistung an die Geschädigte, von der Beklagten zu 1 hilfsweise treuhänderische Einziehung und Auskehrung.
2
In dem zwischen den beiden Beklagten geschlossenen Vertrauensschaden-Versicherungsvertrag (im Folgenden: AVB) finden sich die folgenden Regelungen:
Ҥ 1 VI.
Eine Leistung erfolgt nur, wenn und soweit der Schaden nicht auf andere Weise gedeckt ist. Eine anderweitige Deckung besteht insbesondere, wenn und soweit durchsetzbare Ansprüche gegen die Vertrauensperson oder Dritte oder Mittel aus Versicherungsleistungen zur Verfügung stehen. (…)
§ 4 Ausschlüsse
Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,
1. (…)
2. die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden; ist ein bestimmter Einzelschaden oder Teilbetrag eines Schadens durch mehrere vorsätzliche unerlaubte Handlungen der Vertrauensperson verursacht worden, so beginnt der Lauf der Nachhaftungsfrist mit der letzten für diesen Einzelschaden oder Teilbetrag eines Schadens ursächlichen, vorsätzlichen unerlaubten Handlung. Hat eine Vertrauensperson einen Schaden in mehreren Teilbeträgen verursacht so ist nur der innerhalb der Nachhaftungsfrist verursachte Schadenteilbetrag gedeckt,
3. (…)”
3
Der Notar wurde von einer Bank wegen einer im Jahr 2001 erfolgten Verletzung von Treuhandweisungen bei Abwicklung eines Grundstücksgeschäfts auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Den Schaden meldete die Geschädigte erstmals mit an die Beklagte zu 1 gerichtetem Anwaltsschreiben vom 12. April 2006. Nach rechtskräftiger Verurteilung des Notars zur Zahlung von 89.944,92 € nebst Zinsen machte die Geschädigte die Schadensersatzforderung gegenüber der Klägerin geltend, die den Betrag am 30. Oktober 2008 an sie auskehrte. Zuvor war im erfolglosen Deckungsprozess des Notars gegen die Klägerin festgestellt worden, dass der Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung verursacht worden war. Der Vertrauensschadenfonds der Notarkammern (heute: “Notarversicherungsfonds”) lehnte eine Erstattung der Vorleistung mit Schreiben vom 27. März 2009 unter Verweis auf die Versäumung der Vierjahresfrist für die Schadenmeldung und auf die Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme des Notars ab.
4
Die Klägerin meint, die Beklagten seien gesamtschuldnerisch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO zur Erstattung ihrer Aufwendungen in Höhe des an die Geschädigte gezahlten Betrages verpflichtet. Die Beklagten berufen sich auf die Ausschlussfrist in § 4 Ziff. 2 AVB und die Subsidiaritätsklausel in § 1 VI AVB.
5
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen, die Klage gegen die Beklagte zu 1 hingegen im Hauptantrag überwiegend als begründet angesehen. Auf die Berufung der Klägerin und der Beklagten zu 1 hat das Berufungsgericht die Beklagte zu 2 zur Erstattung von 89.944,92 € nebst Zinsen und die Beklagte zu 1 auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Einziehung und Auskehrung der Versicherungsleistung verurteilt.
6
Hiergegen richten sich die Revision der Klägerin, die eine weitergehende Verurteilung der Beklagten zu 1) erreichen will, und die Revision der beiden Beklagten.

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