Aktenzeichen 7 U 1373/19
Leitsatz
Bei unklaren oder ergänzungsbedürftigen Angaben in einem Wiedereinsetzungsgesuch darf das Gericht darf das Gericht das Gesuch zurückweisen, ohne dem Antragsteller zuvor Gelegenheit zur Ergänzung seines Vorbringens zu geben. (Rn. 14 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
29 O 7932/18 2019-02-15 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin vom 11.06.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15.02.2019, Aktenzeichen 29 O 7932/18, wird verworfen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 20.156,31 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Durch Urteil des Landgerichts München I vom 15.02.2019, Az: 29 O 7932/18, wurde die Klage, mit der die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen der Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebs aufgrund Wasserschadens geltend machte, abgewiesen. Gegen die dem Klägervertreter am 22.02.2019 zugestellte Entscheidung hat dieser mit (unterzeichnetem) Schriftsatz vom 22. März 2019 (eingegangen per Fax am 22.03.2019, vgl. Bl. 58/59 d.A.) Berufung eingelegt.
Mit (unterzeichnetem) Schriftsatz vom 22. März 2019 (richtig wohl: April), eingegangen per Fax am 23.04.2019, beantragte der Klägervertreter die Fristverlängerung für die Berufungsbegründung um einen Monat bis 23.05.2019 (vgl. Bl. 62/63 d.A.).
Durch Verfügung des Senats vom 25.04.2019 wurde die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert bis 23.05.2019 (vgl. Bl. 64 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 23.05.2019, eingegangen per Fax am selben Tag beim Berufungsgericht, erfolgte die Berufungsbegründung. Das Fax war nicht unterzeichnet und wies auch keinen Vermerk über eine Abschrift o.ä. auf (vgl. Bl. 65/ 71 d.A.).
Das unterzeichnete Original des Berufungsbegründungsschriftsatzes ging bei Gericht am 24.05.2019 ein, ebenso eine (durch Unterschrift des Klägervertreters) „beglaubigte Abschrift“ sowie eine nicht unterzeichnete „Abschrift“, beide letztgenannten Schriftsätze waren auf dem jeweiligen Deckblatt mittels Stempel als „beglaubigte Abschrift“ bzw. „Abschrift“ gekennzeichnet.
Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 27.05.2019 (vgl. Bl. 72 d.a.) wurden die Parteivertreter darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht die Berufung für unzulässig hält, da das Fax der Berufungsbegründung, das fristgerecht eingegangen sei, nicht von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sei, das Original zwar unterzeichnet, jedoch nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 19.06.2019 gewährt.
Mit Schriftsatz vom 11.06.2019 (eingegangen am selben Tag) beantragte der Klägervertreter Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Der Klägervertreter stützt sich in seinem Antrag maßgeblich auf ein Versagen der Mitarbeiterin bei der Versendung des nicht unterzeichneten Schriftsatzes per Fax an das Gericht. Ergänzend wird auf die Begründung im Schriftsatz vom 11.06.2019 sowie die beigefügten eidesstattlichen Versicherungen des Rechtsanwalts und von Frau G. A. Bezug genommen.
Eine Stellungnahme der Beklagtenpartei erfolgte nicht.
II.
Dem Antrag der Klagepartei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu entsprechen. Dies hat zur Folge, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I wegen Versäumen der Berufungsbegründungsfrist gem. §§ 522 Abs. 1, 520 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist.
Die Berufungsbegründungsfrist bezüglich des der Klagepartei am 22.02.2019 zugestellten Urteils endete nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gem. § 520 Abs. 2 ZPO am 23.05.2019. Diese Frist hat der Klägervertreter durch Einreichen des unterzeichneten Originalschriftsatzes am 24.05.2019 nicht eingehalten, da der Schriftsatz erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen ist.
Der bei Gericht am 23.05.2019 per Fax eingegangene, allerdings nicht unterzeichnete Berufungsbegründungsschriftsatz ist zur Fristwahrung nicht geeignet. Gem. §§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO ist bei der Übermittlung vorbereitender Schriftsätze durch Telefax erforderlich, dass die Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person in der (Tele-)Kopie wiedergegeben wird (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 130 Rdnr. 18 a; § 520 Rdnr. 8). Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen. Bei Gericht ging per Telefax ein Berufungsbegründungsschriftsatz ein, der eine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten und Verantwortlichen für den Inhalt nicht aufweist. Dieser übermittelte Schriftsatz enthält auch keine Kennzeichnung als beglaubigte Abschrift mit beglaubigender Unterschrift.
Damit fehlt es vorliegend an einer innerhalb der gesetzlichen Frist begründeten Berufung, mit der Folge, dass die Berufung gem. § 520 Abs. 1 S. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist. Dies auch deshalb, weil der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren und ihr entsprechender Antrag zurückzuweisen war.
Zwar stellt die Berufungsbegründungsfrist keine Notfrist (§ 224 Abs. 1 S. 2 ZPO) dar, gegen ihre Versäumung ist aber gleichwohl Wiedereinsetzung nach § 233 Abs. 1 S. 1 ZPO möglich. Danach ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden verhindert war die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren. Voraussetzung ist, dass der Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme der Prozesshandlung gehindert war und dies von ihm hinreichend glaubhaft gemacht wird.
Im vorliegenden Fall fehlt es hieran jedoch. Der Klägervertreter trägt zum Geschehensablauf und zur Darstellung des fehlenden Verschuldens u.a. wie folgt vor: „Die Mitarbeiterin des Unterfertigten hat, … einen nicht unterschriebenen Ausdruck des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 23.05.2019 per Telefax an das Gericht übermittelt und am gleichen Tag den unterschriebenen Berufungsbegründungsschriftsatz vom 23.05.2019 per Post übersandt. Dieser ist dann auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen. Die Mitarbeiterin des Unterfertigten hat insoweit gegen die eindeutige Anweisung verstoßen, bei Absendung von Schriftsätzen an das Gericht per Telefax vorab nochmals zu überprüfen, dass der unterzeichnete Schriftsatz per Fax übermittelt wird. Insoweit liegt ein Versehen der Mitarbeiterin des Unterfertigen vor.“
Und im Weiteren: „Ergänzend ist insoweit noch hinzuzufügen, dass die Schriftsätze in der Unterschriftenmappe jeweils dem Unterfertigten zur Unterzeichnung vorgelegt werden und dass dieser nach Unterzeichnung der Schriftsätze die Unterschriftenmappe der jeweils zuständigen Mitarbeiterin mit dem Auftrag aushändigt, den von ihm unterzeichneten Schriftsatz per Fax abzusenden. Von dem Unterfertigten werden hierbei zunächst das Aktenzeichen und die Telefaxnummer und nach Absendung des Schriftsatzes der Sendebericht überprüft. Aus dem in Fotokopie beigefügten Sendebericht ergibt sich, dass der Schriftsatz am 23.05.2019 unter der Telefaxnummer … bei Gericht eingegangen ist.
Ferner ist noch darauf hinzuweisen, dass bislang noch kein nicht unterzeichneter Schriftsatz von der ansonsten sehr sorgfältig und gewissenhaft arbeitenden Mitarbeiterin des Unterfertigten per Fax übersandt wurde und dass dies der erste Fall ist, bei welchem ein nicht unterzeichneter Schriftsatz per Fax übermittelt wurde.“
Der Klägervertreter übermittelte mit dem o.g. Schriftsatz eine eidesstattliche Versicherung von Frau G. A. sowie eine von ihm selbst unterzeichnete eidesstattliche Versicherung.
Eine Beifügung der im Schriftsatz genannten Fotokopie des Sendeberichts erfolgte jedoch nicht.
Insgesamt sind der vom Klägervertreter geschilderte Sachvortrag hinsichtlich der Fristversäumnis und die eidesstattlichen Versicherungen nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden hinreichend darzutun und glaubhaft zu machen.
Ob ein Verschulden der Partei oder ihres Vertreters vorliegt, ist nach dem objektiv – abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen. Maßgeblich ist die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei. Bei dem einer Partei nach § 85 ZPO zuzurechnenden anwaltlichem Verschulden ist in der Regel die übliche, also berufsbedingt strenge Sorgfalt vorauszusetzen, so dass insoweit regelmäßig eine Fristversäumung verschuldet ist, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre. Der Prozessbevollmächtigte muss bei der Fristwahrung den sicheren Weg gehen.
Die Schilderung der konkreten Umstände, die zur Fristversäumung führten, d.h. vorliegend zur Übersendung eines nicht unterzeichneten Schriftsatzes per Fax, ist nicht schlüssig und nachvollziehbar. Hierzu wird nicht ausreichend vorgetragen. Nicht erläutert wird, wie und aufgrund welcher Umstände es im vorliegenden Fall zur Übersendung eines nicht unterzeichneten Schriftsatzes per Fax hat kommen können. Der Klägervertreter macht insbesondere Angaben zum üblichen Verfahren und dazu, dass er seine Mitarbeiterin angewiesen habe, vor Übermittlung per Fax die Unterschrift zu überprüfen. Eine Schilderung des konkreten Sachverhalts unterbleibt ebenso, wie eine Erklärung dahingehend wann und wem gegenüber eine Anweisung zur Kontrolle der Unterschrift vor Versendung per Telefax konkret gegeben wurde.
Hinzu kommt, dass die eidesstattliche Versicherung von G. A. hierzu bzw. zum geschilderten Geschehen im Widerspruch steht und außerdem so nicht zur Glaubhaftmachung geeignet ist. Erstens muss die Versicherung an Eides statt eine eigene Darstellung der glaubhaft zu machenden Tatsachen enthalten und darf sich nicht in einer Bezugnahme auf Angaben oder Schriftsätze Dritter (z.B. Rechtsanwälte) erschöpfen (vgl. Zöller a.a.O. § 294 Rdnr. 4). So liegt es aber hier. Die die eidesstattliche Versicherung unterzeichnende G. A., die zudem namentlich weder im Anwaltsschriftsatz noch in der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts als die Mitarbeiterin genannt ist, die die Übersendung veranlasst hat und die konkret entsprechend instruiert worden sein soll, macht überwiegend keine eigenen Angaben, sondern bezieht sich pauschal auf den Inhalt des Schriftsatzes und der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts. Dies ist nicht ausreichend. Zweitens gibt sie an, versehentlich eine „nicht unterzeichnete Ausfertigung“ per Fax übermittelt zu haben. Festzuhalten ist jedoch, dass der per Fax übermittelte, nicht unterzeichnete Schriftsatz keinen Ausfertigungsstempel aufweist – wie allerdings die dann per Post übermittelten Schriftsätze. Dies hätte jedoch, wenn das Verfahren so abgelaufen wäre, wie es der Klägervertreter in seiner eidesstattlichen Versicherung als übliches Verfahren schildert, erfolgen müssen. Danach werden die korrigierten Schriftsätze mit sämtlichen (!) Abschriften in einer Unterschriftenmappe dem Rechtsanwalt vorgelegt. Die Originalschriftsätze sowie die beglaubigten Abschriften werden von ihm unterzeichnet und in der Unterschriftenmappe der Mitarbeiterin mit der ausdrücklichen Anweisung übergeben, die unterzeichneten Schreiben zu versenden. Wie es im vorliegenden Fall dazu hat kommen können, dass ein Schriftsatz ohne Unterschrift und ohne den Aufdruck beglaubigte Abschrift bzw. Abschrift versandt wurde, ergibt sich aus dem Klägervortrag, aber auch aus den eidesstattlichen Versicherungen nicht. Zumal Frau G. A. in ihrer eidesstattlichen Versicherung von der Versendung einer nicht unterzeichneten Ausfertigung spricht. Auch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts selbst erschöpft sich bei der Verfahrensschilderung im Wesentlichen darin, das übliche Verfahren darzulegen, d.h. wie die Unterzeichnung und Versendung von Schriftsätzen im Allgemeinen erfolgt. Wie es im vorliegenden Fall zur Übersendung eines nicht unterzeichneten Schriftsatzes ohne den Ausfertigungsstempel kommen konnte, wird nicht geschildert.
Da damit bereits der Sachverhalt, aufgrund dessen es zur Fristversäumnis, d.h. zur Übermittlung eines nicht unterzeichneten Schriftsatzes an das Gericht unklar ist, kann auch die Exkulpation durch den Rechtsanwalt nicht gelingen. Wobei zu Letzterem festzuhalten bleibt, dass konkrete Angaben dazu, dass es sich bei der (nicht namentlich genannten) Mitarbeiterin, die die Versendung im vorliegenden Fall veranlasst hat, um Frau G. A. gehandelt hat und wann diese in behaupteter Weise instruiert worden ist, fehlen.
Da der Klägervertreter – entgegen seiner Ankündigung – einen Sendebericht über den vorliegend per Fax übermittelten Schriftsatz nicht vorgelegt hat, kann hierauf nicht eingegangen werden. Dass der Sendebericht einen Zugang bei Gericht am 23.05.2019 an die genannte Faxnummer dokumentiert, kann angesichts des Eingangsstempels und des Aufdrucks beim Faxeingang des OLG München um 16.46 Uhr bestätigt werden. Weiteres aber auch nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren stützt sich auf den Betrag, den die Klagepartei mit ihrer Berufung weiterhin geltend macht, § 3 ZPO.
7 U 1373/19 Verfügung
1. Beschluss vom 16.07.2019 hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin …
Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten
2. Schlussbehandlung