Aktenzeichen 1 AZR 787/16
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Bochum, 22. Juli 2015, Az: 3 Ca 611/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 2. Juni 2016, Az: 11 Sa 1344/15, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Juni 2016 – 11 Sa 1344/15 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 22. Juli 2015 – 3 Ca 611/15 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Der Antrag der Beklagten vom 18. Januar 2017 wird abgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten 1. und 2. Instanz zu tragen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über eine Zahlung nach einem Sozialplan.
2
Der im Februar 1959 geborene Kläger ist schwerbehinderter Mensch und war bei der Beklagten am Produktionsstandort B beschäftigt. Wegen dessen beabsichtigter Schließung vereinbarte die Beklagte am 12. Juni 2014 mit der zuständigen Gewerkschaft einen Sozialtarifvertrag (STV) und einigte sich am 25. Juni 2014 mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan (SP). Dieser erstreckt nach seiner Nr. 1 den Inhalt des in Abschn. C. des STV geregelten Sozialplans auf die Arbeitsverhältnisse aller Betriebsangehörigen. Nach Abschn. H. des STV werden dessen Abfindungsansprüche auf solche nach einem betrieblichen Sozialplan angerechnet und Doppelansprüche ausgeschlossen.
3
Beide Vereinbarungen sehen für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1949 bis 1959 ein individuelles Angebot zum Ausscheiden zum 31. Dezember 2014 gegen Zahlung einer Abfindung vor. Das Abfindungsangebot ist gemäß Nr. 1 SP, Abschn. C. Ziff. 2.6 STV so zu bemessen, dass es „unter Anrechnung von Arbeitslosengeld 1 und Bezügen aus der O Altersversorgung“ ab dem 60. Lebensjahr eine Absicherung iHv. 80 % des zuletzt bezogenen Nettomonatseinkommens im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum frühestmöglichen Wechsel in die gesetzliche Rente sicherstellt (sog. „Nettoabsicherung“). Der sich für den abzusichernden Zeitraum ergebende Gesamtbetrag zuzüglich der Aufwendungspauschale für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung ist unter Zuhilfenahme der dem Arbeitgeber bekannten und angezeigten Steuermerkmale auf eine Bruttosumme hochzurechnen (sog. „Bruttoisierung“). Nr. 1 SP, Abschn. C. Ziff. 4.1 und 4.6 STV legen fest, dass es sich bei dem mit Abschluss des Aufhebungsvertrags entstehenden Abfindungsanspruch um einen Bruttobetrag handelt, der unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen mit der Gehaltsabrechnung für Januar 2015 abzurechnen und auszuzahlen ist.
4
Der Berechnung des Abfindungsangebots legte die Beklagte den 1. Mai 2020 zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger erstmals eine vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 2014 endete, zahlte die Beklagte eine Bruttoabfindung iHv. 123.000,00 Euro.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Abschn. C. Ziff. 2.6 STV benachteilige ihn wegen seiner Schwerbehinderung. Nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer des identischen Geburtsjahrgangs erhielten eine höhere Abfindung, da sie drei Jahre später als er erstmals in die gesetzliche Rente wechseln könnten. Zur Vermeidung einer mittelbaren Diskriminierung wegen Behinderung sei er nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. Dezember 2012 (- C-152/11 – [Odar]) wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer zu behandeln.
6
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.878,96 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2015 zu zahlen.
7
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
8
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Nach der Zustellung des Urteils hat die Beklagte den ausgeurteilten Zahlbetrag nebst Zinsen „bruttoisiert“ und am 1. September 2015 an den Kläger gezahlt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zahlungsverurteilung ohne den Zusatz „netto“ erfolge. Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt und darüber hinaus für den Fall ihres Obsiegens „in der vorliegenden Instanz“ die Rückzahlung des ausgezahlten Betrags iHv. 92.603,24 Euro beantragt.