Familienrecht

Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Elternteils

Aktenzeichen  III R 67/13

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2016:U.150616.IIIR67.13.0
Normen:
§ 32 Abs 1 EStG 2009
§ 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2009
§ 63 Abs 1 EStG 2009
§ 64 Abs 2 S 1 EStG 2009
Art 67 EGV 883/2004
Art 60 Abs 1 EGV 987/2009
EStG VZ 2012
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

NV: Ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebender Elternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er sein Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Anschluss an Senatsurteil vom 10. März 2016 III R 62/12, BFHE 253, 236, BStBl II 2016, 616).

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 27. Mai 2013, Az: 16 K 4052/12 Kg, Gerichtsbescheid

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2013  16 K 4052/12 Kg aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist der Vater einer im Jahre 2002 geborenen Tochter (T), die mit ihrer Mutter seit September 2008 in Frankreich wohnte. Vorher lebte die nicht mit dem Kläger verheiratete Mutter in Deutschland und bezog bis September 2008 deutsches Kindergeld. In Frankreich erhielt die Mutter kein Kindergeld, weil dieses dort erst ab dem zweiten Kind gewährt wird.
2
Der Kläger bezog zunächst ab Oktober 2008 Kindergeld. Mit Bescheid vom 4. Mai 2012 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger ab Juni 2012 gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Begründung auf, die Mutter sei nach § 64 EStG vorrangig kindergeldberechtigt.
3
Der gegen den Aufhebungsbescheid gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2012).
4
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob den Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Es war der Ansicht, der Anspruch auf Kindergeld stehe auch ab Juni 2012 dem Kläger und nicht der in Frankreich lebenden Kindsmutter zu. Aus den Art. 67, 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit –VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung)– (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– 2004 Nr. L 166, S. 1) sowie aus Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der dazu ergangenen Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit –VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung)– (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) ergebe sich nicht, dass der Anspruch auf Kindergeld vorrangig der Kindsmutter zustehe.
5
Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Familienkasse, mit der sie eine unzutreffende Auslegung von § 64 EStG und damit eine Verletzung von Bundesrecht geltend macht. Die Kindsmutter sei vorrangig kindergeldberechtigt, denn es sei gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 zu unterstellen, dass sie mit dem Kind in Deutschland lebt.
6
Die Familienkasse beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8
Durch Beschluss vom 11. September 2014 hat der zuvor zuständige VI. Senat des Bundesfinanzhofs das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen vom 8. Mai 2014 III R 17/13 (BFHE 245, 522, BStBl II 2015, 329) ausgesetzt. Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 1190) in der Rechtssache Trapkowski über die Vorlagefragen entschieden.

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