Aktenzeichen AN 11 K 17.01405
AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4
EMRK Art. 8 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
1. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 5. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO) sowie auf den vorgenannten Prozesskostenhilfebeschluss und ergänzend ausgeführt:
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und der Befristungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – BVerwGE 157, 325).
1. Die vom Kläger angefochtene Ausweisung ist rechtmäßig.
a) Die Beklagte hat die verfügte Ausweisung zu Recht auf § 53 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gestützt. Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses (§ 54 AufenthG) mit seinem privaten Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) ist das Verwaltungsgericht der Überzeugung, dass hier das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung auch nicht gegen höherrangige Normen verstößt. Mangels Rechtsstellung als Flüchtling bzw. subsidiär Schutzberechtigter findet der besondere Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3a bzw. 3b AufenthG keine Anwendung.
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dabei sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und die Tatsache, ob sich der Ausländer rechts-treu verhalten hat, zu berücksichtigen. Bei dieser Beurteilung müssen die Behörden sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. EuGH, U.v. 22.12.2010 – Bozkurt, C-303/08 – juris Rn. 57 ff. m.w.N.; U.v. 8.12.2011 – Ziebell, C-371/08 – NVwZ 2012, 422 Rn. 82). Dabei sind auch nach der Ausweisungsverfügung eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können (EuGH, U.v. 11.11.2004 – Cetinkaya, C-467/02 – juris Rn. 47, EuGH, U.v. 8.12.2011 – a.a.O. Rn. 84).
Auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid wird Bezug genommen; im gerichtlichen Verfahren wurde nichts vorgetragen bzw. hinreichend dargelegt, was eine andere Beurteilung rechtfertigen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass sich auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Recht (allein) mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21/18 – InfAuslR 2019, 381; U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – BVerwGE 162, 349 Rn. 16). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – BVerfGE 69, 220, juris Rn. 24).
aa) Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG. Die Beklagte hat die Ausweisung auf generalpräventive Gründe gestützt, dies ist vorliegend nicht zu beanstanden. Auch generalpräventive Gründe können ein Ausweisungsinteresse begründen; dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten auch bereits aus dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG. Diese grundlegende Norm des neuen Ausweisungsrechts verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer „Aufenthalt“ eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann aber auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen. Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG unterscheidet sich insoweit ausdrücklich von dem des § 53 Abs. 3 AufenthG, der für bestimmte ausländerrechtlich privilegierte Personengruppen verlangt, dass das „persönliche Verhalten des Betroffenen“ eine schwerwiegende Gefahr darstellt. Der Gesetzgeber hat zudem in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des Ausweisungsrechts – in Anknüpfung an die seit § 10 AuslG a.F. (1965) ununterbrochen bestehende Rechtslage – ausdrücklich die Maßgeblichkeit generalpräventiver Erwägungen unterstrichen (vgl. BT-Drs 18/4097, S. 49), soweit nicht die in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten Personengruppen, zu denen der Kläger nicht gehört, betroffen sind. Angesichts dieses klar zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens, an der Möglichkeit einer generalpräventiv begründeten Ausweisung entsprechend der bisherigen Rechtslage festzuhalten, besteht kein Anlass daran zu zweifeln, dass auch nach dem derzeitigen Ausweisungsrecht eine general-präventive Ausweisung rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – BVerwGE 162, 349; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 19.9.2016 – 19 CS 15.1600 – juris Rn. 34). Dem Gedanken der Generalprävention liegt, wie dargelegt, zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Der Kläger zählt nicht zu den durch § 53 Abs. 3, 3a und 3b AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist, auch sein Asylverfahren ist zwischenzeitlich rechtskräftig negativ abgeschlossen (§ 53 Abs. 4 AufenthG; danach kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, grundsätzlich nur unter der angeführten Bedingung ausgewiesen werden).
Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass im Fall des Klägers ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vorliegt. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse u.a. schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Mit Urteil des Amtsgerichts … vom 12. Juli 2016 (Bl. 70 ff. der Behördenakte) wurde er zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten (ausgesetzt zur Bewährung) wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt; das Strafgericht ging dabei von einem minderschweren Fall aus. Zum Sachverhalt ist u.a. ausgeführt, dass der Kläger den Vorfall eingeräumt habe; er habe sich geärgert gehabt, dass der Wasserspender nicht gelaufen sei und zunächst eine Plastikflasche in den Raum geworfen, dann habe er aus ihm nicht mehr nachvollziehbaren Gründen einen Stuhl genommen und diesen ebenfalls in den Raum geworfen. Dass dort eine Vielzahl von Personen anwesend gewesen sei, habe er zwar registriert, dies habe ihn aber aufgrund seiner Trunkenheit nicht an seinem Tun gehindert. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten ist hier unter Berücksichtigung der gegebenen Einzelfallumstände von keiner Tat auszugehen, die aus einem nicht wiederholbaren Affektzustand heraus begangen wurde (sog. elementar-eruptive Gewalttat; vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2014 – 10 ZB 13.1137 – juris Rn. 4 ff.); allein der Einwand in der mündlichen Verhandlung, es habe sich um eine einmalige alkoholbedingte Entgleisung des Klägers, der keinen Alkohol konsumiere, gehandelt, führt unter Würdigung der aktenkundigen Gesamtumstände, insbesondere auch des Tatgeschehens, insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Der Beklagtenvertreter verwies insoweit darauf, dass der Kläger ausweislich einzeln benannter polizeilicher Berichte für das Jahr 2018 auch im Anschluss an die streitgegenständliche Ausweisung mehrfach in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert habe. Der Kläger räumte auf Nachfrage ein, gelegentlich Alkohol zu konsumieren; auch dies spricht bereits gegen den geltend gemachten, nicht wiederholbaren Affektzustand. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist zudem grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2017 – 10 C 17.1343 – juris Rn. 6; B.v. 5.7.2016 – 10 ZB 14.1402 – juris Rn. 14 m.w.N; NdsOVG, B.v. 20.6.2017 – 13 LA 134/17 – juris Rn. 10 m.w.N. zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.; s. dazu auch Bauer/Dollinger in Berg-mann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 54 Rn. 80 m.w.N.; Tanneberger in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Kommentar, 1.5.2018, AufenthG § 54 Rn. 114 ff.). Die Beklagte hat demnach die vorgenannte gefährliche Körperverletzung in einem minderschweren Fall zu Recht nicht als geringfügigen Verstoß gewertet.
Das generalpräventive Ausweisungsinteresse ist vorliegend auch noch aktuell (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 10 C 20.51 – juris Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigten, dass jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung verliert und ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – FamRZ 2018, 1544, juris Rn. 22 f. zur Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis). Das Aufenthaltsgesetz enthält allerdings keine feste Regeln, wie lange ein bestimmtes Ausweisungsinteresse, wie es etwa in den Tatbeständen des § 54 AufenthG normiert ist, verhaltenslenkende Wirkung entfaltet und einem Ausländer generalpräventiv entgegengehalten werden kann. Eine Heranziehung der in § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Kriterien für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht möglich, da sie an die Ausreise des Ausländers anknüpfen. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung allerdings eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. Diese verfolgen zwar einen anderen Zweck, geben dem mit zunehmendem Zeitabstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen (die an Straftaten anknüpfen) aber einen zeitlichen Rahmen, der nicht nur bei repressiven Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern auch bei der Bewertung des generalpräventiven Ausweisungsinteresses herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden zudem die Tilgungsfristen des § 46 BZRG eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nach § 51 BZRG nicht mehr vorgehalten werden dürfen (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – FamRZ 2018, 1544, juris Rn. 22 ff. m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das generalpräventive Ausweisungsinteresse im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch aktuell. Gefährliche Körperverletzung wird nach § 224 Abs. 1 StGB, mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft.
Nach § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist daher zehn Jahre, wobei die Verjährung am Tag der Tatbeendigung beginnt, § 78a Satz 1 StGB. Nach § 78 Abs. 4 StGB richtet sich die Frist nach der Strafandrohung, ohne Rücksicht auf Milderungen, die für den vorliegend minderschweren Fall vorgesehen sind. In Bezug auf die gefährliche Körperverletzung beginnt die Verjährung daher am 15. März 2016 und endet am 14. März 2026. Ob die Verjährung wegen etwaiger Unterbrechungen (vgl. § 78c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StGB) neu beginnt, kann mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ist jedenfalls noch keine Verjährung eingetreten und damit noch nicht einmal die Untergrenze eines etwaigen Bedeutungsverlustes erreicht. Erst recht liegt die Obergrenze von 20 Jahren in weiter Ferne; nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB beträgt die absolute Verjährungsfrist hier 20 Jahre. Die Straftat des Klägers ist auch noch nicht aus dem Bundeszentralregister getilgt bzw. zu tilgen nach § 51 Abs. 1 BZRG. Die zehnjährige Tilgungsfrist nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BZRG ist offensichtlich noch nicht abgelaufen.
Das Ausweisungsinteresse besteht daher noch.
bb) Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses (§ 54 AufenthG) mit dem privaten Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) des Klägers ist vorliegend davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung auch nicht gegen höherrangige Normen verstößt.
Vorliegend liegt es im dringenden öffentlichen Interesse, die von dem Kläger begangene Tat neben der strafrechtlichen Sanktion mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen, um auf diese Weise andere Ausländer von der Nachahmung eines solchen Verhaltens abzuschrecken. Insbesondere im Hinblick auf die gefährliche Körperverletzung soll Ausländern vor Augen geführt werden, dass derartige Verstöße mit einer Aufenthaltsbeendigung und mit einem damit einhergehenden Aufenthaltsverbot bedacht werden. Diesem Zweck wird durch eine einheitlich verlässliche Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden Rechnung getragen. Die konsequente Ahndung ist geeignet, unmittelbar auf das Verhalten anderer Ausländer einzuwirken und damit künftigen Delikten generalpräventiv vorzubeugen. Nach Aktenlage ist der im Iran aufgewachsene, Farsi sprechende Kläger, dessen Familie mit Ausnahme der vorgenannten Geschwister im Iran lebt, mit 31 Jahren im Jahr 2016 erstmals in das Bundesgebiet zur Durchführung eines Asylverfahrens eingereist, so dass davon auszugehen ist, dass er im Iran familiäre Anknüpfungspunkte hat und auch mit den dortigen Lebensverhältnissen vertraut ist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung insbesondere geltend gemacht hat, er sei Christ und befürchte deshalb eine Inhaftierung im Iran, beruft er sich auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, für dessen Feststellung im Fall des ehemaligen Asylbewerbers aber nicht die beklagte Ausländerbehörde, sondern das Bundesamt zuständig ist (§ 5 Abs. 1, § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Dieses stellte jedoch mit dem o.g. Bescheid vom 17. November 2016 u.a. fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen; das rechtskräftige klageabweisende Urteil (VG Ansbach, U.v. 29.1.2019 – AN 1 K 16.32036 – rechtskräftig seit 3.4.2019) beinhaltet im Übrigen u.a., das Gericht habe nicht die volle Überzeugung gewonnen, dass der Kläger aus ernsthafter, fester Überzeugung im Bundesgebiet zum christlichen Glauben übergetreten sei und für ihn die Ausübung des christlichen Glaubens eine identitätsprägende Bedeutung habe. Das Bundesamt stellte demnach bestandskräftig fest, dass für den Kläger in seinem Heimatstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nicht besteht, die Ausländerbehörde der Beklagten ist nach § 42 Satz 1 AsylG (grundsätzlich) an diese negative Feststellung gebunden; eine eigene Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde kommt daher – auch vorliegend – nicht in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192, juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 10 C 19.2221, 10 CE 19.2227 – juris; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 42 Rn. 2 und 7 AsylG; Pietsch in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.3.2020, AsylG § 42 Rn. 10).
cc) Die Ausweisung erweist sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, das Alter des Ausländers bei Begehung dieser Taten, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, das der Ausländer verlassen soll, die seit Begehung der Straftaten vergangene Zeit und das seitdem gezeigte Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation und gegebenenfalls die Dauer einer Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen, Kinder des Ausländers und deren Alter, das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere auch die Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggf. abgeschoben werden soll, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits als Kriterien heranzuziehen (EGMR, U.v. 25.3.2010 – Mutlag/ Bundesrepublik Nr. 40601/05 – InfAuslR 2010, 325; U.v. 13.10.2011 – Trabelsi/ Bundesrepublik Nr. 41548/06 – juris Rn. 54). Die Heranziehung generalpräventiver Gründe bei einer Ausweisungsentscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83; B.v. 17.1.1979 – 1 BvR 241/77; B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06; B.v. 22.8.2000 – 2 BvR 1363/2000 – juris).
Ausgehend von diesen Maßgaben kann sich der Kläger vorliegend nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung berufen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obige Abwägung und den Bescheid der Beklagten verwiesen. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den dargelegten beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig.
2. Die im Bescheid verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf drei Jahre ab Abschiebung bzw. Ausreise sowie die Gebühr sind ebenfalls rechtmäßig.
Die Befristungsdauer steht nach der Neufassung des § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris), so dass diese Ermessensentscheidung keiner uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sondern – soweit wie hier keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt – eine zu lange Frist lediglich aufgehoben und die Ausländerbehörde zu einer neuen Ermessensentscheidung verpflichtet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – Rn. 54 ff.).
Nach diesen Maßstäben und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten festgesetzte Frist nicht zu lang und daher rechtmäßig. Die Beklagte konnte ihre Ermessensentscheidung aufrechterhalten; durchgreifende Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.