Verwaltungsrecht

Einreise, Abschiebung, Beschwerde, Italien, Bescheid, Ausreise, Anordnung, Justizvollzugsanstalt, Fluchtgefahr, Wirksamkeit, Staatsanwaltschaft, Haftgrund, Haftantrag, Bundespolizei, einstweiligen Anordnung, Anordnung der Haft, sofortige Wirksamkeit

Aktenzeichen  21 T 1715/19

Datum:
3.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41472
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 XIV 201/19 2019-05-17 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt

Tenor

I. Der Antrag der Betroffenen auf Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.05.2019, Az. 2 XIV 201/19, sie in ihren Rechten verletzt hat, wird
zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von RA F. wird
zurückgewiesen.
III. Die Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Betroffene ist nigerianische Staatsangehörige.
Am 13.03.2019 gegen 15.40 Uhr versuchte sie mit dem Zug (Euro-City 80) von Österreich aus kommend nach Deutschland einzureisen. Bei der grenzpolizeilichen Kontrolle auf Höhe Kiefersfelden konnte die Betroffene keine einreise- oder aufenthaltslegitimierenden Dokumente vorweisen (vgl. den polizeilichen Aufgriffsbericht vom 13.03.2019 in der beigezogenen – nicht durchnummerierten Ausländerakte).
Eine Euro-DAC-Recherche ergab einen Treffer für Italien, dort hat die Betroffene am 20.06.2017 einen Asylantrag gestellt (vgl. Blatt 3 d.A.). Der Betroffenen wurde schriftlich die Einreise verweigert (vgl. die Einreiseverweigerung in der nicht paginierten Ausländerakte). Sie wurde am 13.03.2019 als Beschuldigte wegen versuchter unerlaubter Einreise vernommen. Auf die polizeiliche Vernehmung vom 13.03.2019 wird ebenfalls verwiesen (“Beschuldigtenvernehmung“ aus der beigezogenen Ausländerakte).
Mit Schreiben vom 14.03.2019 hatte die beteiligte Behörde zunächst beim Amtsgericht Rosenheim die Anordnung der vorläufigen Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer von 4 Wochen bis zum 09.04.2019 beantragt. Mit Beschluss vom 14.03.2019 hatte zunächst das Amtsgericht Rosenheim gegen die Betroffene die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung bis längstens 09.04.2019 angeordnet.
Die Betroffene befand sich in der Folge zum Vollzug der Haft in der Justizvollzugsanstalt E.
Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht Ingolstadt im Verfahren 2 XIV 136/19 zunächst mit Beschluss vom 05. April 2019 die Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis längstens 10.05.2019 an. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wurde angeordnet. Die Betroffene befand sich nach wie vor in Haft in der Justizvollzugsanstalt E.
Auf weiteren Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht Ingolstadt durch Beschluss vom 09. Mai 2019 weitere Haft bis Ablauf des 23.05.2019 an, auch insoweit wurde die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
Mit Schreiben vom 15.05.2019 (Bl. 1 ff. d.A.) beantragte die beteiligte Behörde, Bundespolizeiinspektion Rosenheim, beim Amtsgericht Ingolstadt die Verlängerung der Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 10.06.2019. Auf die Begründung des Haftantrages (Bl.1/ 9 der Akte) wird verwiesen.
Das Amtsgericht hat durch Verfügung vom 15.05.2019 Anhörungstermin bestimmt auf den 17.05.2019. Zum Termin wurde auch der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen unter Übersendung des Antrages der Beteiligten vom 15.05.2019 geladen. Mit Schriftsatz vom 16.05.2019 teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit, er könne den Termin nicht wahrnehmen, es werde beantragt, den Haftverlängerungsantrag zurückzuweisen. Zur Begründung wurde auf Ausführungen in einem vorgelagerten Verfahren des Amtsgerichts Ingolstadt, 2 XIV 136/19, verwiesen. Die entsprechenden Ausführungen befinden sich in der Beiakte 2 XIV 136/19, dort Bl. 39/41.
Am 17.05.2019 wurde die Betroffene durch die Richterin am Amtsgericht Ingolstadt unter Hinzuziehung einer allgemein beeidigten Dolmetscherin persönlich angehört. Der Antrag der Bundespolizeiinspektion Rosenheim wurde der Betroffenen vor der Anhörung in Kopie ausgehändigt und von der Dolmetscherin übersetzt.
Die Betroffene hat bei der Anhörung angegeben, nicht nach Italien zu wollen, sie hätte hier ein besseres Leben, möchte sich hier niederlassen und arbeiten.
Durch Beschluss vom 17. Mai 2019 ordnete das Amtsgericht Ingolstadt im Verfahren 2 XIV 201/19 die weitere Haft zur Sicherung der Zurückweisung an bis zum Ablauf des 10.06.2019. Auch insoweit wurde die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 27/31) wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 17.05.2019, am gleichen Tage beim Amtsgericht Ingolstadt eingegangen, ließ die Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.05.2019 21 T 1715/19 – Seite 5 – Beschwerde einlegen, weiter wurde die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Gleichzeitig wurde die Feststellung beantragt, dass der angefochtene Beschluss die betroffene in ihren Rechten verletzt hat.
Dem Verfahrensbevollmächtigten RA F. wurde antragsgemäß Akteneinsicht in die Gerichtsakte und auch in die Ausländerakte gewährt (Bl. 33, 36).
Die beteiligte Behörde hat mit Schreiben vom 26.07.2019 zur Beschwerde Stellung genommen.
Eine ergänzende Begründung der Beschwerde erfolgte durch Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 10.10.2019.
Die beteiligte Behörde erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zum ergänzenden Beschwerdevorbringen, teilte aber mit Schreiben vom 20.11.2019 mit, dass hierzu nicht weiter Stellung genommen werden könne.
Durch weiteren Beschluss vom 22. Juli 2019 hatte das Amtsgericht Ingolstadt der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 47 d.A.).
Bereits am 07.06.2019 war die Betroffene nach Italien überstellt worden.
II.
Die ursprünglich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.05.2019 eingelegte Beschwerde wurde durch die zwischenzeitlich erfolgte Überstellung der Betroffenen unzulässig. Der nach § 62 FamFG gestellte Antrag der Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.05.2019 angeordneten Haft ist statthaft und auch insgesamt form- und fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig.
III.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Die Anordnung von Zurückweisungshaft beruhte auf § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Danach soll der Ausländer zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
1. Die Betroffene ist am 13.03.2019 nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. An der deutschösterreichischen Grenze fanden zum damaligen Zeitpunkt aufgrund einer Entscheidung des Bundesministeriums des Inneren auf Basis des Art. 29 Schengener Grenzkodex (SGK) Grenzkontrollen statt. Einer solchen Kontrolle wurde die Betroffene am 13.03.2019 unterzogen, es wurde ihr die Einreise verweigert. Eine Einreise der Betroffenen ist nicht deshalb gegeben, weil die Betroffene zur Beschuldigtenvernehmung zur Polizeidienststelle und anschließend zur gerichtlichen Anhörung zum Amtsgericht Rosenheim verbracht wurde, § 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG.
2. Der Anordnung der Zurückweisungshaft lag ein zulässiger und ausreichend begründeter Haftantrag der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 15.05.2019 zugrunde. Für Zurückweisungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu den
Zurückweisungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Zurückweisung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3-5 FamFG). Inhalt und Umfang der erforderlichen Darlegung bestimmen sich nach dem Zweck des Begründungserfordernisses. Es soll gewährleistet sein, dass das Gericht die Grundlagen zur Kenntnis nehmen kann, auf welche die Behörde den gestellten Antrag stützt und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrages nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (BGH vom 22. Juli 2010, V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511). Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen (BGH vom 15.09.2011, FGPrax 2011, 317). Die erforderliche Zurückweisungsentscheidung liegt vor. Die entsprechende Verfügung befindet sich in der beigezogenen Ausländerakte. Durch die beteiligte Behörde wurde am 14.03.2019 die Einreiseverweigerung angeordnet. Diese wurde der Betroffenen mitgeteilt und mittels eines Dolmetschers übersetzt. Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisungshaft sind sowohl die Einreiseverweigerung als auch die Entschließung der zuständigen Behörden, die Rücküberstellung der Betroffenen in einem bestimmten Mitgliedsstaat zu betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2017, V ZB 118/17).
4. Bei einer Zurückweisung gehören zu den erforderlichen Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückweisung auch Ausführungen dazu, dass und weshalb der Zielstaat nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.10.2013, Az. V ZB 162/12, zur Dublin-II-Verordnung).
Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde vom 15.05.2019 geht hervor, dass ein Euro-DAC-Treffer für Italien positiv verlaufen ist und die Betroffene in Italien bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Aus dem Haftantrag ergibt sich weiter, dass die beteiligte Behörde in Zusammenarbeit mit dem BAMF die Zurückweisung in den gemäß der DÜ-II-VO zuständigen Staat, nämlich Italien oder aber in jeden anderen Staat, der aufgrund völker- oder europarechtlicher Verpflichtungen zur Übernahme verpflichtet ist, anstrebte.
Es wurde im Antrag weiter ausgeführt, dass am 04.04.2019 durch das BAMF der Bescheid zur Zurückweisung nach Italien ergangen ist. Es sei durch die Bundespolizei der frühestmögliche Flug nach Rom für den 07.05.2019 gebucht worden. Bei der Zuführung am Flughafen München habe die Betroffene lautstark geschrien und sie habe sich geweigert, weiter zu laufen, woraufhin durch den Piloten die Mitnahme der Betroffenen verweigert wurde. Die Betroffene musste wieder in die JVA E. eingeliefert werden. Aus dem Antrag ergibt sich weiter, dass durch die Bundespolizei am 07.05.2019 die Organisation eines Charterfluges nach Rom veranlasst wurde, am 10.05.2019 wurde durch das Bundespolizeipräsidium ein Kleincharter nach Rom für den 07.06.2019 bestätigt.
Die beteiligte Behörde hat nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der Verweigerungshaltung der Betroffenen beim Versuch der Überstellung am 07.05.2019 schnellstmöglich der nächstmögliche Flug für die Betroffene gebucht wurde.
5. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ist im Falle der Zurückweisung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2017, X ZB 41/17).
6. Die Voraussetzungen der angeordneten Zurückweisungshaft ergeben sich nur aus § 15 Abs. 5 AufenthG. Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt keinen Haftgrund voraus. Zu prüfen ist allerdings die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen. Auch Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-VO ist nicht anzuwenden; die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt voraus, dass die Zurückweisung an der Grenze nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung vom 20.09.2017, Az. V ZB 118/17, Folgendes aus:
„Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt nach § 15 Abs. 5 AufenthG voraus, dass die Zurückweisung an der Grenze nicht unmittelbar vollzogen werden kann, etwa, weil -wie hiereine Wiederaufnahme durch den Anrainerstaat, von dem aus der Betroffene nach Deutschland unerlaubt einreisen wollte, daran scheitert, dass dieser zu dessen (Wieder-) Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Zurückweisung muss in diesen Fällen entweder ähnlich wie eine Abschiebung durch Wiederaufnahme seitens eines Drittstaats oder ähnlich wie eine Rücküberstellung durch Wiederaufnahme durch den Erstaufnahmestaat oder einen anderen Staat erfolgen, der zur Wiederaufnahme des Betroffenen nach Art. 18 der Dublin-III-VO verpflichtet ist. In dem zweiten Fall unterliegt die Haft aber nicht den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-VO. Das ergibt eine legislative Interpretation der Vorschrift (zu dieser Figur im nationalen Recht: Senat, Urteil vom 27. März 2015 – V ZR 216/13, BGHZ 204, 364, Rn. 20) durch den Unionsgesetzgeber selbst, was eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entbehrlich macht (Sock, Acte Claire EuGH, Urteil vom 06. Oktober 1982, RS. 283/81 C.I.L.F.I.T., EU: C: 1982:335 Rn. 14 f., 16; Schmidt-Rentsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Auflage, § 23 Rn. 27, 29). Die Mitgliedsstaaten sind nämlich nach Art. 14 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes und, wenn eine Kontrolle der Binnengrenzen stattfindet, nach Art. 32 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des Schengener Grenzkodex verpflichtet, die unerlaubte Einreise durch Flüchtlinge zu verhindern. Die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise bildet nach Art. 8 Abs. 3 c der RL 2013/33/EU (vom 26. Juni 2013, ABl. EU Nr. L 180 S. 96 – Aufnahmerichtlinie) einen eigenständigen Haftgrund, den die Richtlinie von dem Haftgrund zur Sicherung der Rücküberstellung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung unterscheidet (vgl. Art. 8 Abs. 3 f der Aufnahmerichtlinie). Die Prüfung des Rechts des Betroffenen auf Einreise umfasst auch die Prüfung, ob der Staat, in den der Betroffene an sich nicht einreisen darf, nach Art. 3 21 T 1715/19 – Seite 9 – Abs. 2 Unterabs. 3 der Dublin-III-VO verpflichtet oder nach Art. 17 der Dublin-III-VO berechtigt ist, die Sachprüfung des Antrags des Betroffenen auf internationalen Schutz zu übernehmen und dem Betroffenen dazu die Einreise zu gestatten“.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen auf das Urteil des EuGH vom 19.03.2019 verweist, ist die Kammer der Überzeugung, dass die bezeichnete EuGH-Entscheidung bezüglich der vorliegenden Fallgestaltung gerade keine Aussage trifft und daher der bezeichneten Rechtsprechung des BGH nicht entgegen steht. Die Entscheidung des EuGH betrifft eine andere Fallkonstellation als die Vorliegende, nämlich die Rückkehr des Betroffenen in ein Drittland und gerade nicht – wie hier – die Rückführung in ein im Schengen/EU-Staat.
Gemäß Art. 32 SGK finden bei Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen die einschlägigen Bestimmungen des Titels II entsprechend Anwendung. Würde der Argumentation gefolgt, dass eine Einreiseverweigerung gemäß Art. 14 SGK auch in Fällen, in denen der Betroffene innerhalb der Mitgliedsstaaten zurückgewiesen werden soll, nicht statthaft ist, wäre der Zweck der wieder eingeführten Grenzkontrollen, ab absurdum geführt. Die Anwendung von Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO würde in vorliegender Konstellation dazu führen, dass auch bei wieder eingeführten Grenzkontrollen bei einem Nichtvorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr dem Betroffenen die Einreise gestattet werden müsste.
Nach der Meinung der Kammer hat sich an den Ausführungen des BGH in dessen Beschluss vom 20.09.2017 auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EuGH vom 19.03.2019 und vom 31.05.2018 nichts geändert. Insbesondere die zuletzt genannte Entscheidung enthält keine Aussage darüber, dass bei Anwendung der Dublin-III-VO immer auch die Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO zur Anwendung kommen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 31.05.2018, C-647/16, Celex-Nr. 62016CJ0647, Rn. 67). Der BGH führt insoweit aus, dass die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise nach Art. 8 Abs. 3 c der RL 2012/33/EU einen eigenständigen, vom Haftgrund des Art. 8 Abs. 3 f der Aufnahmerichtlinie unabhängigen Haftgrund darstellt.
Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist vorliegend zu bejahen, da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die Betroffene freiwillig nach Italien zurückkehrt. Die Betroffene hat bereits im Jahr 2016 ohne Kenntnis der zuständigen Behörde die Bundesrepublik Deutschland während des laufenden Asylverfahrens verlassen und galt seit 21.03.2017 als unbekannt verzogen. Vorliegend ist sie aus Italien während des dort laufenden Asylverfahrens ausgereist, um wieder dauerhaft in Deutschland zu leben. Zur Begründung für ihr Verhalten gab sie in ihren Vernehmungen an, jeweils Probleme gehabt zu haben. Die italienischen Behörden hätte sie über ihre Ausreise nicht informiert. Die Betroffene hat ebenfalls angegeben, sie habe gewusst, dass man für die jeweilige Einreise Passpapiere benötigt, die sie allerdings nicht habe. Durch ihr Verhalten hat sich die Betroffene damit wiederholt dem Zugriff der jeweils zuständigen deutschen bzw. italienischen Behörden entzogen. Noch bei der Anhörung durch das Amtsgericht Ingolstadt am 17.05.2019 hat die Betroffene ausdrücklich angegeben, sie wolle nicht nach Italien zurück, sondern in Deutschland bleiben.
7. Die Haft wurde in der zentralen Abschiebehafteinrichtung in Eichstätt vollzogen (§ 62 a Abs. 1 AufenthG).
8. Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht Ingolstadt am 17.05.2019 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens rechtswidrig.
Soweit die ergänzende Beschwerdebegründung des Verfahrensbevollmächtigten vom 10.10.2019 auf eine in einem Parallelverfahren ergangene Entscheidung des Landgerichts Ingolstadt vom 25.09.2019, 21 T 1150/19, verweist, greift diese Argumentation im vorliegenden Fall aber nicht durch.
Im Verfahren 21 T 1150/19 (vgl. Blatt 53 ff. der hiesigen Akte) war es so, dass der Verfahrensbevollmächtigte beim Amtsgericht Ingolstadt zwar nicht wörtlich einen Verlegungsantrag gestellt hatte, wohl aber beantragt hatte, den Anhörungstermin aufzuheben. Dies wegen einer Terminskollision des Verfahrensbevollmächtigten. Die Kammer hat im dortigen Beschwerdeverfahren argumentiert, dass der Antrag auf Aufhebung des Termins wie ein Verlegungsantrag hätte behandelt werden müssen.
Anders liegt der Fall im vorliegenden Verfahren. Ausweislich Blatt 24 a der vorliegenden Akte hat der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 16.05.2019 gegenüber dem Amtsgericht Ingolstadt nur mitgeteilt, er könne den Anhörungstermin aufgrund entgegenstehender, unaufschiebbarer Mandantenbesprechungen nicht wahrnehmen. Weiter wurde beantragt, den Haftverlängerungsantrag zurückzuweisen und VKH zu bewilligen. Diesem Schriftsatz kann nicht entnommen werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte eine Aufhebung oder Verlegung des Anhörungstermins wünschte. Der Verfahrensbevollmächtigte ist nicht verpflichtet, an Anhörungsterminen teilzunehmen. Die bloße Mitteilung, dass der Verfahrensbevollmächtigte den konkreten Termin nicht wahrnehmen könne, kann nicht dazu führen, dass das Amtsgericht sodann den Termin verlegen muss. Wenn der Verfahrensbevollmächtigte an dem Anhörungstermin teilnehmen möchte, aber nicht kann, muss er schon einen entsprechenden Verlegungsantrag stellen. Dass das Gericht vorliegend die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten „vereitelt“ hätte, ist in keiner Weise ersichtlich.
IV.
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war zurückzuweisen, da die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Satz 1 ZPO). Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe setzt neben der Bedürftigkeit des Betroffenen voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. BGH vom 20.05.2016, V ZB 140/15). Die Beschwerde war vorliegend nicht erfolgreich. Die Verfahrenskostenhilfe war auch nicht wegen der Schwierigkeit der Rechtslage zu gewähren. Da das Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden, darf ein Gericht zwar die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine solche Rechtsfrage zu klären ist, auch wenn das Gericht in der Sache zu Ungunsten des Antragstellers entscheiden möchte. Entsprechendes muss dann gelten, wenn sich in tatsächlicher Hinsicht schwierige und komplexe Fragen stellen (vgl. BGH, a.a.O.). Solche schwierigen Rechtsfragen waren hier aber nicht zu klären. Die maßgebliche Rechtsfrage wurde bereits durch den BGH mit Beschluss vom 20.09.2017 entschieden. Dieser Entscheidung stehen, wie bereits ausgeführt wurde, die Entscheidungen des EuGH vom 31.05.2018 und vom 19.03.2019 nach Meinung der Kammer nicht entgegen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
VI.
Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

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