Aktenzeichen 24 O 8846/19
Leitsatz
1. Getroffene Honorarvereinbarungen dürfen nicht mehr an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI gemessen werden. Der Einwand des Verstoßes gegen die HOAI-Mindestsätze ist daher unbeachtlich. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unvorhergesehene Ereignisse, die zu einem höheren Planungsaufwand führen, können zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen und einen Preisanpassungsanspruch auslösen. Demgegenüber liegen bereits bei Vertragsschluss absehbare Planungsabweichungen in der Risikosphäre des Architekten. (Rn. 55 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 643.938,47 € festgesetzt.
Gründe
A)
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Architektenhonorar in Höhe der Klageforderung aus dem mit der Beklagten geschlossenen Architektenvertrag.
1. Der Kläger macht zusätzliche Honoraransprüche in Höhe der zuletzt vorgelegten Rechnung vom 13.06.2019 in Höhe von 643.938,47 € geltend.
2. Nachdem die zuletzt vorgelegte Schlussrechnung als Aussteller den Kläger persönlich enthält, erledigen sich Ausführungen zu der Aktivlegitimation. Nachdem die Beklagte auch hinreichend Gelegenheit zur Prüfung der Rechnung erhalten hatte, ist der Fälligkeitseinwand im Hinblick auf den Ablauf der 30-tägigen Prüffrist ebenfalls obsolet.
II.
1. Die Parteien streiten vielmehr um die Frage, inwiefern der Kläger aufgrund der Einbeziehung der Vorschriften der HOAI (sowohl in der Fassung 2009 wie auch 2013) einen Anspruch auf Zahlung eines weitergehenden Architektenhonorars hat. Der Kläger begründet diesen Anspruch mit der von ihm geäußerten Rechtsauffassung, wonach die im Architektenvertrag vom 11.06.2015 vereinbarte Teilpauschale unwirksam sein soll. Die Unwirksamkeit soll sich daraus ergeben, dass die gemäß Ziff. 5.2.2 des Architektenvertrages vertraglich vereinbarten Pauschalen wegen aufgrund der von der Beklagten zu niedrig vorgegebenen anrechenbaren Kosten unzulässiger Weise die HOAI-Mindestsätze unterschreiten. Aus diesem Grunde stünde dem Kläger bereits ein höheres Architektenhonorar zu.
2. Dieser Einwand ist aufgrund der geänderten Rechtsprechung infolge der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (Az. C-377/17, Urteil vom 04.07.2019) unbeachtlich.
3. Denn dort hat der EuGH festgestellt, dass die Mindest- und Höchstsatzbindung der HOAI gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie verstößt. Rechtsfolge dieser Entscheidung des EuGH ist, dass auch nationale Gerichte an das Urteil gebunden sind und alle Maßnahmen ergreifen müssen, um dieses sofort wirksam umzusetzen. Dies bedeutet, dass nationale Gerichte somit aufgerufen wurden, eine unionsrechtswidrige Norm nicht mehr zur Anwendung zu bringen.
4. Infolge der EuGH-Entscheidung vom 04.07.2019 ist es somit nicht mehr zulässig, getroffene Honorarvereinbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen (OLG Celle, Urteil vom 23.07.2019, Az. 14 U 182/18). Im Ergebnis bedeutet dies für den Kläger, dass sein Einwand des Verstoßes gegen die HOAI-Mindestsätze unbeachtlich ist. Entgegen der zuletzt mit Schriftsatz vom 13.11.2019 geäußerten Rechtsauffassung des Klägers verbleibt die Kammer bei ihrem im Verhandlungstermin vom 02.10.2019 erläuterten Rechtsstand.
5. Das bedeutet zugleich, dass die vom Kläger angebrachte Regelung des § 7 Abs. 5 HOAI nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 377/17 nicht mehr Prüfungsgrundlage ist. Denn die Berechnung des Honorars nach dem Mindestsatz ist auch nicht gem. § 7 Abs. 5 HOAI möglich.
6. Nach dieser Bestimmung gelten die jeweiligen Mindestsätze als veranlagt, wenn nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist. Da allerdings § 7 Abs. 1 HOAI aufgrund der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr angewendet werden darf, ist auch der Verweis in § 7 Abs. 5 HOAI nicht möglich. Hierzu hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 17.09.2019, Az. 23 U 155/18, ausgeführt, dass eine Honorarberechnung nach § 7 Abs. 5 HOAI rechtswidrig ist.
7. Dies bedeutet im Ergebnis, dass eine Berufung auf Mindestsätze nicht mehr möglich ist. Denn die Vorschrift knüpft unmittelbar an § 7 Abs. 1 HOAI mit der Vorgabe verbindlicher Mindest- und Höchstsätze an und regelt die Rechtsfolge für den Fall, dass die Parteien nicht innerhalb dieses bindend vorgegebenen Honoras eine schriftliche Vereinbarung bei Auftragserteilung getroffen haben. Dies gilt auch unter Berücksichtiguung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 MRVG, wonach Mindestsätze als vereinbart gelten, sofern nicht bei Erteilung des Architektenauftrages etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist. Hier hat der Beklagtenvertreter zutreffend darauf hingewiesen, dass mit Wegfall der Ermächtigung zur Festlegung von Honorarsätzen auch die Rechtsgrundlage im Hinblick auf Regelungen im Sinne von § 2 Abs. 3 MRVG entfällt. Dies hat zur Folge, dass mit § 7 Abs. 5 HOAI eine vom bürgerlichen Recht abweichende Formvorschrift vorliegt, die gegen das höherrangige Gesetz des BGB verstößt. Alles in allem kann sich der Kläger somit nicht auf § 7 Abs. 5 HOAI berufen.
8. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein Honorar für Änderungs- und Zusatzleistungen. Denn der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Pauschalvereinbarung wegen verändertere Bauabläufe und des erhöhten Planungsaufwandes hätte angepasst werden müssen.
a) Der Kläger trägt hier hauptsächlich vor, dass infolge eine erhöhten und unvorhergesehenen Planungsbedarfes im Hinblick auf die Tiefgaragen weitergehende und zusätzliche Planungsmaßnahmen notwendig gewesen seien, welche zu einer Anpassung in der Vergütung geführt hätten.
b) So habe der Kläger im Hinblick auf den Vorbescheid vom 19.06.2012 eine Nutzung der Tiefgarage uneingeschränkt als Bestand berücksichtigt mit der Folge, dass die anrechenbaren Kosten seitens der Beklagten viel zu niedrig angesetzt worden seien. Folge hiervon sei es gewesen, dass die Honorarberechnung des Klägers ebenfalls zu niedrig ausgefallen sei. Dieser Umstand könne nicht dem Kläger angelastet werden, da letztendlich aufgrund einer neuen Umplanung der Tiefgarage – beruhend auf geänderten Verwendungswünschen der Beklagten einmal als Mietkeller und Technikraum sowie weiterer Stellplätze im zweiten UG – eine komplette Umplanung erforderlich geworden sei.
c) Der damit einhergehende Umplanungsmehraufwand kann jedoch nicht von der Beklagten im Wege eines zusätzlichen Honorars geltend gemacht werden. Die Kammer geht dabei davon aus, dass sämtliche Planungsleistungen im Zusammenhang mit Planung und Errichtung der Tiefgarage gem. § 1 des Architektenvertrages erfolgt sind. Dort ist die Tiefgarage aufgezählt, die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Einzelleistungen ergeben sich aus § 3 des Architektenvertrages. Für diese Leistungen habe die Parteien eine pauschale Vergütung gem. Ziff. 5.2.4 des Architektenvertrages vereinbart und gemäß § 3.3.3 des Architektenvertrages festgehalten, dass Änderungen des Planungskonzeptes, des Gesamtentwurfes, oder Teile hiervon mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sind und den Architekten nicht zu Nachforderungen berechtigen.
d) Ausgehend von dieser Vergütungsabsprache, könnte der Kläger nur unter den Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt sein, ein etwaiges zusätzliches Honorar geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 456/01). Als Geschäftsgrundlage haben die Parteien für Umplanungsmaßnahmen auch im Zusammenhang mit der Tiefgarage ein Pauschalhonorar vereinbart. Die Parteien haben außerdem in § 3.3.3 des Architektenvertrages eine Regelung für den Fall von Änderungen des Plankonzeptes getroffen und einvernehmlich die Berechtigung des Architekten zur Geltendmachung von Nachforderungen ausgeschlossen.
aa) Unvorhergesehene Ereignisse können grundsätzlich bei der Honorarvereinbarung nicht berücksichtigt werden, diese können lediglich zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen und einen Preisanpassungsanspruch auslösen (Korbion/Mantscheff/Vygen, Kommentar zur VOB, 18. Auflage, Rn. 51 zu § 4).
bb) Dies bedeutet, dass der Aufwand für die Umplanung der Tiefgarage von dem Kläger bei Erstellung seines Honorarangebotes im Rahmen der von ihm durchzuführenden Kalkulation einzubeziehen gewesen war, soweit er von den Parteien realistisch eingeschätzt werden kann. Bereits bei Vertragsschluss absehbare Abweichungen hiervon liegen in der Risikosphäre des Klägers, der bereits in seiner Mail vom 05.02.2013 darauf hinwies, dass die von ihm angenommene Summe vermutlich zu gering angesetzt wurde (vgl. Blatt 9 d.A.). Sollte der Kläger bei der Bewertung des Planungsaufwandes von falschen anrechenbaren Kosten ausgegangen sein, wäre dies ein Berechnungsfehler mit der Folge eines unbeachtlichen Motivirrtums. Entscheidend ist jedoch, dass der Kläger nach seiner mündlichen Beauftragung am 23.01.2013 Planungsmaßnahmen in die Wege geleitet und mit vorgenannter Mail vom 05.02.2013 die Honorarberechnung im Hinblick auf die Tiefgarage für kritisch befunden hatte. Dennoch hatte der Kläger rund 2,5 Jahre später den Architektenvertrag vom 11.06.2015 unterzeichnet. Hierdurch gab der Kläger zu verstehen, dass er sich mit der im schriftlichen Vertrag niedergelegten Pauschalvergütung einverstanden erklärt. Zugleich folgt aus der Unterzeichnung des Architektenvertrages, dass sich der Kläger mit § 3.3.3 des Vertrages einverstanden erklärt, wonach Änderungen des Planungskonzeptes mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sind und den Architekten nicht zu Nachforderungen berechtigen. Aufgrund dieser Interessenlage ist es nicht zuzumuten, dass die Beklagte nunmehr für eine sich ergebende Umplanung vergütungstechnisch nicht belangt werden kann.
cc) Ein vertraglicher Preisanpassungsanspruch wäre nur dann vertretbar und aus Sicht der Beklagten interessengerecht, wenn ein neu hinzutretender Umstand aufgetreten ist, was die Kammer allerdings aufgrund der bereits zwei Jahre vor Unterzeichnung des schriftlichen Architektenvertrages dem Kläger bewusst gewordenen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Planungsleistungen betreffend die Tiefgarage nicht angenommen werden kann. Die sich hieraus ergebenden Risiken gehen zu Lasten des Klägers mit der Folge, dass der Kläger weder aufgrund einer HOAI-Mindestsatzunterschreitung, noch aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage einen vertraglichen Preisanpassungsanspruch hat.
III.
Nachdem sich die zuletzt vorgelegte Schlussrechnung ausschließlich zu Vergütungsforderungen im Hinblick auf zusätzliche Leistungen verhält, deren Inhalt und Umfang in der Rechnung selber nicht näher dargestellt werden, war die Klage im Ergebnis abzuweisen, ohne dass es auf die Frage der Verjährung der Klageforderung ankäme.
B)
I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.
III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.