Aktenzeichen M 19 K 17.32588
Leitsatz
1. Angehörige der Ahmadiyya sind in Pakistan allein wegen ihres Glaubens und der Praktizierung des Glaubens nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aktiv bekennende Ahmadis, für die die öffentliche Glaubensbetätigung zur Wahrung ihrer religiösen Identität besonders wichtig ist, haben ein reales Verfolgungsrisiko durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung oder gravierender Übergriffe privater Akteure. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein alleinstehender, arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer nach Pakistan wird in der Lage sein, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Es ist nicht anzunehmen, dass er in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und der Befristungsentscheidung bestehen keine Zweifel.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
1. Ein Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz besteht nicht.
Ein solcher Anspruch setzt eine Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a Abs. 1, 2 AsylG voraus, die an einen Verfolgungsgrund i.S.v. § 3b AsylG anknüpft und von einem Akteur i.S.v. § 3c AsylG ausgeht. Weiter muss es an einem effektiven Schutz vor Verfolgung im Herkunftsstaat fehlen (§§ 3d, 3e AsylG) und es dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegen.
Der Kläger erfüllt die dort genannten Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr in Pakistan Verfolgung droht.
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Klägers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 23; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 14.2.2017 – 21 B 16.31001 – juris Rn. 21).
Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gründe, die er im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 3. September 2019 ergänzt hat, rechtfertigen nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist.
Nach den vorgetragenen Gründen geht das Gericht nicht davon aus, dass er sein Heimatland wegen einer asyl- oder flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung oder Gefährdung verlassen hat. Individuelle Probleme mit staatlichen Behörden oder deren Vertretern hat er nicht vorgetragen. Zwar kann eine relevante Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 4 Abs. 3 Satz 1, § 3c Nr. 3 AsylG). Die Furcht des Klägers vor der Verfolgung durch die Personen, die ihn haben entführen wollen, rechtfertigt dies nicht. Es ist nicht ausreichend erkennbar, dass diese Erlebnisse – als wahr unterstellt – im Zusammenhang mit der Religion des Klägers standen und insoweit an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal anknüpfen. Sie haben außerdem schon ein bzw. zwei Jahre vor der Ausreise stattgefunden. Weitere individuelle Bedrohungen hat der Kläger ausweislich seiner eigenen Aussage nicht erlebt.
Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, dass er sich für den Fall einer Rückkehr konkret vor seinen Entführern fürchtet. Sein Vortrag beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Verfolgungsgefahr als Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat (im Folgenden: Ahmadiyya).
b) Jedoch kann sich der Kläger auch nicht auf eine Gruppenverfolgung als Mitglied der Ahmadiyya berufen.
Das Gericht geht in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung davon aus, dass Angehörige der Ahmadiyya in Pakistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein wegen ihres Glaubens und der Praktizierung ihres Glaubens einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind (VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 59 ff.; VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570 – juris Rn. 17; VG München, U.v. 18.10.2018 – M 10 K 17.30895 – juris Rn. 18). Die Auswertung der vorliegenden aktuellen Erkenntnismittel ergibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Zwar werden die Ahmadiyya von der pakistanischen Verfassung als nicht-muslimisch kategorisiert und schränken Zusätze zum Strafgesetz deren Religionsfreiheit ein (§ 298c Pakistanisches Strafgesetzbuch). Ahmadis werden auch auf einer gesonderten Wählerliste geführt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan, Stand: August 2018, S. 6, 13 f. – Lagebericht). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet im Rahmen ihrer Schnellrecherche (7.5.2018, S. 7, 8) von einer Kultur der religiösen Intoleranz, Drangsalierungen und Tötungen von Ahmadis.
Jedoch lebt der größte Teil der Ahmadis friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen (Lagebericht S. 13). Die Lage der Ahmadis in Pakistan hat sich in letzter Zeit sogar eher verbessert (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report – Pakistan, September 2015, S. 59).
c) Der Kläger gehört schließlich auch nicht zu dem Kreis von Glaubensangehörigen der Ahmadiyya, für die eine öffentlichkeitswirksame Religionsausübung identitätsprägend ist und die sich deshalb in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sehen.
aa) Auch wenn die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft als solche in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, gilt etwas anderes für diejenigen Ahmadi, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und ihr Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen. Nach herrschender Rechtsprechung muss für aktiv bekennende Ahmadis, für die die öffentliche Glaubensbetätigung zur Wahrung ihrer religiösen Identität besonders wichtig ist, von einem realen Verfolgungsrisiko ausgegangen werden (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 12.6.2013 – juris Rn. 116; VG Augsburg, U.v. 2.5.2019 – Au 3 K 16.31746 – juris Rn. 25; VG Lüneburg, U.v. 26.10.2018 – 2 A 154/17 – juris Rn. 23 ff.). Diese Personen haben mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben durch die Gefahr einer jahrelangen Inhaftierung und von Attentaten oder gravierenden Übergriffen privater Akteure zu rechnen (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Anknüpfungspunkt für die Verfolgungsgefahr ist dabei die Furcht vor einem Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Religion bezeichnet dabei Überzeugungen, die der Einzelne von der Stellung des Menschen in der Welt, seiner Herkunft, seinem Ziel, seinem Sinn und seiner Identität sowie von seinen Beziehungen zu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten hat. Diese Überzeugungen können positiver oder negativer Natur sein. Geschützt wird auch die die (nur) vereinzelt auftretende Glaubensüberzeugung, die von den Lehren der Religionsgemeinschaften abweicht (vgl. BVerfG, B.v. 11.4.1972 – 2 BvR 75/71 – BVerfGE 33, 23 (28 f.); VG Köln, Urteil vom 22.8.2018 – 23 K 236/17.A – juris Rn. 46). Teil der Religionsausübungsfreiheit ist dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v.5.9.2012 – C-71/11 – juris Rn. 62 f.) nicht nur die Freiheit, Religion im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch die Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben. Es kann daher schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung eine beachtliche Verfolgungshandlung darstellen.
Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit auch eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG dar. Um als Verfolgung qualifiziert zu werden, muss es sich um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 23 f.). Ob dies der Fall ist, ist anhand von objektiven und subjektiven Kriterien zu beurteilen.
Es kommt – neben der objektiv zu beantwortenden Frage, wie schwer die drohenden Rechtsgutsverletzungen sein werden – als subjektives Element darauf an, dass für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit besonders wichtig ist. Entscheidend ist, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem individuellen Glaubensverständnis als zentrales Element seiner religiösen Identität unverzichtbar ist (EuGH, U.v.5.9.2012 – C-71/11 – juris Rn.70; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 28 f.).
Die Tatsache, dass der Kläger die konkrete, nach außen gerichtete, religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als derart identitätsstiftend erfährt, dass ihm ein Verzicht hierauf oder eine zumindest wesentliche Beschränkung nicht zuzumuten ist, muss der Asylbewerber – als Folge der in § 15 AsylG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten – zur vollen richterlichen Überzeugung nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 30). Allerdings kann dabei auf das Vorliegen dieser Form von religiöser Identität als innere Tatsache nur aus äußeren Anhaltspunkten und dem klägerischen Vortrag geschlussfolgert werden. Allein der Umstand, dass der Betroffene seinen Glauben in seinem Herkunftsland nicht in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat, ist dabei nicht entscheidend, soweit es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 22/12 – juris Rn. 26). Ergibt jedoch die Prüfung, dass der Betroffene seinen Glauben auch in Deutschland nicht in einer Weise praktiziert, die ihn in seinem Herkunftsland der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde, spricht dies regelmäßig dagegen, dass eine solche Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend ist.
Im Ergebnis bedarf es daher einer Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand aller vorliegenden Aspekte. Es ist auf das religiöse Selbstverständnis des Klägers zunächst in seinem Heimatland und sodann in Deutschland abzustellen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie der Kläger seinen Glauben konkret ausgeübt hat, ausübt und inwieweit dies für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität elementar ist, oder möglicherweise nur aus asyltaktischen Erwägungen erfolgt. Bloße Kenntnisse über die Glaubensinhalte der Ahmadiyya, eine Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Deutschland, regelmäßige Moschee-Besuche oder die Teilnahme an jährlichen Großveranstaltungen der Ahmadiyya oder an sonstigen Aktionen der Ahmadiyya (mit den üblichen Helferdiensten) lassen daher für sich genommen nicht bereits auf eine individuelle Glaubensüberzeugung und ein nach außen wirkendes Glaubensvermittlungsbedürfnis schließen. Erforderlich ist vielmehr ein Bedürfnis, aus dem ahmadischen Glauben heraus bekennend zu leben und auch andere Menschen an dieser Haltung teilhaben zu lassen. In diesem Sinne muss es sich beim Betroffenen um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570 – juris Rn. 25)
bb) Hiervon ausgehend ist das Gericht nur zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft zugehörig ist. Es ist nicht überzeugt, dass die Praktizierung seines Glaubens in der Öffentlichkeit und das Werben für seinen Glauben ein zentrales Element der religiösen Identität des Klägers und für diesen unverzichtbar ist.
Zu dieser Einschätzung gelangt das Gericht aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung und beim Bundesamt sowie der Auswertung der vorgelegten Unterlagen, insbesondere von Fotomaterial, das die Aktivitäten des Klägers in der Öffentlichkeit in Deutschland zeigen.
Dass der Kläger Mitglied der Ahmadiyya Glaubensgemeinschaft ist, ergibt sich für das Gericht aus der vorgelegten Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiya-Muslim-Jamaat e.V. vom 18. August 2017, der sich entnehmen lässt, dass der Kläger von Geburt an Ahmadi ist, aus dem vorgelegten Bildmaterial, das ihn im Kreise etlicher Glaubensangehöriger zeigt, sowie den Aussagen in der mündlichen Verhandlung am 3. September 2019.
Seine Aussagen in der mündlichen Verhandlung sowie das vorgelegte Bildmaterial bietet allerdings keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass der Kläger gerade die konkrete, nach außen gerichtete, religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als derart identitätsstiftend erfährt, dass ihm ein Verzicht hierauf oder eine zumindest wesentliche Beschränkung nicht zuzumuten ist. Das Gericht hat den Kläger insoweit lediglich als einen mit seinem Glauben verbundenen Mann erlebt, der die Abläufe, Rituale und Überzeugungen seines Glaubens in seinen Lebensalltag entsprechend der Tradition und den Gewohnheiten seiner Heimat integriert. Eine nach außen gewendete intrinsische Motivation die Öffentlichkeit des Bekenntnisses als identitätsstiftend zu erleben, hat das Gericht aber nicht erkennen können.
So hat der Kläger in Pakistan nach seinen Angaben morgens sein Frühgebet verrichtet, ist dann in den landwirtschaftlichen Betrieb zur Arbeit gegangen und hat nach seiner Rückkehr am Abend an Veranstaltungen der Gemeinde teilgenommen. Aus diesen Schilderungen lässt sich kein besonders ausgeprägtes und v.a. nach außen gerichtetes Engagement für seinen Glauben erkennen. Mag der Kläger ab dem Jahr 2012 bis zu seiner Ausreise auch eine Funktion innerhalb der Gemeinde inne gehabt haben (vgl. auch die Angaben in der Bescheinigung der Ahmadiya-Muslim-Jamaat e.V. vom 18. August 2017); er wurde nach seinen Angaben zum Vorsitzenden der Männergruppe in der Altersklasse 16 bis 40 gewählt („Qaid-e Majlas“). Er hat in dieser Funktion sieben bis acht Angehöriger seiner Glaubensrichtung aus seinem Heimatdorf, in dem bis zu 27 Gläubige gelebt haben, einmal die Woche für etwa eine Stunde getroffen, dabei Spenden eingesammelt und diese an die Zentrale weitergeleitet sowie die Mitglieder zum Gebet angehalten. So lässt sich auch dieser schon zeitlich und auch inhaltlich eher untergeordneten Tätigkeit, deren Kernmerkmal Hilfstätigkeiten sind und die der Kläger nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung auch eher gleichmütig als euphorisch wahrgenommen hat, nicht entnehmen, dass gerade die Öffentlichkeit seines Bekenntnisses für den Kläger identitätsstiftend ist. Es wurde auch nicht deutlich, dass es ihm in der Vergangenheit besonders wichtig gewesen wäre, mit anderen Menschen über seinen Glauben zu sprechen und diese von der Ahmadiyya als dem „wahren Islam“ zu überzeugen. Zwar hat der Kläger in der Verhandlung erwähnt, dass „Tabligh“ zum Kern seines Glaubens gehört und dies in Pakistan nicht erlaubt sei. Dass ihn diese tatsächlichen Umstände und Rahmenbedingungen nennenswert beeinträchtigt hätten, wurde durch die Aussagen des Klägers aber nicht ansatzweise erkennbar. Überhaupt hat der Kläger in keiner Weise ein glaubensbezogenes Sendungsbewusstsein erkennen lassen, wie sie von einem vorgeblich (in Pakistan) Zuständigen für religiöse Erziehung (vgl. die Bescheinigung der Ahmadiya-Muslim-Jamaat e.V. vom 18. August 2017) zu erwarten gewesen wäre.
Auch der regelmäßige Besuch einer Moschee – sei es in Pakistan oder in Deutschland – dokumentiert ausschließlich die Verbundenheit des Klägers zu seinem Glauben.
Das Gericht hat mehrfach versucht durch verschiedene Fragen, vom Kläger Aussagen zu seinem religiösen Selbstverständnis zu erhalten. Dabei konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass gerade das öffentliche Leben seines Glaubens ein Kernbestandteil der Persönlichkeit des Klägers ist. Die Angaben des Klägers waren pauschal und ohne konkreten Bezug zu seiner eigenen Person, sie ließen keinen inneren Gehalt und keine „Tiefe“ erkennen. So hat er etwa auf die Frage seines Bevollmächtigten, ob er an den Jahresversammlungen seiner Glaubensgemeinschaft teilnehme und was dies für ihn bedeuten würde, erklärt: „Ich kann die Freude an den Jahresversammlungen teilzunehmen nicht in Worte fassen. Es macht mich glücklich.“ Auf die Frage seines Bevollmächtigten, welchen Stellenwert Religion und Glauben in seinem Leben denn hätten, äußerte sich der Kläger sehr vage („Auch das kann ich nicht in Worte fassen. Ohne seinen Glauben ist ein Leben für mich nicht vorstellbar“) und ohne auch nur im Ansatz zu versuchen, etwas ausführlicher zu antworten.
Bei der Bewertung dieser Aussagen berücksichtigt das Gericht, dass Naturell und Prägung des Klägers breiten Ausführungen zu seinem inneren Erleben entgegenstehen dürften. Eine Befassung mit seinem Glauben, die über die Praktizierung nach erlernten und anerzogenen Regeln hinausgeht, ist ihm nicht geläufig. Das erschwert die Möglichkeiten des Gerichts, Erkenntnisse über die Bedeutung des öffentlichen Glaubenserlebnisses als Kernbestandteil der klägerischen Persönlichkeit zu gewinnen. Doch auch bei sehr wohlwollender Würdigung der vorstehend zitierten und weiteren – teils erst durch wiederholtes Fragen gewonnenen – Aussagen zum Glauben und seiner Praxis lässt sich nicht erkennen, dass die Öffentlichkeit seines Bekenntnisses für den Kläger identitätsstiftend ist. Die Aussagen tragen daher nicht die Annahme, dass es sich beim Kläger um einen aus der Allgemeinheit der Ahmadis hervorstechenden Gläubigen handeln, dessen Glauben sich öffentlich manifestiert.
Auch das in Deutschland praktizierte Verhalten trägt keinen anderen Schluss. Vorgelegt wurden zahlreiche Fotos, auf denen zwei oder mehr Personen abgebildet sind – darunter auch der Kläger. Manche der Fotos dokumentieren Reinigungstätigkeiten nach dem Silvesterfest in der Gemeinde Neufahrn, andere lassen Personen vor Ortschildern einer kleinen Gemeinde bzw. eines Ortsteils erkennen, die teilweise T-Shirts mit dem Aufdruck „Muslime für Frieden“ tragen. Abgelichtet sind ferner Personen bei der Durchführung von Flyer-Verteilaktionen auf dem Münchner Marienplatz.
Das durch dieses Bildmaterial abgelichtete Verhalten des Klägers lässt allein sein Bemühen erkennen, sich für seine religiöse Gemeinde (vgl. insoweit auch die Bescheinigung der Ahmadiya-Muslim-Jamaat e.V. vom 18. August 2017) wie auch für die Allgemeinheit zu engagieren. Weitere maßgebliche subjektive Einstellungen und Prägungen des Klägers werden hierdurch aber nicht dokumentiert. „Sauberkeitsaktionen“, wie die Reinigung der Straßen von Silvestermüll am 1. Januar, haben, wie der Kläger auf Nachfrage des Gerichts selbst einräumt, keinen religiösen Gehalt. Sie dienen der Unterstützung der Allgemeinheit und belegen eine im hiesigen Kontext nicht maßgebliche Hilfsbereitschaft. Die ebenfalls dokumentierten Flyeraktionen selbst haben demgegenüber zwar durchaus einen relevanten Bezug zum Glauben des Klägers und lassen sich als milde Form der Missionsarbeit einordnen. Doch lässt das Einwerfen von Informationsmaterial in Briefkästen kleiner Gemeinden, die durch das Ablichten des Klägers und seiner Glaubensmitglieder vor Ortsschildern dokumentiert werden sollen, keine Identitätsstiftung durch die Öffentlichkeit des Bekenntnisses erkennen. Nichts anderes gilt für die – insoweit mit mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verbundene – Verteilung von Flyern in der Münchner Innenstadt. Auch hier mag es sich um Veranstaltungen handeln, die für den Glauben werben und insoweit Religionsbezug haben. Erkenntnisse zur Bedeutung des Klägers für sein Selbstverständnis und seine Identität in religiöser Hinsicht ergeben sich hieraus aber nicht. Die bloße Mitwirkung an der Verteilung von Informationsmaterial – eher unbemerkt in kleinen Gemeinden oder eher wahrnehmbar in der Innenstadt Münchens – ist kein Verhalten, das mehr aussagt, als die Bereitschaft, sich jedenfalls gelegentlich für seine Gemeinde nach außen zu engagieren.
Unter Gesamtwürdigung des klägerischen Vortrags und Vorbringens geht das Gericht daher nicht davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan und der dort eingeschränkten Möglichkeit, seinen Glauben öffentlichkeitswirksam nach außen zu tragen, in einen schweren inneren Konflikt geraten wird.
d) Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob sich der Kläger auf die Möglichkeiten einer inländischen Fluchtalternative (§ 3e AsylG) verweisen lassen müsste.
2. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes sind ebenfalls nicht gegeben. Der Kläger hat keinen Sachverhalt vorgetragen, wonach ihm in seinem Heimatland die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) droht. In Pakistan liegt unter Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel auch kein bewaffneter Konflikt vor, der zu einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben des Klägers führen könnte (vgl. allgemein VG München, U. v. 6.4.2018 – M 23 K 16.34252; VG München, U.v. 6.11.2015 – M 23 K 14.30636 – juris Rn. 46 f.; VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 56 ff., VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris Rn. 29). Es steht jedenfalls auch hier die Möglichkeit internen Schutzes entgegen (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Es ist nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe im Sinne des Art. 3 EMRK drohen könnte.
b) Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Der Kläger ist ein offenbar gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können. Das Gericht stellt insoweit gemäß § 77 Abs. 2 AsylG fest, dass es insoweit der zutreffenden Begründung der Beklagten in dem angegriffenen Bescheid folgt.
c) Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Pakistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Aus den Erkenntnismitteln zu Pakistan ergibt sich derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Pakistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wird in der Lage sein, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren.
4. Die von der Beklagten auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung und das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen hat der Kläger auch nicht erhoben.
Damit ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).