Aktenzeichen AN 17 S 19.50767
Art. 12 Abs. 2, 18 Abs. 1a
AsylG § 34a Abs. 1, § 74 Abs. 1
Dublin III-VO Art. 12 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. a
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
1. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Frankreich weisen keine systemischen Mängel auf, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen würden, bei Rückführung nach Frankreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (vgl. u.a. VG Würzburg, B.v. 2.1.2019, W 8 S 19.50584, VG München BeckRS 2018, 23861) (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein das junge Alter eines volljährigen Rechtschutzsuchenden rechtfertigt für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände keine Zuordnung zu einem besonders schutzwürdigen Personenkreis, der die Annahme des Aufnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO begründen ließe. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrecht-liche Abschiebungsanordnung nach Frankreich.
Der am …1999 geborene Antragsteller ist tadschikischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er reiste mit einem von der Botschaft der Republik Frankreich in … ausgestelltem Schengen-Visum (gültig vom 17.4. bis 17.5.2019) am 21. April 2019 auf dem Luftweg aus … kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 7. Mai 2019 einen Asylantrag.
Im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 15. Mai 2019 gab er an, er sei nicht umsonst nach Deutschland gekommen. Zusammenhängend mit seiner Persönlichkeit befürchte er, Probleme mit Landsleuten in Frankreich zu bekommen. Diese hätten dort Geschäfte, die auch mit … zusammenhingen. Die Personen, die ihn in Tadschikistan verfolgt hätten, hätten auch Kontakte nach … Er denke, die Kontakte würden von … nach Frankreich reichen. Auch sein Vater habe ihm gesagt, er solle nicht nach Frankreich gehen. Gesundheitliche Beschwerden bzw. Erkrankungen verneinte der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt. In Deutschland würde niemand leben, den er kenne.
Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 18. Mai 2019 hin teilte Frankreich am 12. Juli 2019 mit, dass die Zuständigkeit Frankreichs aufgrund von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) aner-kannt werde.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers daraufhin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Der Bescheid wurde dem Antragsteller gegen Empfangsbestätigung am 23. Juli 2019 bekanntgegeben.
Zu Protokoll der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgericht Ansbach erhob der Antragsteller am 30. Juli 2019 Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte bislang nicht.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 1. August 2019,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte zum Az. … und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Juli 2019 ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung ist statthaft, weil die gleichzeitig erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Er ist auch fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 gestellt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle. Die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Ziffer 3. des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der ge-richtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) nämlich als rechtmäßig und ver-letzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zu-ständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
Die Republik Frankreich ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Antragstellers nach Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig auf Grund des von der Botschaft der Republik Frankreich in …- … erteilten Visums, das im Einreisezeitpunkt gültig war.
Frankreich hat auf das Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO seine Zustimmung zur Rückübernahme des Antragstellers erklärt. Frankreich ist daher verpflichtet, den Antragsteller gem. Art. 18 Abs. 1 a) Dublin III-VO aufzunehmen. Weder ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abgelaufen, zumal diese durch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unterbrochen wurde und mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses neu zu laufen beginnt. Es liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegen-treten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 – juris), sind für Frankreich nicht er-kennbar und wurden vom Antragsteller auch nicht vorgetragen. Das Gericht schließt sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, der – soweit ersichtlich – einhelli-gen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, die solche systemischen Schwachstellen im Asylsystem der Republik Frankreich verneint (vgl. VG Würzburg, B.v. 2.1.2019, W 8 S 19.50584, VG München, B.v. 14.8.2018, M 9 S 18.52509, VG Augsburg, B.v. 24.7.2018, Au 6 K 18.50603, VG Lüneburg, B.v. 14.3.2019, 8 B 41/19, VG Leipzig, GB v. 15.3.2019, 6 K 232/19.A, VG Arnsberg, B.v. 25.4.2019, 12 L 190/19.A – jeweils juris; VG Ansbach, B.v. 26.7.2019 – AN 17 S 19.50709). An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitärer Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 – juris), was weder allgemein für Frankreich ersichtlich ist, noch im Hinblick auf eine besonders schutzwürdige Personengruppe. Die Zugehörigkeit des Antragstellers zu einer besonders schutzwürdigen Personengruppe ist überdies nicht erkennbar oder durch Sachvortrag des Antragstellers behauptet. Allein sein junges Alter rechtfertigt für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände keine solche Zuordnung zu einem besonders schutzwürdigen Personenkreis, da der Antragsteller volljährig ist und es vermochte, ohne Begleitung von seinem Heimatland aus über Russland nach Deutschland zu reisen. Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO besteht ebenfalls aus keinem Grund.
Ebenso wenig ist ein zielstaatsbezogenes oder inlandsbezogene Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar, das einer Abschiebung nach Frankreich entgegenstünde. Ein solches ergibt sich bei dem jungen, gesunden Antragsteller insbesondere nicht aus gesundheitlichen Gründen.
Ergänzend wird insgesamt auch auf die ausführliche Begründung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 16. Juli 2019 Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.