Verwaltungsrecht

Prüfungskompetenz des Bundesamtes für inlandsbezogene Vollzugshindernisse

Aktenzeichen  Au 6 E 19.521

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10621
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a
AufenthG § 60a Abs. 2
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Das Bundesamt hat im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen; für eine daneben bestehende eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG verbleibt kein Raum.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung gegen seine Abschiebung nach Italien.
Der Antragsteller reiste erstmals am 12. Juli 2015 ohne Ausweispapiere unerlaubt in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Oktober 2015 Asyl. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) am 28. April 2016 gab der Antragsteller an, 1995 geborener afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Er sei ledig und habe Afghanistan mit seiner Familie etwa im Alter von vier oder fünf Jahren verlassen und anschließend mit seiner Familie (Eltern und Geschwister) in Pakistan gelebt. Die gesamte Familie würde sich auch jetzt in Pakistan aufhalten, insbesondere seine Mutter, die drei Brüder und eine verheiratete Schwester. Sein Vater sei bereits verstorben. Er sei von den Taliban wegen der von ihm betriebenen Schneiderei für Frauenkleidung bedroht worden und habe einen Drohbrief erhalten; kurz darauf sei seine Schneiderei bei einer Explosion zerstört worden. Er habe deswegen Pakistan im Juli 2015 verlassen und sei auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Mit Bescheid vom 21. Juni 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag in vollem Umfang ab. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (VG Augsburg, U.v. 1.8.2017 – Au 3 K 16.31012).
In der Folgezeit wurde er mehrfach mittels Bescheid dazu aufgefordert, beim Generalkonsulat Afghanistans zur Passbeschaffung vorzusprechen. Dem kam der Antragsteller nicht nach, sondern tauchte bis zum 30. August 2018 unter.
Bei einer Vorsprache bei der Zentralen Ausländerbehörde … im September 2018 gab der Antragsteller an, pakistanischer Staatsangehöriger zu sein und von dort zu stammen. Er legte den Mutterpass seiner schwangeren Lebensgefährtin vor. Ihm wurde eine Duldung erteilt und als Nebenbestimmung die Wohnsitznahme in … gestattet.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller bei der Regierung von, dass ihm eine Duldung ohne auflösende Bedingung erteilt sowie die Wohnsitznahme bei seiner schwangeren Lebensgefährtin gestattet werde.
Am 24. Oktober 2018 stellte der Antragsteller zur Niederschrift beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag. Bei seiner Anhörung trug er zur Begründung vor, dass er sich seit September 2017 in Italien aufgehalten habe. Von dort sei er Ende 2017 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgereist. Seine deutsche Lebensgefährtin erwarte ein gemeinsames Kind, errechneter Geburtstermin sei April 2019. In Pakistan habe er eine Ehefrau und zwei Kinder. Die Brüder seiner Ehefrau hätten von seinem Verhältnis zu einer Deutschen erfahren und hätten ihn deshalb mit dem Tod bedroht. Dies habe ihm seine Ehefrau telefonisch mitgeteilt. Er könne deshalb nicht mehr nach Pakistan zurückkehren.
Ausweislich eines Treffers im EURODAC-System stellte der Antragsteller am 7. September 2017 in Italien einen Asylantrag. Am 9. November 2018 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO an Italien, das innerhalb der Antwortfrist des Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO unbeantwortet blieb.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2019 wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4.). In den Gründen ist ausgeführt, dass der Asylantrag unzulässig sei, da Italien für die Behandlung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO zuständig sei. Abschiebungsverbote lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien würden nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es drohe dem Antragsteller in Italien keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen würde. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Am 15. Januar 2019 ließ der Antragsteller durch seinen damaligen Bevollmächtigten Klage und Eilantrag gegen den Bescheid des Bundesamts vom 9. Januar 2019 erheben (Au 3 K 19.50050 und Au 8 S 19.50051).
Mit Beschluss vom 28. Januar 2019 wurde der Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamts abgelehnt (Au 8 S 19.50051). Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestünden. Italien sei für die Durchführung des Asylantrags des Antragstellers zuständig. Gründe, von einer Überstellung nach Italien abzusehen, seien nicht ersichtlich. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufe, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik begründen könnten, bestünden nicht. Die gemeinsame Sorge für das ungeborene Kind der Lebensgefährtin des Antragstellers, dessen Vaterschaft der Antragsteller anerkannt habe, stelle keinen Grund dar, dass die Bundesrepublik das Asylverfahren durchführe. Der Abschiebung stünden weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse entgegen. Die gemeinsame elterliche Sorge stelle kein Abschiebungshindernis dar.
Am 4. Februar 2019 ließ der Antragsteller gegen den Antragsgegner zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen und beantragen, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers zeitweise auszusetzen, ihm eine Duldung ohne auflösende Bedingung zu erteilen und ihn im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Wohnsitznahme bei seiner Lebensgefährtin zu gestatten.
Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag auf Aussetzung der Abschiebung mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig ab (VG Augsburg, B.v. 14.2.2019 – Au 6 E 19.152 und Au 6 E 19.153), da der Antragsteller seinen Eilantrag gegen den Bundesamtsbescheid vom 9. Januar 2019, konkret gegen die darin enthaltene Abschiebungsanordnung und damit gegen die Bundesrepublik Deutschland, richten müsse, insbesondere durch einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO.
Der (erneut) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 9. Januar 2019 gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO blieb ebenfalls erfolglos (VG Augsburg, B.v. 21.2.2019 – Au 3 S 19.50110). Zum einen liege schon keine Veränderung der Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor. Zum anderen stehe aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht fest, dass es sich bei der Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Antragstellers um eine Risikoschwangerschaft handele. Auch gebe es insbesondere im Hinblick auf die räumliche Trennung des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit der Trennung verbundenen Belastungen für die über ein Aufenthaltsrecht verfügende Mutter eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine Lebensgefahr für das ungeborene Kind bewirken würden. Im Übrigen werde an der Einschätzung aus dem Beschluss vom 28. Januar 2019 (Au 8 S 19.50051) festgehalten, dass durch die Abschiebung nach Italien das (zukünftige) Vater-Kind-Verhältnis nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Auf der Grundlage der Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes könne die Wiedereinreise des nichtehelichen ausländischen Vaters eines deutschen Kindes alsbald nach der Geburt des Kindes ermöglicht werden.
Am 21. Februar 2019 kam der Sohn des Antragstellers zur Welt. Der Antragsteller hat die Vaterschaft anerkannt und eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben.
Am 25. Februar 2019 erklärte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers, der Antragsteller werde bis zum 30. April 2019 freiwillig nach Italien ausreisen. Die Lebensgefährtin des Antragstellers sei zuversichtlich, dass der Antragsteller bis dahin einen Reisepass habe. Der Antragsteller werde bei der Deutschen Botschaft in Italien ein nationales Visum zum Zwecke des Familiennachzugs beantragen (BA Bl. 484). Es werde daher darum gebeten, die Abschiebung des Antragstellers zu stoppen.
Die für den 25. Februar 2019 geplante Abschiebung wurde im Hinblick auf die Vaterschaft des Antragstellers und seine Erklärung, freiwillig ausreisen zu wollen, storniert (BA Bl. 492, 530).
Am 25. Februar 2019 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 9. Januar 2019 und damit auch gegen die Abschiebungsanordnung zurück; das Verfahren wurde eingestellt (VG Augsburg, B.v. 26.2.2019 – Au 3 K 19.50050).
Mit Schreiben vom 18. März 2019 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowie hilfsweise eine Duldung. Wegen der Geburt seines Sohnes und den nachgeburtlichen Komplikationen könne der Antragsteller nicht aus der Bundesrepublik ausreisen. Er fechte die Erklärung vom 25. Februar 2019 an. Da aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller schon kurz nach der Geburt eingeleitet worden seien, sei dem Antragsteller nichts anderes übrig geblieben, als die Erklärung vom 25. Februar 2019 abzugeben, weswegen sie unter Drohung und Nötigung zustande gekommen sei.
Der Antragsgegner leitete den Antrag auf Duldung an das Bundesamt weiter, da dieses im Dublin-Verfahren hierfür zuständig sei (vgl. Schreiben an Antragsteller vom 20. März 2019, vgl. auch BA Bl. 552, 565, 567). Eine Drohung oder Nötigung durch die Behörden habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Man weise auch darauf hin, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, bei der Kindsmutter zu wohnen, solange man nicht über den Umverteilungsantrag entschieden habe.
Das Bundesamt bat mit Schreiben vom 25. März 2019 und vom 26. März 2019 um Zusendung einer Geburtsurkunde, in der der Antragsteller als Vater bezeichnet werde oder um einen Auszug aus dem Geburtenregister sowie um Stellungnahme, ob zwischen dem Kind und dem Antragsteller eine Nähebeziehung vorliege. Anschließend werde man das Verfahren neu prüfen (BA Bl. 570, 591). Der Antragsgegner übermittelte dem Bundesamt die angeforderte Geburtsurkunde und teilte dem Bundesamt mit, dass eine Nähebeziehung wohl bestehe, da der Antragsteller – wenn auch entgegen seiner Wohnsitzverpflichtung – bei der Kindsmutter wohne (BA Bl. 593).
Am 3. April 2019 stellte der neue Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Bestätigung seines Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV sowie hilfsweise einen Aufenthaltstitel zu jedem anderen zulässigen Zweck, über den bislang nicht entschieden wurde. Mit Schreiben vom 5. April 2019 bat der Bevollmächtigte des Antragstellers um Bestätigung, dass keine Abschiebung stattfinde. Eine derartige Bestätigung gab der Antragsgegner nicht ab.
Mit Schriftsatz vom 11. April 2019 beantragte der Antragsteller
die Abänderung des Beschlusses des angerufenen Gerichts vom 14. Februar 2019 – Au 6 E 19.152 sowie Au 6 E 19.153 – und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller bis zur Bestandskraft der Entscheidung über seinen Antrag vom 3. April 2019 auf Bestätigung seines unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts nicht abzuschieben oder zu überstellen.
Die Feststellungen im bisherigen Eilverfahren hätten sich nun in dreifacher Hinsicht geändert: Erstens sei das deutsche Kind des Antragstellers am 21. Februar 2019 geboren worden; eine Geburtsurkunde liege ebenso vor wie die Vaterschaftsanerkennungs- und Sorgeerklärung. Die Mutter des Kindes, eine deutsche Staatsangehörige, benötige ausweislich des Attestes vom 2. April 2019 aufgrund von Nahtdehiszenzen eine Betreuung durch den Antragsteller, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass sie neben dem Kind des Antragstellers noch ein weiteres Kind zu betreuen habe. Zweitens habe der Antragsteller seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 9. Januar 2019 zurückgenommen und sei dieser Bescheid daher nun bestandskräftig. Drittens habe der Antragsteller am 3. April 2019 einen Antrag auf Bestätigung seines Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV gestellt, auf den der Antragsgegner nicht reagiert habe. Da der Dublin-Bescheid bestandskräftig sei und der Antragsteller ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht geltend mache, sei der Antragsgegner nun zuständig und nicht mehr das Bundesamt. Der EuGH habe bereits entschieden, dass einem Drittstaatsangehörigen, der Elternteil eines von ihm abhängigen Unionsbürgerkindes sei, ein Aufenthaltsrechts zustehe, selbst wenn der andere Elternteil sich ebenfalls um das Kind kümmern könne und unabhängig davon, ob der Drittstaatsangehörige erlaubt oder unerlaubt in die Europäische Union eingereist sei. Dies führe zu dem Ergebnis, dass im Falle eines Abhängigkeitsverhältnisses zum Elternteil dessen Entfernung regelmäßig Auswirkungen auf das seelische Gleichgewicht des Kindes hätte, sodass für den drittstaatsangehörigen Elternteil ein Aufenthaltsrecht im Mitgliedsstaat bestehe (EuGH, U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – juris Rn. 72; U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – juris Rn. 89). Zwischen dem Antragsteller und seinem Kind bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis: Das Kind des Antragstellers sei gerade einmal sieben Wochen alt und würde daher eine längere Abwesenheit des Vaters nicht verstehen. Der Antragsteller sei schon bei der Geburt, also in den ersten Lebensmomenten des Kindes, bei ihm gewesen, ebenso in der ersten Zeit des mehrtägigen Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind und lebe auch seither mit Mutter und Kind zusammen. Die Mutter des Kindes habe nicht unerhebliche gesundheitliche Probleme und sei mit der Betreuung ihres älteren Kindes überlastet, wenn sie sich ständig auch um das Kind des Antragstellers kümmern müsse. Diese geänderten Faktoren begründeten einen Duldungsanspruch, richtigerweise sogar einen Anspruch auf Bestätigung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts des Antragstellers.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unzulässig, da das Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig durch einen Antrag gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamts erreicht werden könne. Nach § 34a Abs. 1 AsylG habe das Bundesamt auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, sodass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibe. Dies habe man dem Antragsteller bereits mitgeteilt. Im Übrigen komme mangels Reisepasses die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht in Betracht.
Der Antragsteller ließ hierauf erwidern, dass das Dublin-Verfahren durch die Klagerücknahme abgeschlossen sei und daher eine vorrangige Zuständigkeit des Bundesamtes nicht mehr bestehe. Im Übrigen mache der Antragsteller einen unionsrechtlichen Aufenthaltsanspruch geltend, sodass es auf § 5 AufenthG nicht ankomme. Ferner stehe die Identität des Antragstellers wegen der vorliegenden Geburtsurkunde sowie der pakistanischen ID-Card, gültig bis 12. März 2029, fest. Unionsrechtlich sei der Besitz eines Reisepasses nicht erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig und hat daher keinen Erfolg.
Solange eine wirksame Abschiebungsanordnung des Bundesamts nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG besteht, ist das Bundesamt auch nach Bestandskraft des Bescheids für dessen Außervollzugsetzung, Änderung oder Aufhebung zuständig und bleibt kein Raum für eine eigene Prüfungskompetenz des Antragsgegners nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Ein gleichwohl gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde gerichteter Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Vollziehung der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung ist daher regelmäßig unnötig und deshalb auch rechtsmissbräuchlich.
1. Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Nach der – von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden – Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – juris Rn. 9 m.w.N.). Die alleinige Prüfungskompetenz des Bundesamtes gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (BVerfG, a.a.O. – juris Rn. 10 m.w.N.).
Ist wie im Fall des Antragstellers die Abschiebungsanordnung, die ein belastender Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ist, bereits unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden und will der Betroffene eine nachträgliche Veränderung der Sachlage (oder Rechtslage) – hier einen Duldungsgrund – geltend machen, muss er in unmittelbarer Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG einen Antrag beim Bundesamt auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen und im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO eine Sachentscheidung erzwingen. Der dem systematisch entsprechende statthafte Antrag im einstweiligen Rechtsschutz ist dann aber der Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, mit dem eine vorläufige Verhinderung der angeordneten Abschiebung erreicht werden soll, indem der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Bundesamtes aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf. Die Ausländerbehörde, die die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes nach § 34a Abs. 1 AsylG durchführt, hat aus den oben dargelegten Gründen dagegen grundsätzlich keine eigene Entscheidungskompetenz bezüglich der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung wegen eines nachträglich geltend gemachten (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbots (z.B. nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) oder Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 AufenthG, solange die (bestandskräftige) Abschiebungsanordnung nicht aufgehoben ist (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 u.a. – juris Rn. 5 m.w.N.; umfassend auch VG Stuttgart, B.v. 21.6.2018 – 4 K 6710/18 – juris Rn. 27 ff.). Im Hinblick auf die alleinige Entscheidungskompetenz des Bundesamtes auch nach Bestandskraft seiner wirksamen Abschiebungsanordnung ist ferner unbeachtlich, aus welchen Gründen der Antragsteller einen Duldungsgrund herleiten möchte. Ausweislich des klaren Wortlauts des § 34a Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt sämtliche Duldungsgründe zu prüfen. Ob eine Duldung aus medizinischen oder familiären Gründen oder als Verfahrensduldung bis zur Bestätigung eines Aufenthaltsrechts begehrt wird, ist insoweit nicht entscheidungserheblich.
Lediglich in extrem zugespitzten Ausnahmefällen, in denen auf dem dargelegten vorrangigen Rechtsschutzweg eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung für den Betroffenen nicht mehr erreichbar ist, etwa weil die begehrte Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf, offensichtlich zu spät kommen würde, mag es aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) möglich sein, im Wege der einstweiligen Anordnung unmittelbar (auch) gegenüber der für den Vollzug der Abschiebungsanordnung zuständigen Ausländerbehörde eine vorläufige Aussetzung der Abschiebung zu erstreiten (BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 u.a. – juris Rn. 6).
Liegt kein extrem zugespitzter Ausnahmefall vor, fehlt es dem Antragsteller insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil er sein Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig und – auch im konkreten Fall – effektiv durch einen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) zur (vorläufigen) Sicherung seines Begehrens bzw. Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 VwVfG) bezüglich des von ihm nunmehr geltend gemachten Duldungsgrundes erreichen könnte. Sein wegen eines nachträglich aufgetretenen Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 AufenthG gestellter Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Verpflichtung des Antragsgegners (als Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde) zur vorläufigen Aussetzung der Vollziehung der seit 26. Februar 2019 bestandskräftigen Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylVfG) des Bundesamtes im Bescheid vom 9. Januar 2019 ist daher letztlich unnötig und deshalb auch rechtsmissbräuchlich (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810 u.a. – juris Rn. 3; zur fehlenden Passivlegitimation vgl. VG Stuttgart, B.v. 21.6.2018 – 4 K 6710/18 – juris Rn. 27 ff.).
Ein extrem zugespitzter Ausnahmefall liegt im konkreten Fall nicht vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum es dem anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht ohne weiteres möglich und unzumutbar sein sollte, im Hinblick auf die Geburt seines deutschen Sohnes und der geltend gemachten Nähebeziehung bzw. des Abhängigkeitsverhältnisses einen Wiederaufgreifensantrag beim Bundesamt zu stellen und insoweit um den vorrangigen einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamts zur Sicherung seines Begehrens auf Wiederaufgreifen nachzusuchen. Zum einen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Antragstellers unmittelbar bevorstünde. In den Akten des Antragsgegners sind im Nachgang zur abgebrochenen Abschiebung vom 25. Februar 2019 keine weiteren geplanten Abschiebungsmaßnahmen dokumentiert, insbesondere keine neue Flugbuchung und keine neue Mitteilung an Italien nach Art. 31 Abs. 1, 2, 4 Dublin III-VO. Der Antragsgegner hat das Bundesamt vielmehr in mehreren Schriftsätzen um Prüfung gebeten, ob aus Sicht des Bundesamts im Hinblick auf die Nähebeziehung zu einem deutschen Kind ein Abschiebungshindernis vorliege und man deswegen dem Antragsteller eine Duldung erteilen solle. Das Bundesamt hat die Prüfung nach Einreichung einer aussagekräftigen Geburtsurkunde zugesichert. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde eine Entscheidung über ihre eigene Anfrage an das Bundesamt nicht abwarten und den Antragsteller vor einer Mitteilung des Bundesamts abschieben würde. Im Übrigen liegt die (allenfalls sehr kurzzeitige) Verzögerung der Rechtsschutzgewährung einzig im Verantwortungsbereich des Antragstellers und liegt auch aus diesem Grund kein Ausnahmefall vor. Der Antragsteller ist nach bestandskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens untergetaucht, erst am 30. August 2018 wieder aufgetaucht und hat gleichzeitig die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin geltend gemacht und den Mutterpass vorgelegt (vgl. BA Bl. 229). Schon zu diesem Zeitpunkt hätte er sich um die Beantragung eines Aufenthaltsrechts aus familiären Gründen bemühen können und die hierfür erforderlichen Schritte (beispielsweise Passbeschaffung und ggf. Nachholung des Visumsverfahrens) einleiten können. Anstatt dessen stellte er am 24. Oktober 2018 einen unzulässigen Asylfolgeantrag und erwirkte damit selbst die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Bundesamts auch für etwaige Duldungsgründe aus familiären Gründen, für die ansonsten die Ausländerbehörde zuständig gewesen wäre. Anschließend schöpfte er den Rechtsweg gegen die Entscheidung des Bundesamts nicht aus, sondern nahm seine hiergegen gerichtete Klage zurück. Hierdurch nahm sich der Antragsteller selbst die Möglichkeit, nach der Geburt seines Sohnes wegen der behaupteten nun vorliegenden Nähebeziehung zwischen Vater und Sohn bzw. wegen der behaupteten Betreuungsbedürftigkeit von Mutter und Kind einen (weiteren) Eilantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen und dadurch die aufschiebende Wirkung seiner Klage zu erwirken. Durch die Klagerücknahme nahm sich der Antragsteller ferner die Möglichkeit einer Überprüfung der Entscheidung des Bundesamts in der Hauptsache. Dass die mit anwaltlichem Schriftsatz erklärte Klagerücknahme des Bevollmächtigten durch Nötigung oder Drohung zustande gekommen sein sollte, ist fernliegend. Insoweit ist es ihm erst recht zuzumuten, zunächst einen Wiederaufgreifensantrag beim Bundesamt zu stellen und diesen mit einem Antrag nach § 123 VwGO gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verbinden. Sowohl das Gericht (vgl. VG Augsburg, B.v. 14.2.2019 – Au 6 E 19.152 und Au 6 E 19.153) als auch der Antragsgegner haben den Antragsteller zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass richtiger Antragsgegner die Bundesrepublik Deutschland und nicht der Freistaat Bayern ist. Wenn der Antragsteller anschließend gleichwohl erneut einen Eilantrag gegen den Freistaat Bayern stellt, liegen etwaige Verfahrensverzögerungen in seinem Verantwortungsbereich.
Der Eilantrag gegen den Antragsgegner nach § 123 VwGO ist daher rechtsmissbräuchlich und mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
2. Auf die materiell geltend gemachten Duldungsgründe kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass jedenfalls im Hinblick auf eine Verfahrensduldung wegen eines geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. eines Aufenthaltsrechts auf unionsrechtlicher Grundlage insoweit erhebliche Zweifel bestehen dürften.
a) Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis löst nach § 81 AufenthG keine Fiktionswirkung aus.
Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens ausschließlich unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 24; OVG NRW, B.v. 2.5.2006 – 18 B 437/06 – juris Rn. 2). Im Übrigen kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 5 ff. AufenthG schon wegen der selbst verschuldeten Passlosigkeit des Antragstellers nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht in Betracht, da nicht ersichtlich ist, inwiefern der Antragsteller an der Passbeantragung während der letzten Jahre gehindert gewesen sein sollte. Insbesondere verfügt er über eine ID-Card und eine Geburtsurkunde.
b) Die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU und ein diesbezüglicher Duldungsanspruch bis zur Ausstellung bzw. Bescheinigung kommt schon deswegen nicht in Betracht, da der Sohn des Antragstellers deutscher Staatsangehöriger ist und daher kein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (§ 1 FreizügG/EU). Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie 2004/38 allein die Voraussetzungen regeln soll, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf. Auf die Bestimmungen dieser Richtlinie kann daher kein abgeleitetes Recht der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, gestützt werden (EuGH, U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – juris Rn. 53).
c) Da der Sohn des Antragstellers bisher stets in der Bundesrepublik gelebt hat und daher auch kein sog. Rückkehrfall vorliegt, kommt auch ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV nicht in Betracht (EuGH, U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – juris 54).
d) Soweit der Antragsteller meint, aus Art. 20 AEUV leite sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis analog § 4 Abs. 5 AufenthG und eine Verfahrensduldung bis zur diesbezüglichen Entscheidung der Ausländerbehörde ab, so geht auch dieser Einwand fehl. Ein derartiges Aufenthaltsrecht steht dem Antragsteller nicht zu.
Der Antragsteller erfüllt weder die Voraussetzungen eines nationalen Aufenthaltstitels, noch ist auf ihn das EU-Freizügigkeitsrecht nach der entsprechenden Richtlinie anwendbar (vgl. oben).
In ganz besonderen Sachverhalten muss jedoch trotz Unanwendbarkeit des geltenden Sekundärrechts dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge der Verweigerung des Aufenthaltsrechts de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt würde (EuGH, U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – juris 63 m.w.N.). Art. 20 AEUV steht einer Praxis eines Mitgliedstaats entgegen, die darin besteht, dass ein Antrag auf Aufenthaltsgewährung allein wegen eines bestehenden Einreiseverbots nicht bearbeitet wird, ohne dass geprüft worden wäre, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Unionsbürger und dem Drittstaatsangehörigen besteht, das den Unionsbürger im Fall der Weigerung, dem Drittstaatsangehörigen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu gewähren, de facto zwingen würde, das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen, so dass ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm sein Status verleiht, vorenthalten würde (EuGH, U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – juris Rn. 42). Ein derartiger Ausnahmefall liegt vorliegend indes nicht vor. Unabhängig vom Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist vorliegend ausgeschlossen, dass der Sohn des Antragstellers gezwungen wäre, das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen. Denn der Antragsteller soll ausweislich der Abschiebungsanordnung nach Italien und damit in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union abgeschoben werden. Selbst wenn der Sohn des Antragstellers als Unionsbürger daher dem Antragsteller wegen seines Abhängigkeitsverhältnisses de facto nach Italien folgen müsste, würde er hierfür nicht das Unionsgebiet als Ganzes verlassen. Der Ausnahmefall des Art. 20 AEUV ist daher nicht gegeben, da auch der Sohn des Antragstellers nicht im Kernbestand seiner aus Art. 20 AEUV folgenden Rechte betroffen ist.
e) Ob hingegen wegen Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK ein Abschiebungshindernis wegen einer (behaupteten) tatsächlich gelebten Nähebeziehung und einer (behaupteten) Betreuungsbedürftigkeit der Kindsmutter und des Kindes besteht oder ob dem Antragsteller die Nachholung des Visumsverfahrens von Italien aus zumutbar ist, ist vorliegend offen und obliegt der Prüfung des Bundesamtes bzw. der im diesbezüglichen Eilverfahren zuständigen Kammer.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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