Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  W 10 S 19.50280

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8884
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1
EMRK Art. 3, Art. 8
GRCH Art. 4
GG Art. 6
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Auch wenn Dublin-Rückkehrer in Einzelfällen bei ihrer Rückkehr obdachlos werden können, sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit dem Beschäftigungsverbot innerhalb der Mutterschutzfrist korreliert ein Abschiebungsverbot, da die psychische und physische Belastung einer Schwangeren in dieser Zeit derart enorm ist, dass es durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung zu einer ernsthaften Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter wie auch des ungeborenen Kindes kommen kann.  (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer von der Antragsgegnerin angeordneten Abschiebung nach Italien.
1. Die zur Person nicht ausgewiesene Antragstellerin ist eigenen Angaben zufolge eine nigerianische Staatsangehörige, dem Volk der Yoruba zugehörig und christlichen Glaubens. Sie verließ ihr Herkunftsland nach eigenen Angaben im Dezember 2015 und reiste über Niger, Libyen, Italien und Österreich am 29. Januar 2019 über den Landweg in das Bundesgebiet ein. Am 7. Februar 2019 stellte sie beim Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der Anhörung zur Zulässigkeit des gestellten Asylantrages schilderte die Antragstellerin unter anderem, im Jahr 2016 nach Italien eingereist zu sein. Dort habe sie sich etwa drei Jahre aufgehalten und internationalen Schutz beantragt. Das Asylverfahren in Italien habe mit dem Ergebnis geendet, dass sie in Italien Schutz erhalten habe. Befragt nach den Umständen, die einer Abschiebung nach Italien entgegenstehen würden, gab die Antragstellerin an, dass sie sich dort die ganze Zeit in einem Camp aufgehalten habe. Sie habe sich aktiv an mehreren Kursen und Schulungen beteiligt. Sie habe drei Monate lang in einem Restaurant mit einem befristeten Arbeitsvertrag gearbeitet und habe sich aktiv in einem Programmbereich mit Menschen- und Frauenrechten beteiligt. Sie habe mehrere Schulen besucht. Ihr sei gesagt worden, sie müsse das Camp verlassen. Sie habe keinen Job bekommen. Sie wolle nicht auf der Straße landen. Sie habe keine Unterkunft gehabt. Im Camp sei ihr gesagt worden, sie solle sich selbst einen Job suchen. Sie habe große Mühe gehabt, einen Job zu finden. Sie habe sich bei mehreren Agenturen vorgestellt, sei aber leider nicht erfolgreich gewesen. Sie habe finanzielle Schwierigkeiten gehabt und ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Deshalb sei sie zu ihrem Freund gegangen, der jetzt ihr Mann sei. Die Lebensumstände seien sehr schwer gewesen, da sie keine Arbeit gefunden hätten. Sie habe auf der Straße betteln müssen. Sie könne unter solchen Umständen nicht leben. Die Frage, ob sie Beschwerden oder Erkrankungen habe, verneinte die Antragstellerin. Sie sei schwanger. Die Antragstellerin führte zudem aus, dass sie ihren Mann hier in Deutschland habe.
Da dem Bundesamt Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) vorlagen, ersuchte es die italienischen Behörden am 7. März 2019 um Wiederaufnahme der Antragstellerin. Das Ersuchen wurde von den italienischen Behörden nicht beantwortet.
Mit Bescheid vom 25. März 2019, der Antragstellerin zugestellt am 28. März 2019, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig, da Italien aufgrund des dortigen Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zuständig sei. Sollte die Antragstellerin entgegen der bisherigen Erkenntnislage in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten haben, bleibe es gleichwohl bei der Unzulässigkeit des Asylantrags, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamts nicht vor. Einer Dublin-Überstellung stünden nur außergewöhnliche, schwerwiegende humanitäre Gründe entgegen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge, da die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab nicht erfüllt seien. Ebenso fehlten Gründe für eine Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 4 EU-Grundrechtecharta vorläge. Weiterhin bestünden in Italien keine systemischen Mängel, welche die Sicherheitsvermutung widerlegen würden. Die dortigen Aufnahmeeinrichtungen entsprächen internationalen Standards, ein Zugang zum Asylverfahren, zu medizinischer Versorgung sowie juristischer Unterstützung sei gewährleistet. Der Vortrag der Antragstellerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung könne ebenfalls nicht dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedstaat werde. Es stehe Asylsuchenden nicht frei, sich ihr Niederlassungsland während des Asylverfahrens anhand eigener Wertvorstellungen und nach Abwägung der jeweils gebotenen sozio-ökonomischen Standards in den Mitgliedstaaten auszuwählen. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Antragstellerin habe vorgetragen, dass sie schwanger und zusammen mit ihrem Mann in Deutschland sei. Die vorgebrachte Ehe sei jedoch nicht durch Dokumente belegt worden. Die Antragstellerin habe angegeben, mit ihrem Partner nur nach traditionellem Ritus verheiratet zu sein. Eine solche traditionelle Ehe sei nach deutschem Recht allerdings unbeachtlich. Aus Partnerschaften, die staatlich nicht registriert und anerkannt seien, könnten ausländerrechtlich keine Ansprüche abgeleitet werden. Eine zivilrechtliche Eheschließung durch das zuständige Standesamt sei erforderlich. Dies gelte auch für den Vortrag der Antragstellerin, sie sei schwanger. Eine Schwangerschaft stelle für sich genommen kein Überstellungshindernis dar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 25. März 2019 Bezug genommen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 3. April 2019 zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage (W 10 K 19.50279) und beantragte zugleich im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin unter Vorlage eines Mutterpasses im Wesentlichen vor, sie sei schwanger und es sei schwer für sie, in Italien mit einem Baby zu leben, da sie bei einer Rückkehr wieder auf der Straße schlafen müsse. Sie habe keine Arbeit und keine Perspektive in Italien. Zur Begründung werde ebenfalls auf die Gründe ihres Mannes verwiesen.
Wegen der Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, die Akten im Verfahren W 10 K 19.50280, die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
II.
Der wörtlich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zugunsten der Antragstellerin dem erkennbaren Begehren entsprechend nach §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur bezüglich der von der Antragsgegnerin unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Abschiebungsanordnung begehrt. Der so auszulegende Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Italien ist zulässig. Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen. Eine Klage gegen die Abschiebungsanordnung entfaltet von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag ist daher statthaft und wurde innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag ist allerdings unbegründet. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Klage in der Hauptsache dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids keine Zweifel. Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen der Antragstellerin in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Bewertung.
a) Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Die Antragstellerin hat ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Eurodac-Treffers bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, so dass die italienischen Behörden für die Prüfung des Antrags zuständig sind. Da die italienischen Behörden das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO beantwortet haben, ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wurde, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Antragstellerin wieder aufzunehmen.
Da das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Italien gerichtet wurde, ist die Zuständigkeit auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen. Auch auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin, weil die dort geregelte Überstellungsfrist von sechs Monaten offensichtlich noch nicht abgelaufen ist.
b) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nach Italien.
Das auf der Grundlage des Art. 78 Abs. 2 AEUV eingerichtete Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 80). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta (EU-GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80). Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründet jedoch nur eine widerlegliche Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das GEAS in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 83 f.). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist das in Art. 4 EU-GR-Charta enthaltene Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von fundamentaler Bedeutung und muss aufgrund der engen Verbindung zur Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 EU-GR-Charta) und seines daraus resultierenden absoluten Charakters auch bei Überstellungen von Asylbewerbern nach den Dublin-Verordnungen vollumfänglich beachtet werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10 – NVwZ 2012, 417; U.v. 14.11.2013 – Puid, C-4/11 – NVwZ 2014, 129; U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 59; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 78).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann die Vermutung, wonach der Aufnahmestaat seinen Pflichten aus Art. 3 EMRK nachkommt, widerlegt werden, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme vorgebracht werden, dass die Person, deren Rückführung angeordnet wird, einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) entgegensehen würde, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, Nr. 29217/12 – NVwZ 2014, 127, Rn. 104; U.v. 21.1.2011 – M.S.S., Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 342). Die Ursache der Gefahr hat keine Auswirkungen auf das Schutzniveau der EMRK und befreit den überstellenden Staat nicht davon, eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und im Falle der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung die Durchsetzung der Abschiebung auszusetzen (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, a.a.O.). Staatliches Handeln in Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen einer zwischen- oder überstaatlichen Organisationen – wie der EU – ist nach der EMRK nur solange gerechtfertigt, wie auf dieser Ebene ein ausreichender Grundrechtsschutz gewährleistet ist. Dies ist im Rahmen des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes grundsätzlich der Fall (EGMR, U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197), zumal die in der EMRK garantierten Rechte nach Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 EU-GR-Charta in die unionsrechtlichen Grundrechtsgewährleistungen als Mindeststandard inkorporiert sind (Borowsky in Meyer-Ladewig, Charta der Grundrechte, vor Art. 51 Rn. 1a; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 52 Rn. 60 ff.). Soweit ein Mitgliedstaat aber entscheiden kann, in eigener Zuständigkeit tätig zu werden – wie im entschiedenen Fall gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO a.F., vgl. nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO -, handelt er nach der Auffassung des EGMR nicht in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen und kann sich somit seiner Verantwortlichkeit nicht entziehen, wenn er von dieser Möglichkeit trotz der ernsthaften Gefahr einer Grundrechtsverletzung keinen Gebrauch macht (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S., 30696/09, NVwZ 2011, 413 Rn. 340 m.V.a. U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197).
Diesen Vorgaben des höherrangigen Unionsrechts sowie des internationalen Rechts trägt Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO Rechnung. Danach besteht ein Überstellungshindernis, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta mit sich bringen. Unter diesen Umständen hat die Antragsgegnerin zunächst gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung der Zuständigkeitskriterien in Kapitel III (Art. 7 – 15 Dublin III-VO) fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann danach keine Überstellung an einen anderen zuständigen Mitgliedstaat erfolgen, so geht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO die Zuständigkeit auf die Antragsgegnerin über.
Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind allerdings hoch. Im Hinblick auf das Ziel der Dublin III-VO, zügig und effektiv den für das Asylverfahren zuständigen Staat zu bestimmen, können geringfügige Verstöße hierfür nicht ausreichen. Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss vielmehr ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EGMR kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthält, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Dublin-Überstellung stehen nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Diese Grundsätze konkretisierend hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019, Az.: C-163/17 (juris Rn. 91) ausgeführt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu werten sind, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle ist aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92 f.).
Entsprechend vorstehender Ausführungen geht das Gericht auf der Basis einer Gesamtwürdigung nach dem aktuellen Erkenntnisstand und im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien unionsrechtlichen Maßstäben widerspricht bzw. dort unzureichende Aufnahmebedingungen herrschen, die zu einer Verletzung der durch Art. 4 EU-GR-Charta gewährleisteten Rechte führen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Republik Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union an die europäischen Grundrechte (Art. 51 Abs. 1 EU-GR-Charta) sowie an die EMRK gebunden. Deshalb spricht zunächst die durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründete Vermutung für die Zulässigkeit der Abschiebung in einen solchen Staat. Diese Vermutung ist nicht durch die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen entkräftet, weil eine Zusammenschau der einschlägigen Erkenntnismittel ergibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien zumindest den internationalen und europäischen Mindeststandards entsprechen und jedenfalls elementare Bedürfnisse der Asylbewerber gedeckt werden können.
Asylbewerber haben in Italien entsprechend dem Grundrecht auf Asyl Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Über den Ablauf des Asylverfahrens wird über Informationsbroschüren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen sowie über Betreuungsdienste Auskunft gegeben. Bei Dublin-Rückkehrern ist im Regelfall gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz weiterverfolgen oder erstmals einen Asylantrag stellen können. Im Falle einer negativen Verbescheidung kann ein Wiederaufnahmeantrag gestellt werden oder Beschwerde gegen den negativen Bescheid eingelegt werden. Das Asylverfahren soll zwar grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NW vom 23. Februar 2016). Der Umstand, dass diese Verfahrensdauer aufgrund der aktuellen Belastungssituation nicht immer eingehalten werden kann, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines unzureichenden Asylverfahrens, zumal diesbezügliche Schwierigkeiten wegen des enormen Zustroms an Schutzsuchenden nicht nur in Italien, sondern in vielen europäischen Ländern bestehen.
Weiterhin erhalten Asylsuchende während des Asylverfahrens in Italien Leistungen für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, insbesondere Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Kleidung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018 m.w.N.). Auch wenn Italien diesbezüglich hinter den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zurückbleibt und insbesondere kein umfassendes Sozialsystem kennt, so begründet dies entsprechend der obigen Ausführungen keine systemischen Mängel.
Italien verfügt über ein umfassendes Gesundheitssystem, das medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf hohem Niveau bereitstellt. Asylbewerber haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden gleichwohl medizinische Basisleistungen, wie beispielsweise kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 17).
Während des Asylverfahrens haben Asylbewerber einen Anspruch auf Unterbringung. Grundsätzlich werden zahlreiche Plätze für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer in verschiedenen staatlichen Unterkünften zur Verfügung gestellt, die über ganz Italien verteilt sind. Sowohl das Bundesamt als auch Asylum Information Database (im Folgenden: AIDA) gehen von einer Gesamtkapazität von über 175.000 Plätzen aus (vgl. BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 2; AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report_download/aida_it_2017update.pdf, S. 80 ff.), so dass angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern lange Zeit eine Überbelegung anzunehmen war. Ob diese Überlegung nach wie vor besteht, kann vorliegend jedoch offen bleiben, da davon auszugehen ist, dass eine Unterbringung der Asylbewerber und Dublin-Rückkehrer im Regelfall gewährleistet ist. Neben den staatlichen Einrichtungen existieren verschiedene karitative und kommunale Einrichtungen, die zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten bieten, um Asylbewerber vor Obdachlosigkeit zu schützen. In Einzelfällen ist es gleichwohl möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhalten und vorübergehend obdachlos sind. Insbesondere kann es zu Problemen kommen, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht waren, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergeht, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlässt oder eine ihm zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hat (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 27.9.2018, S. 16). Der Anspruch kann zwar wieder aufleben. Insoweit ist allerdings ein vorheriger Antrag bei der Questura erforderlich, die ursprünglich für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig war. Eine Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung kann erst dann wieder erfolgen, wenn die Wiederaufnahme genehmigt wurde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S.28). In dieser Übergangsphase sind Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitative Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gibt, angewiesen, um der Obdachlosigkeit entgehen zu können. Im Ergebnis ist die Unterkunftssituation in ihrer Gesamtschau daher weiterhin problematisch.
Gleichwohl sind diese defizitären Umstände noch nicht als generelle systemische Mängel in Italien zu qualifizieren, zumal die Annahme von Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO entsprechend den oben genannten Maßgaben an besonders hohe Anforderungen geknüpft ist. Der maßgebliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit muss sich auf Basis einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände ergeben und sich nicht nur auf einzelne Mängel des Systems beziehen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der italienische Staat mit Unterstützung von European Asylum Support Office der Europäischen Union (EASO) geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um die Aufnahmekapazitäten stetig zu erhöhen und aktiv darum bemüht ist, diese auch weiterhin zu verbessern (vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015). Dies gilt umso mehr, als die Anzahl der in Italien ankommenden Asylbewerber seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig ist.
Auf der Basis vorstehender Ausführungen schließt sich das Gericht unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung der Einschätzung zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an, dass Italien grundsätzlich über ausreichende Unterbringungskapazitäten sowie ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz bestehender Mängel noch als funktionsfähig betrachtet werden kann (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Augsburg, B.v. 1.3.2018 – Au 5 S 18.50329 – juris; VG München, B.v. 6.6.2018 – M 11 S 18.51151 – Beck RS 2018, 15962; B.v. 9.8.2018 – M 26 S 18.52225, BeckRS 2018, 19472; VG Ansbach, U.v. 1.8.2018 – AN 14 K 17.50567 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 22.3.2018 – A 5 K 15921/17 – BeckRS 2018, 7260; OVG Lüneburg, B.v. 13.6.2018 – 10 LB 204/18, BeckRS 2018, 22826; B.v. 2.7.2018 – 10 LB 249/18, BeckRS 2018, 24922; BayVGH, U.v. 18.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG Münster, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris).
Diese Auffassung vertritt auch der EGMR, der in seiner Tarakhel-Entscheidung vom 4. November 2014 ausgeführt hat, dass zwar nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Asylbewerber im Einzelfall keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei, die allgemeine Situation der Asylbewerber in Italien aber nicht mit der Griechenlands vergleichbar sei und keine systemischen Mängel vorlägen (EGMR, Tarakhel ./.Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.).
Diese Einschätzung bedarf auch in Anbetracht des am 5. Oktober 2018 erlassenen und am 7. November 2018 durch den Senat sowie am 28. November 2018 durch das Parlament bestätigten Dekrets No. 113/2018 über Sicherheit und Migration (sog. Salvini-Dekret) keiner Modifizierung. Soweit ersichtlich, betrifft die Regelung Änderungen in den Bereichen des Aufenthaltsrechtes aus humanitären Gründen, des Verlustes eines zuerkannten Schutzstatus sowie des Zugangs für Asylbewerber zu den sog. SPRAR-Einrichtungen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand 27.9.2018, S. 6; Informationsverbund Asyl und Migration, Änderungen im italienischen Asylsystem in Kraft getreten, v. 29.10.2018; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mutual trust is still not enough, The situation of persons with special reception needs transferred to Italy under the Dublin III Regulation, 12.12.2018, S. 12 f.). Die asylverfahrens- und aufenthaltsrechtlichen Neuregelungen des Dekrets bestehen im Wesentlichen darin, dass der humanitäre Aufenthaltstitel weitgehend abgeschafft und erleichterte Voraussetzungen für die Aberkennung des subsidiären Schutzes geschaffen werden. Des Weiteren haben ab dem Stichtag 5. Oktober 2018 nur noch unbegleitete minderjährige Asylsuchende Zugang zu den SPRAR-Aufnahmeeinrichtungen. Ansonsten sind diese anerkannten Schutzberechtigten und humanitär Aufenthaltsberechtigten vorbehalten. Dies bedeutet zwar, dass vulnerable Personen künftig keinen Zugang zu diesen Einrichtungen haben, solange ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist bzw. negativ abgeschlossen wurde. Für im Dublin-Verfahren zu überstellende Asylbewerber (sog. Dublin-Rückkehrer), welche nicht zu einem vulnerablen Personenkreis gehören, ergeben sich daraus jedoch keine unmittelbaren negativen Auswirkungen, da ihre Unterbringung, wie ausgeführt, im Regelfall gewährleistet ist. Des Weiteren liegt die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechtes nach unanfechtbarem negativem Abschluss des Asylverfahrens gemäß Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348/98, sog. Rückführungsrichtlinie) im Ermessen der Mitgliedstaaten. Demgegenüber regelt Art. 9 der Rückführungsrichtlinie die Fälle, in denen kraft Unionsrechtes die Rückführung in das Herkunftsland trotz unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrages nicht zulässig ist. Im Übrigen ist der jeweilige Mitgliedstaat somit kraft seiner Gebietshoheit befugt, den Aufenthalt von unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbern in seinem Hoheitsgebiet zu beenden, zu dulden oder durch Gewährung eines zumindest befristeten Aufenthaltsrechtes (vorübergehend) zu legalisieren. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Vorschriften der Rückführungsrichtlinie gegen primäres Unionsrecht, insbesondere Grundrechte der betroffenen Asylbewerber verstoßen würden, oder dass in der italienischen behördlichen Praxis rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber unter Verstoß gegen diese Vorschriften in ihr Herkunftsland zurückgeführt würden, liegen nicht vor.
c) Des Weiteren liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die möglicherweise für eine Pflicht der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt bzw. für Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Nichtausübung des Selbsteintrittsrechtes der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts steht grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten (sog. Ermessensklausel, vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C.K., C-578/16 PPU – juris Rn. 88; U.v. 30.5.2013 – Halaf, C-528/11 – juris Rn. 35 ff.). Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des EGMR ein Mitgliedstaat, wie bereits ausgeführt, seiner Verantwortlichkeit für eine Grundrechtsverletzung infolge der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nicht unter Verweis auf dessen Zuständigkeit entziehen, wenn er die Befugnis zum Selbsteintritt – hier nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO – besitzt, von dieser Möglichkeit aber trotz der ernsthaften Gefahr einer Grundrechtsverletzung keinen Gebrauch macht (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S., 30696/09, NVwZ 2011, 413 Rn. 340 m.V.a. U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197). Eine Pflicht zum Selbsteintritt kann aber nur dann angenommen werden, wenn sich das dem Mitgliedstaat eingeräumte Ermessen derart verdichtet hat, dass jede andere Entscheidung unvertretbar wäre (sog. Ermessensreduktion auf Null), weil außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 22 ff.; VG München, GB v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris Rn. 43 f.; einschränkend aber EuGH, U.v. 16.2.2017 – C.K., C-578/16 PPU – juris Rn. 88).
Die Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Familieneinheit unterfällt zwar dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK. Bei der vorgetragene Ehe mit dem Antragsteller im Verfahren W 10 S 19.50274 handelt es sich allerdings um eine traditionell geschlossene Ehe, die nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist, da es sich hierbei mangels staatlicher Anerkennung nicht um eine rechtswirksame Eheschließung handelt (vgl. Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. 2017, § 6 Rn. 7 ff.). Zum aktuellen Zeitpunkt kann zwischen der Antragstellerin und ihrem traditionellen Ehemann auch (noch) kein tatsächlich bestehendes und schutzwürdiges Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK angenommen werden (vgl. Hofmann in BeckOK, AuslR, 21. Ed. 1.2.2019, EMRK, Art. 8 Rn. 16 ff.). Überdies ist davon auszugehen, dass die Beziehung auch in Italien fortgesetzt werden kann, da derzeit davon auszugehen ist, dass der traditionell angetraute Ehemann der Antragstellerin gemeinsam mit ihr nach Italien überstellt werden kann (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.4.2019 – W 10 S 19.50274 -).
d) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass im Falle der Antragstellerin keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere droht der Antragstellerin unter den oben genannten Voraussetzungen auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, welche zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führen würde.
Dieser Einschätzung steht auch die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 nicht entgegen (EGMR, Tarakhel ./.Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127, Rn. 114 ff.). Denn auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin als schwangere Frau zu einem besonders schutzbedürftigen (vulnerablen) Personenkreis im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180/96, sog. Aufnahmerichtlinie) gehört, dessen Belangen im Einzelfall besonders Rechnung getragen werden müsste, sieht das Gericht derzeit keine Grundlage, ohne individuelle Zusicherung der italienischen Behörden generell einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (bzw. Art. 4 EU-GR-Charta) annehmen zu können.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Wie bereits dargestellt wurde, hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019 nunmehr klargestellt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu werten sind, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 91). Diese Schwelle ist aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats muss zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 92 f.).
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25/18 -, juris Rn. 11) steht einer Abschiebung das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nur dann entgegen, wenn im Zielstaat das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere erreicht wird. Das kann der Fall sein, wenn die anerkannten Flüchtlinge ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Auch wenn diese Entscheidung unmittelbar den Fall eines anerkannt Schutzberechtigten betrifft, sind die zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK angenommen werden kann, angestellten Überlegungen gleichwohl auf den vorliegenden Fall übertragbar (so in der Tendenz auch BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 10 CE 19.67 – juris Rn. 16 f.).
Das Gericht verkennt nicht, dass die Antragstellerin als Schwangere zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis nach Art. 21 der Aufnahmerichtlinie gehört. Dies vermag für sich genommen im Falle der Antragstellerin jedoch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu rechtfertigen. Denn auf Grundlage einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist nach Auffassung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich die Antragstellerin nach einer Rückkehr nach Italien in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlauben würde, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.
Vorliegend gibt es einerseits gewichtige und aktuelle Anhaltspunkte für die Annahme, dass die italienischen Behörden der bestehenden Unterkunftsproblematik keinesfalls mit Gleichgültigkeit begegnen. Wie bereits ausgeführt, haben nunmehr zwar weder Dublin-Rückkehrer noch vulnerable Asylbewerber Zugang zu dem SPRAR – System (nun wohl SIPROIMI – „Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“), sondern werden in CAS-Einrichtungen (bzw. in Erstaufnahmeeinrichtungen) untergebracht. Geeignete Einrichtungen standen für vulnerable Personen bislang in den sogenannten SPRAR („Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“) – Unterkünften zur Verfügung, in denen entsprechende Unterstützungsleistungen gewährt wurden. Es handelte sich hierbei um ein Unterbringungssystem auf kommunaler Ebene, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wurde und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsah (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NW vom 23. Februar 2016). Diese machten in der Vergangenheit jedoch einen eher geringeren Prozentsatz der staatlichen Unterbringungsmöglichkeiten aus, so dass nicht jeder Asylsuchende einen Platz erhalten konnte und die Zuteilung häufig mit langen Wartezeiten verbunden war (vgl. AIDA, Country Report: Italy, Stand: März 2018, S. 51, 76; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 41). Allerdings wird in Italien derzeit das gesamte Unterbringungssystem neu organisiert und umgestaltet. So werden Erstaufnahmeeinrichtungen die bisherigen CAS- und CARA-Unterkünfte ersetzen. In diesen werden Asylbewerber und Dublin-Rückkehrer untergebracht. Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) werden künftig als SIPROIMI bezeichnet und international Schutzberechtigten und unbegleiteten Minderjährigen zur Verfügung stehen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wird eine Versorgung mit Kernleistungen gewährleistet, die für jeden Asylbewerber bzw. Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit die Versorgung der elementaren Grundbedürfnisse (Obdach, Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikeln) sicherstellt (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 26.2.2019, S. 5 ff.).
Auch nach italienischem Recht sind bei der Unterbringung die besonderen Bedürfnisse von Asylbewerbern, insbesondere vulnerabler Personen, zu berücksichtigen. Zudem wurde seitens des italienischen Innenministeriums ausdrücklich betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (insbesondere der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde sichergestellt sei und die Vulnerabilität von Personen Berücksichtigung finde. Eine adäquate Unterbringung schutzbedürftiger Personen könne sichergestellt werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Italien, Stand: 26.2.2019, S. 6 ff., 10). Dafür spricht letztlich auch, dass nach dem Legislativdekret DL 152/2015 bei der Unterbringung auf die spezifische Situation schutzbedürftiger Personen Rücksicht zu nehmen ist, woraus sich konkrete spezielle Vorgehensweisen der italienischen Behörden ergeben, die der Schutzbedürftigkeit der Antragstellerin hinreichend Rechnung tragen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 10 CE 19.67 – juris Rn. 17). Hinzu kommt der Umstand, dass im Falle einer Überstellung aus einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen der Dublin III-VO die Vulnerabilität der betreffenden Person bereits bekannt ist (vgl. die entsprechenden Mitteilungspflichten nach Art. 31, 32 Dublin III-VO), so dass es nicht zu den teilweise beschriebenen Problemen bei der Identifizierung von Vulnerablen in Italien kommen kann (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich a.a.O., S. 21).
Gegen eine Verletzung des Art. 3 EMRK (bzw. Art. 4 EU-GR-Charta) spricht auch die Tatsache, dass sich die Antragstellerin derzeit in einem frühen Stadium der Schwangerschaft befindet und zudem mit dem angeblichen Kindsvater gemeinsam nach Italien zurückkehren kann. Es besteht daher genügend Zeit, sich um eine adäquate Unterkunft zu bemühen. Eine derart gravierende Lage der Antragstellerin, welche zum derzeitigen Zeitpunkt die Annahme rechtfertigen würde, dass dieser mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung der Menschenwürde drohen würde, ist auf Basis der vorstehenden Ausführungen daher nicht anzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin bislang nicht substantiiert ausgeführt hat, dass es ihr und ihrem traditionellen Ehemann in Italien nicht gelingen wird, ihre elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen. Soweit die Antragstellerin ausgeführt hat, sie habe in Italien keine Unterkunft gehabt, da sie keine Arbeit gefunden habe, so hat sie bisher nicht dargelegt, dass und in welcher Art und Weise sie sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft bemüht hat. Stattdessen gab die Antragstellerin an, sie habe in der Wohnung ihres Freundes, der jetzt ihr Mann sei, gelebt.
e) Letztlich liegen auch keine inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG, die im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ebenfalls zum Prüfungsumfang des Bundesamts gehören (BayVGH, B. v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris m.w.N.), vor.
Insbesondere steht der Überstellung der Antragstellerin nach Italien aktuell kein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Hinblick auf die Wahrung der Familieneinheit entgegen. Die verfassungsrechtlichen Wertungen zum Schutz der Ehe und des Privatlebens in Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK gewähren dem Ausländer zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, nicht von seinen weiter im Bundesgebiet lebenden Familienmitgliedern getrennt zu werden. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der traditionell geschlossenen Ehe allerdings nicht um eine in Deutschland rechtlich beachtliche Ehe. Die Antragstellerin hat die Ehe nicht durch entsprechende Nachweise belegt, so dass die Abschiebung der Antragstellerin nach summarischer Prüfung auch nicht auf Grundlage schutzwürdiger familiärer Beziehungen rechtlich unmöglich ist, zumal deren traditionell angetrauter Ehemann gemeinsam mit ihr nach Italien überstellt werden kann (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.4.2019 – W 10 S 19.50274 -).
Derzeit ist die Abschiebung der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der Schwangerschaft nicht rechtlich unmöglich. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn entweder keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Eine Reiseunfähigkeit kann beispielsweise im Falle einer Risikoschwangerschaft angenommen werden, für die sich jedoch keine Anhaltspunkte aus den vorliegenden Unterlagen ergeben. Die Schwangerschaft der Antragstellerin begründet vorliegend auch (noch) keine temporäre rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung, da sich die Antragstellerin nicht innerhalb der Mutterschutzfrist befindet. Nach § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) dürfen werdende Mütter in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung grundsätzlich nicht mehr beschäftigt werden; das Beschäftigungsverbot dauert in der Regel bis 8 Wochen nach der Entbindung, § 6 Abs. 1 MuSchG. Die Wertungen des Mutterschutzgesetzes sind auch im Rahmen der Durchführbarkeit von Abschiebungen zu berücksichtigen (so auch VG Würzburg, B.v. 17.9.2018 – W 2 S 18.50430 – BeckRS 2018, 28103; VG München, B.v. 23.8.2018 – M 26 S 18.52227 – BeckRS 2018, 22654). Mit dem Beschäftigungsverbot innerhalb der Mutterschutzfrist korreliert ein Abschiebungsverbot, da die psychische und physische Belastung einer Schwangeren in dieser Zeit derart enorm ist, dass es durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung zu einer ernsthaften Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter wie auch des ungeborenen Kindes kommen kann. Als voraussichtlicher Entbindungstermin der Antragstellerin wurde der 3. September 2019 errechnet, so dass die Mutterschutzfrist vorliegend weder begonnen hat, noch kurz bevorsteht. Im Übrigen ist die weitere medizinische Versorgung der Antragstellerin während ihrer Schwangerschaft entsprechend obiger Ausführungen auch in Italien gewährleistet.
Die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien ist somit sowohl möglich als auch rechtlich zulässig.
3. Da die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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