Europarecht

Deutsche Soldatenversorgung

Aktenzeichen  14 B 17.1572

Datum:
21.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 55b, § 97 Abs. 2, 3 u. 4
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1,§ 113 Abs. 1 S. 1, § 133
AEUV Art. 36, Art. 157, Art. 267 Abs. 2, Art. 345
GG Art. 14 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Die Ruhensregelung des § 55b SVG 2009 verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn bereits vor der Tätigkeit im zwischen- oder überstaatlichen öffentlichen Dienst die Höchstversorgung erreicht worden war. (Rn. 26 ff., 31 und 35 ff.)

Verfahrensgang

M 21 K 10.5595 2012-02-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass die Anfechtungsklage in der Sache keinen Erfolg hat. Der streitgegenständliche Ruhensbescheid ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtliche Grundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 55b des Soldatenversorgungsgesetzes in der am 1. November 2009 (seit 1.7.2009) geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) vom 16. September 2009 (BGBl I S. 3054). Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung des § 96 Abs. 5 Satz 1 SVG, die ihrerseits in der im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts (1.11.2009) gültigen Fassung der besagten Bekanntmachung anzuwenden ist (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 8). § 96 Abs. 5 SVG wird in der vorliegenden Konstellation nicht durch § 94b Abs. 5 SVG verdrängt, weil § 94b Abs. 5 SVG seinerseits nicht einschlägig ist. Zwar bleibt § 94b Abs. 5 SVG nach § 96 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 SVG „unberührt“, so dass § 94b Abs. 5 SVG insoweit die speziellere Norm ist (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.2018 – 2 B 10.18 – juris Rn. 13 ff.). Allerdings wurden im Fall des Klägers Zeiten i.S.v. § 55b Abs. 1 SVG erstmals nach dem 1. Januar 1999 zurückgelegt, weswegen § 96 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Halbs. 2 SVG eingreift, wonach § 94b Abs. 5 SVG gerade nicht anzuwenden ist, so dass in diesem Fall § 96 Abs. 5 Satz 1 SVG einschlägig ist. Für dieses Ergebnis sprechen auch die Gesetzgebungsmaterialien. § 96 Abs. 5 Satz 3 SVG hatte seine bei Ruhestandseintritt des Klägers maßgebliche Gestalt bereits durch Art. 2 Nr. 56 Buchst. b des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 (BGBl I S. 3926) erhalten. Im zugehörigen Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/7064 S. 48) ist festgehalten, dass die Begründung zu § 96 Abs. 5 SVG derjenigen zu Art. 1 Nr. 46 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 entspricht, der seinerseits die parallele Vorschrift des § 69c Abs. 5 BeamtVG betraf, zu dem der Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/7064 S. 41) Folgendes ausführt: „Die Regelung dient der Klarstellung, dass Versorgungsfälle, bei denen Zeiten im Sinne des § 56 Abs. 1 (Verwendung bei zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen) nach dem 31. Dezember 1998 erstmals zurückgelegt worden sind, ausschließlich nach § 56 beurteilt werden. Die Anwendung früheren Rechts (§ 85 Abs. 6) wird dadurch für diese Fälle ausgeschlossen.“ Letzterem entspricht gerade die Situation im Fall des Klägers.
Dabei sind bei der einschlägigen Fassung des § 55b SVG die von der Übergangsbestimmung des § 97 SVG (in der am 1.11.2009 gültigen Fassung) vorgeschriebenen Modifikationen (§ 97 Abs. 2, 3 und 4 SVG) zu berücksichtigen.
2. Dass demgegenüber der streitgegenständliche Bescheid auf die ab 1. Januar 2002 gültige Fassung des § 55b SVG zurückgegriffen hat, ist – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zugestanden – von der Begründung des Bescheids her unrichtig, führt aber gleichwohl nicht zu dessen Aufhebung, weil sich auch bei Anwendung der tatsächlich einschlägigen Fassung des § 55b SVG unter Berücksichtigung des einschlägigen Übergangsrechts (s.o.) der im streitgegenständlichen Bescheid ermittelte (Mindest) Ruhensbetrag von 426,27 € ergibt, der vorliegend gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 a.E. SVG zur Anwendung kommt.
2.1. Auch nach dem am 1. November 2009 geltenden Recht (§ 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 a.E., Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SVG) beträgt der Mindestruhensbetrag 426,27 €, was sich aus folgenden Rechenschritten ergibt. Die Dauer der N…-Tätigkeit des Klägers, die gemäß § 55b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 1 SVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 4 des Soldatenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 9. April 2002 (BGBl I S. 1258) auf einer tagesgenauen Basis von 1.279 Tagen (365 x 3 + 184) zu berechnen ist, beträgt 3,5 (1.279 / 365) Dezimaljahre. Diese ist gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 a.E. i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 2 SVG mit dem Faktor 1,875% (anstatt 1,79375%) und das sich so ergebende Produkt von 0,0656 (3,5 x 1,875%) sodann mit den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 102), die im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers ausweislich des Bescheids über die Festsetzung der Versorgungsbezüge vom 30. Oktober 2009 einen Betrag von 6.749,38 € ausmachten, zu multiplizieren. Das sich so ergebende Produkt ist seinerseits zu multiplizieren mit einem Anpassungsfaktor von 0,96750 (§ 97 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SVG), weil im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts die sechste Anpassungsstufe i.S.v. § 89b SVG i.V.m. § 70 BeamtVG in Kraft getreten war (vgl. Art. 2 Nr. 4 i.V.m. Anhängen 14-26 des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2008/2009 vom 29.7.2008, BGBl I S. 1582). Schließlich ist dies nochmals mit einem Einbaufaktor von 0,9951 (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SVG) zu multiplizieren, wobei der in § 97 Abs. 4 Satz 1 SVG genannte – von § 17 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SVG abweichende – Einbaufaktor (0,95667) vorliegend keine Anwendung findet, weil die in § 97 Abs. 4 Satz 1 SVG genannte achte Anpassungsstufe im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts (1.11.2009) noch nicht in Kraft getreten war (vgl. hierzu Bundesbesoldungsanpassungsgesetz 2010/2011 vom 19.11.2010, BGBl I S. 1552). Die besagten Multiplikationen führen im Ergebnis zu einem Mindestruhensbetrag von 426,27 € (6.749,38 € x 0,0656 x 0,96750 x 0,9951).
2.2. Der Mindestruhensbetrag (426,27 €) ist im Fall des Klägers größer als die in § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SVG beschriebene Differenz aus der Summe des deutschen Ruhegehalts und des verrenteten Kapitalbetrags einerseits und der von dieser Summe abzuziehenden Höchstgrenze andererseits. Diese Summe übersteigt die Höchstgrenze nur um einen Betrag, der hinter dem – sodann anzusetzenden – Mindestruhensbetrag zurückbleibt.
2.2.1. Das deutsche Ruhegehalt des Klägers i.S.v. § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG hat ausweislich des Bescheids über die Festsetzung der Versorgungsbezüge vom 30. Oktober 2009 im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers 4.873,52 € betragen (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1982 – 8 C 12.81 – BVerwGE 64, 356/358 m.w.N.).
2.2.2. Die gemäß § 55b Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG vorzunehmende Verrentung des infolge der N…-Tätigkeit vom Kläger erlangten Kapitalbetrags (85.607,14 €) führt zu einem monatlichen Rentenwert von 594,74 €, der sich wie folgt errechnet. Weil der Kläger am 1. November 2009 das 62. Lebensjahr, noch nicht aber das 63. Lebensjahr vollendet hatte, ist – gemäß § 55b Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 4 und 9 SVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 4 Bewertungsgesetz (BewG) in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung i.V.m. der seinerzeit vom Bundesministerium der Finanzen (BMF, Schreiben vom 20.1.2009 – IV C 2-S 3104/09/10001 – BStBl I 2009, 270) bekanntgegebenen Tabelle – der (auf einen Jahresbetrag von 1 Euro bezogene) Kapitalwertvervielfältiger für 62-jährige Männer von 11,995 zugrunde zu legen. Gemäß § 55b Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG ist der Kapitalbetrag (85.607,14 €) durch den zwölffachen Betrag dieses Vervielfältigers, vorliegend also 143,94 (11,995 x 12), zu dividieren. Dabei ist der Kapitalbetrag vorliegend nicht gemäß § 55b Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG zu dynamisieren, weil im Fall des Klägers das Ende der zum Kapitalabfindungsanspruch führenden N…-Tätigkeit mit seinem Ruhestandseintritt zusammenfällt. Die besagte Division führt zu einem Verrentungsbetrag von 594,74 € (85.607,14 € / 143,94).
2.2.3. Die Summe aus deutschem Ruhegehalt (siehe 2.2.1.) und dem verrenteten Kapitalbetrag (siehe 2.2.2.) beträgt 5.468,26 € (4.873,52 € + 594,74 €).
2.2.4. Die von dieser Summe gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und Abs. 3 SVG abzuziehende Höchstgrenze beläuft sich auf 5.152,24 € und errechnet sich wie folgt. Im Ausgangspunkt ist gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Abs. 3 Halbs. 2 SVG von (hypothetischen) Dienstbezügen aus der Endstufe der nächsthöheren Besoldungsgruppe (im Fall des Klägers B4) auszugehen. Dabei ergibt sich nach Anlage IV Nr. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 19. Juni 2009 (BGBl I S. 1434) ein Grundgehalt von 7.021,00 €. Hinzu kommt gemäß Anlage V BBesG ein Familienzuschlag der Stufe 1 von 114,38 €, so dass sich eine Summe von 7.135,38 € (7.021,00 € + 114,38 €) ergibt. Diese Summe ist mit einem Anpassungsfaktor von 0,9675 (vgl. § 97 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SVG) und mit einem Einbaufaktor von 0,9951 (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SVG) zu multiplizieren, was zu einem Produktwert von 6.869,65 € (7.135,38 € x 0,9675 x 0,9951) führt. Auf dieses Produkt ist der seinerzeit für den Kläger gültige Ruhegehaltssatz anzuwenden, der vorliegend 75% ausmacht, weil das Dienstverhältnis des Klägers bereits am 31. Dezember 1991 bestanden hatte und der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits einen Ruhegehaltssatz von 75% erreicht hatte (vgl. § 94b Abs. 1 Satz 1 SVG). Daraus ergibt sich ein Betrag von 5.152,24 € (6.869,65 € x 0,75), der im Fall des Klägers die Höchstgrenze i.S.v. § 55b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Abs. 3 SVG im Sinne eines fiktiven Ruhegehalts beschreibt.
2.2.5. Die Differenz zwischen der Summe aus Ruhegehalt und Kapitalbetragsverrentung (5.468,26 €; siehe Nr. 2.2.3.) und der Höchstgrenze (5.152,24 €; siehe Nr. 2.2.4.) beträgt 316,02 € und unterschreitet damit den Mindestruhensbetrag i.H.v. 426,27 € (s.o. 2.1.), was dazu führt, dass das klägerische Ruhegehalt in Höhe des Mindestruhensbetrags zum Ruhen zu bringen ist.
2.2.6. Es kann offenbleiben, ob die im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 20. Januar 2009 zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG (siehe Nr. 2.2.2.) bei den Kapitalwertvervielfältigern vorgenommene Differenzierung zwischen Männern und Frauen mit höherrangigem Recht (insbesondere Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 157 AEUV) vereinbar ist (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 26.11.018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 64 ff.). Denn selbst wenn es geboten sein sollte, insoweit einen Mittelwert aus dem Verrentungsvervielfältiger für 62-jährige Männer (11,995) und dem für 62-jährige Frauen (13,194), also 12,5945 ([11,995 + 13,194] / 2), zu bilden (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 68 ff.), würde bei der sich dann ergebenden Kapitalbetragsverrentung von 566,43 € (85.607,14 € / [12 x 12,5945]) die Summe aus Ruhegehalt (4.873,52 €) und Kapitalverrentung 5.439,95 € (4.873,52 € + 566,43 €) betragen und die Differenz zwischen dieser Summe und der Höchstgrenze (5.152,24 €; siehe Nr. 2.2.4.) mit einem Wert von 287,71 € (5.439,95 € – 5.152,24 €) wiederum den Mindestruhensbetrag (426,27 €) unterschreiten, so dass unverändert dieser Mindestruhensbetrag anzuwenden wäre.
2.3. Der somit einschlägige Mindestruhensbetrag (426,27 €) wahrt die in § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG vorgeschriebene Ruhensbetragshöchstgrenze, wobei auch insoweit der „verrentete Kapitalbetrag“ zugrunde zu legen ist, und zwar sowohl bei Rückgriff auf den Verrentungsvervielfältiger für 62-jährige Männer (dann 594,74 €; siehe Nr. 2.2.2.) als auch auf den für 62-jährige Frauen (dann 566,43 €; s.o. 2.2.6.).
2.4. Ein Mindestbelassungsbetrag (§ 55b Abs. 7 Satz 2 SVG) muss nicht einbehalten werden, weil vorliegend der Mindestruhensbetrag zur Anwendung kommt (vgl. § 55b Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 SVG).
3. Der streitgegenständliche Bescheid verstößt nicht gegen Art. 14 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 43 m.w.N.).
3.1. Zwar unterfallen die beamtenrechtlichen Ruhegehaltsanwartschaften des Klägers dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und werden von der vorliegenden Ruhensregelung, die – wie gezeigt – von § 55b SVG vorgeschrieben ist (s.o.), in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) betroffen.
3.2. Allerdings ist dieser Eingriff – auch im Hinblick auf die hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 44) – gerechtfertigt durch das legitime Ziel des Gesetzgebers, eine Doppel- oder Überversorgung unter dem Gesichtspunkt der Einheit der öffentlichen Kassen zu vermeiden (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 82; BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 39.09 – BVerwGE 139, 357 Rn. 17 m.w.N.). Dieses Ziel ist auch dann legitim, wenn es um öffentliche Kassen internationaler Organisationen geht, zu deren Haushalten der Dienstherr laufend erhebliche Beiträge aus dem Staatshaushalt zu leisten hat – wie es bei der N… und deren Organisationen der Fall ist – mit der Folge, dass die Leistungen, die diese Einrichtungen ihren Bediensteten erbringen, zu einem wesentlichen Teil mittelbar aus deutschen öffentlichen Mitteln fließen (BVerwG, U.v. 12.3.1980 – 6 C 15.78 – juris Rn. 17; U.v. 5.9.2013 – 2 C 43.11 – NVwZ-RR 2014, 397 Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 50).
Wegen des erheblichen steuerfinanzierten Finanzierungsanteils der Bundesrepublik Deutschland an der N… ist die vorliegende Ruhensregelung auch nicht vergleichbar mit der Situation in der klägerseits in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2017 – Vf. 15-VII-13 – (NVwZ 2018, 584). Dort war der entscheidende Grund für die Verfassungswidrigkeit der landesrechtlichen Ruhensregelung, dass diese sich auf solche Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen bezog, die gerade nicht auf Leistungen der öffentlichen Hand, sondern durch vollständige Eigenleistung oder anteilig vom Beamten oder seinem (früheren) privaten Arbeitgeber finanziert worden waren (vgl. BayVerfGH, E.v. 6.12.2017 – Vf. 15-VII-13 – NVwZ 2018, 584 Rn. 57 f.). In der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 10. Februar 2015 – Vf. 1-VII-13 – (VerfGHE 68, 32 Rn. 49) ging es um ausschließlich privat finanzierte Leistungen aus inländischen privaten Kassen. Im Fall des Klägers geht es hinsichtlich des von der N… gewährten Kapitalbetrags dagegen – wie gezeigt – gerade um einen mittelbar auch aus deutschen öffentlichen Kassen und Steuermitteln finanzierten Betrag.
Die klägerische These, die Ruhensregelung sei unzulässig, weil andere N…-Mitgliedstaaten bei ihren N…-Mitarbeitern keine entsprechenden Anrechnungen vornehmen würden, führt schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil Gegenstand der Ruhensregelung nicht die von der N… gezahlten Beträge, sondern allein das deutsche Ruhegehalt ist, für das allein das deutsche Beamtenrecht maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 39.09 – BVerwGE 139, 357 Rn. 25 m.w.N.). Dabei ist außerdem zu sehen, dass schon die Ausgestaltung der Beamtenverhältnisse und erst recht die der Besoldung und Versorgung ganz maßgeblich von nationalen Besonderheiten geprägt ist, was gegen eine Vergleichsbetrachtung nur im Hinblick auf die Frage von Ruhensregelungen bei Doppelalimentation spricht.
3.3. Soweit die Klagepartei betont, dass der Kläger schon vor Eintritt in die N… die Höchstversorgung von 75% erhalten hätte und dass für diese Höchstversorgung die Tätigkeit bei der N… nicht erforderlich gewesen sei, stellt das den streitgegenständlichen Bescheid nicht in Frage. Seit je wurde der legitime Zweck der Vermeidung von Doppelalimentationen auch in solchen Fällen zur Anwendung gebracht, in denen der entsprechende Beamte oder Soldat bereits den Höchstruhegehaltssatz beanspruchen konnte (BVerwG, U.v. 12.3.1980 – 6 C 15.78 – juris Rn. 30 ff.; U.v. 28.4.2011 – 2 C 39.09 – BVerwGE 139, 357 Rn. 19). Denn auch bei Personen, die – wie der Kläger – bereits bei Beginn der N…-Tätigkeit den Höchstruhegehaltssatz erreicht haben, dann aber während und wegen ihrer aktiven – speziell anlässlich der N…-Tätigkeit verlängerten – Dienstzeit bei der N… zusätzliche Kapitalansprüche erwerben, würde ein Absehen von der Ruhensregelung dazu führen, dass sie neben dem vollen deutschen Ruhegehalt zusätzlich aus einer (aus deutschen Steuermitteln mitfinanzierten) internationalen öffentlichen Kasse eine weitere Alimentation erhielten, was der Gesetzgeber aber legitimer Weise gerade mit der Ruhensregelung verhindern will (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 56 ff.).
3.4. Auch die klägerische Kritik, eine Eigentumsverletzung liege insbesondere insoweit vor, als der 34.242,88 € ausmachende Eigenanteil des Klägers am gesamten Kapitalbetrag von 85.607,14 € der Ruhensregelung unterworfen werde, und zwar über den dessen Verbrauch hinaus, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids. Der Kläger ist insoweit nicht schutzwürdiger als solche Soldaten oder Beamte, die zusätzlich zu ihren Versorgungsbezügen auch Renten aus gesetzlichen Rentenversicherungen i.S.v. § 55a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SVG oder § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 BeamtVG beziehen. Für diese Personengruppe der Rentenbezieher ist geklärt, dass eine Anrechnung der gesetzlichen Rente auf die Versorgungsbezüge gerade auch hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils vorzunehmen ist (BVerfG, B.v. 30.9.1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256/318 f.). Bei dem vom Kläger während seiner Tätigkeit für die N… erbrachten Eigenanteil des Kapitalbetrags gilt nichts anderes. So wie die gesetzliche Rentenkasse nicht vollständig beitragsfinanziert ist, sondern in sie über den Bundeszuschuss auch erhebliche öffentliche Steuermittel fließen (BVerfG, B.v. 30.9.1987 a.a.O. S. 301), so gehen die gesamten Zahlungen im Zusammenhang mit der N…-Tätigkeit des Klägers mittelbar auch auf anteilige öffentliche Steuermittel der Bundesrepublik Deutschland zurück. So wie eine Nichtanrechnung gesetzlicher Renten auf Versorgungsbezüge zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Überhöhung der Gesamtversorgung führen würde (BVerfG, B.v. 30.9.1987 a.a.O. S. 319), wäre dies auch die Konsequenz bei einer Nichtanrechnung der von der N… bezahlten Kapitalbeträge, und zwar auch hinsichtlich des zwischen N… und Beschäftigten vereinbarten Eigenanteils des Beschäftigten. Im Ergebnis begegnet der Ansatz des Gesamtkapitalbetrags keinen rechtlichen Bedenken (vgl. schon BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 19 ff.; BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 18.478 – juris Rn. 23).
Unabhängig davon ist zu sehen, dass im vorliegenden Fall allein der Mindestruhensbetrag zum Ruhen gebracht worden ist, der seinerseits vom Verhältnis des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteils am Kapitalbetrag völlig unabhängig ist (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 4, 102).
3.5. Die Ruhensregelung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie zeitlich unbefristet ist (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 78 ff.). Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber schon nicht dazu, die für eine zwischen- und überstaatliche Einrichtung geleistete Dienstzeit überhaupt als ruhegehaltfähig einzustufen (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 85), weswegen auch kein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vorliegt (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 90 ff.). Eine Befristung oder anderweitige „Deckelung“ der Ruhensregelung ist von Verfassungs wegen auch deshalb nicht zu fordern, weil eine Kapitalabfindung wie die von der N… dem Kläger gewährte eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten bietet, die dienstrechtlich nicht eingeschränkt sind, also allein von den Bedürfnissen und der Anlagestrategie ihres Empfängers abhängen und über eine verzinsliche Anlage weit hinausgehen können (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 86 f.). Etwaigen Anlagerisiken kann der Soldat dadurch begegnen, dass er die in § 55b Abs. 4 Satz 2 SVG vorgesehene Ablieferung des Kapitalbetrags an den Dienstherrn wählt (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 88 f.). Das Fehlen einer Deckelung ist auch bezogen auf Art. 3 Abs. 1 GG unbedenklich im Hinblick auf die materiellen und immateriellen Vorteile einer Entsendung zur N… während der Entsendezeit (Einkommensniveau während der Auslandsdienstzeit), das wirtschaftliche Potenzial der Abfindung und den Umstand, dass der Soldat infolge seiner freiwilligen Beurlaubung in ein vom Normalfall abweichendes Versorgungssystem gewechselt ist (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 104 m.w.N.; vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 89 ff.).
4. Auch Unionsrecht führt zu keinem anderen Ergebnis.
4.1. Der klägerische Hinweis auf Art. 36 AEUV und dessen Vorläuferbestimmung ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids zu begründen. Art. 36 AEUV ist ein Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit, um die es vorliegend nicht geht.
4.2. Soweit klägerseits ein Verstoß gegen Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) gerügt wird, fehlt es schon an der Anwendbarkeit dieser Norm. Denn gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh gilt die Charta außer für Unionsorgane für Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union, worum es im Fall des Klägers aber nicht geht. Die N… ist eine von der Europäischen Union verschiedene internationale Einrichtung und es geht im Bereich der Soldatenversorgung nicht um einen Bereich, für den die Europäische Union Richtlinien oder Verordnungen geschaffen hätte, die die Beklagte beim Vollzug des Soldatenversorgungsgesetzes zu beachten hätte.
4.3. Selbst wenn die klägerische Argumentation dahin zu verstehen sein sollte, dass eine Art Gesamtverweisung auf unionsrechtliche Vorschriften zum Schutz des Eigentums gemeint ist – etwa auch im Hinblick auf eine mögliche Bedeutung von Unionsgrundrechten im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen von Grundfreiheiten -, würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids führen. Gerade der klägerseits zitierte Art. 345 AEUV und dessen Vorläufer betonen, dass die Verträge die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lassen. Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn ein Rückgriff auf 36 AEUV i.V.m. Art. 17 GRCh erwogen werden wollte, ein etwaiger Eingriff gemäß Art. 52 Abs. 1 GRCh gerechtfertigt, und zwar aus den gleichen Erwägungen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 14 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG zu verneinen ist (siehe Nr. 3). Auch insoweit ist von Bedeutung, dass die Ruhensregelung allein die deutschen Versorgungsbezüge betrifft (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 39.09 – BVerwGE 139, 357 Rn. 25) und dem Kläger die Wahlmöglichkeit geboten worden war, den Kapitalbetrag an den Dienstherrn abzuliefern.
4.4. Eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV) durch die Ruhensregelung hat die Klagepartei selbst nicht gerügt. Ein Verstoß ist insoweit auch nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Ruhensregelung geeignet ist, den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt zu beeinflussen, weil die bei der N… erzielten Einkünfte bzw. die Versorgung hieraus von der Ruhensberechnung unberührt bleiben, nur die Versorgung aus dem deutschen Soldatenverhältnis der Ruhensregelung unterliegt, es bei der deutschen Versorgung ihrerseits nicht um Beitragsleistungen geht und § 55b SVG auch keine Benachteiligung gegenüber solchen Personen darstellt, die ihre gesamte Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausüben (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2016 – 14 ZB 16.1645 – juris Rn. 9 f., 17).
4.5. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ist entgegen der im Schriftsatz vom 11. März 2019 erneut dargelegten Ansicht der Klagepartei nicht veranlasst. Weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vorliegend angesichts der Möglichkeit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht letztinstanzlich i.S.v. Art. 267 Abs. 3 AEUV entscheidet (vgl. BVerfG, B.v. 1.4.2008 – 2 BvR 2680/07 – NVwZ-RR 2008, 611 Rn. 27 m.w.N.; BVerwG, B.v. 26.8.1999 – 3 B 84.99 – NVwZ 2000, 62/63 m.w.N.), besteht keine Vorlagepflicht nach dieser Vorschrift. Vielmehr liegt eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen ist nicht reduziert, zumal es vorliegend nicht ansatzweise darum geht, sekundäres Unionsrechts wegen Primärrechtswidrigkeit unangewendet zu lassen (vgl. zu derartigen Ausnahmesituationen etwa EuGH, U.v. 21.2.1991 – C-143/88 – Slg. 1991, I-00415). Weil sich die klägerseits aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen aus Sicht des Gerichts klar (vgl. bereits BayVGH, B.v. 8.12.2016 – 14 ZB 16.1645 – juris Rn. 11) dahin beantworten lassen, dass insoweit keine Verletzung unionsrechtlicher Vorschriften anzunehmen ist (s.o.), sieht das Gericht im Rahmen seines Ermessens von einer Vorlage ab.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
7. Die Revision ist abweichend vom Antrag im Schriftsatz vom 11. März 2019 nicht zuzulassen, weil die in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen, insbesondere nachdem das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 23. Mai 2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – (BVerfGE 145, 249) den früheren, auch für den vorliegenden Fall wesentlichen Streitstand in der Rechtsprechung beendet hat (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 18.478 – juris Rn. 26).

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