Aktenzeichen AN 9 K 16.00641
Leitsatz
Eine Vergnügungsstätte liegt vor, wenn im Wettbüro Livewetten vermittelt werden und die Möglichkeit besteht, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, um die aktuellen Quotenergebnisse live zu verfolgen. Bereits daraus resultieren der Verweilcharakter und die Annahme einer kommerziellen Unterhaltung, wie sie eine Vergnügungsstätte bietet. Gerade Livewetten bilden eine rasche Aufeinanderfolge ständig aktualisierter Wettmöglichkeiten und sprechen den Spieltrieb besonders nachhaltig an und sind ähnlich wie Geld- oder Glücksspielautomaten auf Unterhaltung an Ort und Stelle angelegt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Klage, über die wegen Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat keinen Erfolg.
Sie ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zwar zulässig, aber sowohl im Hauptantrag wie auch im Hilfsantrag unbegründet. Der Bescheid der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie weder einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Nutzungsänderung hat noch einen auf erneute Verbescheidung, da das Vorhaben im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften widerspricht (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben ist nach der Art der Nutzung als Vergnügungsstätte einzustufen (dazu 1.). Die begehrte Nutzungsänderung ist auch genehmigungspflichtig (dazu 2.), jedoch bereits planungsrechtlich nicht genehmigungsfähig. Eine Vergnügungsstätte fügt sich gerade nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die vorliegend als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren ist (dazu 3.). Auch kann eine Genehmigungsfähigkeit nicht aus anderen von der Klägerin vorgebrachten Gründen hergeleitet werden (dazu 4.).
1. Das Vorhaben der Klägerin ist hier als Vergnügungsstätte einzustufen.
Ein Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten ist nach ständiger Rechtsprechung als Wettbüro und damit als Vergnügungsstätte einzustufen, wenn – in Abgrenzung zu einer bloßen Wettannahmestelle vergleichbar einer Lotto-Toto-Annahmestelle als Laden – in den Räumlichkeiten nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen besteht, sondern diese auch zur kommerziellen Unterhaltung dienen. Dabei reicht es insoweit für die Annahme einer Vergnügungsstätte nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits aus, wenn im Wettbüro Livewetten vermittelt werden und die Möglichkeit besteht, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, um die aktuellen Quotenergebnisse live zu verfolgen. Bereits daraus resultieren der Verweilcharakter und die Annahme einer kommerziellen Unterhaltung, wie sie eine Vergnügungsstätte bietet. Gerade Livewetten bilden nämlich eine rasche Aufeinanderfolge ständig aktualisierter Wettmöglichkeiten und sprechen damit den Spieltrieb besonders nachhaltig an und sind ähnlich wie Geld- oder Glücksspielautomaten auf Unterhaltung an Ort und Stelle angelegt. Die Ausstattung der Räumlichkeiten mit Sitzgruppen oder TV-Bildschirmen, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind hingegen keine unabdingbaren Voraussetzungen für das Vorliegen eines als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüros, sondern lediglich weitere Indizien hierfür; selbiges gilt hinsichtlich der Größe des Betriebs. Diese ist lediglich relevantes Kriterium zur Unterscheidung von kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris Rn. 15; B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris Rn. 8; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 24; OVG NRW, U.v. 13.12.2017 – 7 A 880/16 – juris Rn. 47).
Ausgehend von den vorstehend genannten Abgrenzungskriterien ist die beantragte Nutzung hier als Vergnügungsstätte und nicht lediglich als ein bloßes Ladengeschäft oder ein nicht störender Gewerbebetrieb einzustufen. Dies ergibt sich nach der Auffassung des Gerichts schon aus den geplanten Quotenmonitoren, die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wie vorstehend ausgeführt bereits zur Einstufung des Betriebs als Vergnügungsstätte führen, weil die Wettangebote und Ergebnisse live mitverfolgt werden können und damit, anders als bei einer bloßen Wettannahmestelle, ein erhöhter Anreiz für wiederholte Wetten und ein Verbleiben am Ort geschaffen wird (so schon VG Ansbach, U.v. 21.7.2017 – AN 9 K 15.01072 – juris Rn. 36). Dass die Klägerin mehrfach erklärt hat, dass sie keine Vergnügungsstätte betreiben wolle, ist hierbei ebenso ohne Belang wie die von der Klägerin gewählte Bezeichnung des Vorhabens als „Wettannahmestelle ohne Verweildauer“. Entscheidend ist vielmehr das, was nach den eingereichten Unterlagen und nachfolgende Ergänzungen bzw. Erläuterungen als Betriebsweise für das Vorhaben realistischerweise in Betracht gezogen werden muss (vgl. OVG NRW, U.v. 13.12.2017 – 7 A 880/16 – juris Rn 47). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass aus den Bauvorlagen gerade nicht hervorgeht, dass Livewetten hier nicht angeboten werden sollen. In diesen ist lediglich ausgeführt, dass es keinerlei weitere Wett-/Spielmöglichkeiten bzw. Bildschirme zu Übertragung von Sportereignissen und außer den SB-Wett-Terminals keinerlei Zugänge zum Internet geben soll. Soweit die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen hat, dass sie beabsichtige, in den Räumlichkeiten SB-Wett-Terminals einzusetzen, die technisch auch ohne Livewettangebot betrieben werden können, räumt sie damit selbst ein, dass ein Livewettangebot jedenfalls technisch möglich ist. Auch ist dem Gericht aus anderen Verfahren der Klägerin bekannt, dass deren Geschäftstätigkeit sich auch auf die Vermittlung von Livewetten konzentriert (vgl. hierzu das Urteil der Kammer vom 15. August 2018 – AN 9 K 17.02508), so dass bei einer Gesamtschau mit der insoweit einen Interpretationsspielraum offen lassenden Betriebsbeschreibung der Klägerin hier realistischerweise davon ausgegangen werden muss, dass hier auch Livewetten angeboten werden. Unabhängig davon würden etwaig verbleibende (Rest-) Zweifel daran, ob eine Vergnügungsstätte tatsächlich beabsichtigt ist oder nicht, ohnehin zulasten der Klägerin als Bauherrn gehen, da es wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten und des fließenden Übergangs zu einer Vergnügungsstätte notwendig ist, einer missbräuchlichen Nutzung vorzubeugen (VG Ansbach, U.v. 30.4.2015 – AN 9 K 13.02205 – juris Rn. 35). Überdies hätte die Klägerin bis zur Entscheidung des Gerichts, die Bauvorlagen etwa durch Beseitigung der Quotenmonitore und durch entsprechende Erklärungen, dass auf den SB-Wett-Terminals keine Software zur Verfügung gestellt wird, die das Angebot von Livewetten vorsieht, ändern können. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
Die Klägerin vermag auch nicht mit der Argumentation durchdringen, die Beklagte hätte die Baugenehmigung insbesondere mit Blick auf ihren geäußerten Willen, hier keine Vergnügungsstätte betreiben zu wollen, jedenfalls in modifizierter Form dergestalt erteilen müssen, dass sie durch geeignete Auflagen der Baugenehmigung ein Gepräge als Laden bzw. sonstiger nicht störender Betrieb gibt bzw. ein solches sicherstellt. Es ist gerade Sache des Bauherrn, eine genehmigungsfähige Betriebsform zu entwickeln und diese zur Genehmigung zu stellen und nicht Sache der Baugenehmigungsbehörde, ein an sich nicht genehmigungsfähiges Vorhaben insbesondere durch die Beifügung von Nebenbestimmungen in ein (wesentlich anderes) genehmigungsfähiges Vorhaben zu modifizieren.
Da das Vorhaben nach Überzeugung des Gerichts bereits für sich allein als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist, kann offenbleiben, ob sich der Charakter als Vergnügungsstätte zusätzlich auch über einen funktionalen Zusammenhang mit der Gaststätte „…“ begründen ließe. Fehl geht in diesem Zusammenhang die Argumentation der Klägerin, dass bei Bejahung eines solchen Zusammenhangs das Vorhaben keine Nutzungsänderung sei, sondern lediglich eine genehmigungsfreie Umnutzung innerhalb des Gaststättenbetriebs darstelle. Hierbei wird verkannt, dass eine genehmigungsfreie Umnutzung schon daran scheitert, dass die beabsichtigte Nutzung als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist, die bereits vorhandenen Nutzung als Gaststätte hingegen als der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft (dazu näher unter 3.2), beide Vorhaben ihrer Qualität nach damit verschiedene Nutzungsarten darstellen und sich die beabsichtigte Nutzung insofern nicht mehr innerhalb der schon bestehenden Variationsbreite der vorhandenen Nutzung als Gaststätte hält.
2. Die klägerseits angestrebte Nutzungsänderung ist baugenehmigungspflichtig. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 BayBO liegen nicht vor. An eine Nutzung als Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten sind andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu stellen als an eine Nutzung als Gaststätte, weil ein Betrieb zur Annahme von Sportwetten die Variationsbreite einer typischen Speisewirtschaft zweifelsohne überschreitet. Eine solche Nutzung ist geeignet, in Bezug auf die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Ziele der Bauleitplanung bodenrechtliche Spannungen auszulösen.
3. Der Betrieb einer Vergnügungsstätte ist planungsrechtlich unzulässig, da er sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Das Wettbüro soll in einem Bereich verwirklicht werden, für den kein qualifizierter oder einfacher Bebauungsplan besteht, der Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält. Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich daher insoweit nach § 34 BauGB. Das Gericht ist insbesondere auf Grund des durchgeführten Augenscheins der Auffassung, dass die Eigenart der näheren Umgebung um das Baugrundstück einem allgemeinen Wohngebiet im Sinn des § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO entspricht.
3.1 Die Grenzen der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Damit sind die Grundstücke in der Umgebung insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG v. 26.5.1978 – 4 C 9.77; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rn. 36). Eine Straße kann dabei ein trennen-des oder verbindendes Element sein.
Demnach ist im vorliegenden Fall die Bebauung in dem durch die … Straße, die …Straße sowie die …straße begrenzten Bauquartier, in dem auch das Baugrundstück gelegen ist, einschließlich der südlich der …straße gelegenen Anwesen …straße … und … sowie … Straße …, …, …, maßgeblich.
Die Bebauung und Nutzungen jenseits der … Straße prägen demgegenüber nach Auffassung des Gerichts, die sich insbesondere auf das Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins stützt, das Baugrundstück nicht in maßgeblicher Weise. Die … Straße besitzt hier nach Auffassung des Gerichts trennende Wirkung. Es handelt sich dabei um eine der meistbefahrenen … Ausfallstraßen, die weiter stadtauswärts in die Bundesstraße … übergeht, und die im hier maßgeblichen Bereich jeweils nicht nur zwei Fahrbahnen in beide Richtungen besitzt, sondern in deren Mitte auch noch in einem baulich von der Fahrbahn abgetrennten Bereich zwei Straßenbahngleise verlaufen. Eine Fahrbahnquerung durch Fußgänger ist zwischen der …straße und der … Straße mangels eines Überwegs nicht gefahrlos möglich und wird derzeit zudem durch die auf der östlichen Seite befindliche Baustelle verhindert.
Somit kann das Baugrundstück ebenso wie die … Straße, die …straße und die dort befindlichen Parkplätze nur von der westlichen Fahrbahn aus angefahren werden, wobei auf der Westseite der … Straße absolutes Halteverbot angeordnet ist. Diese Verkehrsführung und -regelung bedingt, dass Parksuchverkehr der Nutzer des Wettbüros zu einem erheblichen Teil das Bauquartier, in dem sich das Vorhaben befindet, umfahren wird, so dass auch die Anlieger der …- und …straße von dem vom Vorhaben ausgelösten Verkehr, gerade auch an Wochenenden und abends, betroffen sind.
Auch ist die Bebauung gegenüber dem Baugrundstück östlich der … Straße durch eine Reihe großer Bäume von der Fahrbahn und damit auch vom Bereich westlich optisch abgesetzt. Die funktionelle und optische Trennung im hier maßgeblichen Bereich führt hier zur Annahme einer trennenden Wirkung der … Straße.
Das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, welches eine Fläche von ca. 14.400 m2 besitzt und das große Verwaltungsgebäude der … Direktion Mittelfranken beinhaltet, zählt demgegenüber nicht zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Denn dieses Grundstück prägt trotz seiner dominanten und großvolumigen Bebauung das hier maßgebliche Baugrundstück nicht mit. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass entlang der nördlichen und östlichen Grenze dieses Grundstücks zur …straße und zur … Straße hin ein durchgehender begrünter Bereich von erheblicher Breite vorhanden ist, der das Grundstück, dessen Bebauung und Nutzung vom Bereich jenseits der …straße wie von den Anwesen …straße … bis … und … Straße … bis … abschirmt. Hinzu kommt, dass sich auf Grund einer vorhandenen Mauer sowie Einfriedung kein Zugang zum …-Gebäude von der …straße aus befindet, ebenso ist das …-Grundstück gegenüber den genannten Grundstücken südlich der …straße und östlich der … Straße abgeschlossen und nicht zugänglich. Die zur …straße hin vorhandene Notausfahrt ist mit einem Tor verschlossen und dient nicht als Zugang zum Gebäude oder Grundstück von der …straße aus. Zugang und Zufahrt zu diesem Grundstück sind weiter westlich von der … Straße oder weiter südlich von der … Straße möglich. Auf Grund dieser optischen und funktionalen Abgrenzung dieses Grundstücks von dem nördlich und nordöstlich gelegenen Bereich, der die nähere Umgebung um das Baugrundstück bildet, sowie auf Grund der sich von der Bebauung und den Nutzungen dort völlig abhebenden Bebauung und Nutzungsstruktur ist dieses Grundstück bei der Einstufung der näheren Umgebung nicht mit heranzuziehen.
3.2 Die bauplanungsrechtliche Einstufung des somit maßgeblichen Bauquartiers, in dem das Baugrundstück gelegen ist, ergibt insbesondere nach dem Ergebnis des Augenscheins, dass hier ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO vorliegt. In der maßgeblichen näheren Umgebung sind zahlreiche ganz oder teilweise wohngenutzte Gebäude vorhanden, so dass die Voraussetzung für ein allgemeines Wohngebiet in § 4 Abs. 1 BauNVO, wonach das Gebiet vorwiegend dem Wohnen dient, erfüllt ist. Daneben sind im hier maßgeblichen Gebiet auch keine Nutzungen vorhanden, die im allgemeinen Wohngebiet nicht allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind und durch ihre prägende Wirkung das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets verhindern würden.
Soweit der Klägervertreter insofern auf die in den Nachbaranwesen … Straße … sowie … Straße … seit einiger Zeit betriebenen Wettbüros abstellt, so sind diese bei der Gebietseinstufung nicht zu berücksichtigen. Auch wenn grundsätzlich die tatsächlich vorhandene Bebauung maßgebend ist, bestehen hier insbesondere durch den Erlass von Nutzungsuntersagungsbescheiden bezüglich der genannten Anwesen weder in zeitlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Zweifel daran, dass sich die Beklagte mit dem Vorhandensein der Nutzung nicht abgefunden hat (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 11).
Soweit der Klägervertreter auf die Gaststätte „…“ in der …straße … verweist, so handelt es sich insoweit nach Auffassung des Gerichts um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft im Sinn des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, die somit im allgemeinen Wohngebiet generell zulässig ist. Dies ergibt sich zum einen aus den beim Augenschein wahrgenommenen Speisekarten und dem daraus ersichtlichen Angebot an Speisen und Getränken sowie aus den ebenfalls per Aushang ersichtlichen Öffnungszeiten ebenso wie der Betriebsgröße und Ausstattung, die üblichen Gaststätten entsprechen. Entsprechendes gilt für die vom Klägervertreter angeführte Pizzeria im Anwesen … Straße … sowie die weiteren Gastronomiebetriebe in der Umgebung, selbst wenn dort die nach dem Glücksspielrecht zulässige Anzahl von zwei oder drei Spielautomaten vorhanden ist.
Soweit der Klägervertreter auf die Nutzung im Anwesen … Straße …, Erdgeschoss, rechts von der Eingangstür verweist, so handelt es sich dort nach den Feststellungen beim Augenschein um ein kleines Ladengeschäft mit Internetcafé. Dort werden Speisen und Getränke, Bonbons und Kaugummis, Zigaretten sowie Handykarten angeboten. Zusätzlich befindet sich an der südlichen Wand eine Lottoannahmestelle mit Toto und Oddset, im rückwärtigen Bereich ist ein kleines Internetcafé untergebracht, in einer Ecke befinden sich auch zwei Telefonzellen. Die dort ausgeübte Nutzung, für die nach Angabe der Beklagten eine Baugenehmigung erteilt wurde, stellt sich in der Gesamtschau nach Auffassung des Gerichts als wohngebietsverträgliche Nutzung und insbesondere nicht als Vergnügungsstätte dar. Dies ergibt sich zum einen aus dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck, wonach sowohl die Toto/Lotto/Oddset-Annahmestelle als auch die im rückwärtigen Bereich vorhandenen internetfähigen Computerplätze den vorhandenen Nutzungsmix nicht dominieren, sondern dies von der vorhandenen Theke mit dem Warenangebot und den angebotenen Dienstleistungen aus erfolgt. Dafür spricht auch neben der räumlichen und optischen Dominanz dieser Nutzungsteile die außen an der Ladenfassade und den Fenstern bzw. der Tür angebrachte Werbung, bei der neben einem kleinen beleuchteten Werbekasten für Lotto Bayern und einem kleinen beleuchteten Werbekasten für das Internetcafé weitere beleuchtete Werbekästen für die im Laden angebotenen Dienstleistungen sowie zahlreiche Beklebungen und Werbeaufdrucke für die im Laden angebotenen Waren und Dienstleistungen vorhanden sind, die das Erscheinungsbild dominieren und neben denen auch der an der Tür befestigte Aushang mit dem Jackpot der Woche für Lotto untergeordnet erscheint. Gerade die daneben im Anwesen … Straße …, aber auch im Anwesen … Straße … vorhandene vollflächige Schaufensterbeklebung mit Werbung für Sportwetten zeigt, dass es sich bei der Mischnutzung im Anwesen … Straße … um eine sich deutlich vom Gesamteindruck eines Wettbüros abhebende Nutzung handelt. Dem stehen auch die vorhandenen Bildschirme mit Internetanschluss nicht entgegen, da mit diesen zwar wie mit jedem internetfähigen Gerät ein Zugriff auf die im Internet vorhandenen Glücksspiel- oder Wettseiten möglich ist. Allerdings wird hierfür weder geworben noch in sonstiger Weise ein Anreiz dafür geschaffen, anders als etwa in einer Vergnügungsstätte, bei der der Kunde durch die oftmals großflächigen Anzeigen von Wettmöglichkeiten und Wettquoten in auffälliger Weise über das Wettangebot informiert und somit zum Abschluss von Wetten bewegt werden soll. Auch die an der Ladentür aufgedruckten Öffnungszeiten für diese Nutzung Mo-Sa von 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr und Sonn- und Feiertag von 12.00 Uhr bis 23.00 Uhr führen zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen widersprechen sie bezogen auf das Internetcafé der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag vom 28. April 2012, bei denen die Öffnungszeiten entsprechend den normalen Ladenöffnungszeiten bis maximal 20.00 Uhr sowie ohne Öffnung an Feiertagen aufgeführt ist, so dass eine genehmigte Nutzung diesbezüglich über die Ladenöffnungszeiten hinaus nicht gegeben ist. Entsprechendes gilt für die Toto/Lotto und Oddset-Wettannahmestelle, die als Teil der Verkaufsstelle § 1 des Ladenschlussgesetzes unterliegt.
Was den Hinweis des Klägervertreters auf eine im Anwesen … Straße … im Erdgeschoss geplante Pilsbar angeht, so wird diese derzeit nicht betrieben, die betreffenden Räume sind nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme ungenutzt und werden umgebaut, so dass eine Prägung hiervon nicht ausgeht.
Die maßgebliche nähere Umgebung um das Baugrundstück entspricht hiernach einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB, dort sind Vergnügungsstätten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
3.3 Das klägerische Vorhaben ist auch nicht nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB befreiungsfähig, da bei einer Befreiung hinsichtlich der Art der Nutzung im Regelfall bereits der Gebietscharakter als solcher tangiert wird. Dies gilt hier in besonderem Maße, da die Vergnügungsstätte und die Wohnnutzung nicht kompatibel sind.
4. Eine Genehmigungsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus den anderen von der Klägerin vorgebrachten Gründen.
Soweit sich die Klägerin auf eine Ungleichbehandlung im Vergleich mit den klassischen Lotto-Toto-Annahmestellen bzw. den Oddset-Wettannahmestellen beruft, kann sie damit nicht durchdringen. Die Besonderheit ihrer Vorhabens liegt gerade darin, dass auch die Vermittlung von Livewetten vorgesehen bzw. jedenfalls zumindest möglich ist, die – wie bereits ausgeführt – durch die rasche Aufeinanderfolge aktualisierter Wettmöglichkeiten den Spielbetrieb besonders nachhaltig ansprechen. Damit unterscheidet sich das streitgegenständliche Vorhaben maßgeblich von den „klassischen“ Wettannahmestellen, die regelmäßig nur zur Abgabe eines Spielscheins und zur Abholung eines Gewinns aufgesucht werden und in denen ein weiteres Verweilen der Kunden nicht stattfindet. Diese sind damit gerade nicht als Vergnügungsstätten zu klassifizieren. Insofern sind die Sachverhalte schon nicht vergleichbar, so dass die Klägerin aus dem Umstand der Genehmigungserteilung für derartige „klassischen“ Wettannahmestellen – selbst wenn diese mit einem Café verbunden sind – nichts für ihre Rechtsposition gewinnen kann.
Auch ist für das Gericht keine Verletzung von europäischen Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungs- bzw. der Dienstleistungsfreiheit ersichtlich. Da der Ablehnung der Baugenehmigung keine offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt, könnte allenfalls eine bloße Beschränkung der Grundfreiheiten in Betracht kommen. Eine solche kann aber nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern die Beschränkung geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, U.v. 24.3.2011 – Kommission/Spanien, C-400/08 – juris Rn. 73 ff). Dabei ist anerkannt, dass es sich bei der Raumordnung um ein zur Rechtfertigung von Beschränkungen taugliches Ziel handelt; anders wäre dies nur, wenn sich auf rein wirtschaftliche Gründe berufen würde (EuGH, U.v. 24.3.2011 – Kommission Spanien, C-400/08 – juris Rn. 74). Dies ist hier aber weder auf der gesetzlichen Ebene noch auf Ebene der Rechtsanwendung der Fall. § 34 BauGB dient ausschließlich der städtebaulichen Ordnung als Teil der Raumordnung, wie dies vom Europäischem Gerichtshof verstanden wird. Diese Norm schafft für den unbeplanten Innenbereich eine Art Planersatz zur Weiterentwicklung bereits vorhandener Nutzungsstrukturen. Inhaltlich geht es dabei darum, gleichartige Nutzungen in Gebieten zu konzentrieren um die durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Nutzungen auftretende Störungen zu vermeiden. Im Rahmen der Rechtsanwendung hat die Beklagte die Nutzung der Klägerin aufgrund des Angebots von Livewetten zutreffend als Vergnügungsstätte eingeordnet. Eine solche wird aufgrund ihres nutzungstypischen Charakters und des damit einhergehenden Störpotentials schon auf der rechtlichen Ebene aus Wohngebieten ausgeschlossen und insoweit baurechtlich zutreffend anders behandelt als eine bloße Wettannahmestelle als Ladengeschäft. Der darüber hinaus gehende Charakter, wie er dem Angebot von Livewetten innewohnt, nämlich dass neben der Abgabe der Wette noch im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang das Ergebnis fortlaufend mitverfolgt und aufgrund sich ändernder Wettquoten die Wette angepasst oder neue Wetten abgegeben werden können, mithin also das die Nutzung zu einer Vergnügung qualifizierende Element, fehlt der ladenmäßigen Wettannahmestelle gerade. Dieser gesetzlichen Differenzierung der Nutzungsarten und der darauf gründenden Zuordnungsentscheidung zu verschiedenen Gebietstypen liegen also gerade ausschließlich raumordnerische Gründe und keine wirtschaftlichen Gedanken, wie bspw. Konkurrentenschutz usw., zugrunde. Die Rechtsanwendung der Beklagten hielt sich innerhalb dieser Vorgaben. Die Beklagte hat deshalb der Klägerin zutreffend die Genehmigung ihrer Nutzung im allgemeinen Wohngebiet verweigert. Gleichermaßen führt ein klägerseits vorgebrachtes unterschiedliches Verständnis der Nuancen des Begriffs der Vergnügungsstätte in Bezug auf das Angebot von Sportwetten nicht zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten, soweit die Gründe, die der Rechtsauslegung zugrunde liegen, sich im Rahmen der zur Rechtfertigung von Beschränkung der Grundfreiheiten geeigneten Ziele, wie vorliegend der Raumordnung, halten. Dass der Rechtsanwendung auch wirtschaftliche Ziele, nämlich die Bevorzugung von nationalen Wettangeboten gegenüber der grenzüberschreitenden Vermittlung von Livewetten, zugrunde lag, vermag das Gericht nicht zu erkennen, da, wie vorstehend bereits ausgeführt, der unterschiedlichen bauplanungsrechtlichen Behandlung eben ausschließlich nutzungstypische Unterschiede zugrunde liegen, die mithin auch als Gründe der Raumordnung zur Beschränkungen der Grundfreiheiten zulässig sind. Insgesamt gewährleisten die Grundfreiheiten damit – anders als dies die Klägerin meint – auch kein Recht auf freie Wahl des Standortes (VGH BW, U.v. 4.7.2012 – 3 S 351/11 – juris Rn. 47).
5. Nach alledem besteht bereits wegen bauplanungsrechtlicher Unzulässigkeit kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, so dass der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2016 nicht zu beanstanden ist. Die Frage, ob auch bauordnungsrechtliche Bedenken gegen die Genehmigung bestehen und ob diese ausräumbar sind oder nicht, wie etwa die Frage der Notwendigkeit des Nachweises weiterer Stellplätze, kann damit mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Damit kommt auch eine Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Verbescheidung des Bauantrags nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für die planungsrechtliche Zulässigkeit nach dem vorstehend Ausgeführten nicht bestehen und daher für eine erneute Entscheidung kein Raum ist. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Berufung ist entgegen der Anregung der Klägerin nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).