Aktenzeichen 7 O 8946/17
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
UrhWG § 14 Abs. 1, § 16 Abs. 1, Abs. 4
VGG § 139
Leitsatz
1 Der Ausschluss der Sendeunternehmen von der Vergütung nach § 54 UrhG stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die nicht contra legem in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Beteiligung der Sendeunternehmen an der Geräte- und Leerträgervergütung ist auch nicht geboten, da durch private Vervielfältigungen der Kernbereich des Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen nicht berührt wird; der Kernbereich der Tätigkeit eines Sendeunternehmens ist nämlich die Weitersendung und die öffentlichen Wiedergabe, nicht aber die Herstellung von Vervielfältigungsstücken. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klagepartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klagepartei stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem Gesichtspunkt zu.
A.
Das Landgericht München I ist sachlich zuständig. Das Erfordernis der Durchführung eines Schiedsverfahrens nach § 16 Absatz 1, 14 Absatz 1 UrhWG und die in § 16 Absatz 4 UrhWG enthaltene Zuweisung an das Oberlandesgericht München sind nicht einschlägig, weil es sich vorliegend um eine Streitigkeit unter Verwertungsgesellschaften handelt, welche nicht unter die in § 16 Absatz 4 UrhWG vorgesehene Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fällt. Die Vorschriften des UrhWG sind gemäß der Übergangsvorschrift § 139 VGG für dieses am 30.05.2016 anhängig gewordene Verfahren anzuwenden.
B.
Die zuletzt gestellten Klageanträge sind zulässig, wären aber teilweise bereits deshalb abzuweisen, weil der Vortrag der Klagepartei den begehrten Rechtsfolgenanspruch nicht vorsieht. So hätte die Klagepartei allenfalls im Sinne des Antrags 1 einen Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der Rechte der von ihr vertretenen Rechteinhaber in einem Verteilungsplan oder im Rahmen eines Inkassovertrages. Beides ist derzeit aber nicht gegeben. Auf keinen Fall kann sie aber anhand von erlangten Auskünften eigenständig einen Vergütungsanspruch bestimmen.
Dies kann aber dahinstehen, weil die von der Klagepartei geltend gemachten Ansprüche nur unter der Annahme bestehen könnten, dass bei der vorliegenden Entscheidung der § 87 Absatz 4 UrhG, der für die Rechte der Sendeunternehmen auf § 10 Absatz 1 und die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 verweist und allein die Vorschriften § 47 Absatz 2 Satz 2 und § 54 Absatz 1 ausnimmt (wie nicht), so zu lesen ist, dass die ausdrücklich Nichtverweisung auf § 54 Absatz 1 UrhG entfällt und eine Beteiligung der Klagepartei an den Abgaben der Hersteller von Geräten und von Speichermedien besteht.
Für eine solche Rechtsanwendung contra legem ist allerdings kein Raum. Insbesondere ist eine solche Auslegung nicht unter dem Gesichtspunkt der richtlinienkonformen Auslegung geboten.
Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist erforderlich, dass eine Regelungslücke besteht. Es ist nicht möglich, eine vom Gesetzgeber bewusst geschaffene gesetzliche Regelung – selbst wenn sie offensichtlich europarechtswidrig wäre – gegen den eindeutigen Wortlaut umzudeuten. Dem steht unter anderem der Grundsatz der Gewaltenteilung entgegen.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung VIII ZR 200/05 – Quelle (Urteil vom 26.11.2008) eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den vom Gesetz formulierten Regelungsgehalt zugelassen, weil sich aus der Gesetzesbegründung ergab, dass der Gesetzgeber die dem Gesetz zugrundeliegende Richtlinie vollständig umsetzen wollte. Diese Entscheidung stellt aber eine Einzelfallentscheidung dar, deren Wertungen in jüngeren Entscheidungen auch nicht wiederholt wurden. Insbesondere ergibt sich auch aus den von der Klagepartei in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 2. Kammer, Beschluss vom 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 – Unbefristeter Widerruf von Lebensversicherungen – Richterliche Rechtsfortbildung), dass eine europarechtskonforme Auslegung nur dann möglich ist, wenn nach nationalem Recht Raum für eine Auslegung vorhanden ist, also eine durch Auslegung zu füllende Regelungslücke vorliegt. Ob dies der Fall ist, muss mit den bekannten Auslegungsmethoden ermittelt werden.
Der im Streit stehende § 87 Absatz 4 UrhG, der auf den Teil 1, Abschnitt 6 des Urhebergesetzes verweist und allein die Vorschriften § 47 Absatz 2 Satz 2 und § 54 Absatz 1 UrhG von dieser Verweisung ausnimmt, erfüllt die Voraussetzungen für eine derartige Auslegung nicht. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Gesetzestechnik – Verweis auf einen gesamten Abschnitt mit expliziter Ausnahme zweier Vorschriften – dass zumindest für die ausgenommenen Regelungen eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde.
Darüber hinaus wurde im Gesetzgebungsverfahren umfassend über die Frage diskutiert, ob die Sendeunternehmen an den Einnahmen aus der Pauschalvergütung beteiligt werden sollten erörtert. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 16/1828 vom 15.06.2006) lautet es auf Seite 16 ff.:
Zur Beteiligung der Sendeunternehmen an den Einnahmen aus der Pauschalvergütung Im Rahmen der Vorbereitung des Entwurfs ist in einer Arbeitsgruppe auch die Frage erörtert worden, ob sich eine Beteiligung der Sendeunternehmen an der Geräte- und Leerträgervergütung (§ 87 Abs. 4) empfiehlt. Während die Vertreter der Sendeunternehmen und deren Verwertungsgesellschaft eine solche Beteiligung forderten, wurde sie von den Vertretern der Urheber und Rechtsinhaber sowie von deren Verwertungsgesellschaften abgelehnt. Die Befürworter verwiesen darauf, dass die Investitionen der Sendeunternehmen in ihre Programme deutlich gestiegen seien. Wegen der Aufzeichnung von Sendungen erlitten die Sendeunternehmen erhebliche Verluste bei den Werbeeinnahmen. Diese Verluste sollten durch die Beteiligung an der Geräte- und Leerträgervergütung wenigstens gemindert werden. Im Übrigen sei die Beteiligung auch verfassungsrechtlich geboten. Das Leistungsschutzrecht der Sendeunternehmen sei Eigentum im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), das durch die kompensationslose Schrankenregelung des § 87 Abs. 4 verletzt werde. Auch sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da die Sendeunternehmen ohne sachlichen Grund von der Geräte- und Leerträgervergütung ausgeschlossen würden, während andere Leistungsschutzberechtigte (Tonträgerhersteller, Filmhersteller) an der Geräte- und Leerträgervergütung beteiligt würden. Schließlich ergebe sich auch aus der Richtlinie Urheberrecht in der Informationsgesellschaft zwingend ein Ausgleichsanspruch für die umfangreichen privaten Vervielfältigungen von Sendungen. Die 1965 und 1985 angeführten Gründe für einen Ausschluss, insbesondere das Argument der Gebührenfinanzierung, seien im Zeitalter des Privatfernsehens entfallen. Die Gegner einer Beteiligung machten geltend, dass die bloße technische Signalübermittlung der Sendeunternehmen keine Vergütung rechtfertige. Maßgeblich sei vor allem die Tonträger- bzw. Filmherstellerleistung, für die die Sendeunternehmen bereits jetzt Vergütungen erhielten. Das Bundesverfassungsgericht habe den Ausschluss der Sendeunternehmen vom Vergütungsaufkommen für rechtens erklärt (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1988 – 1 BvR 686/86, NJW 1988, 1715). Auch aus dem Erwägungsgrund 35 der Richtlinie ergebe sich die Rechtmäßigkeit der kompensationslosen Schrankenbestimmung.
Der Entwurf verzichtet darauf, insoweit eine Änderung des geltenden Rechts vorzuschlagen. Eine solche Regelung ist europarechtlich nicht geboten. Erwägungsgrund 35 der Richtlinie stellt klar, dass Ausnahmen und Beschränkungen in bestimmten Fällen auch ohne Kompensation erfolgen können. Die Frage, ob Sendeunternehmen an der Geräte- und Leerträgervergütung beteiligt werden sollen, wird im Übrigen durch die Richtlinie nicht beantwortet. Demgemäß sind auch die diesbezüglichen Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet.
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine Beteiligung der Sendeunternehmen an der Geräte- und Leerträgervergütung nicht geboten. So kann ein Beteiligungsanspruch der Sendeunternehmen nicht aus Artikel 14 Abs. 1 GG abgeleitet werden. Der Gesetzgeber hat mit § 87 UrhG den Sendeunternehmen ein Leistungsschutzrecht gewährt und damit den kostspieligen technischen und wirtschaftlichen Aufwand anerkannt, den die Veranstaltung einer Sendung erfordert. Das Schutzrecht aus § 87 UrhG besteht unabhängig vom Inhalt der Sendung und gilt auch dort, wo der Inhalt der Sendung – wie z. B. die Ziehung der Lottozahlen, der Wetterbericht oder eine Sportveranstaltung – nicht urheberrechtlich geschützt ist. Zwar ist grundsätzlich auch das Leistungsschutzrecht der privaten Sendeunternehmen als Eigentum im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 GG geschützt. Der o. g. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts steht dem nicht entgegen. Denn das Gericht hat darin nur festgestellt, dass öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen im Hinblick auf Artikel 14 Abs. 1 GG keine Grundrechtsfähigkeit zukommt. Der Inhalt des (geistigen) Eigentums und damit auch des Leistungsschutzrechts ist aber durch den Gesetzgeber zu gestalten (Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Er hat dabei eine Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Zugleich hat er vergleichbare Fallgestaltungen gleich zu behandeln; er darf aber umgekehrt dort differenzieren, wo sachliche Gründe eine unterschiedliche Ausgestaltung rechtfertigen.
Der Gesetzgeber hat das Leistungsschutzrecht des Sendeunternehmens denselben Beschränkungen wie das Urheberrecht unterworfen und damit insbesondere die private Vervielfältigung von Sendungen für zulässig erklärt, ohne aber für die gesetzlich gestattete Nutzung eine Vergütung vorzusehen. Absicht des Gesetzgebers war es, mit der Einräumung eines Leistungsschutzrechts den Schutz von Sendeunternehmen „auf das unbedingt Erforderliche“ zu beschränken (Bundestagsdrucksache IV/270, S. 97). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen in dem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Der Kernbereich des Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen wird durch private Vervielfältigungen nicht berührt. Denn der Kernbereich der Tätigkeit eines Sendeunternehmens ist das Recht der Weitersendung und der öffentlichen Wiedergabe. Im Unterschied dazu sind die Tätigkeiten eines Tonträger- oder Filmherstellers auf die Produktion und den Verkauf von Vervielfältigungsstücken ausgerichtet. Soweit es um die private Aufzeichnung von Rundfunksendungen („Signalen“) geht, wird dadurch nicht in den Kernbereich des Leistungsschutzrechts eingegriffen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sendung gebühren- oder werbefinanziert ist.
Bei der privaten Aufzeichnung von Sendungen steht im Übrigen die Kopie eines Filmwerks oder von Musik im Vordergrund. Und hier gilt: Soweit Sendeunternehmen Tonträger- oder Filmhersteller sind oder sie über abgetretene Rechte verfügen, erhalten sie bereits eine Beteiligung für die private Aufzeichnung. Eine weitere Beteiligung aufgrund des Leistungsschutzrechts ist nicht geboten. Eine Beteiligung der Sendeunternehmen an dem Vergütungsaufkommen ginge zu Lasten der übrigen Vergütungsberechtigten – der Urheber, der ausübenden Künstler und der anderen Leistungsschutzberechtigten der phonographischen Wirtschaft und der Filmwirtschaft, die damit einen Ausgleich für die Verwertung stets urheberrechtlich geschützter Werke erhalten. Wollte der Gesetzgeber die Sendeunternehmen in den Kreis der Vergütungsberechtigten einbeziehen, müsste er dem durch Korrekturen des Urheberrechtsgesetzes an anderer Stelle Rechnung tragen, damit das Gesamtkonzept des Schutzes von Urhebern und ausübenden Künstlern sowie des Leistungsschutzes von Tonträgerherstellern, Filmherstellern und Sendeunternehmen in sich stimmig bleibt: Denn gegenwärtig müssen es die ausübenden Künstler aufgrund des Sendeprivilegs (§ 78 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 UrhG) hinnehmen, dass die Sendeunternehmen alle erschienenen Tonträger – ohne einer Erlaubnis zu bedürfen – senden. Sie haben lediglich einen Vergütungsanspruch, an dem die Tonträgerhersteller beteiligt sind. Es erschiene unausgewogen, den Sendeunternehmen diese Nutzung nicht nur zu gestatten, sondern ihnen darüber hinaus auch noch dafür, dass sie die Tonträger senden dürfen, eine Beteiligung an der Vergütung zu gewähren.
Auch mit Hinblick auf den Schutz der Rundfunkfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG) scheint eine Beteiligung der Sendeunternehmen an dem Vergütungsaufkommen nicht geboten (so schon BVerfG, a. a. O. zu der Beteiligungsforderung der öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen). Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn ohne die Teilhabe am Vergütungsaufkommen des § 54 Abs. 1 eine funktionsgerechte Finanzierung nicht gesichert werden könnte. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da Einbußen der Sendeunternehmen bei den Werbeeinnahmen allenfalls zu einer modifizierten Programmgestaltung führen: So könnten etwa weniger Eigenproduktionen erstellt oder günstigere Fremdproduktionen eingekauft werden. Allerdings kann die Möglichkeit der privaten Aufzeichnung von Sendungen als Element der Zuschauerbindung – z. B. bei Fortsetzungssendungen – auch positiv für die Sendeunternehmen wirken.
Im Übrigen erscheint es auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz sachlich gerechtfertigt, Filmhersteller und Tonträgerhersteller als Leistungsschutzberechtigte an der pauschalen Vergütung für Leerträger und Geräte teilhaben zu lassen und sie insoweit anders zu behandeln als Sendeunternehmen. Denn die Lebenssachverhalte unterscheiden sich hier. Für den Tonträgerbereich gilt nach den von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für das Jahr 2002 vorgelegten Zahlen: Es wurden fast 100 Millionen mehr CD-Rohlinge mit Musik bespielt als CD-Alben verkauft. Ein ähnliches Szenario zeichnet sich für die Filmwirtschaft ab. Für den Bereich der Sendeunternehmen erreicht die private Vervielfältigung mit Blick auf das gesamte von ihnen gesendete Programm jedoch nicht vergleichbare Dimensionen.
Demnach erscheint es sachgerecht, die Sendeunternehmen auch weiterhin nur für die Vervielfältigung von Filmen und anderen urheberrechtlich geschützten Inhalten an der pauschalen Vergütung insoweit zu beteiligen, als die Sendeunternehmen als Produzenten anzusehen sind bzw. die entsprechenden Rechte erworben haben.
Dies gibt wieder, dass der Ausschluss der Sendeunternehmen von der Vergütung nach § 54 Absatz 1 UrhG eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war. Vor dem Erlass des Gesetzes hat es zuerst eine umfangreiche Diskussion der beteiligten Interessensgruppen gegeben. Diese hatten Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen und auf Grundlage dieser Diskussionen hat sich der Gesetzgeber ausführlich und differenziert mit der Frage beschäftigt, ob die Sendeunternehmen an den Abgaben nach § 54 Absatz 1 UrhG beteiligt werden sollen und sich – nach Abwägung der einzelnen Argumente – bewusst dagegen entschieden. Es liegt mithin keine Regelungslücke vor und entsprechend ist auch kein Raum für eine Auslegung, dass § 54 Absatz 1 UrhG für Sendeunternehmen Anwendung finden sollte. Dies wäre vielmehr gegen den eindeutigen Wortlaut und den ersichtlichen Willen des Gesetzgebers.
Falls der Gesetzgeber die Richtlinie falsch umgesetzt haben sollte, steht es dem Geschädigten frei, Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Mit einer solchen Klage ist die Klagepartei aber bereits – in allen Instanzen – erfolglos geblieben (siehe dazu: BGH, Beschluss vom 24.06.2010 – III ZR 140/09 (KG)). Möglicherweise könnte die Klagepartei auch Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof begehren, was aber für das vorliegende Verfahren dahinstehen kann. Das zur Entscheidung angerufene Gericht zumindest ist an den eindeutigen Wortlaut des nationalen Rechts gebunden. Es besteht – entgegen den Ausführungen der Klagepartei – insbesondere auch keine Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, denn es besteht gerade kein Streit über die Auslegung europarechtlicher Normen. Der Wortlaut des deutschen Rechts ist eindeutig und bindet das Gericht.
Das Privatgutachten des Universitätsprofessors Dr. N.O. (K 4) wurde zur Kenntnis genommen. Die dort enthaltenen Ausführungen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Gemäß Deckblatt wurde es von der Klagepartei in Auftrag gegeben. Es handelt sich um eine Darstellung, die trotz des erheblichen Umfangs von 83 Seiten die meisten Argumente unbeachtet lässt, welche einem für den Auftraggeber positiven Ergebnis entgegenstehen würden.
Soweit Entscheidungen des EuGH ausgewertet werden, handelt es sich in allen Fällen um Konstellationen, bei denen es um die Frage ging, ob ein Hersteller oder Anbieter von Geräten oder Speichermedien abgabepflichtig ist. Bislang nicht entschieden wurde die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Rechteinhaber von einer Teilhabe an den Einnahmen ausgeschlossen werden kann. Dies allein ist aber für die zu beurteilende Frage von Bedeutung.
In dem Gutachten wird zudem die Ansicht vertreten, dass die Entscheidung des BGH, Urteil vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05 – Quelle eine Rechtfertigung biete, vorliegend § 87 Absatz 4 UrhG dahingehend zu lesen, dass der ausdrückliche Ausschluss der Verweisung auf § 54 Absatz 1 UrhG entfalle. Denn aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Richtlinie vollständig umsetzen wollte. Dies erfordere nach der Ansicht des Privatgutachters, dass auch die Sendeunternehmen an den im Streit stehenden Einnahmen beteiligt werden. In dem am 30.04.2013 erstellten Gutachten wird aber nicht erwähnt, dass es an diesem viel beachteten Urteil erhebliche Kritik gab und die in dem Urteil vertretene Wertung vereinzelt geblieben ist. Vielmehr wurde fast einhellig die Ansicht vertreten, dass in der Entscheidung die Grenzen der Rechtsauslegung überschritten worden sind. Hinsichtlich der Kritik wird beispielsweise auf die Anmerkungen von Höpfner in der EuZW 2009, 155 ff. Bezug genommen. Dieser sieht die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung dort begrenzt, wo nach nationalem Recht die Grenzen der Auslegung liegen. Nach deutschem Recht sei eine planwidrige Regelungslücke erforderlich, welche aber nicht vorliege, wenn eine eindeutig feststellbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers gegeben sei. Entgegen der Auffassung des VIII. Senats des BGH könne auch nicht von einem Umsetzungswillen der Gesetzgebung auf eine verdeckte Regelungslücke geschlossen werden. Wenn es dem Gesetzgeber primär auf die sachliche Regelung ankomme, so ändere ein Irrtum über die Richtlinienkonformität nichts an der Gültigkeit der Norm. Diese Bewertung überzeugt im Ergebnis, weil sie das Aufgabengefüge zwischen Legislative und Judikative respektiert.
Diese Ansicht wird auch durch die von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung angesprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 2. Kammer, Beschluss vom 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 – Unbefristeter Widerruf von Lebensversicherungen – Richterliche Rechtsfortbildung) bestätigt. Bereits im Leitsatz lautet es: „Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Danach ist die Auffassung, ein Richter verletze seine Gesetzesbindung gemäß Art. 20 III GG bereits durch jede Auslegung, die nicht im Wortlaut des Gesetzes vorgegeben ist, zu eng, weil der Wortlaut des Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze zieht und zu den anerkannten Auslegungsmethoden auch die teleologische Reduktion zählt.“ In der Entscheidung wird ausgeführt, dass Art. 20 Absatz 2 Grundgesetz es ausschließe, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen könnten, welche von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden seien. Dies sei aber dann der Fall, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begäben und sich damit der Bindung an Recht und Gesetz entzögen. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege habe ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Auch der EuGH verlange von nationalen Gerichten nur, dass diese bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts – soweit wie möglich – die Vorschriften anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 III AEUV nachzukommen (EuGH, Entscheidung vom 13.11.1990, C-106/89, Marleasing SA gegen Comercial Internacional de Alimentacion SA, Rn. 8). Ebenso habe der EuGH entschieden, dass die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit ihre Schranken finde und daher nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen dürfe (EuGH, Urteil vom 16.07.2009 – C-12/08, Mono Car Styling SA gegen Dervis Odemis, Rn. 61). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulasse, sei von den innerstaatlichen Gerichten zu beurteilen, findet ihre Grenzen allerdings an dem nach innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, Beschluss vom 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06).
Aufgrund des zuvor Gesagten ist es nicht erforderlich auf die Frage einzugehen, ob die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG) eine zwingende Beteiligung der Sendeunternehmen an den Abgaben der Geräte- und Leermittelhersteller erfordert. Denkbar wäre beispielsweise auch, dass die Richtlinienkonformität dadurch hergestellt wird, dass die Privatkopie-Schranke entfällt. Dies kann aber dahinstehen, denn soweit ersichtlich enthält die oben zitierte Begründung der Bundesregierung alle entscheidenden Gesichtspunkte und weist keine Brüche in der Argumentation auf, wie sich auch aus der Entscheidung des BGH vom 24.06.2010, III ZR 140/09 (KG) ergibt.
Die Argumentation der Kläger, dass der EuGH später strenger entschieden habe, überzeugt aus zwei Gründen nicht. Zum einen ist auf den Willen des europäischen Richtliniengebers zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie abzustellen. Zum anderen hat der EuGH noch gar nicht zur Beteiligung der Sendeunternehmen Stellung genommen. Er hat lediglich in verschiedenen Entscheidungen den Kreis der vergütungspflichtigen Hersteller von Geräten und Leerträgern weit gezogen. Zu der Frage, inwieweit ein Rechteinhaber beteiligt werden kann, wurde in den zitierten Entscheidungen keine Stellung genommen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.