Aktenzeichen 11 CS 17.1009
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
ÖFSG § 1 Abs. 4 S. 1, § 15 Abs. 3, Abs. 4
Leitsatz
1 Die Zuständigkeit einer Fahrerlaubnisbehörde für fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen bleibt auch nach Umzug nach Österreich bestehen; solche Maßnahmen sind nicht dem Mitgliedsstaat vorbehalten, in welchem sich der Wohnsitz befindet. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einem Umtausch eines auf Grund einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellten Führerscheins in einen Führerschein eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bleibt die (deutsche) Fahrerlaubnis unverändert bestehen, weswegen die deutschen Fahrerlaubnisbehörden weiterhin entsprechende Maßnahmen ergreifen dürfen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 7 S 16.1848 2017-04-28 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Feststellung, dass er von seiner österreichischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keinen Gebrauch machen darf, und der Verpflichtung, den österreichischen Führerschein zum Eintrag eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen.
Der Antragsteller war Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis der Klassen A und B einschließlich Unterklassen. Am 4. August 2016 verzog er nach Österreich und beantragte am 10. August 2016 den Umtausch seines deutschen in einen österreichischen Führerschein. Auf Nachfrage der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (im Folgenden: Bezirkshauptmannschaft) teilte das Landratsamt D.-R. (im Folgenden: Landratsamt) der Bezirkshauptmannschaft mit, es bestünden Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers. Er sei am 25. Juli 2016 wegen des Verdachts auf Drogenkonsum aufgefordert worden, ein fachärztliches Gutachten beizubringen. Lege er das Gutachten nicht vor, werde die Fahrerlaubnis entzogen. Es werde gebeten, keinen neuen Führerschein auszustellen.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016, seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 20. Oktober 2016, entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A und B einschließlich Unterklassen und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Ablieferung des Führerscheins sowie die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller habe das zu Recht angeforderte Facharztgutachten nicht vorgelegt. Die Fahrerlaubnis sei ihm daher nach § 11 Abs. 8 FeV zu entziehen. Diesen Bescheid hat der Antragsteller nicht angegriffen.
Ebenfalls am 18. Oktober 2016 stellte die Bezirkshauptmannschaft dem Antragsteller ein österreichisches Führerscheindokument aus und übersandte den deutschen Führerschein an das Landratsamt.
Mit Bescheid vom 22. November 2016 stellte das Landratsamt fest, die österreichische Fahrerlaubnis, Fs-Nr. 16292189, berechtige den Antragsteller nicht, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Vorlage des österreichischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks sowie die sofortige Vollziehung an.
Über die gegen den Bescheid vom 22. November 2016 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. April 2017 abgelehnt. Die Klage werde voraussichtlich erfolglos sein. Der Bescheid vom 18. Oktober 2016 sei bestandskräftig geworden. Er sei so auszulegen, dass damit die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem österreichischen Führerschein aberkannt worden sei. Der Feststellungsbescheid vom 22. November 2016 sei daher rechtmäßig.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, der Bescheid vom 18. Oktober 2016 gehe ins Leere, da er zu diesem Zeitpunkt keine deutsche, sondern eine österreichische Fahrerlaubnis besessen habe. Diese sei bisher nicht für unwirksam erklärt worden. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob die Feststellungen des Landratsamts überhaupt eine Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen würden. Bei dem Antragsteller sei nur eine geringe Menge Marihuana gefunden worden. Daraus lasse sich nicht ableiten, dass er tatsächlich Marihuana konsumiere. Es gäbe deshalb auch keine Anhaltspunkte für einen regelmäßigen Konsum. Eine Verkehrsteilnahme unter Einfluss von Marihuana liege ebenfalls nicht vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.
1. Der Antragsteller ist aufgrund der bestandskräftigen Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 nicht berechtigt, mit dem am 18. Oktober 2016 ausgestellten österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland mit einem erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.
1.1 Das Landratsamt war nach dem Umzug des Antragstellers nach Österreich am 4. August 2016 weiterhin berechtigt, fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen. Weder aus den europarechtlichen noch aus den nationalen Vorschriften ergibt sich, dass solche Maßnahmen dem Mitgliedstaat vorbehalten sind, in dem sich der ordentliche Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers befindet (vgl. EuGH, U.v. 23.4.2015 – C-260/13 – Sevda Aykul – ABl EU 2015, Nr. C 205, 2 Rn. 56). Hat der Betroffene keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, ist nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 FeV die Behörde des Aufenthaltsortes zuständig.
1.2 Der Bescheid vom 18. Oktober 2016 geht auch nicht ins Leere, obwohl am gleichen Tag ein österreichischer Führerschein ausgestellt worden ist. Nach § 30a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Mai 2017 (BGBl I S. 1282), bleibt bei einem Umtausch eines auf Grund einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellten Führerscheins in einen Führerschein eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum die (deutsche) Fahrerlaubnis unverändert bestehen. Die deutschen Fahrerlaubnisbehörden können daher auch entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Auch aus dem österreichischen Führerscheinrecht ergibt sich nichts anderes. Nach § 15 Abs. 3 des Österreichischen Führerscheingesetzes (ÖFSG) vom 24. Juli 1997 (ÖBGBl I Nr. 120/1997), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Januar 2017 (ÖBGBl I Nr. 15/2017), abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, erfolgt bei einem Umtausch eines EU-Führerscheins nur die Ausstellung eines neuen Führerscheins (Duplikats). Eine von einem EWR-Staat erteilte Lenkberechtigung gilt nach § 1 Abs. 4 Satz 1 ÖFSG als österreichische Lenkberechtigung, wenn der Besitzer dieser Lenkberechtigung seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt oder solange er seinen Wohnsitz in Österreich hat. Eine Neuerteilung einer Lenkberechtigung ist damit im Rahmen eines Umtauschs nicht erforderlich.
Nach § 15 Abs. 3 Satz 3 ÖFSG hat die Behörde vor der Ausstellung eines neuen Führerscheins für den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hat, im Ausstellungsstaat und in dem Staat, in dem der Antragsteller zuletzt wohnhaft war (Herkunftstaat), anzufragen, ob dort Gründe gegen die Ausstellung vorliegen und allenfalls die Ausstellung zu verweigern, insbesondere dann, wenn keine gültige Lenkberechtigung vorliegt. Nach § 15 Abs. 4 ÖFSG ist der alte Führerschein einzuziehen und ein EWR-Führerschein an den Ausstellungsmitgliedstaat zurückzusenden.
Hier hat die für den Wohnort des Antragstellers zuständige Bezirkshauptmannschaft vor Ausstellung des Führerscheins am 18. Oktober 2016 eine Prüfung nach § 15 Abs. 3 Satz 3 ÖFSG vorgenommen und ein ärztliches Gutachten nach § 8 ÖFSG eingeholt, dem ein psychiatrischer Befundbericht des Dr. med. W. M. vom 25. März 2016 zugrunde liegt. Die Bezirkshauptmannschaft ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nach österreichischem Recht zu diesem Zeitpunkt keine Gründe vorlagen, die die Behörde berechtigten, einen Umtausch abzulehnen. Gleichwohl ist keine neue Lenkberechtigung (= Fahrerlaubnis) erteilt, sondern nur eine österreichische Führerscheinkarte ausgestellt worden.
2. Das Landratsamt durfte auch nach dem Umtausch des deutschen in einen österreichischen Führerschein nach § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen.
Die Feststellung ist dahingehend zu verstehen, dass der Antragsteller mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland nicht mit einem erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, denn in Nr. 1 des Bescheidtenors ist ausdrücklich auf den Führerschein mit der Nr. 16292189 hingewiesen.
Eine entsprechende Feststellung scheitert auch nicht daran, dass der Antragsteller nicht Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis i.S.d. § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV ist (s.o. Nr. 1.2), sondern seine deutsche Fahrerlaubnis nach § 30a Abs. 1 FeV fortbesteht. Die Feststellung, dass der Antragsteller mit dem österreichischen Führerschein nicht berechtigt ist, im Inland am Straßenverkehr teilzunehmen, stellt sich als Minus zur Inhaberschaft einer ausländischen Fahrerlaubnis dar und ist daher jedenfalls entsprechend § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV zulässig. Sie ist auch erforderlich, da Unsicherheit darüber besteht, ob der Antragsteller mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug führen darf. Der Antragsteller macht selbst geltend, der Bescheid vom 18. Oktober 2016 gehe ins Leere und er sei deshalb berechtigt, in Deutschland am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen.
3. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Bescheid vom 22. November 2016 an einem Fehler leidet, da sich die Feststellung auf eine österreichische Fahrerlaubnis bezieht, die der Antragsteller aber nicht besitzt, führt die Interessenabwägung nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis. Ihm ist die deutsche Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 bestandskräftig entzogen worden. Ob die Gutachtensanordnung rechtmäßig gewesen ist und der Antragsteller daher verpflichtet gewesen wäre, ein Gutachten vorzulegen, kann nicht mehr gerichtlich überprüft werden. Ob damit die Fahrerlaubnis insgesamt gemäß § 46 Abs. 6 Satz 1 FeV erloschen ist und der österreichische Führerschein nunmehr der Grundlage entbehrt, oder ob entsprechend § 46 Abs. 6 Satz 2 FeV nur die Fahrberechtigung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erloschen ist, spielt im vorliegenden Verfahren keine Rolle, da das Landratsamt nur von einer fehlenden Fahrberechtigung im Inland ausgegangen ist und der angegriffene Bescheid nur eine dahingehende Feststellung umfasst.
4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).