Baurecht

Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für einen (bodengebundenen) Krankentransport außerhalb von öffentlichen Rettungsdienst

Aktenzeichen  21 BV 16.1731

Datum:
30.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 454
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayRDG Art. 1 S. 1, 2 u. 3, Art. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs.  2 S. 6, Art. 21 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2, Art. 24 Abs. 4 S. 1, 2 u. 3, Art. 25 Abs. 1 S. 2, Art. 27 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Art. 31 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 u. 2 S. 3, Art. 38, Art. 39 Abs. 1, 3 u. 4 S. 1, Art. 41 Abs. 1, Art. 50 Abs. 1
BayRDG 1990 Art. 2, Art. 4 Abs. 1 S. 1
RettG NRW § 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine Genehmigung zur Durchführung von Krankentransport (außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes) darf nur für die Leistung „Krankentransport“ in ihrer Gesamtheit und damit nicht beschränkt auf die Beförderung eines bestimmten Patientenkreises (hier: intensivpflegebedürftige und heimbeatmete Personen) erteilt werden. (Rn. 27)
2. Im Rahmen der Funktionsschutzklausel des Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG ist im Grundsatz nicht vorab zu prüfen, ob überhaupt ein funktionsfähiger öffentlicher Rettungsdienst besteht. (Rn. 48)

Verfahrensgang

Au 1 K 15.743 2016-06-28 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Juni 2016 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer gegenständlich unbeschränkten Erlaubnis für den Krankentransport unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2015 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten beider Rechtszüge hat die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht in der Auslegung des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin überein, die sich aus einer Gesamtbetrachtung der im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren gestellten Anträge ergibt, und der die Beteiligten im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten sind. Danach möchte die Klägerin in erster Linie erreichen, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihr eine Genehmigung zur Durchführung von bodengebundenem (qualifiziertem) Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes für eine tägliche Betriebszeit von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu erteilen, die auf den Transport von intensivpflegebedürftigen und heimbeatmeten Patienten beschränkt ist. Hilfsweise erstrebt die Beklagte eine bezüglich der Patienten unbeschränkte Genehmigung.
Für den Fall des Obsiegens mit dem Haupt- oder Hilfsantrag begehrt die Beklagte die Erteilung einer Ausnahme nach Art. 39 Abs. 4 Satz 1 BayRDG von den Beschränkungen des Art. 39 Abs. 3 BayRDG und damit das Recht, Krankentransporte uneingeschränkt außerhalb des Einsatzbereiches des (beschränkt oder unbeschränkt) genehmigten Krankentransportwagens durchzuführen.
II.
Die zulässige Berufung hat nur zum Teil Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Hauptantrag zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr eine Genehmigung zur Durchführung des bodengebundenen Krankentransports für die Betriebszeit montags bis freitags von 08:00 bis 18:00 Uhr erteilt, die auf die Beförderung intensivpflegebedürftiger und heimbeatmeter Patienten beschränkt ist (1.). Soweit die Klägerin hilfsweise begehrt, ihr für die genannte Betriebszeit eine hinsichtlich der zu befördernden Patienten unbeschränkte Erlaubnis zu erteilen, führt die Klage lediglich zur Verpflichtung der Beklagten, insoweit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (2.).
1. Die Berufung ist zurückzuweisen, soweit die Klägerin eine Genehmigung zur Durchführung des bodengebundenen Krankentransports außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes begehrt, die auf intensivpflegebdürftige und heimbeatmete Patienten beschränkt ist. Eine solche Leistung ist nicht genehmigungsfähig. Nach dem Wortlaut, dem Regelungszusammenhang sowie der Entstehungsgeschichte des Art. 22 BayRDG, der den Gegenstand einer rettungsdienstlichen Genehmigung näher bestimmt, und unter Berücksichtigung des Ziels des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes kann eine Genehmigung nur für die Leistung „Krankentransport“ in ihrer Gesamtheit erteilt werden.
1.1 Dafür spricht zunächst der Wortlaut der die Genehmigungspflicht und den Gegenstand der Genehmigung regelnden Bestimmungen. Nach Art. 21 Abs. 1 BayRDG bedarf der Genehmigung, wer Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport, Krankentransport und Patientenrückholung betreibt. Die Genehmigung wird nur für eine einzelne Genehmigungsleistung mithin nur für eine der in Art. 21 Abs. 1 genannten rettungsdienstlichen Leistungen – hier die Leistung Krankentransport – erteilt (Art. 22 Abs. 1 Satz 3 BayRDG). Zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts ist auf Art. 2 BayRDG zuzugreifen, denn diese Norm enthält die für alle Vorschriften des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes maßgebenden Begriffsbestimmungen (vgl. dazu LT-Drs. 11/16437 S. 10 f.). „Krankentransport“ und damit Gegenstand der darauf gerichteten Genehmigung ist nach der Definition des Art. 2 Abs. 5 Satz 1 BayRDG der Transport von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die keine Notfallpatienten sind, aber während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung durch nichtärztliches medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtung des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist. Die übrigen Genehmigungsleistungen sind in Art. 2 Abs. 2 (Notfallrettung), Abs. 4 (arztbegleiteter Krankentransport) und Abs. 6 (Patientenrückholung) näher bestimmt. Mit der Definition der einzelnen Genehmigungsleistungen ist der jeweilige Genehmigungsinhalt vorgegeben. Dass der Gesetzgeber von einem solchermaßen typisierten Genehmigungsinhalt ausgeht, der einer Beschränkung nicht zugänglich sein soll, zeigt die Bestimmung des Art. 22 Abs. 2 BayRDG. Danach berechtigt die Genehmigung für die Durchführung der Notfallrettung auch zur Durchführung von arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport, die Genehmigung für die Durchführung des arztbegleiteten Patiententransports auch zur Durchführung von Krankentransport. Es liegt in der Natur der Sache, dass einer solchen allgemein geregelten „Abwärtskompatibilität“ der Genehmigungen deren gesetzlich vorgegebener Inhalt zugrunde gelegt ist.
1.2 Darin fügt sich ein, dass der Antrag auf Erteilung der Genehmigung die jeweilige Genehmigungsleistung enthalten muss (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayRDG), der Begriff der Genehmigungsleistung aber – wie dargelegt – zur entsprechenden Definition des Art. 2 BayRDG und damit zum allgemein vorgegebenen Genehmigungsinhalt führt. Folgerichtig sieht Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayRDG als zwingenden Inhalt der Genehmigungsurkunde lediglich die Beförderungsart vor, für welche die Genehmigung erteilt wird.
1.3 Nichts anderes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem 6. Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 25. Juli 1989 (BGBl I S. 1547) den Verkehr mit Krankenkraftwagen aus dem Personenbeförderungsgesetz herausgenommen und so für diesen Gegenstand die Gesetzgebung der Länder eröffnet. Das Land Bayern hat mit dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz vom 10. August 1990 (BayRDG 1990) die Notfallrettung und den Krankentransport erstmals umfassend in eigener Zuständigkeit geregelt. Zum Inhalt der Genehmigung bestimmte Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayRDG 1990, dass dem Unternehmer die Genehmigung für seine Person und für die Ausübung von Notfallrettung oder Krankentransport erteilt wird. Der Genehmigungsumfang wurde dabei anknüpfend an die in Art. 2 BayRDG 1990 enthaltene Legaldefinition geregelt (vgl. LT-Drs. 11/16437 S. 10).
1.4 Das nach dem Wortlaut, dem Regelungszusammenhang und der Entstehungsgeschichte des Art. 22 Abs. 1 BayRDG gebotene Verständnis vom Inhalt einer rettungsdienstlichen Genehmigung entspricht auch dem Ziel des bayerischen Rettungsdienstgesetzes, das darin besteht, eine flächendeckende, effektive und wirtschaftliche Versorgung im öffentlichen Rettungsdienst in Bayern sicherzustellen (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.5.2012 – Vf. 1-VII-10; LT-Drs. 16/14915 S. 9). Eine inhaltliche Beschränkung der Erlaubnis auf eine bestimmte Gruppe von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen entzöge die so genehmigten Krankenkraftwagen (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BayRDG) einem darüber hinausgehenden Einsatz, obgleich sie dafür geeignet wären. Das widerspräche dem Ziel einer effektiven und wirtschaftlichen Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen. Zwar besteht bezüglich der Anzahl und/oder der Standorte von Krankentransportwagen wegen des weniger kritischen Zeitmoments ein größerer Spielraum. Denn Krankentransportwagen werden im Grundsatz für disponierbare und zeitunkritische Einsätze im Rettungsdienst vorgehalten, bei denen es in der Regel nicht um eine vitale Gefährdung des Patienten geht (vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Rettungsdienst in Bayern, Stand Juli 2011, Art. 7 Rn. 19). Dennoch ist bei der im Rahmen der Gesetzesinterpretation gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise (vgl. dazu BVerwG, B.v. 21.10.2014 – 5 B 30.14 – juris) davon auszugehen, dass Krankentransportwagen die lediglich für einen (eng) beschränkten Patientenkreis genehmigt sind, in einem Flächenstaat innerhalb der Rettungsdienstbereiche nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise so eingesetzt werden können, dass sie hinreichend ausgelastet sind und dennoch die Versorgung der betroffenen Patienten im Bedarfsfall innerhalb eines angemessenen Zeitraums sichergestellt ist. Das wird letztlich auch durch das Vorbringen der Klägerin bestätigt. Danach hat der Bayerische Rettungsdienst im Rettungsdienstbereich Allgäu im Jahr 2015“ lediglich 35 Patienten transportiert, mithin weniger als drei Transporte im Monat.
Es ist für die Bestimmung des nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz zulässigen Genehmigungsgegenstands ohne Bedeutung, dass die Klägerin eine gegenständlich beschränkte Genehmigung für den Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes begehrt. Das Bayerische Rettungsdienstgesetz unterscheidet bezüglich der Genehmigungspflicht und des Genehmigungsgegenstands nicht danach, für welchen Bereich die Genehmigung zur Durchführung des Krankentransports erteilt wird. Das entspricht der Intention des Gesetzgebers, in das Bayerische Rettungsdienstgesetz Unternehmer und Organisationen einzubeziehen, die außerhalb des öffentlichen Versorgungssystems „vergleichbare Leistungen“ erbringen wollen (vgl. LT-Drs. 11/16437 S.9). Zudem liefe es dem Ziel eines effektiven und wirtschaftlichen öffentlichen Rettungsdienstes zuwider, wenn dem konkurrierenden privaten Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt wäre, seine Leistungspflicht (Art. 38 BayRDG) von vornherein auf ein ihm lukrativ erscheinendes Segment zu beschränken, während der öffentliche Rettungsdienst Krankentransporte flächendeckend uneingeschränkt durchzuführen hat.
1.5 Eine Differenzierung mit der Folge, dass eine Genehmigung außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes gegebenenfalls gegenständlich auf eine bestimmte Patientengruppe beschränkt zu erteilen ist, wäre auch nicht dann gerechtfertigt, wenn der öffentliche Rettungsdienst (noch) nicht in der Lage sein sollte, Krankentransporte für diese Patientengruppe ordnungsgemäß durchzuführen.
Nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz obliegt den Trägern des öffentlichen Rettungsdienstes (Landkreise und kreisfreie Gemeinden – Art. 4 Abs. 1 BayRDG) unter anderem die flächendeckende Versorgung mit der rettungsdienstlichen Leistung „Krankentransport“ (Art. 1 Satz 1 und 2 BayRDG), wobei alle Einsatzfahrzeuge für ihren Einsatzzweck in geeigneter Weise entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem maßgeblichen Stand der Medizin ausgestattet und eingerichtet sein müssen (Art. 41 Abs. 1 BayRDG). Von dieser Verpflichtung ist der öffentliche Rettungsdienst nicht dadurch befreit, dass der bodengebundene Krankentransport gemäß Art. 1 Satz 3 BayRDG auch privat erfolgen kann, soweit das durch das Bayerische Rettungsdienstgesetz zugelassen ist. Geht mithin das Gesetz davon aus, dass der öffentliche Rettungsdienst die gesamte Leistung „Krankentransport“ flächendeckend sicherstellt, wäre es systemwidrig, einem privaten Unternehmer die begehrte beschränkte Erlaubnis dann zu erteilen, wenn der öffentliche Rettungsdienst die konkrete Leistung (hier: Transport von intensivpflegebedürftigen und heimbeatmeten Patienten) nicht erbringen kann. Vielmehr haben die Rettungsdienstbehörden in einem solchen Fall im Rahmen der Aufsicht (Art. 50 BayRDG) sicherzustellen, dass der öffentliche Rettungsdienst in der Lage ist, die ihm übertragene Aufgabe in ihrer Gesamtheit ordnungsgemäß zu erbringen. Andernfalls könnte er sich durch eine sukzessive Erteilung beschränkter Erlaubnisse an Private nach und nach der Aufgabenerfüllung entziehen.
1.6 Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus Art. 37 BayRDG nichts für ihre Auffassung, eine nach Art. 21 Abs. 1 erforderliche Genehmigung könne gegenständlich beschränkt erteilt werden. Nach Art. 37 Abs. 1 BayRDG ist der Unternehmer verpflichtet, den Betrieb ordnungsgemäß einzurichten und während der Dauer der Genehmigung entsprechend aufrechtzuerhalten. Von dieser Betriebspflicht kann die untere Rettungsdienstbehörde den Unternehmer für den gesamten oder einen Teil der von ihm betriebenen Beförderungen vorübergehend oder dauernd entbinden (Art. 37 Abs. 2 Satz 3 BayRDG). Das erlaubt es lediglich, die Betriebspflicht zu beschränken, lässt aber die dem Betrieb zugrunde liegende Genehmigung unberührt.
Entsprechend verhält es sich mit dem Verweis der Klägerin darauf, dass die nach Art. 21 Abs. 1 BayRDG erforderliche Genehmigung unter Bedingungen oder Auflagen erteilt werden kann (Art. 27 Abs. 2 BayRDG). Das befugt die Genehmigungsbehörde nur dazu, einer rettungsdienstlichen Genehmigung die genannten Nebenbestimmungen beizufügen. Das Recht, den Inhalt einer rettungsdienstlichen Genehmigung abweichend von den in Art. 2 BayRDG enthaltenen Definitionen einschränkend zu bestimmen, ergibt sich daraus gerade nicht.
Ebenso wenig lässt sich der Bestimmung des Art. 7 Abs. 2 Satz 6 BayRDG etwas dafür entnehmen, dass die Genehmigung zur Durchführung von Krankentransport auf einen bestimmten Patientenkreis beschränkt werden kann. Danach sind bei der Fahrzeugvorhaltung auch spezielle Bedarfsanforderungen (z.B. Infekttransporte, Transporte schwergewichtiger Patienten) zu berücksichtigen. Diese Regelung betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut lediglich die Bedarfsermittlungen und besagt nichts über den Inhalt einer rettungsdienstlichen Genehmigung. Die gesetzlichen Beispiele „Infekttransport“ und „Transporte schwergewichtiger Patienten“ geben überdies keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber von einem bedarfsbezogenen Inhalt der Genehmigung ausgeht. Für Beförderungen dieser Art verwendete Krankentransportfahrzeuge sind „allgemeinen“ Transporten nicht notwendig entzogen und können damit Gegenstand einer unbeschränkten Genehmigung sein.
Die Klägerin verweist zutreffend darauf, dass der Rettungszweckverband nach der Gesetzesbegründung der Staatsregierung zur Neufassung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes bei der Bedarfsprüfung im Krankentransport auch die Bedarfsabdeckung durch außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes tätige Unternehmen zu berücksichtigen hat (vgl. LT-Drs. 15/10391 S. 40). Damit ist die Vermeidung von Überkapazitäten im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes angesprochen, nicht aber die Frage, ob die rettungsdienstliche Leistung „Krankentransport“ dem Umfang nach beschränkt genehmigungsfähig ist.
1.6 Die Vorschrift des Art. 22 BayRDG steht in der Auslegung durch den Senat im Einklang mit der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Sie ist wie dargelegt durch das Ziel des Rettungsdienstgesetzes gerechtfertigt, zu Gunsten der Allgemeinheit eine flächendeckende, effektive und wirtschaftliche Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen durch einen öffentlichen Rettungsdienst sicherzustellen, und verfolgt damit ein wichtiges öffentliches Anliegen, dessen Verfehlung die sachgerechte Funktion des Gesundheitswesens insgesamt schädigen würde.
2. Die Berufung hat bezüglich des Hilfsantrags teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht vollständig abgewiesen. Die Klägerin hat in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch darauf, dass ihr Antrag vom 16. Dezember 2014 auf eine gegenständlich unbeschränkte Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten von der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut beschieden wird (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die von der Beklagten auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 BayRDG durchgeführte Verträglichkeitsprüfung ist rechtsfehlerhaft und trägt deshalb nicht die Ablehnung der beantragten Genehmigung.
2.1 Nach Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG ist die Genehmigung für Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst im Sinn des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes beeinträchtigt wird. Die Funktionsfähigkeit ist insbesondere dann beeinträchtigt, wenn das für eine effektive und wirtschaftliche Auslastung notwendige Einsatzaufkommen des im öffentlichen Rettungsdienst durchgeführten Krankentransports unterschritten wird (Art. 24 Abs. 4 Satz 3 BayRDG). Hierbei sind nach Art. 24 Abs. 4 Satz 2 BayRDG die flächendeckende Vorhaltung und die Auslastung innerhalb des Rettungsdienstbereichs, insbesondere das Einsatzaufkommen, dessen Verteilung im Rettungsdienstbereich, die Anzahl der betriebsbereit vorgehaltenen Krankenkraftwagen sowie die Entwicklung der Kosten zu berücksichtigen. Bei dieser Verträglichkeitsprüfung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen ist, ob die Genehmigungsbehörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, die maßgeblichen Gesichtspunkte erkannt und den möglichen Verlauf der Entwicklung nicht offensichtlich fehlerhaft eingeschätzt hat (vgl. BayVGH, U.v. 18.5.2005 – 21 B 99.1017 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.1999 – 3 C 20.98 – juris). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die auf der Prognose beruhende Entscheidung fehlerhaft. Die Ersetzung der fehlerhaften durch eine gerichtliche Prognose kommt nicht in Betracht (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 83).
Die Prognoseentscheidung der Beklagten hält einer solchermaßen eingeschränkten Überprüfung nicht stand, weil der ihr zugrunde liegende entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt wurde.
2.1.1 Die in den vorgelegten Behördenakten enthaltene Verträglichkeitsprüfung geht bezüglich der Betriebszeit von einem unzutreffenden Zeitintervall aus. Die „Kernzeit“ von zehn Stunden beginnt danach um 07:00 Uhr und endet um 17:00 Uhr. Demgegenüber soll der Krankentransportwagen nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags (montags bis freitags) im Zeitraum von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr eingesetzt werden. Für die Entscheidung kommt es auch auf die konkrete Betriebszeit des Krankentransportwagens an, für den die Genehmigung beantragt ist. Denn nach Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG ist darauf abzustellen ist, ob durch den Gebrauch der Genehmigung eine Funktionsbeeinträchtigung des öffentlichen Rettungsdienstes zu erwarten ist.
2.1.2 Unabhängig davon ist die Verträglichkeitsprüfung auch deshalb rechtlich zu beanstanden, weil sie auf einem vom Gesetz abweichenden Erhebungszeitraum beruht. Ein „Aktenvermerk Verträglichkeitsprüfung 2015“ der Beklagten vom 16. April 2015 bezeichnet als maßgeblichen „Beobachtungszeitraum“ für die Beurteilung der Verträglichkeit zusätzlicher Krankentransportkapazitäten außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes die „zuletzt statistisch erfassten 12 Monate der Vergangenheit“. Die Prüfung der Funktionsbeeinträchtigung basiert damit ausweislich des genannten Aktenvermerks auf Daten, die für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. März 2014 statistisch erfasst worden sind. Das widerspricht der Regelung des § 31 Abs. 1 AVBayRDG. Danach ist eine Funktionsbeeinträchtigung im Genehmigungsverfahren gemäß Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 BayRDG anhand der Zahl und Dauer der öffentlichen Krankentransporte während der letzten zwölf Monate festzustellen. Dieser Zwölfmonatszeitraum endet frühestens mit dem Eingang des gegenständlich unbeschränkten Genehmigungsantrags bei der Beklagten am 9. Februar 2015 und beginnt am 9. Februar 2014. Denn mit Antragseingang beginnt das Genehmigungsverfahren (vgl. Sennekamp in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl. 2014, § 9 Rn. 29), das die Ermittlungspflicht der Behörde auslöst und das dementsprechend nach dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 AVBayRDG Bezugspunkt für das Ende des Erhebungszeitraum ist („im Genehmigungsverfahren“ … „letzten zwölf Monate“). Das wird durch die Regelung des Art. 24 Abs. 4 Satz 4 BayRDG bestätigt, wonach die im Rettungsdienst beteiligten Stellen zur Weitergabe der erforderlichen Daten an die Genehmigungsbehörde verpflichtet sind. Damit ist verdeutlicht, dass die Genehmigungsbehörde nicht darauf beschränkt ist, die Verträglichkeitsprüfung lediglich auf der Grundlage solcher Daten vorzunehmen, die von dritter Seite bereits statistisch erfasst wurden. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die Genehmigungsbehörde die erforderlichen Daten im Bedarfsfall bei den im Rettungsdienst beteiligten Stellen erhebt, das können neben den Zweckverbänden für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung auch die Sozialversicherungsträger sowie die zentrale Abrechnungsstelle für den Rechnungsdienst sein (vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Rettungsdienst in Bayern, Stand Juli 2011, Art. 24 Rn. 44).
2.1.3 Unbedenklich ist demgegenüber, dass die Beklagte bei der Verträglichkeitsprüfung lediglich die zum Rettungsdienstbereich Allgäu zählenden Bedarfsregionen berücksichtigt hat. Das entspricht der Regelung des Art. 24 Abs. 4 Satz 2 BayRDG, der zufolge die Verträglichkeitsprüfung die flächendeckende Vorhaltung und die Auslastung innerhalb des Rettungsdienstbereichs zu berücksichtigen hat. Maßgebend ist hier der Rettungsdienstbereich Allgäu. Standort des streitgegenständlichen Krankentransportwagens soll nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags die Stadt Kempten sein, die innerhalb des genannten Rettungsdienstbereichs liegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a AVBayRDG), der Einsatzbereich des Krankenkraftwagens ist (Art. 39 Abs. 1 BayRDG).
Die seitens der Klägerin für „ganz Bayern“ beantragte Ausnahme von den räumlichen Beschränkungen des Art. 39 Abs. 3 BayRDG rechtfertigt es nicht, die im Rahmen der Genehmigungserteilung nach Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG erforderliche Verträglichkeitsprüfung bezogen auf das gesamte Gebiet des Freistaats Bayern durchzuführen. Die Erteilung einer Ausnahme von der durch den Einsatzbereich vorgegebenen räumlichen Beschränkung kommt nur infrage, wenn die Voraussetzungen für die begehrte Genehmigung vorliegen. Mithin ist zunächst bezogen auf den durch den Standort des verfahrensgegenständlichen Krankentransportwagens vorgegebenen Rettungsdienstbereich Allgäu zu prüfen, ob durch den Gebrauch der begehrten Genehmigung das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtigt wird. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Erteilung einer Ausnahme nur für den Fall der Genehmigung beantragt hat.
2.2 Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung ist hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, ob der öffentliche Rettungsdienst die Anforderungen an den Transport intensivpflegebedürftiger und heimbeatmeter Patienten erfüllt.
2.2.1 Eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 BayRDG ist durchzuführen, ohne dass vorab zu fragen ist, ob überhaupt ein (voll) funktionsfähiger Rettungsdienst vorliegt, der beeinträchtigt werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2005 – 21 B 99.1017 – juris; OVG NW, U.v. 7.3.2007 – 13 A 3700/04 – juris zur vergleichbaren Bestimmung des § 19 Abs. 4 RettG NRW). Das folgt aus dem Zweck der Funktionsschutzklausel des Art. 24 Abs. 4 Satz 1 BayRDG. Sie soll die Existenzfähigkeit und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes gewährleisten und damit ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut sichern (vgl. LT-Drs. 11/16437 S. 13 f.). Dieses Ziel ist auch dann gefährdet, wenn ein (noch) nicht vollkommen funktionsfähiger öffentlicher Rettungsdienst betroffen wird. Die ungehinderte Zulassung von privaten Unternehmern ließe gerade im Fall einer ohnehin geminderten Funktionsfähigkeit deren (weitere) Beeinträchtigung befürchten (vgl. OVG NW, U.v. 7.3.2007 – 13 A 3700/04 – juris).
2.2.2 Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der öffentliche Rettungsdienst im betroffenen Rettungsdienstbereich Allgäu offensichtlich nicht in der Lage ist, die Nachfrage im Bereich der Leistung „Krankentransport“ zu decken (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2001 – C-475/99 – juris). Davon ist hier schon deshalb nicht auszugehen, weil die in den öffentlichen Rettungsdienst eingebundenen Unternehmer den Transport heimbeatmeter und intensivpflegebedürftiger Patienten durchführen und auch insoweit die Leistung „Krankentransport“ erbringen. Sollte es dabei im Einzelfall Grund zu berechtigten Beanstandungen geben, ist es Aufgabe der Rettungsdienstbehörde im Rahmen der Aufsicht sicherzustellen, dass die Vorschriften des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes sowie der dazu erlassenen Rechtsverordnungen beachtet werden (Art. 50 Abs. 1 BayRDG). Das Verwaltungsgericht hat dazu im Übrigen ausgeführt, dass heimbeatmete Patienten bislang im hier maßgebenden Rettungsdienstbereich Allgäu befördert wurden, ohne dass es jemals zu aktenkundigen Beschwerden von Patienten oder strafrechtlich relevanten Vorfällen gekommen sei.
Die von der Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung angeführten zwei Sachverhalte sind nicht geeignet, das zu widerlegen. In dem der Bestätigung BK 1 zugrunde liegenden Fall konnte der Krankentransport einer Patientin des Mutterunternehmens der Klägerin durchgeführt werden, nachdem durch das Mutterunternehmen eine Begleitung organisiert worden war. Dementsprechend besagt die Bestätigung der Transportführerin des eingesetzten BRK-Krankenkraftwagens lediglich, dass die Fahrzeugbesatzung nicht in der Lage sei, die heimbeatmete Patientin ohne Begleitung einer Pflegekraft der K. I. GmbH zu verlegen. Das bestätigt aber für den konkreten Fall lediglich das Konzept, das der öffentliche Rettungsdienst für die Beförderung heimbeatmeter Patienten entwickelt hat. Zudem betraf dieser Fall keine Krankenkraftwagen des maßgebenden Rettungsdienstbereichs Allgäu. Letzteres trifft auch auf den in der Bestätigung BK 2 wiedergegebenen Fall zu.
Ebenso wenig lässt sich dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Sachverständigen K … vom August 2015 entnehmen, dass der öffentliche Rettungsdienst im Rettungsdienstbereich Allgäu offensichtlich nicht in der Lage ist, intensivpflegebedürftige und heimbeatmete Patienten ordnungsgemäß zu befördern. Die dem Gutachten als Anlagen 1 und 2 beigefügten Transportdokumentationen betreffen eine Patientenbeförderung die am 11. Juli 2014 im Rettungsdienstbereich Allgäu stattfand. Aus ihnen ergibt sich insbesondere, dass eine Ladungssicherung gemäß § 22 StVO nicht erfolgte. Allerdings fanden die Beförderungen in einem Zeitraum statt, in dem ausweislich eines Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 25. April 2014 das für den öffentlichen Rettungsdienst entwickelte Konzept für den Transport heimbeatmeter und intensivpflegebedürftiger Patienten in den Rettungsdienstbereichen eingeführt wurde. Für den in der Anlage 3 des Gutachtens vom Geschäftsführer der Klägerin geschilderten „Zwischenfall“ vom 19. Juli 2014 gilt das entsprechend. Im Übrigen beruht die darin geschilderte Verzögerung im Kern darauf, dass eine nach dem für den öffentlichen Rettungsdienst entwickelten Beförderungskonzept erforderliche Begleitperson (Pflegeperson) nicht sogleich zur Verfügung stand. Der in der Anlage 12 geschilderte Vorgang betrifft einen Patiententransport im Rettungsdienstbereich Nürnberg und besagt deshalb nichts für den in diesem Verfahren betroffenen Rettungsdienstbereich.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr auf die umfangreichen Ausführungen der Klägerin dazu an, dass der öffentliche Rettungsdienst nicht in der Lage sei, den hier inmitten stehenden Patientenkreis zu befördern.
3. Über den weiteren Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie eine Ausnahme von den räumlichen Beschränkungen des Art. 39 Abs. 3 BayRDG anstrebt, ist mangels Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der begehrten Genehmigung nicht zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
5. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 bestehen nicht.

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