Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag einer Familie aus der Ukraine

Aktenzeichen  W 7 K 16.32389

Datum:
24.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3a Abs. 2, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5 bis 7

 

Leitsatz

1 Die Bedrohung durch kriminelle nichtstaatliche Akteure stellt keinen flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgrund dar. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der ukrainische Staat grundsätzlich nicht willens oder in der Lage wäre, Schutz vor Verfolgungshandlungen nichtstaatlicher Akteure zu bieten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach der Auskunftslage liegt die Altersgrenzen für die Einziehung zum Wehrdienst in der Ukraine bei 25 Jahren. Mobilisierungswellen sind derzeit nicht vorgesehen.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4 Strafvorschriften der Ukraine wegen Wehrdienstentziehung stellen keine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung dar. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
5 Im Donbass besteht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Für Personen aus dem Kriegsgebiet gibt es eine zumutbare inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen der Ukraine. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 21. November 2016 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch (schon deswegen) nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG bzw. der Anerkennung als Asylberechtigte (1.). Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (2.).
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S. des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 -, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 9 C 278/86 -, BVerwGE 1979, 143 f.).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Schutzsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 -, Buchholz, § 108 VwGO Nr. 147).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1.1. Soweit der Kläger zu 1) Probleme im Zusammenhang mit den geschäftlichen Tätigkeiten seines Vaters geltend macht, führt dies nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Kläger aufgrund ihres vorgebrachten Verfolgungsschicksals – unabhängig von dessen Wahrheitsgehalt – nicht Flüchtlinge i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG sind. Denn diese machen insoweit eine Bedrohung durch kriminelle nichtstaatliche Akteure geltend. Damit beruht die behauptete Verfolgung aber nicht auf einem der in §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG genannten flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgründe. Sie befinden sich nicht aus begründeter Furcht wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftslandes. Aus diesem Grund kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.
Der Kläger zu 1) hat ferner vorgetragen, dass er von den Personen, die seinen Vater erpresst haben sollen, nicht persönlich bedroht worden sei, so dass auch eine Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG nicht vorliegt. Es ist ebenfalls nicht zu erkennen, aus welchen Gründen den Klägern künftig in der Ukraine eine Verfolgung durch diese nichtstaatlichen Akteure drohen soll, nachdem das Geschäft nicht mehr weitertreiben wird und der Kläger zu 1) selbst niemals bedroht worden ist. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend auch deswegen ausgeschlossen, weil die Kläger in ihrer Heimat um Schutz vor Verfolgung nachsuchen können (§ 3d AsylG), sollte es tatschlich zu konkreten Bedrohungen bei einer Rückkehr kommen. Nach der Erkenntnislage gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der ukrainische Staat grundsätzlich nicht in der Lage oder willens wäre, Schutz vor Verfolgungsmaßnahmen nichtstaatlicher Akteure zu bieten. Im Übrigen wird insoweit auf die ausführlichen Erwägungen im streitbefangenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Daneben müssen sich die Kläger gemäß § 3e AsylG auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen. Interner Schutz besteht nach dieser Vorschrift dann, wenn die Kläger in einem Teil ihres Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung haben und in diesen Landesteil sicher und legal reisen können, dort aufgenommen werden und von ihnen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlassen. Konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Gefahr der landesweiten Verfolgung haben die Kläger nicht vorgetragen, so dass es ihnen zuzumuten ist, sich in einem anderen Teil der Ukraine niederzulassen. Im Übrigen sind die Kläger zu 1) und 2) junge, gesunde und erwerbsfähige Menschen, die auch auf die Unterstützung zahlreicher im Ausland lebender Verwandter zurückgreifen können.
1.2. Soweit der Kläger zu 1) darüber hinaus vorträgt, dass er wegen Wehrdienstverweigerung erhebliche Probleme bekommen werde, führt dies nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Denn der Kläger zu 1) hat nach seinen eigenen Angaben den Wehrdienst bisher nicht leisten müssen. Er ist als Vater von drei minderjährigen Kindern auch in Zukunft vom Wehrdienst freigestellt, so dass er gerade nicht befürchten muss, zum Wehrdienst herangezogen zu werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 9). Nach aktueller Auskunftslage liegt die Altersgrenze für die Einziehung zum (eigentlichen) Wehrdienst im Übrigen bei 25 Jahren (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 9; BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 11 ZB 17.30220, Rn. 10). Diese Altersgrenze hat der 1990 geborene Kläger zu 1) überschritten. Weitere Mobilisierungswellen sind derzeit nicht vorgesehen (BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 11 ZB 17.30220, Rn. 10).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die zwangsweise Heranziehung zum Wehrdienst und die damit zusammenhängenden Sanktionen weder schlechthin eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG darstellen noch eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung stets als unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG anzusehen ist. Dahin schlagen derartige Maßnahmen nur dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die dadurch gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (BVerwG, B.v. 10.9.1999 – 9 B 7.99, juris, Rn. 3; BayVGH, B.v. 13.1.2017 – 11 ZB 16.31051, BeckRS 2017, 101018, Rn. 4). Eine solche Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal ist mit Blick auf die Wehrdiensterfassung in der Ukraine nicht zu erkennen. Ausweislich der eingeführten Erkenntnismittel spielen Merkmale wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Überzeugung bei der Heranziehung keine Rolle (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 9).
Jeder souveräne Staat hat daher grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst heranzuziehen. Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann damit (nur) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 fallen, als Verfolgungshandlung i.S. des Abs. 1 gelten. Dazu gehören Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen Menschlichkeit, schwere nichtpolitische Straftaten oder Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Dabei obliegt es daher demjenigen, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen möchte, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass die Einheit, der er angehört, die Einsätze, mit denen sie betraut wurde, unter Umständen durchführt oder in der Vergangenheit durchgeführt hat, unter denen Handlungen der in dieser Bestimmung genannten Art mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen werden oder wurden (EuGH, U.v. 26.2.2015 – C-472/13, NVwZ 2015, 575, Rn. 43 – Shepherd). Dieser vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Plausibilitätstest dient daher der Prüfung, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Betroffenen, einem ergangenen Einsatzbefehl nicht nachzukommen, die Begehung von Kriegsverbrechen durch seine Einheit wahrscheinlich war.
Vorliegend ist zwar mit den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen davon auszugehen, dass es in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk ebenso zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist wie auch in Gebieten, in denen ukrainische “Freiwilligen-Bataillone“ gegen Separatisten vorgehen (vgl. nur Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 5 f., S. 11 ff.; AI, Breaking Bodies – Torture and Summary Killings in Eastern Ukraine). Berichte, dass reguläre Einheiten der ukrainischen Armee an solchen Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, liegen nicht vor. Auch im Jahresreport 2016 Ukraine von Amnesty International finden sich keine Hinweise darauf.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Strafvorschriften der Ukraine wegen Wehrdienstentziehung eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung i.S. von § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG darstellen. Die Entziehung von Wehrdienst wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Eine Mobilisierungsentziehung kann mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Für Entziehung von der Wehrerfassung ist eine Geldstrafe bis zu 50 Mindestmonatslöhnen oder Besserungsarbeit bis zu zwei Jahren oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten vorgesehen, für die Entziehung von einer Wehrübung kann Geldstrafe bis zu 70 Mindestmonatslöhnen oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten verhängt werden (vgl. Lagebericht vom 7.2.2017, S. 10). Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung kann aber regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird. Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012, juris Rn. 13 ff. unter Hinweis auf EuGH, U.v. 26.2.2015, C-472/13 – Shepherd; B.v. 13.1.2017, 11 ZB 16.31051, juris, Rn. 4).
Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Für eine verbindliche und unbedingte Gewissensentscheidung des Betroffenen müssen konkrete Anhaltspunkte anhand seiner persönlichen Entwicklung, seiner Lebensführung, seines bisherigen Verhaltens und der Einflüsse, denen er ausgesetzt war und ist, sowie der Motivation seiner Entscheidung festgestellt werden. Ein solche ist dem Vorbringen des Klägers zu 1) nach Überzeugung des Gerichts nicht zu entnehmen. Seine Ausführungen lassen keine rational mitteilbare und nachvollziehbare ausführliche Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der ins Feld geführten Gewissensentscheidung gegen den Dienst mit der Waffe an sich erkennen. Er hat insoweit nur ganz allgemein vorgetragen, dass er aus Überzeugungsgründen nicht in den Krieg ziehen wolle. Er wolle seine Familie ernähren und sei dem Einberufungsbefehl nicht nachgekommen, weil er der Überzeugung sei, dass er im Krieg erschossen werden könne. Damit bezieht sich der Kläger zu 1) auf die (menschlich nachvollziehbare) Furcht, getötet zu werden, nicht aber legt er in substantiierter Weise pazifistische Gewissensgründe gegen das Töten von Menschen als solches dar. Nähere und überzeugende Ausführungen zu seinem bestehenden Gewissenkonflikt bzw. seiner inneren Überzeugung hat der Kläger zu 1) nicht vorgetragen.
Nachdem die Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flücht-lingseigenschaft nicht erfüllen, liegen die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte ebenfalls nicht vor.
2. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf subsidiären Schutz berufen. Die Ausführungen der Kläger vermögen eine subsidiäre Schutzberechtigung nicht zu begründen; stichhaltige Gründe i.S. von § 4 AsylG wurden nicht vorgebracht. Im Übrigen sind auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG), und im Übrigen auf die obigen Ausführungen verwiesen (vgl. 1.).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass zwar davon auszugehen ist, dass im Osten der Ukraine (Donbass) in den Gebieten Donezk und Luhansk ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht. Die Kläger haben jedoch nicht vorgetragen, dass sie aufgrund von in ihrer Heimatstadt stattfindenden kriegerischen Konflikten geflüchtet seien. Für Personen aus dem Kriegsgebiet besteht ohnehin eine zumutbare inländische Fluchtalternative in andere Landesteile der Ukraine. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 ist zwar aufgrund der aktuellen Situation in der Ukraine von einem erhöhten Migrationspotential auszugehen. Die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge ist bis Januar 2017 auf 1,6 Millionen gestiegen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 11). Die Grundversorgung für Rückkehrer ist jedoch, wie für die meisten Menschen in der Ukraine, knapp ausreichend. Auch die medizinische Versorgung ist kostenlos und flächendeckend, auch wenn qualitativ höherwertige Leistungen teilweise von privaten Zuzahlungen abhängig sind (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 15). Im Übrigen sind die Kläger zu 1) und 2) junge, gesunde und erwerbsfähige Menschen, die auch auf die Unterstützung im Ausland lebender Verwandter zurückgreifen können.
Es bestehen auch keine stichhaltigen Gründe dafür, dass dem Kläger zu 1) bei einer Rückkehr in die Ukraine eine Haftstrafe wegen Wehrdienstentziehung droht und er dort unmenschlichen Haftbedingungen i.S.v. Art. 3 EMRK ausgesetzt sein wird. Denn der Kläger zu 1) hat gerade nicht glaubhaft machen können, dass er sich (bisher) dem Wehrdienst entzogen hat. Ihm droht daher bislang noch keine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen der Verweigerung des Militärdienstes bzw. Vermeidung der Mobilisierung, da er noch nicht einberufen worden ist. Der Kläger hat insoweit zwar vorgetragen, Einberufungsbefehle erhalten zu haben und entsprechende Dokumente im gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Das Vorbringen des Klägers in diesem Zusammenhang ist allerdings unglaubhaft; darüber hinaus ergibt sich aus Sicht des Gerichts auch aus den vorgelegten Dokumenten nicht, dass der Kläger zu 1) zum Wehrdienst bereits eingezogen worden ist und er deshalb eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung befürchten muss.
Der Kläger zu 1) hat zunächst angegeben, dass er die Einberufungsbefehle bereits in der Ukraine erhalten habe. Auf Vorhalt des Gerichts, dass die vorgelegten Dokumente teilweise aus dem Jahre 2016 bzw. 2017 stammen (als die Kläger bereits in Deutschland waren), gibt der Kläger dann an, dass er die Dokumente bzw. Einberufungsbefehle über einen Freund erhalten habe, als sie schon in Deutschland waren, was sein Vorbringen unglaubhaft macht. Dies wiederspricht im Übrigen wiederum seinen Angaben beim Bundesamt; dort hat er angegeben, keinen Wehrdienst geleistet zu haben und auch von einer entsprechenden Einberufung nichts vorgetragen. Die vorgelegten Dokumente belegen nach Auffassung des Gerichts ebenfalls nicht, dass der Kläger zu 1) zum Wehrdienst herangezogen worden ist. Aus dem ersten vorgelegten Einberufungsbefehl geht bereits eine Jahreszahl nicht unmittelbar hervor; der dort angebrachte handschriftliche Vermerk (12.12.2006) spricht vielmehr gerade dafür, dass es sich dabei nicht um einen aktuellen Einberufungsbescheid handelt. Dem zweiten vorgelegten Einberufungsbescheid lässt sich ebenfalls kein Datum hinsichtlich des konkreten Erscheinens des Klägers zu 1) entnehmen; im Übrigen hat das Gericht Zweifel an der Echtheit des Dokumentes, da die Unterschrift in einer anderen Farbe abgefasst ist als die übrigen handschriftlich eingefügten Zeichen. Daher ergibt sich nach der Überzeugung des Gerichts jedenfalls aus den vorgelegten Dokumenten nicht, dass der Kläger zu 1) tatsächlich einberufen worden ist.
Doch selbst bei Zugrundelegung der Tatsache, dass es sich bei dem vorgelegten aktuellen Dokument tatsächlich um eine Ladung zur Vorstellung beim Militärkommissariat handelt, droht dem Kläger zu 1) keine Haftstrafe wegen Wehrdienstentziehung. Denn bei dem vorgelegten aktuellen Dokument handelt es sich nur um einen Erfassungsbrief, den Wehrpflichtige in der Ukraine zunächst erhalten, damit sie beim Rekrutierungsbüro vorstellig werden. In einem zweiten Schritt werden sie dann gemustert, bevor in einem dritten Schritte Einberufungsbefehle zugestellt werden (zu diesem Prozedere vgl. Connection Offenbach, Massenhafte Kriegsdienstverweigerung, Flucht und Asyl, S. 2). Der Kläger zu 1) hat sich daher (bisher) allenfalls dem ersten Schritt der Erfassung entzogen; für diese einfachen Verstöße gegen den Einberufungsbescheid (Nichterscheinen) werden lediglich Bußgelder im Verwaltungsverfahren verhängt, die maximal ca. 12 Euro betragen (Auskunft des AA vom 28.01.2015, S. 2). Angesichts dessen ist mit einer strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung wegen einer etwaigen Wehrdienstentziehung auch nach Rückkehr des Klägers zu 1) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen, zumal weitere Mobilisierungswellen – und damit die Gefahr einer tatsächlichen Einberufung des Klägers zu 1) – derzeit nicht vorgesehen sind (BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 11 ZB 17.30220, Rn. 10).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass selbst im Falle einer Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung überwiegend Bewährungsstrafen verhängt werden. So führten die in der Zeit vom 1. Juli 2014 bis 1. Juli 2015 eröffneten Strafverfahren wegen Wehrdienstentziehung in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von ein bis zwei Jahren auf Bewährung (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012, juris Rn. 20). Nichts anderes ergibt sich aus dem Artikel von Connection e.V., Offenbach (Connection Offenbach, aaO). Dort wird von zwei Fällen berichtet, wobei der Journalist Ruslan Kotsaba inzwischen freigelassen wurde. (Vereinzelte) Verurteilungen ohne Bewährung erfolgten bei fehlender Reue des Betroffenen oder aufgrund anderer belastender Faktoren (VG Regensburg, U.v. 7.11.2016 – 9 K 16.32244, BeckRS 2016, 114723); derartige strafschärfenden Aspekte sind beim Kläger zu 1) jedoch nicht zu erkennen.
3. Daher sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Ukraine rechtmäßig. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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