Aktenzeichen B 3 K 16.31657
Leitsatz
1 Die derzeitige Situation in den kurdischen Autonomiegebieten rechtfertigt nicht die Annahme eines Bürgerkriegs und eines landesweit oder nur regional bestehenden bewaffneten Konflikts im Irak. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte genügen hierfür nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kurdische Volkszugehörige können in die Region Kurdistan ohne größere Probleme zurückkehren. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Besteht ein faktischer Abschiebestopp für ausreisepflichtige irakische Staatsangehörige aufgrund ministeriellen Erlasses, bedarf es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 22.02.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung an dem bei der der Rechtsantragstelle am 23.01.2017 gestellten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen nicht mehr festhält, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageänderung (Beschränkung des Klageantrags) nach § 173 S.1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, die insoweit – zumindest kostenrechtlich – als Klagerücknahme zu behandeln ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 92 RdNr. 9; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 91 RdNrn. 13 u. 37).
III.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Az. Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 Asyl ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst den zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung kann nicht von einer Verfolgung des Klägers i.S.d. § 3 AsylG ausgegangen werden.
Der Kläger trägt lediglich vor, er habe ca. zwei bis drei Wochen vor seiner Ausreise bei einem Fußballspiel in … beobachtet, wie während eines Spiels zwei Fahrzeuge des IS vorgefahren sind. Drei bis vier bewaffnete IS-Leute hätten dann drei Spieler der gegnerischen Mannschaft mitgenommen. Daraufhin seien er und die anderen Spieler weggerannt. Ob die drei Spieler der gegnerischen Mannschaft gezielt ausgesucht wurden und was mit diesen Spielern geschehen sei, wisse er nicht.
Die vorgetragenen Ereignisse auf dem Fußball Platz in … stellen gegenüber dem Kläger schon keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG dar. Der Kläger ist bei dem Vorfall nicht persönlich bedroht worden. Er gibt lediglich an, Angst vor dem IS zu haben. Im Übrigen ist aus dem Sachvortrag keine Anknüpfung an einem der in Art. 3a Abs. 1 AsylG bezeichneten Verfolgungsgründe ersichtlich.
Da eine weitere individuelle Verfolgung des Klägers weder vorgetragen noch ersichtlich ist, sondern der Kläger den Irak nach eigenen Angaben nur verlassen hat, weil es dort gefährlich und nicht sicher sei, sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009, C-465.7, juris).
aa) Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist regelmäßig die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris), selbst wenn er im konkreten Fall durch den bewaffneten Konflikt den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Es kommt nur dann auf die ursprüngliche Herkunftsregion nicht mehr an, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise, unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen, von ihr gelöst und in einem anderen Landesteil niedergelassen hat, um dort dauerhaft zu leben (BVerwG, U.v. 31.10.2013 – 10 C 15/12 – juris). Vorliegend ist der Kläger in … (Autonome Region Kurdistan) geboren und aufgewachsen. Seine Herkunftsregion hat er im Jahr 2014 verlassen, in dem er mit seinen Eltern nach … (Provinz Salah ad Din) umgezogen ist. Diesen neuen Wohnort hat der Kläger jedoch bereits am 01.03.2015 wieder verlassen und ist in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist. Aufgrund dieses sehr kurzen Aufenthalts in der Provinz Salah ad Din spricht – obwohl … offensichtlich vorwiegend aus beruflichen Gründen des Vaters verlassen wurde – bereits einiges dafür, dass bezüglich der Herkunftsregion des Klägers i.S.d. § 4 AsylG weiterhin auf den ursprünglichen Wohnort in … abzustellen ist.
Die derzeitige Situation in der KAR und damit auch in der der Provinz … rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der für eine Schutzgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefährdungsgrad ist dort bei Weitem nicht erreicht (VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris; VG München, U.v. 30.9.2016 – M 4 K 16.32118 – juris; VG München, U.v. 13.5.2016 – M 4 K 16.30558 – juris). Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in der Herkunftsregion des Klägers gekommen ist, genügen hierfür nicht. Nach den eingeführten Erkenntnissen kann der Kläger als kurdischer Volkszugehörigre in die Region Kurdistan ohne größere Probleme zurückkehren (VG Ansbach, U.v. 1.12.2016 – AN 2 K 16.30543 – juris). Insbesondere entbehrt der Vortrag des Klägers, in … sei es genauso gefährlich und unsicher wie im übrigen Irak, jeder nachvollziehbaren Grundlage. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers bei einer Rückkehr nach Kurdistan sind nicht ebenfalls ersichtlich.
bb) Selbst wenn man für die Gefahrenprognose im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auf die Situation in … wo der Kläger nur wenige Monate vor seiner Ausreise gelebt hat, abstellt, steht den Kläger kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu. Obwohl davon auszugehen sein dürfte, dass in … bzw. in der Provinz … ein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgetragen wird, muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, selbst erst alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Gefahr für einen ernsthaften Schaden gegen sich abzuwerten. Gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG scheidet nämlich die Feststellung von subsidiären Schutz aus, wenn dem Kläger ein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG offen steht.
Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Kläger als Kurde (wieder) innerhalb der kurdisch kontrollierten Provinzen niederlassen kann. Der Kläger ist in … geboren und aufgewachsen. Er hat Kurdistan erst knapp ein Jahr vor seiner Ausreise – und zwar aus beruflichen Gründen seines Vaters – verlassen. Kurdische Volkszugehörige können in die Region Kurdistan ohne größere Probleme zurückkehren. Die lediglich vereinzelten Gewaltakte in Kurdistan stehen der internen Schutzmöglichkeit in den Autonomiegebieten nicht entgegen (vgl. VG Ansbach, U.v. 1.12.2016 – AN 2 K 16.30543 – juris). Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig, sodass er sich (wieder) existenzsichernd in Kurdistan niederlassen kann.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Eltern des Klägers zwischenzeitlich … in Richtung Türkei verlassen haben. Zumindest die Großfamilie des Klägers lebt weiterhin in …, so dass auch von einer gegenseitigen Unterstützung im Rahmen des Familienverbundes ausgegangen werden kann.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen.
b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr in den Irak drohen könnten, wurden nicht (glaubhaft) vorgetragen und liegen auch nach Erkenntnissen des Gerichts nicht vor.
Insbesondere kommt ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf die vorgetragene „Vergesslichkeit“ des Klägers nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar bei der Anhörung beim Bundesamt, sowie in der mündlichen Verhandlung angegeben, seit dem Vorfall auf dem Fußball Platz in … sei er vergesslich geworden und habe Probleme mit dem Gedächtnis. Nähere Erkenntnisse, insbesondere Atteste, über das Krankheitsbild des Klägers liegen jedoch dem Gericht nicht vor. Der Kläger hat auch bislang wegen dieser Beschwerden keinen Arzt aufgesucht. Im Übrigen haben sich nach eigenem Bekunden des Klägers die Konzentrationsprobleme in letzter Zeit langsam gebessert. Letztlich ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte, dass das – nur wage vorgetragene – Krankheitsbild im Irak nicht ausreichend behandelt werden könnte. Aufgrund des klägerischen Vortrags besteht für diesen daher bei einer Abschiebung in den Irak gegenwärtig keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
c) Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind im Übrigen Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
Solche Duldungen ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.
4. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
5. Gründe die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.