Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für Windkraftanlage

Aktenzeichen  W 4 K 14.354

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG BImSchG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, § 10, § 13, § 15, § 16 Abs. 1, § 26, § 29a, § 29b, § 48
9. BImSchV § 1 Abs. 3, § 1a, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 3
UVPG UVPG § 3a S. 1, S. 3, S. 4, § 3c S. 1, S. 3, § 3e Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, § 9
BNatSchG BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1
UmwRG UmwRG § 2 Abs. 5, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 3, S. 2, Abs. 1a, Abs. 3, § 4a Abs. 2
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BayBO BayBO Art. 82 Abs. 1, Art. 83 Abs. 1
VwVfG VwVfG § 20, § 21, § 46
BayVwVfG BayVwVfG Art. 20, Art. 21
LKrO Art. 37 Abs. 1
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 61 Nr.1, Nr. 2, § 108 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Neuerrichtung liegt vor, wenn durch eine Änderung der Charakter der (Gesamt-)Anlage verändert wird, wenn die Änderungen derart prägend sind, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss, d.h. die Anlage in ihrem Kernbestand grundlegend geändert wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls kommt es auf den Kenntnisstand der zuständigen Behörde beim Abschluss der Prüfung an. Später gewonnene Erkenntnisse über das Vorkommen gefährdeter Tierarten müssen daher im Rahmen der gerichtlichen Prüfung außer Betracht bleiben. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Grundsätze zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren gelten auch im Genehmigungsverfahren. Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden. (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einem Abstand zwischen Wohnhaus und Windkraftanlage von mindestens dem Dreifachen der Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) der Windkraftanlage wird die Einzelfallprüfung überwiegend zum Ergebnis kommen, dass von der Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Aussicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die mit dem Ziel der Aufhebung der Genehmigungsbescheide des Beklagten vom 28. Februar 2014 und vom 18. Juli 2014 betreffend die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung H. … erhobene Klage ist zulässig. Insbesondere besitzen die Kläger die Klagebefugnis i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO, da sie geltend machen können, über § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG möglicherweise als Nachbarn aufgrund ihres Eigentums an den ca. 1.600 Meter entfernt gelegenen Grundstücken Fl.Nrn. … und … in eigenen Rechten verletzt zu sein.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Kläger durch die Genehmigungen nicht in eigenen Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Aus den behaupteten Verfahrensfehlern (1) sowie den vorgetragenen artenschutzrechtlichen Belangen (2) folgt kein Aufhebungsanspruch der Kläger. Es sind keine der Windkraftanlage zuzurechnenden unzumutbaren Lärm- oder Schatteneinwirkungen auf das Wohnanwesen der Kläger sowie Gefahren durch Eiswurf zu erwarten (3). Von der genehmigten Windkraftanlage geht ferner keine das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzende erdrückende Wirkung aus (4). Ein Verstoß gegen nachbarschützende, brandschutzrechtliche Vorschriften ist nicht erkennbar (5). Unbeachtlich bleiben auch die Einwände im Hinblick auf Art. 82 f. BayBO (6).
Nach § 4 Abs. 1 BImSchG bedarf die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung. Nach Ziffer 1.6 des Anhangs zu § 1 der vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG – 4. BImSchV – rechnen hierzu Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern. Mit einer Gesamthöhe von 196 m (Genehmigung vom 28.2.2014) bzw. 199 m (Genehmigung vom 18.7.2014) ist die streitgegenständliche Windkraftanlage der Beigeladenen entsprechend genehmigungspflichtig.
Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (Nr. 1) und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (Nr. 2).
Soweit die genannten rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Windkraftanlage. Gleiches gilt im Rahmen der Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG (Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 16 Rn. 42). Diese gebundene Genehmigungsentscheidung des Beklagten können die Kläger als Nachbarn der genehmigten Anlage nur daraufhin überprüfen lassen, ob die Genehmigung Rechtsvorschriften verletzt, die dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind (nachbarschützende Vorschriften). Hierbei setzt Nachbarschaft nicht voraus, dass das Grundstück des Betroffenen unmittelbar an das Anlagengrundstück angrenzt, sondern es genügt, dass die Grundstücke des Betroffenen im Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage liegen (zum Nachbarbegriff vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 81. EL Sept. 2016, § 5 BImSchG Rn. 87). Eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung im Sinn einer objektiven Rechtskontrolle findet auf eine Nachbarklage hin nicht statt.
1. Das Vorbringen der Kläger ist nicht erfolgreich, soweit sie Fehler im Verwaltungsverfahren rügen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Vorschriften über das Verwaltungsverfahren nicht per se drittschützend, sondern nur im Hinblick auf eine dem Verfahrensrecht zu Grunde liegende materiell-rechtliche Rechtsposition des Betroffenen. Erforderlich ist, dass der gerügte Verfahrensfehler die Sachentscheidung beeinflusst haben kann. Dieser Kausalzusammenhang besteht nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht nur die abstrakte, sondern die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung der Behörde ohne den Verfahrensfehler anders, d.h. für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 50/78 – DVBl. 1983, 183 f.; B.v. 21.1.2008 – 4 B 35/07 – juris Rn. 10; B.v. 6.5.2008 – 9 B 64/07 – juris Rn. 7). Ist ein Verfahrensfehler nicht auch zugleich kausal für eine Verletzung materieller Rechtspositionen, bleibt er prozessual folgenlos (BVerwG, B.v. 5.11.2002 – 9 VR 14/02 – juris Rn. 2).
1.1. Soweit die Kläger eine wegen der wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen fehlende Objektivität der handelnden Behörde und der für sie tätigen Personen geltend machen, ist schon kein beachtlicher Verfahrensfehler zu verzeichnen. Der von den Klägern behauptete Fall einer sog. institutionellen Befangenheit ist weder von § 20 VwVfG bzw. Art. 20 BayVwVfG (ausgeschlossene Personen) noch von § 21 VwVfG bzw. Art. 21 BayVwVfG (Besorgnis der Befangenheit) erfasst. Die Vorschriften enthalten nur auf das Handeln bestimmter natürlicher Personen oder Amtsträger abzielende individuelle Mitwirkungs- und Betätigungsverbote und kein institutionelles Handlungsverbot (Beck OK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: Okt. 2016, § 20 Rn. 2 m.w.N.). Sie finden auch weder unmittelbar noch analog Anwendung auf die Zuständigkeit von Behörden oder Rechtsträgern, etwa weil diese ein eigenes Sonder- oder Partikularinteresse – auch fiskalischer Art – an einem bestimmten Ausgang eines Verwaltungsverfahrens haben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang betont, dass es legitim ist, wenn sich ein Landkreis auch in Form privatrechtlicher juristischer Personen wirtschaftlich betätigt (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 50). Dass der Landrat für das Landratsamt sowohl als Amtsleiter der staatlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde und der unteren Naturschutzbehörde wie auch als Verwaltungsorgan des Landkreises auftritt, ist der in Bayern geregelten Doppelnatur des Landratsamts geschuldet (vgl. Art. 37 Abs. 1 LKrO). Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine Behörde mit Doppelzuständigkeit als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen hat. Sie ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht (BVerwG, U.v. 18.3.2009 – 9 A 39/07 – NVwZ 2010, 44 f.). Im Verwaltungsverfahren hat die Regierung von Unterfranken auf Anfrage des Landrats (vgl. Verfahrensakte S. 280) besonders auf die Doppelzuständigkeit des Landratsamts als Kommunal- und Staatsbehörde hingewiesen. Dies betrifft denknotwendig auch den Leiter der Behörde. Wie die Regierung von Unterfranken in ihrem Schreiben vom 27.1.2014 (vgl. Verfahrensakte S. 281) ausdrücklich anführt, kann die gebotene Neutralität durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden. Dies betrifft zum einen die Wahrnehmung der Aufgaben durch verschiedene „organisatorisch getrennte Abteilungen“ sowie die Einschaltung eines juristischen Staatsbeamten als der für den Bescheiderlass zuständigen Person. Diese Voraussetzungen waren immer gegeben.
Ein „Neutralitätsgebot“ des Staates folgt allenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip, und zwar als Teil des Gebotes eines fairen Verfahrens (VG Würzburg, B.v. 16.12.2012 – W 4 S. 12.833 – juris Rn. 21). Betroffene sind insofern durch die Möglichkeit geschützt, die nach außen wirksamen Behördenentscheidungen einer gerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 20 Rn. 8 und § 21 Rn. 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 20 Rn. 9 ff.). Von dieser Möglichkeit haben die Kläger Gebrauch gemacht.
1.2. Ein Verfahrensfehler ist nicht darin zu sehen, dass die Änderungsgenehmigung vom 18. Juli 2014 auf § 16 Abs. 1 BImSchG gestützt wurde. Die Kammer geht davon aus, dass der Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 aufgrund des Austauschs des Anlagentyps von Vestas V 112-3.0 MW hin zu Nordex N 117-2.4 MW unter den Voraussetzungen des § 16 BImSchG genehmigt werden konnte und es keiner neuen Genehmigung nach § 4 BImSchG bedurfte. Eine Neuerrichtung liegt vor, wenn durch die Änderung der Charakter der (Gesamt-)Anlage verändert wird, wenn die Änderungen derart prägend sind, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss, d.h. die Anlage in ihrem Kernbestand grundlegend geändert wird (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 35). Hierzu ist der konkrete Einzelfall im Hinblick auf Standort, Umfang und Abstand zu den Schutzgütern sowie die Art der hervorgerufenen Umwelteinwirkungen zu würdigen. Dabei kommt bei einem Wechsel des Anlagentyps unter bestimmten Umständen sogar eine Änderung der Anlage nach § 15 BImSchG in Betracht (BayVGH, B.v. 14.3.2013 – 22 ZB 13.103 – juris Rn. 8 f.). Vorliegend führen die Änderung des Rotorradius, der Gesamthöhe und die Verringerung der Leistung jedenfalls nicht zu derart erheblichen Änderungen, die eine Neugenehmigung erforderlich machen (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 35).
Soweit der in der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19. Dezember 2016 gestellte Beweisantrag darauf gerichtet war, die unterschiedlichen Bauweisen der verschiedenen Typen von Windkraftanlagen (Vestas und Nordex) nachzuweisen, konnte er abgelehnt werden, da der Nachbar kein subjektives Recht auf die Durchführung des zutreffenden Verfahrens hat. Ferner unterliegt eine Änderungsgenehmigung grundsätzlich den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie eine Erstgenehmigung; insbesondere muss die geänderte Anlage den Anforderungen des § 6 Abs. 1 BlmSchG entsprechen (VGH Baden-Württemberg, B.v. 11.12.2014 – 10 S 473/14 – juris Rn. 12 unter Verweis auf Jarass, BImSchG, 10. Aufl., § 16 Rn. 35). Eine Verletzung materieller Rechtspositionen ist vorliegend daher ausgeschlossen (vgl. oben unter 1.).
1.3. Die von den Klägern erhobenen Einwände gegen die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 führen nicht zum Erfolg der Klage.
1.3.1. Soweit die Kläger geltend machen, die Umweltverträglichkeitsprüfung im Ausgangsbescheid vom 28. Februar 2014 sei unzureichend gewesen, da die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung an offensichtlichen Fehlern leide, können sie damit nicht durchdringen. Im Vorfeld dieser Genehmigung hat die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG) ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Die daraufhin erfolgte Umweltverträglichkeitsprüfung enthält jedoch keine Fehler, die zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger führen. Aus den vorgetragenen artenschutzrechtlichen Belangen folgt kein Aufhebungsanspruch der Kläger. Diese machen insoweit Ermittlungs- und Bewertungsfehler im Detailbereich bei der Durchführung der UVP geltend.
(1) Einem Aufhebungsanspruch der Kläger steht zwar nicht von vornherein entgegen, dass die Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Verletzung sie rügen, allein dem Schutz der Umwelt, nicht aber der Gewährleistung eigener materiell-rechtlicher subjektiver Rechte der Kläger dienen (BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – juris Rn. 23). Denn die Fehlerfolgeregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG, der u.a. die Fehlerfolgen bei der Anwendung von Verfahrensfehlern bei der Umweltverträglichkeitsprüfung regelt, gilt zwar in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gem. § 4 Abs. 3 UmwRG auch auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO anwendbar. Demnach können Verfahrensfehler im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Klage eines gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben, insbesondere § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, zur Begründetheit der Klage führen.
Zwar ist es zutreffend, dass der EuGH es den nationalen Gesetzgebern ausdrücklich freistellt, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung i.S.v. Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG geltend machen kann, auf subjektive Rechte zu beschränken, mithin § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausdrücklich als vereinbar mit Unionsrecht ansieht (EuGH, U.v. 15.10.2015 – C-137/14 – Rn. 33 f. und 91; EuGH, U.v. 12.5.2011 – C 115/09 – Rn. 45). Jedoch hat der deutsche Gesetzgeber für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO in § 4 Abs. 3 UmwRG ausdrücklich eine von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO abweichende Regelung getroffen. Insoweit tritt § 4 Abs. 3 UmwRG an die Stelle von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verzicht auf eine subjektive Rechtsverletzung unionsrechtlich geboten ist (BVerwG, a.a.O. – juris Rn. 23).
(2) Daraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG aufzuheben ist. Dies gilt auch, wenn eine UVP zwar durchgeführt worden ist, aber unter einem Verfahrensfehler leidet. Wie der EuGH schon im sog. Altrip-Urteil vom 7. November 2013 festgestellt hat, hat § 4 UmwRG a.F. insoweit gegen Unionsrecht verstoßen, nämlich gegen die Bestimmungen der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG, als die Anwendbarkeit des UmwRG auf den Fall beschränkt wurde, dass eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt wird.
Gleichzeitig hat der EuGH jedoch ausdrücklich festgestellt, dass nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einem Anspruch auf deren Aufhebung führt (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-72/12 – Rn. 49; vgl. auch BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – juris Rn. 22). Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG ist nach den Ausführungen des EuGH insoweit geboten, als Einzelne und Umweltverbände Verfahrensfehler der UVP geltend machen können müssen (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-72/12 – Rn. 48; EuGH, U.v. 15.10.2015 – C-137/14 – Rn. 55).
§ 4 Abs. 1 UmwRG ist daher in unionsrechtskonformer Auslegung auf solche Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstrecken, die nach ihrer Art und Schwere den in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG a.F. genannten Fehlern vergleichbar sind, insbesondere weil sie der betroffenen Öffentlichkeit die vorgesehene Möglichkeit genommen haben, Zugang zu den auszulegenden Unterlagen zu erhalten und sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-72/12 – Rn. 54; vgl. auch BVerwG a.a.O.). Diese Vorgaben setzt § 4 UmwRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) um; die Kammer legt diese Vorschrift der weiteren Beurteilung zugrunde (Anwendbarkeit im vorliegenden Fall aufgrund der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts, vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16 – juris Rn. 68 m.w.N.).
(3) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen können die Kläger vorliegend nicht die Aufhebung des Genehmigungsbescheids vom 28. Februar 2014 und in der Folge auch nicht die des Änderungsgenehmigungsbescheids vom 18. Juli 2014 verlangen, da die geltend gemachten Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verfahrensfehler i.S.d. Rechtsprechung des EuGH und des § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG in der seit dem 26. November 2015 gültigen Fassung darstellen. Was unter dem Begriff des Verfahrensfehlers i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher geregelt. Allerdings zeigt der Wortlaut des § 2 UmwRG und insbesondere § 2 Abs. 5 UmwRG, dass der Gesetzgeber sehr wohl zwischen Verfahrensrechten und materiellem Umweltrecht differenzieren wollte und sich auch des Unterschieds offensichtlich bewusst war. Nach der Begründung des Gesetzes zur Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes kommen als relevante Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG n.F. „ebenso wie bei den Nummern 1 und 2, nur Verstöße gegen Verfahrensvorschriften in Betracht, mit denen der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wird“ (BT-Drs. 18/5927, S. 9). Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
„Verfahrensfehler können nach Nummer 3 nur dann zu einem Aufhebungsanspruch führen, wenn sie in ihrer Art und Schwere mit Verfahrensvorschriften nach Satz 1 Nummer 1 und 2 vergleichbar sind. Dies ist etwa der Fall, wenn in einem Zulassungsverfahren für ein UVP-pflichtiges Vorhaben keine Unterlagen nach § 9 Absatz 1b Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgelegt worden sind, so dass es der Öffentlichkeit unmöglich ist, sich gemäß den gesetzlichen Gewährleistungen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu informieren.“
D.h., dass vorliegend nur Verstöße gegen diejenigen Vorschriften, mit denen der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wird, absolute Verfahrensfehler darstellen, die die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG auslösen können und zur Begründetheit der Klage führen. Nicht hingegen fallen unter § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mögliche Fehleinschätzungen im Bereich des materiellen Umweltrechts (vgl. Fellenberg, NVwZ 2015, 1721/1722). Die Rechtmäßigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht mit der Einhaltung des materiellen Umweltrechts gleichzusetzen (dahingehend auch OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16 – juris Rn. 80).
Ein anderes Verständnis des Begriffs „Verfahrensfehler“ ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH. Die Urteile des EuGH vom 7. November 2013 und 15. Oktober 2015 enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass § 4 Abs. 1 UmwRG dahingehend unionsrechtskonform auszulegen ist, dass auch Fehler bei der Ermittlung und Bewertung von Belangen des materiellen Umweltrechts zu einem Aufhebungsanspruch des Einzelnen führen. Die nach dem EuGH gebotene unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG hat nämlich die Zielsetzung, entsprechend den Zwecken der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG die Einhaltung der Verfahrensgarantien sicherzustellen und die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess zu gewährleisten. Eine Erstreckung des Aufhebungsanspruchs von Individualklägern nach § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG auf Fehler der UVP, die die Ermittlung und Bewertung von Belangen des materiellen Umweltrechts betreffen, lässt sich durch diese Zwecke nicht begründen.
Der deutsche Gesetzgeber hat somit der Rechtsprechung und den Zielen der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG durch die Änderung des § 4 UmwRG a.F. durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 in der Rechtssache C-72/123 vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) ausreichend Rechnung getragen, indem er § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG um die Nr. 3 erweitert hat, wonach auch „andere Verfahrensfehler“ zu einem Aufhebungsanspruch führen können. Aus dem Urteil des EuGH vom 15. Oktober 2015 ergeben sich zumindest im Hinblick auf § 4 Abs. 1 UmwRG keine zusätzlichen Anforderungen (Fellenberg, NVwZ 2015, 1721/1726; Ludwigs, NJW 2015, 3484/3486).
Bei den von den Klägern geltend gemachten Fehlern der UVP handelt es sich nicht um Verfahrensfehler, sondern um Bewertungs- und Ermittlungsfehler im Rahmen des materiellen Natur- und Artenschutzrechts. Insoweit ist aber nicht ersichtlich, wie diese Fehler die Kläger in ihrer Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess beeinträchtigen können. Die Kläger haben gerade keine Fehler der UVP geltend gemacht, die das Verfahren betreffen. Die Unterlagen zur UVP wurden ausgelegt (vgl. Verfahrensakte S. 96), es bestand die Möglichkeit zur Einsichtnahme und Stellungnahme (auch im Erörterungstermin, vgl. Verfahrensakte S. 608 ff.). Das Verfahren entsprach § 10 Abs. 1 der neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (9. BImSchV). Insbesondere sieht § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV die Möglichkeit für die Genehmigungsbehörde vor, dass nachträglich angeforderte Unterlagen nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen nachträglich zugänglich gemacht werden können. Daher können die Kläger nicht mit ihrem Vorbringen durchdringen, das Schall- und Schattengutachten sei ursprünglich nicht vorgelegt und ausgelegt worden.
Darüber hinaus haben die Kläger nicht dargelegt und ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, wie die angeblich mangelhafte Untersuchung des Vorkommens von Uhu, Schwarzstorch, Fledermäusen u.a. sie in ihren Beteiligungsrechten eingeschränkt haben soll.
Aus eben diesen Gründen ist auch kein (relativer) Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG zu verzeichnen. Im Vergleich zu den in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehlern kommt es bei den relativen Verfahrensfehlern für einen Aufhebungsanspruch des Klägers gemäß § 46 VwVfG darauf an, ob die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache tatsächlich beeinflusst hat.
(4) Die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung genügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht den Anforderungen der §§ 5 ff. UVPG, 1 ff. der 9. BImSchV.
Der Beklagte hat auf der Grundlage der Umweltverträglichkeitsstudie des Dipl.-Ing. C. … S. …, H., eingegangen beim Landratsamt am 28. Februar 2014, und der „Naturschutzfachlichen Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP)“ des Büros für Faunistik und Umweltbildung, Haßfurt, vom 13. August 2013 zunächst eine Ermittlung und Beschreibung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kultur- und sonstige Sachgüter, sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern einschließlich der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die betrachteten Schutzgüter vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden, sowie der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft vorgenommen (vgl. §§ 1a der 9. BImSchV, 2 Abs. 1 UVPG). Diese Umweltauswirkungen hat die genehmigende Behörde sodann auf der Grundlage einer zusammenfassenden Darstellung (vgl. S. 30 ff. des Genehmigungsbescheids vom 28.2.2014) bewertet und bei ihrer Genehmigungsentscheidung berücksichtigt (vgl. § 20 Abs. 1a und 1b der 9. BImSchV, §§ 11 und 12 UVPG). Dieses Verfahren entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Kläger, die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der möglichen Umweltauswirkungen des Vorhabens seien in vielfacher Hinsicht nur unzureichend ermittelt worden, zielt ebenso nicht auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Denn sollten die Ermittlungen des Landratsamts tatsächlich unzureichend sein, wirkte sich dies vielmehr unmittelbar materiell-rechtlich aus und führte etwa im Fall der gerügten fehlerhaften Ermittlung insbesondere der Aktivitäten des Uhus, des Schwarzstorchs und verschiedener Fledermausarten unmittelbar auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot. Hierauf wird im Zusammenhang mit der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides näher einzugehen sein (unter 2.).
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 8. Juni 2015 (22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 42 ff.) bezüglich der der allgemeinen Vorprüfung vorangegangenen UVP keine durchgreifenden Ermittlungsdefizite insbesondere bezüglich der Erfassung des Uhus gesehen hat und diesbezüglich ausgeführt hat, „dass die Tatsachengrundlage für eine Prognose der Einhaltbarkeit des Tötungsverbots im Sinn eines Ausschlusses eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos bereits jetzt ausreicht“ (vgl. BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 47). Darüber hinaus stellt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fest (BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 48):
„Zu berücksichtigen ist bei alledem, dass die Antragsteller hier letztlich Ermittlungsfehler im Detailbereich bei der Durchführung der UVP geltend machen. Dies steht ihnen zwar frei. Es ist aber doch fraglich, ob derartige Fehler zu einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte führen können. Ihre eigenen materiellrechtlichen Belange sind durch etwaige Ermittlungsdefizite nicht tangiert, diese betreffen nur das eindeutig nicht drittschützende Artenschutzrecht. […]“
1.3.2. Auch erweist sich die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls am 16. Juli 2014 (Bl. 133/134 d.A.) im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 nicht in einem Sinne rechtsfehlerhaft, der zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger führen könnte. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Ein solcher Fehler steht einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) UmwRG gleich und kann zur Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung führen.
Vorliegend hat das Landratsamt Haßberge anlässlich der Änderung eines UVP-pflichtigen Vorhabens (Wechsel des Anlagentyps) im Rahmen einer Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c UVPG) geprüft, ob die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG bzw. § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV). Das Landratsamt hat differenziert dargelegt, dass die Änderung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die in § 1a der 9. BImSchV genannten Schutzgüter haben kann. Die dieser Beurteilung zugrunde liegende allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist unter dem Datum 16. Juli 2014 in den Behördenakten dokumentiert (Verfahrensordner Bl. 133/134). Sie kommt nachvollziehbar im Sinn von § 3a Satz 4 UVPG zu dem Ergebnis, dass die zu genehmigenden Änderungen der Anlage – im Vergleich zu der bereits am 28. Februar 2014 genehmigten Ausführung – keine erheblichen Auswirkungen auf die genannten Schutzgüter haben werden. Etwaige Auswirkungen der Änderung lägen zumindest deutlich unter der Erheblichkeitsschwelle des § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 36).
Hierbei sind folgende Aspekte, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem o.g. Beschluss (22 CS 15.686 u.a.) zugrunde gelegt hat, nochmals zu betonen: Ausschlaggebend für die allgemeine Vorprüfung im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 sind lediglich die Auswirkungen der Vorhabensänderung selbst. Soweit Auswirkungen schon dem ursprünglichen Vorhaben zuzurechnen sind – wie eben die Gefährdung bestimmter Tierarten durch den Betrieb einer Windkraftanlage im betreffenden Gebiet – sind diese im Änderungsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich. Ferner kommt es auf den Kenntnisstand der zuständigen Behörde beim Abschluss der Prüfung an (hier der 16.7.2014; vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 39). Später gewonnene Erkenntnisse über das Vorkommen gefährdeter Tierarten im streitgegenständlichen Gebiet, insbesondere hinsichtlich des Uhus, müssen daher im Rahmen der Prüfung durch das Gericht außer Betracht bleiben. Darüber hinaus ist der gerichtliche Prüfungsmaßstab in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat betont, dass sich schon aus § 3e Abs. 1 Nr. 2, § 3c Satz 1 und 3 UVPG und § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV ergebe, dass der Behörde ein Beurteilungsspielraum zusteht, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Auch aus § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 3c UVPG folge derselbe Maßstab. Das Verwaltungsgericht ist daher darauf beschränkt, zu prüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, ob sie vom richtigen Verständnis der anzuwendenden Gesetzesbegriffe ausgegangen ist, ob sie den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, ob sie sich bei der Beurteilung an allgemein gültige Wertmaßstäbe gehalten hat und ob sie schließlich das Willkürverbot nicht verletzt hat (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 40 mit Verweis auf die std. Rspr. des BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 3 C 8.06 – BVerwGE 129, 27). Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht der Behörde, d.h. dem Beklagten, bei der Prüfung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, einen naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 4 C 1/12 – juris Rn. 14 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu in dem Urteil vom 27.6.2013 (a.a.O.) aus:
„Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren (vgl. Urteile vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 65, 91, vom 12. August 2009 – BVerwG 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 Rn. 38, vom 14. April 2010 – BVerwG 9 A 5.08 – BVerwGE 136, 291 Rn. 113 und vom 14. Juli 2011 a.a.O. Rn. 99) gelten auch in Genehmigungsverfahren. Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden.
Grund für die Zuerkennung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um ökologische Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis angewiesen, die sich aber nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist. Bei zahlreichen Fragestellungen steht – jeweils vertretbar – naturschutzfachliche Einschätzung gegen naturschutzfachliche Einschätzung, ohne dass sich eine gesicherte Erkenntnislage und anerkannte Standards herauskristallisiert hätten. Sind verschiedene Methoden wissenschaftlich vertretbar, bleibt die Wahl der Methode der Behörde überlassen. Eine naturschutzfachliche Meinung ist einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwändigere Ermittlungen oder ‚strengere‘ Anforderungen für richtig hält. Das ist erst dann der Fall, wenn sich diese Auffassung als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat und die gegenteilige Meinung als nicht (mehr) vertretbar angesehen wird (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 66). Die naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative folgt nicht aus einer bestimmten Verfahrensart oder Entscheidungsform, sondern aus der Erkenntnis, dass das Artenschutzrecht außerrechtliche Fragestellungen aufwirft, zu denen es jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine eindeutigen Antworten gibt.
Die Überprüfung behördlicher Einschätzungsprärogativen ist wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz, nämlich bezogen auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums, und genügt damit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 67). Die Einräumung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative führt […] zu einer Rücknahme gerichtlicher Kontrolldichte. […]“
Insgesamt sind daher, unter Berücksichtigung der begrenzten gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. auch § 4a Abs. 2 UmwRG), keine rechtserheblichen Fehler der allgemeinen Vorprüfung zu erkennen. Insbesondere konnte die Genehmigungsbehörde der allgemeinen Vorprüfung die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung erlangten Erkenntnisse zugrunde legen (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 37). Das Landratsamt hat sich auch strikt an den „Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung“, die in der Anlage 2 zum UVPG gelistet sind, orientiert.
1.3.3. Darüber hinaus sind keine nach § 4 Abs. 1 bzw. 1a UmwRG beachtlichen Fehler bei der Anwendung der Verfahrensvorschriften sowohl im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung im Ausgangsverfahren als auch bei der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Änderungsgenehmigungsverfahren ersichtlich. Insbesondere hat jeweils die Öffentlichkeitsbeteiligung i.S.v. § 9 UVPG bzw. § 10 BImSchG stattgefunden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG; vgl. Verfahrensakte Bl. 92 ff. im Ausgangsverfahren bzw. Verfahrensordner Bl. 135, 167, 170 im Änderungsgenehmigungsverfahren). Für anderweitige schwerwiegende Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG oder relative Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG bestehen keine Anhaltspunkte.
2. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf das artenschutzrechtliche Tötungsverbot für besonders geschützte Tierarten (§ 44 BNatSchG) berufen.
Selbst wenn der Vortrag der Kläger hinsichtlich der Gefährdung verschiedener Tierarten zuträfe, wäre dies nicht relevant. Bei den artenschutzrechtlichen Tötungsverboten handelt es sich nicht um drittschützende Vorschriften. Das gleiche gilt, soweit die Kläger eine im Genehmigungsverfahren durchgeführte fehlerhafte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung anführen. Bezüglich des Naturschutzes, insbesondere des Artenschutzes, besteht für Dritte, die im Umkreis der Windkraftanlage wohnen, kein Drittschutz (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – sowie B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 – beide juris). Mangels subjektiv-rechtlichen Kontextes für die Kläger konnte daher der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zu Fragen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.12.2016) als unbehelflich abgelehnt werden. Die Ausführungen zu Methodik und Inhalten der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung betreffen im Ergebnis Fragen des materiellen Artenschutzrechts, soweit die geschützten Vogelarten betroffen sind. Soweit etwaige Ermittlungsdefizite im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung geltend gemacht worden sind, so hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hierzu im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eindeutig dahingehend geäußert, dass die „Tatsachengrundlage für die Einhaltbarkeit des Tötungsverbots im Sinne des Ausschlusses eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos bereits jetzt ausreicht“ (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 47). Auch unter diesem Gesichtspunkt und unter Berücksichtigung der begrenzten gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. oben unter 1.3.2.) scheidet die Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme zu Fragen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung aus.
3. Durch die Errichtung und den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlage werden keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, zumindest erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen.
3.1. Die Geltendmachung unzumutbarer Lärmbelästigungen durch die Kläger bleibt ohne Erfolg.
3.1.1. Für die Beurteilung, ob die von einer Windkraftanlage ausgehenden Lärmimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG sind, ist die aufgrund § 48 BImSchG als Verwaltungsvorschrift erlassene TA Lärm einschlägig. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Dies entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2/07 – NVwZ 2008, 76; OVG NW, U.v. 18.11.2002 – 7 A 2127/00 – NVwZ 2003, 756; BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 22 CS 08.2369 – juris). Aus den vom Landratsamt H. in Auftrag gegebenen Gutachten des … Süd Industrie Service GmbH vom 24. Januar 2014 und vom 30. Juni 2014 ist ersichtlich, dass der von den Anlagen insgesamt ausgehende Schall bei dem Anwesen der Kläger unter den zulässigen Immissionsrichtwerten liegt. Die Zumutbarkeit von Immissionen wird durch die konkrete bebauungsrechtliche Situation bestimmt, in der sich die störende und insbesondere die gestörte Nutzung befinden. Die Kläger können den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets beanspruchen; das sind Immissionsrichtwerte von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A). Aus dem Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 (vgl. Verfahrensordner S. 75 Rückseite) ergibt sich eindeutig, dass am nächst gelegenen Immissionsort (Am … …, K* …*) weniger als 40 dB(A) Lärm „ankommen“ werden. Im Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 ist unter IV. Auflagen, 1.1 sichergestellt, das innerhalb des Nachtzeitraums der Immissionsrichtwertanteil von 30 dB(A) für die streitgegenständliche WEA 4 nicht überschritten wird. Sollte es entgegen dieser Auflage dennoch zu höheren Lärmbelastungen für die Kläger kommen, hieße dies, dass die Windkraftanlage nicht in einer der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entsprechenden Form betrieben wird. Am Anwesen der Kläger kann daher eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Regelungen in der Genehmigung und der zugrunde liegenden Begutachtung ausgeschlossen werden.
3.1.2. Die Einwendungen gegen das Gutachten vom 30. Juni 2014 greifen nicht durch.
Bei der Untersuchung des TÜV Süd handelt es sich nicht lediglich um ein Parteigutachten. Schall- und Schattenbegutachtungen zählen zu den notwendigen Antragsunterlagen i.S.d. § 4 Abs. 1 der 9. BImSchV und sind daher zwingend vom Antragsteller vorzulegen. Mit der Überprüfung durch die Genehmigungsbehörde wird die Wahrung der Qualitätsanforderungen sichergestellt. Zudem handelt es sich beim TÜV Süd um eine anerkannte Messstelle im Sinne von §§ 26, 29a, 29b BImSchG (vgl. OVG Münster, U.v. 13.5.2002 – 10 B 671/02 – juris; VGH Kassel, U.v. 21.1.2010 – 9 B 2936/09 – juris). Im vorliegenden Fall wurden die TÜV-Berechnungen sogar vom Landratsamt Haßberge in Auftrag gegeben (vgl. Verfahrensordner S. 61).
Soweit die Kläger Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlung des immissionswirksamen Schallleistungspegels von 105 dB(A) erheben, können sie hiermit nicht durchdringen. Der Berechnung des maßgeblichen Beurteilungspegels durch den TÜV Süd wurden die vom Anlagenhersteller zur Verfügung gestellten Anlagendaten und garantierten Emissionsdaten zugrunde gelegt. Der festgesetzte Schallleistungspegel wurde laut Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 bereits durch zweimalige unabhängige Messung überprüft (Verfahrensordner S. 65 mit Verweis auf die entsprechenden Quellen). Zudem haben die Kläger im gerichtlichen Verfahren eine „Bestimmung der Schallleistungspegel“ für den Typ Nordex N117/2400 von Wind Consult (datiert vom 18.11.2014) vorgelegt, in welcher drei Messungen ausgewiesen sind, die bei Zugrundelegung verschiedener Windgeschwindigkeiten einen Mittelwert von höchstens 104,1 dB(A) ergeben (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8.4.2016). Die Messungen kamen somit jeweils zu einer Unterschreitung des der Genehmigung zugrunde gelegten Pegels von 105 dB(A), so dass insoweit ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag berücksichtigt wurde. Die Festschreibung des Schallleistungspegels auf 105 dB(A) beruht mithin bereits auf einer worst-case-Betrachtung. Gestützt wird diese Annahme durch eine Herstellerbestätigung im Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014, in welchem ein maximaler Schallleistungspegel von 105 dB(A) garantiert wird (Verfahrensordner S. 91). Neuere gerichtliche Entscheidungen bestätigen diese Annahmen für den streitgegenständlichen Anlagentyp (vgl. VG Bayreuth, U.v. 18.12.2014 – B 2 K 14.299 – juris Rn. 65; VG Bayreuth, U.v. 11.12.2015 – B 2 K 15.253 – juris Rn. 33).
Auch im Übrigen befinden sich die Prognosen des TÜV Süd auf der „sicheren Seite“. So wurde ein Unsicherheitszuschlag von 2,6 dB(A) im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze in die Berechnung mit einbezogen. Den Darlegungen der Kläger ist nicht zu entnehmen, weshalb der Sicherheitszuschlag nicht ausreichen soll. Besondere Vorbelastungen waren in die Berechnung nicht einzubeziehen. Wie sowohl der Beklagte wie auch der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zutreffend ausführen, ist Straßenlärm (vgl. Hinweis auf die B 303) nicht als „Vorbelastung“ im Sinne von Ziffer 2.4 Satz 1 der TA Lärm zu qualifizieren. Hierunter fallen per se nur Anlagen, für die die TA Lärm gilt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da es sich bei Verkehrswegen nicht um genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, die den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterfallen (vgl. Ziffer 1. Satz 2 der TA Lärm).
Soweit die Kläger im Rahmen der Schallleistungsprognoseberechnung die Berechnungsmethode aufgrund der „DIN ISO 9613-2“ betreffend die Faktoren der Bodendämpfung kritisieren (vgl. Schriftsatz vom 19.12.2016, übergeben in der mündlichen Verhandlung am 20.12.2016), rechtfertigt dies keine abweichende Einschätzung. Zwar mag es zutreffen, dass eine Änderungsfassung der DIN ISO 9613-2 existiert, die die Berücksichtigung von Bodeneffekten neu beurteilt. Jedoch kommt es im vorliegenden Klageverfahren entscheidend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidung an (BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7 B 164/95 – juris Rn. 3). Jedenfalls in diesem Zeitpunkt – 18. Juli 2014 – entfaltete die Fassung der DIN ISO 9613-2 in ihrer ursprünglich dem Schallgutachten zugrunde liegenden Fassung noch Geltung. Da sich die Bindungswirkung der TA Lärm als gesetzeskonkretisierender Verwaltungsvorschrift über Nr. A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm auch auf die DIN ISO 9613-2 erstreckt, spricht nichts gegen ihre Anwendung im Rahmen einer schalltechnischen Prognoseuntersuchung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die DIN ISO 9613-2 ein geeignetes Regelwerk darstellt, um die Lärmauswirkungen von Windkraftanlagen zu erfassen (BayVGH, B.v. 10.8.2015 – 22 ZB 15.1113 – juris Rn. 10 ff. sowie B.v. 14.9.2015 – 22 ZB 15.1028 – juris Rn. 26). Diese Bindungswirkung entfällt nur, wenn die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Kläger haben dergleichen im Zusammenhang mit der Anwendung der DIN ISO 9613-2 nicht dargelegt. Hinsichtlich der Bodendämpfung bei hohen Schallquellen im Rahmen von Schallausbreitungsberechnungen bestand jedenfalls im Juli 2014 noch ein wissenschaftlicher Diskurs, so dass die Einwände gegen die Schallimmissionsprognose nicht beachtlich sind (zu dieser Fragestellung vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16 – juris Rn. 59). Selbst der Windenergie-Erlass vom 19. Juli 2016 (Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen; AllMBl. Nr. 10/2016, S. 1642) geht davon aus, dass eine gesicherte Abklärung dieser akustischen Fragestellung derzeit noch nicht vorliegt (vgl. Ziffer 7.3.1 Lärmschutz).
Das Gericht konnte daher im Ergebnis auch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag des Klägerbevollmächtigten ablehnen, der zum einen die Überschreitung der Immissionsrichtwertanteile am klägerischen Anwesen, zum anderen die rechnerische und technische Fehlerhaftigkeit des Nachtragsberichts der … Süd Industrie Service GmbH vom 30. Juni 2014 zum Inhalt hatte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Zusammenhang explizit ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, sich die erforderliche Sachkunde hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Tatsache durch die Verwertung von im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verschaffen (BayVGH, B.v. 14.9.2015 – 22 ZB 15.1028 – juris Rn. 30). Zur Beauftragung eines eigenen Sachverständigen ist das Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO nur verpflichtet, wenn die vorgelegten Gutachten an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden, sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (BayVGH a.a.O. m.w.N.). Da die Kammer – wie soeben dargelegt – keine derartigen Fehler in der gutachtlichen Stellungnahme des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 erkennen konnte, konnte das Gutachten der rechtlichen Prüfung zugrunde gelegt werden, ohne dass eine weitere Begutachtung angezeigt war.
3.1.3. Das Gericht hält es auch für unbedenklich, dass die Immissionsprognose keine Zuschläge für Tonhaltigkeit oder Impulshaltigkeit enthält (OVG Lüneburg, U.v. 12.7.2013 – 12 LA 174/12 – juris). Die anlagenbezogenen Unterlagen enthalten keinerlei Hinweise auf eine Tonhaltigkeit oder eine Impulshaltigkeit der Anlagen. Zudem geht auch der aktuelle Windenergie-Erlass vom 19. Juli 2016 (Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen; AllMBl. Nr. 10/2016, S. 1642) unter Ziffer 7.6 davon aus, dass Windenergieanlagen in der Regel keine Geräusche hervorrufen, die im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Störwirkung die Vergabe eines Zuschlags für Ton- oder Informationshaltigkeit oder eines Impulszuschlags rechtfertigen. Diesen Aussagen kommt eine besondere tatsächliche Bedeutung zu, da der Windenergieerlass auch insoweit als antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität zu werten ist (BayVGH, B.v. 10.8.2015 – 22 ZB 15.1113 – juris Rn. 21). Gründe, dass dies in Bezug auf die streitgegenständliche Windkraftanlage anders sein sollte, haben die Kläger nicht vorgebracht.
3.1.4. Auch die von den Klägern geltend gemachte Problematik des Infraschalls führt nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigungsbescheide. Das Bayerische Landesamt für Umwelt kommt in einer Untersuchung „Windkraftanlagen „Beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“ (März 2012; Aktualisierung: August 2016) zu dem Ergebnis, dass nach heutigem Stand der Wissenschaft Windkraftanlagen beim Menschen keine schädlichen Infraschallwirkungen hervorrufen, weil die von ihnen erzeugten Infraschallpegel in der Umgebung unterhalb der Hör- und Wahrnehmungsgrenzen liegen. Gesundheitliche Wirkungen von Infraschall ( 500 m) die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung durch Infraschall nicht erreicht werde. Bereits bei einem Abstand von 250 m von einer Windkraftanlage seien im Allgemeinen keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten. Damit kann davon ausgegangen werden, dass bei dem hier gegebenen Abstand der Windkraftanlage zum Grundstück der Kläger von mehr als 1.000 m keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Infraschall gegeben sind. Die Kläger verweisen hier ohne jegliche Präzisierung auf „aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse“. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und kann den oben geschilderten Erkenntnisstand nicht widerlegen.
3.1.5. Insgesamt erweist sich die Lärmprognose deshalb nach Überzeugung des Gerichts als hinreichend gesichert. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine Umstände, die dem Gericht Anlass geben könnten, die dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegende Lärmprognose in Zweifel zu ziehen. Von Seiten der Kläger wurden keine durchgreifenden Einwendungen gegen die Methodik sowie die gefundenen Ergebnisse der Schallprognose des TÜV Süd vorgebracht. Die von den Klägern durchgeführten Stichprobenmessungen (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8. April 2016) führen zu keiner abweichenden Beurteilung, da die Messungen aufgrund fehlender Informationen zu deren wissenschaftlicher Begleitung und zur Methodik in einem auf einen Tag begrenzten Zeitraum nicht geeignet sind, die Feststellungen eines Sachverständigengutachtens zu erschüttern. Zudem ist nach Überzeugung des Gerichts durch die verfügten Auflagen der Schutz des Wohngebäudes der Kläger ausreichend gewährleistet. Das wohl allenfalls theoretisch vorhandene Risiko einer tatsächlichen Überschreitung träfe nach der eingetretenen Bestandskraft der Genehmigungen allein die Beigeladenen.
3.2. Die von den Klägern geltend gemachten Einwände zu fehlenden Auflagen zum Schattenwurf im Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Ausführungen im Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 (S. 67/68 des Verfahrensordners) zu der abweichenden Rotorblattgeometrie des geänderten Anlagentyps, durch die sich ein geringerer Beschattungsbereich als in der ursprünglichen Genehmigungskonstellation ergibt, sind plausibel. Nach dem Gutachten sind die Werte einer maximal zulässigen Verschattungsdauer eingehalten (S. 67 des Verfahrensordners). Die Aussagen des Gutachtens wurden nicht substantiiert angegriffen.
3.3. Auf eine Gefährdung durch Eiswurf können die Kläger ihren Klageantrag nicht stützen. Zwar zählt die Gefährdung durch Eiswurf zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Belästigungen für die Nachbarschaft i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 22 CS 08.2369; B.v. 9.2.2010 – 22 CS 09.3168 – beide juris; OVG Koblenz, U.v. 12.5.2011 – 1 A 11186/08 – NVwZ-RR 2011, 759). Andererseits ist eine unmittelbare Betroffenheit der Kläger nicht erkennbar, da eine besondere Gefährdungssituation für das etwa 1.600 m entfernte Grundstück der Kläger nicht erkennbar ist (so auch BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 u.a. – juris Rn. 27). Nur auf diesen Aspekt ist abzustellen, nicht hingegen auf eine Gefährdung von Nutzern der Waldwege im unmittelbaren Umfeld der Windkraftanlage. Bei Spaziergängern und sonstigen Nutzern des Waldgebiets für Erholungszwecke handelt es sich nicht um „Nachbarn“ gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, da diese Personen keine besondere persönliche oder sachliche Bindung von hinreichender Dauer zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage aufweisen (Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 80. EL Mai 2016, BImSchG § 5 Rn. 87).
Im Übrigen sind aber auch die erforderlichen Vorkehrungen getroffen. Wann durch Eiswurf von Windkraftanlagen ausgehende sonstige Gefahren als relevant und deshalb als unzumutbar zu qualifizieren sind, ist im BImSchG sowie in den aufgrund des BImSchG erlassenen Verordnungen nicht geregelt. Die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 19. Juli 2016 (Windenergie-Erlass Bayern) haben zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter. Sie sind aber als Verwaltungsvorschriften von den Genehmigungsbehörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Windkraftanlagen zu Grunde zu legen und können auch im gerichtlichen Verfahren bei der Untersuchung der Erheblichkeit von Gefahren herangezogen werden, weil sie auf sachverständigen Erkenntnissen beruhen und von einer entsprechend besetzten Kommission erarbeitet wurden (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 zur Anlage 6 des Windkrafterlasses Bayern und VG Minden, B.v. 13.12.2012 – 11 L 529/12 – beide juris). Eine ausdrücklich auf die von Windkraftanlagen ausgehende Gefährdung durch Eiswurf bezogene Vorgabe enthielt schon Ziffer 8.2.10 des Windkrafterlasses Bayern aus dem Jahr 2011. Ziffer 7.9 des Windenergie-Erlasses 2016 bestätigt dies. Danach sind Windkraftanlagen generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Ferner gelten entsprechend dieser Einschätzung im Windenergie-Erlass 2016 in nicht besonders eisgefährdeten Regionen Abstände größer als das Eineinhalbfache der Summe aus Rotordurchmesser und Nabenhöhe im Allgemeinen als ausreichend. Da vorliegend die Abstände zu gefährdeten Objekten gemäß der Vorgaben des Windkrafterlasses Bayern eingehalten sind, bestehen keine Bedenken gegen die Formulierung der Auflage unter IV. 1.4 im Bescheid vom 18. Juli 2014, wonach die Anlagen mit funktionssicheren technischen Einrichtungen auszustatten sind, die einen Eisansatz an den Rotorblättern erkennen und die Anlage sicher in den Rotorstillstand oder Trudelbetrieb versetzen. Ein entsprechender Nachweis ist vor Inbetriebnahme zu erbringen. Unter Berücksichtigung dessen kann von einem verbleibenden Restrisiko, also von einem Risiko gesprochen werden, welches von der Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvoller Weise, nämlich nach dem Maßstabe praktischer Vernunft nicht mehr minimierbar ist (vgl. hierzu ausführlich OVG Koblenz, U.v. 12.5.2011 – 1 A 11186/08 – NVwZ-RR 2011, 759). Ein solches – durch geeignete Sicherungsmaßnahmen vermindertes – Restrisiko ist jedoch hinzunehmen (vgl. Windenergie-Erlass 2016 unter Ziffer 7.9 a.E.).
Die Beweisanträge, die der Klägerbevollmächtigte hierzu in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, waren zum einen deshalb abzulehnen, weil es sich bezüglich der technischen Realisierbarkeit der Installation des vom Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 beschriebenen Eiserkennungssystems um einen unzulässigen Beweisermittlungs-, d.h. Ausforschungsantrag handelt. Zum anderen ist die Beweistatsache nicht entscheidungserheblich, da – wie soeben dargelegt – durch die Verfügung entsprechender Auflagen im Genehmigungsbescheid das Risiko von Schäden aufgrund Eiswurfs auf ein hinzunehmendes Restrisiko begrenzt wurde. Die Durchsetzung der Auflagen ist eine Frage des Vollzugs des Bescheids, welcher von der zuständigen Behörde in der Folgezeit überwacht werden muss. Soweit der Klägerbevollmächtigte Zeugen für die Tatsache benannt hat, die einen tatsächlich erfolgten Eiswurf im näheren Umfeld der streitgegenständlichen Windenergieanlage bestätigen, kann diese Tatsache als wahr unterstellt werden. Für die Frage einer Rechtsverletzung der Kläger sowie für die Frage, ob die Auflagen im Bescheid vom 18.7.2014 unter Nr. IV.1.4 zum Eiswurf ausreichend sind, ergeben sich hieraus keine Auswirkungen.
4. Die erteilte Genehmigung verletzt die Kläger auch nicht bezüglich des im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Gemäß § 13 BImSchG schließt die immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die erforderliche Baugenehmigung ein (Ziffer I.1. des Tenors des Bescheides vom 18.7.2014).
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Windkraftanlage auf Grund ihrer Höhe sowie der ständigen Drehbewegung ihres Rotors eine optisch bedrängende Wirkung entfalten und damit gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßen kann; dabei kommt es für die Frage der optisch bedrängenden Wirkung entscheidend nicht auf die Baumasse des Turms der Anlage, sondern die in der Höhe wahrzunehmende Drehbewegung des Rotors an (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2014 – 22 ZB 14.680 – juris Rn. 20 f.). Dabei wird nach der Rechtsprechung bei einem Abstand zwischen Wohnhaus und Windkraftanlage von mindestens dem Dreifachen der Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) der geplanten Anlage die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von der Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht (BayVGH, U.v. 29.5.2009 a.a.O.; B.v. 6.10.2011 – 22 ZB 11.1585 – juris Rn. 12 f.). Allein die Sichtbarkeit vieler Anlagen führt noch nicht zu einer bedrängenden Wirkung. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Aussicht (VG Düsseldorf, U.v. 21.7.2011 – 11 K 8105/09 – juris Rn. 88). Die streitgegenständliche Windkraftanlage (WEA 4) hat eine Höhe von 199 m (Nabenhöhe 140,6 m sowie halber Rotordurchmesser = 58,4 m). Damit kann bei einem Abstand der Anlage von ca. 1.600 m zum Anwesen der Kläger – auch bei einer Berücksichtigung der weiteren Anlagen des „B* … S* … W* …“ – nicht mehr von einer bedrängenden Wirkung ausgegangen werden, auch wenn die Anlage geringfügig höher als das Grundstück der Kläger liegt. Dieser Geländeanstieg kann bei der angegebenen Entfernung nicht zu einer bedrängenden Wirkung führen. Zwar ist immer eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen, die etwa auch die Häufung von Windkraftanlagen und die erhöhte Lage der Anlagen beachtet (BayVGH, B.v. 20.11.2014 – 22 ZB 14.1829 – juris Rn. 24). Neben der Höhe der Windkraftanlage und dem Rotordurchmesser sind darüber hinaus die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen. So ist u.a. die Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen u.ä. zur Windkraftanlage von Bedeutung. Weitere Gesichtspunkte, die für die Frage der Zumutbarkeit eine Rolle spielen, sind bestehende Abschirmungen, der Blickwinkel auf die Anlage, die Hauptwindrichtung, eine etwaige Vorbelastung sowie die Existenz möglicher und zumutbarer Ausweich- und/oder Abschirmungsmaßnahmen (VG Düsseldorf, U.v. 21.7.2011 – 11 K 8105/09 – juris Rn. 76). Inwiefern die Belange der Kläger in einer das Rücksichtnahmegebot verletzenden Weise beeinträchtigt werden, wird vom Bevollmächtigten der Kläger hier jedoch nicht qualifiziert vorgebracht und ist auch sonst angesichts der Entfernung der Anlagen nicht ersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kläger nahe am Rand zum Außenbereich als dem geeigneten Aufstellungsort für Windkraftanlagen leben, wobei dies im Rahmen der zu fordernden „gegenseitigen Rücksichtnahme“ zu Lasten der Kläger zu Buche schlägt.
5. Von der Windenergieanlage gehen keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausreichenden Brandgefahren aus. Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind den sonstigen Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions- und Brandgefahren (VGH Baden-Württemberg, U.v. 12.3.2015 – 10 S 1169/13 – juris). Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht. Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2014 – 7 B 27.14 – BRS 82 Nr. 83; VGH Baden-Württemberg, U.v. 12.3.2015 – 10 S 1169/13 – juris). Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist vorliegend nicht zu erkennen. Die hier zugrunde zu legenden, als Risikoakzeptanzschwelle anzunehmenden, jeder Person zumutbaren Risiken sind vergleichbar mit dem Risiko, einen Verkehrs- oder sonstigen Unfall zu erleiden und werden grundsätzlich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 33.300 Jahren angenommen (vgl. VGH Kassel, U.v. 26.9.2013 – 9 B 1674/13 – juris Rn. 24). Die Kläger haben nicht dargelegt, dass dieses Risiko im Fall der von der streitgegenständlichen Windenergieanlage ausgehenden Gefahren erreicht wird oder gar signifikant erhöht ist und es aus diesem Grund eines weitergehenden Schutzkonzeptes bedürfte, das über die getroffenen Vorkehrungen und die in den Nebenbestimmungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verankerten Anforderungen (vgl. Auflagen unter Ziffern 2.9, 2.12 bis 2.22 des Bescheids vom 18.7.2014) hinausginge. Die Umsetzung dieser Auflagen wird überwiegend auch dadurch sichergestellt, dass der Kreisbrandrat im Vorfeld der Inbetriebnahme der Anlage in Kenntnis gesetzt wird (vgl. insbesondere Ziffer 2.16 und 2.17).
Auch die angeführte Gefahr infolge der Verwendung eines sog. CFK-Werkstoffs (Bildung krebserregender Stoffe im Brandfall) bei den im Änderungsgenehmigungsverfahren genehmigten Anlagen des Typs Nordex leidet unter der mangelnden Darlegung einer erhöhten Eintrittswahrscheinlichkeit der behaupteten Brandgefahr und führt schon deshalb nicht zum Erfolg. Der diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisantrag zu den Fragen des Brandschutzes (Verwendung des CFK-Werkstoffes, davon ausgehende Gefahren sowie unzureichende Brandschutzvorrichtungen; vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.12.2016) war daher abzulehnen. Es handelt sich im Übrigen um einen unzulässigen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag. Ein Beweisantrag ist unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungsantrag insoweit handelt, als er lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 22.10.2014 – 8 B 99/13 – juris Rn. 40). Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten zu einer möglichen unzumutbaren Belastung infolge einer Verwendung des CFK-Werkstoffes ist zu unsubstantiiert, d.h. so unbestimmt, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen (Verwendung des CFK-Werkstoffes bei Anlagen des Typs Nordex und Schädlichkeit im Brandfall) aufdecken kann. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte im gerichtlichen Verfahren auf diese Aspekte hingewiesen und das Brandschutzkonzept für alle Nordex-Windenergieanlagen sowie einen Bericht des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)/Forschungsstelle für Brandschutztechnik zum Thema „Eigenschaften und Abbrandverhalten von Faserverbundwerkstoffen, speziell Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK), sowie erforderliche Maßnahmen“ (März 2015) vorgelegt (Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8.8.2016). Aus diesen allgemeinen Ausführungen und Unterlagen, die im Übrigen in keinem direkten Zusammenhang stehen, ergibt sich jedoch kein konkreter Hinweis auf eine potentielle Gefährdung der Kläger in der Situation des Brandfalles. Aus der Begründung des Beweisantrags haben sich für das Gericht keine greifbaren Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsachen ergeben (vgl. BVerwG a.a.O.).
6. Die Kläger können keinen Verstoß gegen die sog. 10 H-Regelung aus Art. 82 Abs. 1 BayBO geltend machen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich klargestellt, dass Art. 82 Abs. 1 BayBO lediglich die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entfallen lässt, aber die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen gem. § 35 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umwelteinwirkungen, Gebot der Rücksichtnahme auch im Hinblick auf optisch bedrängende Wirkungen) unberührt lässt (BayVGH, B.v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.11 – juris Rn. 9).
Unabhängig davon, dass sich die Kläger als Nachbarn auf die Einhaltung dieser Vorschrift nicht berufen können (kein Schutz des Nachbarn – Schutznormtheorie), ist die Regelung auf den vorliegenden Fall auch nicht anwendbar (BayVGH a.a.O. – juris Rn. 10 f.). Da sie erst zum 21. November 2014 in Kraft getreten ist (vgl. § 3 des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung u.a. vom 17.11.2014, GVBl. S. 178), kann sie für die vor diesem Zeitpunkt erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 28. Februar 2014 und 18. Juli 2014 keine Geltung beanspruchen. Art. 82 BayBO sieht keine Rückwirkung für bereits abgeschlossene Genehmigungsverfahren vor. Die in Art. 83 Abs. 1 BayBO enthaltene Altfall-Regelung betrifft Fälle, in denen – anders als hier – ein Genehmigungsbescheid erst nach Inkrafttreten der Neuregelung ergeht; lediglich insoweit ist auf den Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Antragsunterlagen bei der zuständigen Behörde abzustellen.
7. Die unbegründete Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Nachdem die Beigeladenen zu 1) und 2) mit der Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen sind, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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