Aktenzeichen W 2 S 16.50161
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3
Leitsatz
Asylbewerber laufen in Kroatien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (ebenso VG Düsseldorf BeckRS 2015, 43854, BeckRS 2015, 44005). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein am …1997 geborener syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung nach Kroatien im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.
1. Der Antragsteller verließ Syrien nach eigenen Angaben im Januar 2016 und reiste über die Türkei, Griechenland, Serbien, Mazedonien, Kroatien und Österreich am 26. Februar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte hier am 31. Mai 2016 einen Asylantrag.
Der via Eurodac durchgeführte Datenabgleich vom 31. Mai 2016 ergab Treffer für Griechenland und Kroatien.
Bei einem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats am 16. Juni 2016 (Erst- und Zweitbefragung) gab er an, er habe keine Familienangehörige in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat. Ihm seien Fingerabdrücke in Griechenland, Mazedonien und Serbien abgenommen worden. Es gäbe keine Gründe, die dagegensprechen, dass sein Antrag auf internationalen Schutz nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Dublin-Mitgliedstaat geprüft werde.
Im – mit schriftlichem Fragebogen versandten – Anhörungsformular zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, das beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 15. Juni 2016 eingegangen ist, gab der Antragsteller an, er habe zwei Cousins in Deutschland. Er habe Syrien am 7. Februar 2016 verlassen und sei über die Türkei, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland eingereist. Fingerabdrücke seien ihm in Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich abgenommen worden.
Auf das mit digitalem Formular vom 27. Juni 2016 versandte Aufnahmegesuchen an die kroatischen Behörden, erklärten sich diese mit elektronischen Schreiben vom 26. August 2016 mit der Aufnahme des Antragstellers auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (sog. Dublin III-VO) einverstanden.
Auf den nochmals mit Schreiben vom 5. September 2016 übersandten „Fragenkatalog Dublin“ ging beim Bundesamt am 13. September 2016 eine Rückantwort des Antragstellers ein, bei der der Name des Antragstellers mit „… … …“ und sein Geburtsdatum mit „…1997“ angegeben sind. Er habe sein Herkunftsland am 20. Januar 2016 verlassen. Er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, weil er froh sei, dass er in einem demokratischen, friedlichem und freiem Land angekommen sei und er an die Umgebung und den deutschen Bürger gewöhnt sei. Er sei aus Syrien raus gegangen, geflohen von Mord und Zerstörung. Sein Ziel sei Deutschland gewesen, um eine neue Zukunft aufzubauen und sich an dem Aufbau des Landes, das ihm Hilfe biete, zu beteiligen.
2. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlingsanerkennung (Bundesamt) den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Ziffer 2). Es ordnete die Abschiebung nach Kroatien an (Ziffer 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Der Asylantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Kroatien gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für den Asylantrag zuständig sei. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Kroatien als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Annahme des Aufnahmeersuchens durchzuführen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Kroatien würden nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta vorlägen. Es drohe dem Antragsteller keine individuelle Gefahr für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würden. Außergewöhnliche Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Das Bundesamt habe das Einreiseverbotes gem. § 75 Ziff. 12 i.V.m. § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen. Die Frist sei nach Monaten zu bemessen, individuell festzulegen und beginne am Tag der Abschiebung. Dem Antragsteller sei Gelegenheit gegeben worden, sich zur Länge der Frist zu äußern. Dabei habe er keine relevanten Gründe vorgetragen, die eine Reduzierung der Frist rechtfertigen würden. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 14. Oktober 2016 zugestellt.
3. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid (W 2 K 16.50160) erheben. Zugleich ließ er im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung beantragen. Im Wesentlichen wird zur Begründung vorgetragen: Die angeordnete Überstellung nach Kroatien sei rechtswidrig und verletze des Antragsteller in seinen Rechten. Das Asylverfahren in Kroatien weise systemische Mängel auf. Es sei nicht gesichert, dass der Antragsteller dort die Möglichkeit habe, einen Asylantrag zu stellen und ein ordnungsgemäßes Asylverfahren zu durchlaufen. Die Rückübernahmezusage Kroatiens enthielte hierzu keine Zusicherung. Vielmehr müsse der Antragsteller befürchten, von Kroatien nach Mazedonien zurückgeschoben zu werden. Dies sei mit dem Sinn des Dublin-Verfahrens nicht vereinbar, da es lediglich die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens regele, nicht aber ermöglichen solle, dass durch eine Weiterschiebung der Flüchtling zum refugee in orbit werde. Darüber hinaus ergäben sich Zweifel an der Zuständigkeit Kroatiens. Nach der neueren Rechtsprechung insbesondere des EuGH und auch des EGMR garantierten die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III Verordnung auch subjektive Rechte. Insoweit werde geltend gemacht, dass die Zuständigkeit Kroatiens sich hier nicht aus Art. 13 Abs. 1 ergebe, da hierzu feststehen müsse, dass der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Grenze nach Kroatien illegal überschritten hätte. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, Januar/Februar 2016, habe Kroatien Flüchtlingen mit dem Ziel der Weiterreise nach Deutschland, die Einreise und Durchreise jedoch gestattet. Damit stehe der illegale Grenzübertritt, der Voraussetzung für die Zuständigkeit Kroatien wäre, in Frage. Insoweit werde auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Höchstgerichts der Republik Slowenien an den EuGH zur Interpretation von Art. 13 Abs. 1 und Art. 27 der Dublin III-VO verwiesen. In Bezug genommen würden vor allem die ersten beiden Vorlagefragen hinsichtlich der Bedingungen aus dem Kriterium laut Art. 13 Abs. 1 und ob bei der Auslegung nach dem Schengener Grenzkodex die Definition des illegalen Grenzübertritts anzuwenden sei. Bejahe man die vom slowenischen Höchstgericht aufgeworfenen Rechtsfragen, ergebe sich hieraus die Unzuständigkeit Kroatiens für die Durchführung des Asylverfahrens und zwar unabhängig von der Rückübernahmezusicherung.
Im einstweiligen Rechtsschutz wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2016, … …, anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren der Hauptsache (W 2 K 16.50160) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Gegenstand des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung ist zulässig (§ 34a Abs. 2 AsylG), insbesondere fristgemäß (§ 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 74 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG).
2. Er ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2016 erweist sich bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung zum maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Soll ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im Fall des Antragstellers ist Kroatien aufgrund Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO dafür zuständig, dass vom Antragsteller beantragte Asylverfahren durchzuführen. Anhand der erzielten Eurodac-Treffer konnte festgestellt werden, dass der Antragsteller nach Kroatien einreiste.
Die Argumentation, es habe sich dabei nicht um einen „illegalen Grenzübertritt“ gehandelt, so dass Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO keine Zuständigkeit Kroatiens begründe greift aus mehreren Gründen nicht durch:
Da Kroatien nicht einseitig die Zuständigkeitsregelungen der Dublin III-VO außer Kraft setzen kann, könnte eine „gestattete Ein- und Durchreise“ nur dann rechtliche Relevanz im Rahmen des Dublin-Regimes entfalten, wenn sie in Absprache – zumindest aber mit Billigung des Zielstaats – d.h. der Bundesrepublik Deutschland erfolgt wäre. Dies wurde weder im individuellen Fall vorgetragen, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Zwar hat Deutschland befristet für den Zeitraum Ende August bis Anfang November 2015 für syrische Flüchtlinge, die über die sog. Balkan-Route kamen, pauschal von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch gemacht, jedoch fällt die Ein- bzw. Durchreise des Klägers durch Kroatien auch nach Angaben des Klägers gerade nicht in diesen Zeitraum. Sie fand mit Januar/Februar 2016 zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt statt, so dass sich daraus für den Antragsteller keine Rechtswirkungen für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ergeben können.
Auch unter Zugrundelegung des Vortrags des Antragstellers, Kroatien habe die Ein- und Durchreise gestattet, ergibt sich – unabhängig von den unter Bezugnahme auf das slowenische Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfenen Rechtsfragen – keine Zweifel an der Zuständigkeit Kroatiens. Selbst wenn man den Grenzübertritt wegen der behaupteten Durchreisegestattung nicht als „illegal“ i.S.v. Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO ansehen wollte, ergäbe sich aus Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Dublin III-VO im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses die Zuständigkeit Kroatiens. Denn wenn schon der illegale Grenzübertritt die Zuständigkeit begründet, dann muss dies erst recht für den gestatteten gelten, auch dann wenn sich diese Gestattung nicht im Sinne eines Aufenthaltstitels oder Visums i.S.v. Art. 12 Dublin III-VO niederschlägt. Mithin hat das Gericht im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz alleine möglichen, aber auch gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Zweifel an der durch den Grenzübertritt rechtmäßig begründeten Zuständigkeit Kroatiens.
Das Bundesamt hat am 27. Juni 2016, mithin innerhalb der Zweimonatsfrist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO (Eurodac-Treffer vom 31.5.2016), Kroatien um Übernahme des Antragstellers ersucht. Kroatien hat sich mit Schreiben vom 26. August 2016 zur Rückübernahme des Antragstellers bereit erklärt. Damit ist Kroatien gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von 6 Monaten, nachdem die Wiederaufnahme akzeptiert wurde, bzw. innerhalb von 6 Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn diese aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist, nach deren Ablauf die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedsstaat übergeht (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), ist noch nicht abgelaufen.
Auf die Frage, ob sich aus einer Verletzung der Zuständigkeits- und Fristenregelungen der Dublin-III VO subjektive Rechte herleiten lassen, kommt es – mangels einer solchen Rechtsverletzung – hier nicht an.
Für eine nach der Dublin III-VO vorrangige Zuständigkeit Deutschlands sind Gründe weder ersichtlich, noch vorgetragen.
Die Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags ist auch nicht durch Begründung eines Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 und 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auf die Antragsgegnerin übergegangen.
Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat zum zuständigen Mitgliedsstaat, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedsstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta mit sich bringen (§ 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO), und auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedsstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 3.7.2014 – 71932/12 – NLMR 2014, 282; U.v. 6.6.2013 – 2283/12 – Asylmagazin 10/2013, 342 ff. = InfAuslR 2014, 197) bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das kroatische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. des bei der Auslegung des Art. 4 GR-Charta nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta heranzuziehenden Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i.S.v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH, a.a.O.).
Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Kroatien nicht vorliegen (in diesem Sinne auch VG Düsseldorf, B.v. 16.3.2015 – 8 L 191/15.A; U.v. 26.3.2015 – 8 K 460/15.A – jeweils juris). Derartige Mängel wurden vom Antragsteller auch nicht substantiiert vorgetragen.
Kroatien, das seit 1. Juli 2013 Mitgliedstaat der EU ist, hat nach dem aktuellen Länderbericht Kroatien des European Council of Refugees and Exiles (ecre) vom Dezember 2015 im Juni 2015 das maßgebliche europäische Asylrecht in innerstaatliches Recht übernommen, nämlich die Richtlinie 2011/95/EU (Neufassung der Qualifikationsrichtlinie), die Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), die Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmebedingungen im Asylverfahren) sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO). Das auf dieser Grundlage erlassene neue nationale Asylgesetz (LITP) gilt für Asylanträge ab dem 2. Juli 2015 (Seite 9, 66 des Länderberichts von ecre). Das Asylverfahren in Kroatien entspricht damit nach dem Gesetz den europäischen Regelungen, wenn auch bisweilen in der Praxis noch gewisse Umsetzungsschwierigkeiten bestehen. So werden noch Schwierigkeiten beim Zugang der Asylbewerber zu Rechtsberatung durch NGOs und UNHCR benannt und auch gewisse Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung bei traumatisierten Personen. Im Übrigen erfahren besonders verletzliche Personen jedoch entsprechende Berücksichtigung. Nach dem Bericht von amnesty international (ai) zur Lage der Menschenrechte in Kroatien 2015/2016 hatte Kroatien 2015 Mühe den Flüchtlingen und Migranten, die in großer Zahl in das Land kamen, Zugang zum Asylverfahren und angemessene Aufnahmebedingungen zu bieten. Im Jahr 2015 durchquerten mehr als 550.000 Flüchtlinge und Migranten Kroatien auf dem Weg in andere EU-Mitgliedstaaten. Die Behörden unterstützen sie dabei, indem sie kostenlose Transportmöglichkeiten zur Verfügung stellten. Nur einige 100 Personen beantragten in Kroatien selbst Asyl. Bis Ende Oktober 2015 wurden 37 Personen als international Schutzberechtigten anerkannt. Im Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Kroatien im Jahr 2015 des US Department of State vom 13. April 2016 wird ebenfalls berichtet, dass geschätzte 555.000 Migranten und Asylsuchende Kroatien erreichten, die meisten mit dem Ziel in andere EU-Staaten weiter zu reisen. Nach Angaben des UNHCR hätten lediglich 10 Asylbewerber im Kroatien um Asyl nachgesucht. Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes und des UNHCR bestätigten, dass die Bedingungen in den Transitcentern in Opatovac und Slavonski Brod für Asylsuchende generell internationalen humanitären Standards entsprachen und generell Asylsuchende in humaner Weise behandelt wurden. Den Asylsuchenden wurden Nahrungsmittel, medizinische Hilfe und Kleidung sowie Transport kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Regierung arbeitet mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen zum Schutz der Asylsuchenden zusammen.
Auch im Hinblick auf eine vom Antragsteller vorgetragene Rückschiebung nach Mazedonien sieht das Gericht keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens. Nach dem aktuelle AIDA-Länderbericht (Asylum Information Database, Country Report Croatia, 5. März 2015) enthält das kroatische Asylrecht zwar den Gebrauch des Konzepts des sicheren Drittstaats, es wird jedoch in der Praxis nicht angewandt (AIDA, a.a.O., S. 39). Zudem ist die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats an rechtliche Vorgaben geknüpft, die rechtsstaatliche Standards inkl. des Prinzips des Non-Refoulments garantieren. So ist z.B. neben der Gewährleistung von Menschenrechten auch zu berücksichtigen, ob es in dem Drittstaat ein effektives Asylsystem gibt. Darüber hinaus hat der Asylsuchende die Möglichkeit die Anwendung des sicheren Drittstaatskonzepts gerichtlich überprüfen zu lassen.
Insgesamt sind keine systemischen Mängel des kroatischen Asylsystems ersichtlich.
Auch in der Person des Antragstellers sind keine zwingenden Gründe ersichtlich, die gebieten würden, von der Überstellung nach Kroatien abzusehen (Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO).
Mithin bleibt es bei der Zuständigkeit Kroatiens für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers.
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine möglichen und gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt das Gericht auch zur Überzeugung, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Kroatien tatsächlich durchgeführt werden kann, so dass die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG vorliegen.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.