Aktenzeichen B 3 S 16.50079
AsylG AsylG § 27a, § 34a, 74 Abs. 1
GRCh GRCh Art. 4
EMRK EMRK Art. 3
RL 2013/33/EU Art. 8 Abs. 3
Leitsatz
1. Selbst wenn sich ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abzeichnet, besteht vor Ablauf der Überstellungsfrist keine Verpflichtung sofort und ohne Ermessensspielraum vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen (entgegen VGH Baden-Württemberg, U. v. 05.07.2016, A 11 S 974/16). (amtlicher Leitsatz)
Grds. stellt die Möglichkeit der Haft keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens in Ungarn dar. Dies könnte nur angenommen werden, wenn die Haft eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK wäre. (redaktioneller Leitsatz)
Eine mögliche Überstellung von Asylbewerbern nach Serbien bedeutet nicht, dass das ungarische Asyl- und Aufnahmesystem nicht den europäischen Mindeststandards genügt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die ihr drohende Überstellung nach Ungarn im Rahmen eines sog. „Dublin-Verfahrens“.
Die Antragstellerin, syrische Staatsangehörige, reiste am 05.07.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde am gleichen Tag durch die Bundespolizeiinspektion W. in P. angetroffen, ohne im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels zu sein. Am 18.07.2016 stellte sie in Bayreuth einen Asylantrag.
Eine EURODAC-Anfrage ergab einen Treffer für Ungarn. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 12.07.2016 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Ungarn. Die ungarischen Behörden haben hierauf (innerhalb von zwei Wochen) keine Antwort erteilt.
Mit Bescheid vom 31.08.2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziff. 2). Es wurde die Abschiebung nach Ungarn angeordnet (Ziff. 3). Außerdem befristete sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4).
Zur Begründung führt das Bundesamt aus, dass der Asylantrag unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gem. Art. 3 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintritt gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Ungarn würden nicht zu der Annahme führen, dass bei der Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorläge. Ebenso würden Gründe für die Annahme fehlen, dass bei einer Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta vorläge.
Gegen den Bescheid vom 31.08.2016, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 03.09.2016, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.09.2016 Klage. Das Klageverfahren wird unter dem Aktenzeichen B 3 K 16.50079 geführt. Zugleich beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung des Eilantrags wird im Wesentlichen vorgetragen, die Klage sei zulässig, insbesondere nicht verfristet, weil die Rechtsbehelfsbelehrung rechtswidrig sei und daher die Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO gelte. Die Rechtsbehelfsbelehrung stelle hinsichtlich der Klagefrist auf die „Zustellung“ des Bescheides und hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf die „Bekanntgabe“ des Bescheides ab. Für die, bis dahin anwaltlich nicht vertretene, Antragstellerin sei die Rechtsbehelfsbelehrung so gestaltet, dass nicht klar und eindeutig entnommen werden könne wann die Frist beginne. Im Übrigen sei die Klage auch begründet, da das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Mängel aufweisen würden. Im Falle einer tatsächlichen Rücküberstellung nach Ungarn würde die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 EMRK und Art. 4 Grundrechtecharta verletzt werden.
Die Antragsgegnerin äußerte sich bislang nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
1. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist gem. §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 3 K 16.50080 gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 31.08.2016 enthaltene Abschiebungsanordnung (Ziff. 3) anzuordnen.
2. Es spricht bereits einiges dafür, dass der Antrag wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist schon unzulässig ist.
Gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG beträgt die Rechtsbehelfsfrist in Verfahren nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG eine Woche. Da der Bescheid vom 31.08.2016 ausweislich der Postzustellungsurkunde bereits am 03.09.2016 zugestellt wurde, lief die Rechtsbehelfsfrist bereits am 12.09.2016 (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO) ab. Die Klage und der Antrag gingen allerdings erst am 15.09.2016, also nach Ende der Rechtsbehelfsfrist beim Gericht ein.
Entgegen der Argumentation des Prozessbevollmächtigten dürfte auch keine unzutreffende oder verwirrende Rechtsbehelfsbelehrung vorliegen. Eindeutig und ohne Anlass für irgendwelche Zweifel ist in beiden Fällen – Rechtsbehelfsfrist zur Erhebung der Klage als auch Rechtsbehelfsfrist zur Einlegung des Antrags – jeweils die Wochenfrist genannt. Was daran unverständlich sein könnte, erschließt sich dem Gericht nicht. Unverständlich ist dies keinesfalls. Diese Wochenfrist ist – selbst wenn der Bescheid nur formlos bekanntgegeben worden wäre – in jedem Fall verstrichen. Eine rechtliche Unsicherheit für einen juristischen Laien ergibt sich auch nicht aus der Verwendung der Begriffe Zustellung bzw. Bekanntgabe. Diese ist dem Gesetzeswortlaut in § 74 Abs. 1 bzw. § 34a Abs. 2 AsylG geschuldet; die Rechtsbehelfsbelehrung ist damit nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO. Sie ist auch zutreffend, denn der Begriff Bekanntgabe (vgl. § 41 VwVfG) enthält als Oberbegriff auch den Begriff der Zustellung als lediglich besondere Form der Bekanntgabe (vgl. § 2 VwZG).
3. Letztlich kann dahinstehen, ob der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits wegen Versäumung der hier maßgeblichen Frist von einer Woche (§§ 74 Abs. 1 Halbs. 2, 34a Abs. 2 AsylG unzulässig ist, denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessenentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG München, Beschluss v. 18.07.2016, Az. M 12 S 16.50473 juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung zurückzutreten hat.
a) Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, sobald fest steht, das die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsandrohung stellt sich als Festsetzung eines Zwangsmittels dar, die erst dann ergehen darf, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind (vgl. auch VG Bayreuth, B. v. 07.12.2015, Az. B 3 S 15.50314, juris). Diese sind in erster Linie die Zuständigkeit des anderen Staates (dazu aa), daneben muss aber auch feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (dazu bb).
Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt (§ 77 Abs. 2 AsylG) – im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung nach Ungarn vor.
aa) Der Asylantrag ist gem. § 27a AsylG in Deutschland unzulässig. Die Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Asylantrages ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO, da die Antragstellerin in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt hat und die Zustimmungsfiktion des Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eingetreten ist.
Die Zuständigkeit Ungarns ist auch nicht durch den Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen. Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO sechs Monate ab der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist die Zustimmungsfiktion Ungarns im Juli 2016 eingetreten, so dass die gegenwärtig die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl. auch BVerwG, U. v. 27.04.2016, Az. 1 C 24.15, juris).
bb) Außergewöhnliche Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin ist daher nicht verpflichtet, selbst in die materielle Prüfung des Asylbegehrens der Antragstellerin einzutreten.
(1) Systemische Mängel des ungarischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Abl. C 83/389 v. 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S.559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S.685 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. Oktober 2010 (BGBl. II S.1198) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention – GFK – und der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – zukommt.
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, U. v. 21.12.2011, Az. C – 411/10 und C – 493/10, juris; U. v. 14.11.2013, Az. C – 4/11, juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, U. v. 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93 und 2315/93, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedsstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedsstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 21.12. 2011 a. a. O.; U. v. 14.11. 2013 a. a. O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedsstaat als für die Prüfung des Asylantrags bestimmt werden kann. Ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedsstaat selbst prüfen.
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656, juris).
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR- Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu i. V. m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (U. v. 21.01. 2011, Az. 30696/09, EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder seelische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt oder fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu treffen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insb. von der Dauer der Behandlung und ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Art. 3 EMRK kann allerdings nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, U. v. 21.01.2011 a. a. O.; B. v. 2. April 2013, Az. 27725/10 – Mohammed Hussein u. a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, S.336 und juris). Gleichwohl sind die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2014 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen – Aufnahmerichtlinie – genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Asylsuchende werden in einem Mitgliedsstaat unmenschlich oder erniedrigend behandelt, wenn ihnen nicht die Leistungen der Daseinsvorsorge gewährt werden, die ihnen nach der Aufnahmerichtlinie zustehen. Ihnen müssen während der Dauer des Asylverfahrens die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, mit denen sie die elementaren Bedürfnisse (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) in zumutbarer Weise befriedigen können. Als Maßstab sind die Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie mit den dort geregelten zeitlich beschränkten Einschränkungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Unterbringungsengpässen und der Verpflichtung, auch in diesen Fällen die Grundbedürfnisse zu decken, heranzuziehen (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 07. 03. 2014, Az. 1 a 21/12.A, juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. 04. 2014, Az. A 11 S 1721/13, juris).
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19. 03. 2014, Az. 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.04.2014 a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 07.03.2014, a. a. O.; BVerwG, U v. 20.02.2013, Az. 10 C 23/12, juris). Der Mitgliedsstaat, der die Überstellung des Asylsuchenden vornehmen muss, ist im Fall der Widerlegung der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GFK und der EMRK steht, verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
Gründe im obigen Sinne, die der Überstellung der Antragstellerin nach Ungarn entgegenstehen, sind nicht anzunehmen. Es liegt kein – der Rückführung entgegenstehender – Fall vor, in dem der zuständige Drittstaat, in den der Schutzsuchende zurückgeführt werden soll, hier die Republik Ungarn, die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 4 EuGrdRch) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. Art. 3 EMRK) nicht erfüllt bzw. es durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in diesem Mitgliedsstaat in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz vor Verfolgung gewährt wird.
Systemische Mängel sind zu dem gem. § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlicher Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse ein Ungarn nicht anzunehmen (vgl. Lagebericht zum Mitgliedsstaat Ungarn des Liaisonmitarbeiters des Bundesamtes beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 13.1.2016).
Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 03.07.2014, Az. 71932/12, UA Rn.68 ff.; U. v. 06.06. 2013, Az. 2283/12 – Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die aktuell systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (BayVGH, B. v. 25.05.2016, Az. 20 ZB 16.50046, juris; Sächs. OVG, B. v. 01.06.2016, Az. 1 A 291/15.A, juris; VG Bayreuth, B. v. 07.12.2015, Az. B 3 S 15.50314, juris; VG Osnabrück, U. v. 18.05.2016, Az. 5 A 68/16, juris; VG Ansbach, B. v. 03.05.2016, Az. AN 3 S 16.50118, juris; VG Ansbach, B. v. 28.06.2016, AN 3 S 16.50124, juris; VG München, B . v. 18.07.2016, Az. M 12 S 16.50473, juris; VG München, B. v. 05.08.2016, Az. M 1 S 16.500383, juris; VG Cottbus, B. v. 13.09.2016, Az. 5 L 308/16.A, juris und andere).
Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland Ungarn vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Festzuhalten ist, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Das Fehlen einer generellen Empfehlung des UNHCR, von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen, kommt besondere Bedeutung zu, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant sind (vgl. EuGH, U. v. 30.05.2013, Az. C 528/11, juris).
Anzumerken ist, dass der UNHCR zwar in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2015 mit Blick auf die Inhaftierungsmöglichkeiten in Ungarn seine tiefe Besorgnis geäußert hat, jedoch sind seitdem mehrere Monate vergangen, ohne dass sich der UNHCR zu einer generellen Empfehlung durchgerungen hat, obwohl er die Situation in Ungarn kritisch beobachtet (VG Stade, B. v. 04.11.2015, Az. 1 B 1749/15, juris; BayVGH, B. v. 12.06.2015, Az. 13a ZB 15.50097, juris).
Auch die Europäische Kommission hat in einer Stellungnahme vom 30. Oktober 2015 an das VG Köln ausdrücklich darauf verwiesen, dass der UNHCR noch keine Stellungnahme abgegeben hat, Überstellungen nach Ungarn wegen der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszusetzen. Die Europäische Kommission hat weiter darauf hingewiesen, dass sie die im Juli und September 2015 vorgenommenen Änderungen der nationalen Rechtslage im Bereich des Asylrechts, des Strafrechts und des Rechts der Grenzsicherung, des Polizeirechts und des Rechts zur nationalen Verteidigung mit dem Recht der Union prüft und zu diesem Zweck mit den ungarischen Behörden in direkten Kontakt tritt. Des Weiteren hat die europäische Kommission gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren wegen asylrechtlicher Verstöße eingeleitet (vgl. Pressemitteilung vom 10.12.2015). Dieses Vorgehen spricht nicht für die Annahme systemischer Mängel, sondern infolge der Kontrolle seitens der EU-Kommission für eine frühzeitige Prüfung zur Bekämpfung etwaiger Missstände, um dem Aufkommen von systemischen Mängeln von vornherein zu begegnen (vgl. auch VG Ansbach, B. v. 17.02.2016, Az. AN 3 S 16.50035, juris).
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems wurden primär auf die im Juli 2013 in Ungarn in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monate möglich ist (z. B. VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.07.2013, Az. VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4. 10. 2013, Az. M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand begründet nach Auffassung des Gerichts keine systemischen Mängel. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes befindet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts für the purpose of legal harmonisation, Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU. Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil der Antragsteller einen Asylantrag gestellt hat (Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Bemängelt wurde diesbezüglich, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2; UNHCR comments and recommendations, S.9).
Nach dem Bericht der Asylum Information Database (aida) mit Berichtsstand zum 30. April 2014 mit deutscher Übersetzung erfolgt keine Inhaftierung von nach der Dublin-Verordnung überstellten Asylbewerber, wenn das Asylverfahren ablehnend beschieden wurde. Zu rechnen war nach der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 damit, dass der Asylbewerber bei Stellung eines Asylfolgeantrags in Einwanderungshaft genommen wird (aida, a. a. O., Inhaftierung von Asylbewerbern, B. Haftgründe). Nunmehr erfolgt dies aber nur noch bei den Folgeantragsstellern, deren Antrag als offensichtlich unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde. Alle anderen Inhaftierungen erfolgen nur noch im Rahmen von Asylhaft mit wesentlich moderateren Bedingungen (aida, a. a. O., C Haftbedingungen; vgl. VG Regensburg, B. v. 04.02.2015, Az. RO 1 S 15.50021, juris).
Grundsätzlich stellt die Möglichkeit der Haft keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens dar. Dies könnte nur angenommen werden, wenn die Haft eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wäre. Dies ist dem Grunde nach nicht der Fall, wenn sie nicht nur wegen der Durchführung des Asylverfahrens erfolgt, Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU. Die Haftgründe entsprechen im Wesentlichen den in der Europäischen Union zulässigen Haftgründen in Art. 8 Abs. 3 RL 2013/33/EU und sind damit dem Grunde nach zulässig (vgl. auch VG München, B. v. 18.07.2016, Az. M 12 S 16.50473, juris).
Die zu erwartende Haft ist auch nicht nach der Haftdauer und den Haftbedingungen unmenschlich oder erniedrigend. Die Asylhaft beträgt zunächst maximal 72 Stunden und kann verlängert werden. Häufig wird die Haftanordnung nicht mit hinreichend individueller Prüfung verlängert (aida, a. a. O., Inhaftierung von Asylbewerbern, B Haftgründe), so dass maximal zulässige Haft von sechs Monaten nicht ausgeschlossen werden kann. Die durchschnittliche Haftdauer betrug zwar in den Jahren 2010 bis Ende 2012 vier bis fünf Monate. Nach Wiedereinführung der Haft waren von Juli 2013 bis Dezember 2013 bei 532 Plätzen in Asylhaftanstalten und 268 Plätzen in Einwanderungshaftanstalten 1762 Asylbewerber in Haft, am 5. März 2014 waren es 369 Asylbewerber (aida, a. a. O., Inhaftierung von Asylbewerbern, A. Allgemeines). Aus diesen Zahlen kann zwar keine durchschnittliche Haftdauer errechnet werden, auch können keine konkreten Folgerungen für die erwartete Haftdauer eines einzelnen Asylbewerbers gezogen werden.
Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2015 an das VG Magdeburg wird Asylhaft immer nur nach einer Prüfung im Einzelfall angeordnet. Die Wahrscheinlichkeit, in Asylhaft genommen zu werden, ist für Dublin-Rückkehrer gegenüber Neuankömmlingen erhöht. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 wurden in Ungarn 492 Personen in Asylhaft genommen. Dies entspricht einer Quote von 0,7% aller Antragsteller. Die Inhaftierungsquote dürfte bei Dublin-Rückkehrern laut der Auskunft des Auswärtigen Amtes höher sein, offizielle statistische Informationen gibt es aber nicht (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an VG Augsburg v. 27.1.2016).
Im Ergebnis hält das Gericht nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung trotz einer evtl. zu erwartenden Asylhaft nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH (U. v. 03.07.2013, Az. 71932/122, juris) sowie der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. oben). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, allein die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Er stützt sich weiterhin maßgeblich darauf, dass der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (BayVGH, B. v. 12.6.2015, Az. 13a ZB 15.50097, juris; BayVGH, B. v. 27.4.2015 – 14 ZB 13.30076, juris; vgl. auch BayVGH, B. v. 20.06.2016, Az. 20 ZB 16.50021, juris).
Hinsichtlich der Anwendung der seit 1. August 2015 in Ungarn geltenden Rechtslage, wonach Serbien nun sicherer Drittstaat sei, die Asylverfahren verkürzt und Anträge abgelehnt würden, wenn sich ein Asylbewerber unentschuldigt länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entfernt, ergibt sich nichts anderes. Es liegen dem Gericht für die Behandlung von Rückkehrern im Dublin-Verfahren keine auf Tatsachen gestützte Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, Mängel in der Qualität des Asylverfahrens oder in den Aufnahmebedingungen anzunehmen. Die mögliche Überstellung von Asylbewerbern nach Serbien bedeutet nicht gleichzeitig, dass dessen Asyl- und Aufnahmesystem nicht den europäischen Mindeststandards genügt. Auch das deutsche Asylrecht kennt einschränkende Bestimmungen, wenn der Asylsuchende über einen sicheren Transitstaat eingereist ist (§ 26a AsylG). Es liegen derzeit keine auf Tatsachen beruhenden Erkenntnisse darüber vor, dass Dublin-Rückkehrer systematisch von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden. Tatsächlich lehnt Serbien derzeit die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ab, da aus serbischer Sicht nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien (vgl. Lagebericht zum Mitgliedsstaat Ungarn des Liaisonmitarbeiters des Bundesamtes beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 13.1.2016; Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 27.1.2016 an das VG Augsburg.). Eine theoretische Möglichkeit der Abschiebung begründet keinen systemischen Mangel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems in Bezug auf Dublin-Rückkehrer (VG München, B. v. 17.3.2016, Az. M 1 S 16.50032). Im Übrigen unterliegt die Überprüfung der Entscheidung der ungarischen Behörden über die Abschiebung nach Serbien als sicheren Drittstaat ausschließlich der Jurisdiktion der zuständigen Verwaltungsgerichte in Ungarn. Denn verfügt der Asylbewerber über einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht dieses Mitgliedsstaates, kann er darauf verwiesen werden, vor Ort Rechtsschutz zu suchen (ausdrücklich zum Rechtsschutz vor ungarischen Gerichten gegen Überstellung nach Serbien EuGH, U. v. 17.03.2016, Az. C-695/15, juris). Einen wirksamen Rechtsbehelf sieht gerade Art. 46 Abs. 1 a) iv) i. V. m. Art. 39 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU vor (vgl. VG Cottbus, B. v. 05.09.2016 a. a. O.).
Auch die derzeit in vielen Ländern der EU anzutreffenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge stellen für sich keinen systemischen Mangel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO dar. Denn hierbei handelt es sich um rein tatsächliche Probleme, die der unerwartete Zustrom so vieler Menschen mit sich bringt. Da derzeit viele Flüchtlinge Ungarn meiden, geht das Gericht davon aus, dass sich die Kapazitätsgenpässe zunehmend entspannen werden.
Von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Asylbewerber haben in Ungarn im Rahmen der materiellen Aufnahmeleistungen Zugang zur medizinischen Versorgung (§ 26 des ungarischen Asylgesetzes; aida, dt. Übersetzung, C. Medizinische Versorgung). Dadurch werden notwendige medizinische Behandlungen abgedeckt; der Umfang entspricht der medizinischen Gratisversorgung für legal im Land lebende ausländische Staatsangehörige. Asylbewerber haben ein Recht darauf, von Allgemeinärzten untersucht und behandelt zu werden. Das Gesetz (§ 34 des staatlichen Dekrets 301/2007) sieht vor, dass Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen medizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante und stationäre psychologische Versorgung oder psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen können, die gesundheitlich geboten sind. In der Praxis gibt es keine Richtlinie, anhand derer besonders schutzwürdige Asylbewerber identifiziert werden, und es mangelt an einer spezialisierten medizinischen Versorgung. Asylbewerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, erhalten Unterkunft und Verpflegung sowie einen monatlichen Geldbetrag für Körperpflegeprodukte und Taschengeld (aida, dt. Übersetzung, A. Aufnahmebedingungen).
(2) Die Antragsgegnerin ist auch (noch) nicht verpflichtet nach § 17 Abs. 1 der Dublin III-VO selbst in die materielle Prüfung des Asylbegehrens der Antragstellerin einzutreten. Eine Pflicht zum Selbsteintritt nach erfolgter Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats kommt nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen in Betracht und ist selbst nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht zwingend anzunehmen (vgl. EUGH, U. v. 14.11.2013, Az. C-4/11, juris). Das Gericht teilt insbesondere nicht die Auffassung des VGH Baden-Württemberg im Urteil von 05.07.2016 (Az. A 11 S 974.16, juris), wonach sofort eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin bestehe, wenn hinreichend sicher feststehe, dass innerhalb der nächsten sechs Monate (nach der mündlichen Verhandlung) eine Überstellung nach Ungarn nicht durchgeführt werden könne. Zum einen ist die Aussage in einem Hauptsacheverfahren getroffen worden, indem zuvor die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wurde (vgl. Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Zum anderen überzeugt die Entscheidung auch inhaltlich nicht. Zwar ist dem VGH Baden-Württemberg insoweit zuzustimmen, dass die „Überstellungsquote“ nach Ungarn relativ gering ist. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin aktuell oder zeitnah nach Ungarn überstellt werden kann. Die Antragsgegnerin hat daher das Recht, bis zum Ablauf der Frist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO, Überstellungsversuche vorzunehmen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Überstellung eher gering bzw. unwahrscheinlich ist. Erst wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt werden kann, ist der zuständige Mitgliedstaat Ungarn nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (BVerwG, U. v. 27.04.2016, Az. 1 C 24.15, juris). Eine bloße „Prognoseentscheidung“ zur Ermittlung der Zuständigkeit vor Fristablauf würde die klaren Regelungen des „Dublin-Systems“ konterkarieren. Selbst wenn sich der Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bereits abzeichnet, ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet sofort und ohne Ermessenspielraum vom Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen. Eine andere Sichtweise ist auch nicht aufgrund des dem „Dublin-System“ innewohnenden Beschleunigungsgedanken geboten. Die Antragstellerin hat vor Ablauf der Überstellungsfrist keinen Anspruch auf Durchführung eines nationalen Asylverfahrens (vgl. auch BVerwG, U. v. 09.08.2016, Az. 1 C 6.16, juris). Die Effektivität des Europäischen Asylsystems wird dadurch nicht bzw. kaum tangiert.
(3) Da gegenüber dem Ehemann der Antragstellerin auch eine Abschiebungsanordnung nach Ungarn erlassen wurde und das Gericht im Parallelverfahren B 3 S 16.50077 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ebenfalls abgelehnt hat, ist die Familieneinheit gemäß Art. 6 GG gewahrt. Es wird davon ausgegangen, dass eine etwaige Abschiebung der Eheleute gemeinsam erfolgt, soweit diese es wünschen.
b) Die Anordnung der Abschiebung nach § 34a AsylG ist somit aller Voraussicht nach rechtmäßig. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.