Aktenzeichen RN 8 S 18.537
FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Leitsatz
Erst dann, wenn unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat vorliegen, nach denen die Möglichkeit besteht, dass es sich um einen Scheinwohnsitz handelt, sind alle Umstände, die im anhängigen Verfahren bekannt geworden sind, mit einzubeziehen; die alleinige Mitteilung einer inländischen Behörde, es habe nur eine Meldeanschrift, und zwar im Inland, bestanden, genügt daher nicht zur Annahme einer reinen Scheinanschrift in Polen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Stadt Landshut vom 15. März 2018 wird wiederhergestellt.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin fünf Sechstel, der Antragsteller ein Sechstel.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Feststellung, dass seine polnische Fahrerlaubnis ihn nicht berechtigt, in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen und die Verpflichtung zur Vorlage des tschechischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks.
Der 1999 geborene Antragsteller ist Inhaber einer am 31. August 2017 durch die polnische Behörde Starosta Zagansk ausgestellten Fahrerlaubnis der Klassen AM, B1 und B. Mit Schreiben vom 11. November 2017 teilte die Verkehrspolizeiinspektion der Stadt Landshut mit, dass der Antragsteller am 17. September 2017 um 11:05 Uhr einen Verkehrsunfall auf der A 92 bei Freising gehabt habe. Dabei habe der Antragsteller im Rahmen der Unfallaufnahme einen polnischen Führerschein, ausgestellt am 31. August 2017 durch Starosta Zagansk in Polen, Nr. … ausgehändigt. Es sei festgestellt worden, dass der Antragsteller zwei Wohnsitze habe. Der erste in Landshut, der zweite in der … in Polen. Der Antragsteller, der die deutsche und polnische Staatsangehörigkeit besitze, habe angegeben, den Führerschein bei einem Urlaubsaufenthalt am polnischen Wohnsitz erworben zu haben. Laut den Feststellungen der Polizei habe der Antragsteller seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Er wohne in Landshut und arbeite auch hier. Laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes wohne der Antragsteller seit dem 12. Juli 2011 in Deutschland, seit dem 23. September 2011 mit immer gleicher Anschrift in Landshut. Die Wohnung in Landshut sei als einziger Wohnsitz beim Einwohnermeldeamt geführt.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er nicht berechtigt sei, von seiner polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Er habe seit 12. Juli 2011 seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und seit 23. September 2011 seinen Wohnsitz in Landshut und arbeite auch hier. Die polnische Fahrerlaubnis habe er nach eigenen Angaben anlässlich eines Ferienaufenthalts in Polen erworben. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben, sich zu einem beabsichtigten Bescheidserlass zu äußern. Der Antragsteller äußerte sich zu diesem Schreiben nicht.
Mit Bescheid vom 15. März 2018 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, von der ihm am 31. August 2017 von der Starosta Zagnask unter Nr. … erteilten polnischen Fahrerlaubnis der Klassen AM, B1 und B in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Ziffer 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, seinen polnischen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids zwecks Eintragung eines Sperrvermerks bei der Antragsgegnerin vorzulegen (Ziffer 2) Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Antragsteller der in Ziffer 2 ausgesprochenen Verpflichtung nicht nachkomme, wurde ein Zwangsgelds in Höhe von 250 € angedroht (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 22. März 2018 ließ der Antragsteller durch seinen nunmehr Bevollmächtigten vortragen, dass der Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei und den Antragsteller in seinen Rechten verletze. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht werde der Antragsteller aber den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks bei der Antragsgegnerin vorlegen. Der Führerschein wurde der Antragsgegnerin am 22. März 2018 zur Eintragung eines Sperrvermerks vorgelegt.
Mit dem am 12. April 2018 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 15. März 2018 erheben lassen (Az. RN 8 K 18.538), über die noch nicht entschieden ist, und außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird u.a. vorgetragen, dass sich weder aus dem Führerschein selbst, noch aus unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates Polen unbestreitbare Informationen ergeben würden, die einen Hinweis auf einen Wohnsitzverstoß ergeben könnten. Die Antragsgegnerin habe dahingehend keinerlei Ermittlungen getätigt, sondern sich lediglich auf eine Auskunft aus dem deutschen Melderegister gestützt. Dies sei aber keine unbestreitbare Information des Ausstellerstaates. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV seien deshalb nicht erfüllt. Eventuelle Indizien, die auf Aussagen des Klägers oder auf Informationen deutscher Behörden beruhen, seien nicht zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 24. April 2018 reichte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine deutsche Übersetzung der mit der Klage eingereichten polnischen Meldebescheinigung des Antragstellers nach. Demnach ist der Antragsteller sei 12. Juli 1999 unter der Adresse … Gemeinde Zagan mit ständigem Aufenthalt gemeldet. Die Bescheinigung wurde am 23. März 2018 ausgestellt.
Für den Antragsteller wird sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummern 1 und 2 des Bescheids der Stadt Landshut vom 15. März 2018 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 4 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass sich der Lebensmittelpunkt und ordentliche Wohnsitz des Antragstellers in Deutschland befinde. Ermittlungen bei Behörden in Polen hätten bisher noch nicht stattgefunden. Wenn ernstliche Zweifel daran bestünden, dass der Fahrerlaubniserwerber bei der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte, könnten Erkundigungen beim Ausstellermitgliedstaat noch vom Verwaltungsgericht eingeholt werden. Solche ernstlichen Zweifel seien vorliegend gegeben. Der Antragsteller ließ hierauf mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. Mai 2018 erwidern, dass die Antragsgegnerin selber einräume, dass sie keine Ermittlungen angestellt habe, weshalb der Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, soweit er gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. März 2018 gerichtet ist und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, soweit er gegen Ziffer 4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. März 2018 gerichtet ist. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist, oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids vom 15. März 2018 hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheids vom 15. März 2018 ist kraft Gesetzes (Art. 21 a VwZVG) sofort vollziehbar Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen und in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
1. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Ziffer 4 des Bescheids vom 15. März 2018 betrifft, ist der Antrag bereits unzulässig.
Der Bescheid vom 15. März 2018 wurde ausweislich der Behördenakte am 16. März 2018 zugestellt. Die Antragsgegnerin setzte dem Antragsgegnerin eine Frist zur Vorlage des Führerscheins von einer Woche ab Zustellung des Bescheids (vgl. Ziffer 2 des Bescheids vom 15. März 2018). Am 22. März 2017 legte der Antragsteller ausweislich der Behördenakte seinen Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde zur Eintragung eines Sperrvermerks vor. Der Führerschein wurde somit innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt. Die Zwangsgeldandrohung hat sich damit erledigt. Da die Antragsgegnerin nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl vollstrecken will, fehlte dem Antragsteller bereits bei der Einleitung des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, als sich dieser Antrag auf Ziffer 4 des Bescheids bezog. (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968 – juris Rn. 22 ff; BayVGH, B. v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. März 2018 ist dagegen zulässig und begründet und führt daher zum Erfolg.
a) Die Antragsgegnerin, die die sofortige Vollziehung angeordnet hat, hat das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung zwar hinreichend begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist nämlich das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 36). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher in solchen Fällen nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört (so für die hier gegebene Konstellation einer sofort vollziehbaren Feststellung, dass eine tschechische Fahrerlaubnis wegen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis nicht dazu berechtigt, in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, ausdrücklich BayVGH, B. v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Bezug auf die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 15. März 2018 wurde vorliegend hinreichend mit der effektiven Gefahrenabwehr im Straßenverkehr begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.
b) Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt jedoch, dass das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann regelmäßig kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris Rn. 14).
Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 15. März 2018 Erfolg haben wird, weil die Feststellung, dass der Antragsteller von seiner polnischen Fahrerlaubnis keinen Gebrauch machen darf und die Verpflichtung, den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen, rechtswidrig sind und den Antragsteller in seinen Rechten verletzten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 28 Abs. 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz im Sinne des § 7 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Diese Berechtigung gilt jedoch nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV – abgesehen von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme für Studierende oder Schüler – nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Als ordentlicher Wohnsitz gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV, Art. 12 RL 2006/126/EG der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im (Kalender-)Jahr, wohnt. Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen als ordentlicher Wohnsitz, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Bei der Prüfung der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses sind die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen (vgl. EuGH, U. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – juris Rn. 72) und die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats sind verpflichtet, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. BayVGH, B. v. 3.5.2012 – 11 CS 11.2795 – juris Rn. 28; BayVGH, B. v. 20.5.2015 – 11 CS 15.685 – juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 10). Unbestreitbar sind die Informationen dann, wenn sie von einer Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats stammen, selbst wenn sie nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritter übermittelt wurden (EuGH, U. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – juris 71) und wenn sich aus ihnen die Möglichkeit ergibt, dass ein reiner Scheinwohnsitz begründet wurde, ohne dass dies bereits abschließend erwiesen sein muss (vgl. EuGH, U. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – juris 74 f; BVerwG, U. v. 30.5.2013 – 3 C 18.12 – juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 20.10.2014 – 11 CS 14.1688 – juris Rn. 14 ff; BayVGH, B. v. 20.5.2015 – 11 CS 15.685 – juris Rn. 12; BayVGH, B. v. 8.6.2015 – 11 CS 15.693 – juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 12). Es reicht also aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (BayVGH, B. v. 11.05.2016 – 11 CS 16.658 – juris Rn. 12).
Vorliegend ist weder dem Führerschein zu entnehmen, noch liegen unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedsstaat vor, die darauf hindeuten, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis keinen ordentlichen Wohnsitz in Polen hatte. Grundsätzlich ist die Ausstellung des Führerscheins als Nachweis für die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses anzusehen (EuGH, U. v. 29.4.2004 – C-476/01 – juris). Etwas anderes gilt aber dann, wenn unbestreitbare Informationen, die vom Ausstellermitgliedstaat herrühren, belegen, dass der Antragsteller bei Fahrerlaubniserteilung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in Polen hatte.
Im polnischen Führerschein des Antragstellers ist als Adresse … eingetragen, so dass grundsätzlich von einer Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses auszugehen ist.
Unbestreitbare Informationen, die vom Ausstellermitgliedstaat herrühren und belegen, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht in Polen hatte, lagen und liegen nicht vor. Die Fahrerlaubnisbehörde stützt sich allein auf die Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion Landshut, wonach der Antragsteller nach dem deutschen Melderegister als einzigen Wohnsitz Landshut habe. Hierbei handelt es sich nicht um eine unbestreitbare Information, die vom Ausstellermitgliedstaat, also Polen, herrührt. Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat haben ihr zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses – auch nach eigener Einlassung in der Antragserwiderung – überhaupt nicht vorgelegen, Im Rahmen des hiesigen Verfahrens wurde vom Antragsteller eine Meldebescheinigung vom 23. März 2018 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass der Antragsteller seit dem 12. Juli 1999, und damit nahezu seit seiner Geburt, an der im Führerschein angegebenen Adresse in Polen gemeldet ist. Diese Meldebescheinigung gibt aber gerade keinen Hinweis darauf, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins lediglich einen Scheinwohnsitz in Polen hatte. Aber erst dann, wenn unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat vorliegen, nach denen die Möglichkeit besteht, dass es sich um einen Scheinwohnsitz handelt, sind alle Umstände, die im anhängigen Verfahren bekannt geworden sind, mit einzubeziehen (vgl. EuGH, U. v. 1.3.2012 – C-467/10 – juris Rn. 75; U. v. 26.4.2012 – Hofmann, C-419/10 – juris Rn. 48, 90; BayVGH, B. v. 20.5.2015 – 11 CS 15.685 – juris Rn. 12, 15 ; BayVGH, B. v. 8.6.2015 – 11 CS 15.693 – juris Rn. 9). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Auf die Hinweise der Verkehrspolizeiinspektion Freising und die darin enthaltene Aussage des Antragstellers, er habe den Führerschein in den Ferien in Polen erworben, konnte sich die Antragsgegnerin deshalb nicht stützen.
Folglich besteht auch für das Gericht kein Anlass, Informationen zur Frage der Wohnsitznahme des Antragstellers in Polen von den polnischen Behörden einzuholen. Dies gilt erst recht im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem nur auf präsente Beweismittel zurückzugreifen ist.
3. Erweist sich die Feststellung, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, als falsch und damit rechtswidrig, entfallen auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage des Führerscheins zwecks Eintragung eines Sperrvermerks in Ziffer 2 des Bescheids vom 15. März 2018.
Nach summarischer Prüfung wird nach alldem die Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 15. März 2018 voraussichtlich erfolgreich sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.