Aktenzeichen 10 CS 18.350, 10 C 18.351
AufenthG § 14 Abs. 1, § 50 Abs. 3 S. 2, § 58 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 59 Abs. 5
Rückführungs-RL Art. 6 Abs. 2, Art. 7 Abs. 4
Schengener Durchführungsübereinkommen Art. 21 Abs. 1, Abs. 2a
ZPO § 114 Abs. 1
GKG § 3 Abs. 2, Anlage 1 – Kostenverzeichnis – Nr. 5502
Leitsatz
1 Der Antragsteller muss nicht in die Lage versetzt werden, in einen Mitgliedstaat, über dessen Aufenthaltstitel er verfügt, auszureisen, sondern darf unmittelbar aus der Haft in sein Heimatland abgeschoben werden, wenn er die öffentliche Sicherheit und Ordnung iSd Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rückführungs-RL gefährdet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch den Handel mit Drogen kann die öffentliche Ordnung erheblich gefährdet werden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich „nur“ um weiche Drogen wie Marihuana handelt und die Menge gering ist, wenn die Drogen nicht zum Eigenverbrauch bestimmt waren, sondern mit dem Handel Einnahmen erzielt werden sollten. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Einreise mit einem von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik ist nur dann erlaubt iSd § 14 Abs. 1 AufenthG, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt gerichtet ist. Ist bei der Einreise ein längerer Aufenthalt geplant, bedarf es bereits zu diesem Zeitpunkt eines nationalen Visums (HessVGH BeckRS 2014, 55611). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 12 S 18.476 2018-02-08 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Verfahren 10 CS 18.350 und 10 C 18.351 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CS 18.350 wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
V. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Mit seinen Beschwerden verfolgt der Antragsteller seine in erster Instanz erfolglosen Anträge, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihn nach Gambia abzuschieben, und ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weiter
Der Kläger ist gambischer Staatsangehöriger und im Besitz eines bis 25. April 2018 gültigen italienischen Aufenthaltstitels, der am 26. April 2016 ausgestellt wurde. Zudem besitzt er eine am 8. Juli 2015 ausgestellte italienische „carta d´identita“.
Er reiste am 25. Oktober 2015 unter Angabe falscher Personalien ins Bundesgebiet ein und führte hier ein Asylverfahren durch. Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein, nachdem der Antragsteller seinen Asylantrag zurückgenommen hatte, und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Weiter wurde ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt und die Abschiebung nach Gambia angedroht.
In der Folgezeit verließ der Antragsteller die Bundesrepublik. Am 20. August 2017 wurde er bei der Einreise in die Bundesrepublik aufgegriffen. Er war dabei im Besitz eines gambischen Passes und der italienischen Aufenthaltserlaubnis.
Am 30. August 2017 sprach er bei der Antragsgegnerin vor und bat um Auszahlung von Sozialhilfeleistungen.
Am 19. September 2017 beantragte er bei der Antragsgegnerin, in deren Zuständigkeitsbereich er während des laufenden Asylverfahrens untergebracht war, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bzw. Abs. 5 AufenthG zu erteilen, weil die Versorgungslage für Geflüchtete in Italien völlig unzureichend sei und ein öffentliches Interesse an seinem Aufenthalt in Deutschland bestehe. Am 21. September 2017 belehrte ihn die Antragsgegnerin, dass er sich aufgrund der italienischen Aufenthaltserlaubnis zu touristischen Zwecken im Bundesgebiet aufhalten dürfe und spätestens am 17. November 2017 ausreisen müsse.
Am 22. November 2017 wurde der Antragsteller in Untersuchungshaft genommen, weil er Handel mit Marihuana getrieben hatte.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 wies ihn die Antragsgegnerin aus dem Bundesgebiet aus und ordnete die Abschiebung aus der Haft heraus nach Gambia an. Für den Fall, dass die Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich sein sollte, wurde dem Antragsteller eine Frist von 5 Tagen zur freiwilligen Ausreise eingeräumt und bei deren Nichteinhaltung die Abschiebung nach Gambia oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staat angedroht.
Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Januar 2018 wurde der Antragsteller wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einem Jugendarrest von vier Wochen verurteilt. Mit Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht Hamburg an, den Antragsteller in Abschiebehaft zu nehmen.
Gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2017 erhob er am 17. Januar 2018 Klage, beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und stellte zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Mit Beschluss vom 8. Februar 2018 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür ab.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, festzustellen, dass die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung habe, habe keinen Erfolg. Er sei nur in Fällen sog. faktischer Vollziehung statthaft. Eine solche liege nicht vor, weil die Antragsgegnerin mit der geplanten Abschiebung nicht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung missachte. Der Antragsteller sei unabhängig von der Ausweisung ausreisepflichtig. Er besitze keinen Aufenthaltstitel, sei unerlaubt eingereist und sein Aufenthalt gelte auch nicht als erlaubt im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder als fortbestehend im Sinne des § 81 Abs. 4 AufenthG. Die Voraussetzungen nach Art. 21 SDÜ seien nicht gegeben, weil der Antragsteller bereits bei seiner Einreise einen längerfristigen Aufenthalt geplant habe. Zudem habe er nicht die erforderlichen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts besessen. Deshalb sei auch keine Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingetreten. Da er nie einen Aufenthaltstitel besessen habe, greife auch § 81 Abs. 4 AufenthG nicht ein. Daher sei auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht statthaft.
Ein Antrag nach § 123 VwGO habe keinen Erfolg, weil nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststehe, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung habe. Die Ausreisepflicht sei vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG). § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG stehe nicht entgegen. Die Antragsgegnerin habe eine Rückkehrentscheidung, hier die Abschiebungsanordnung erlassen können, weil das persönliche Verhalten eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Der Antragsteller sei wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden. Die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise sei nicht erforderlich (§ 59 Abs. 5 i.V.m. § 59 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). Tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse seien nicht erkennbar. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abgelehnt worden. Selbst ein laufendes Verfahren stelle keinen Duldungsgrund dar.
Im Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2018 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn nach Gambia abzuschieben, sowie aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu unterlassen und ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Der Antrag nach § 123 VwGO sei zulässig und begründet. Die unter Nr. 2 des Bescheids vom 15. Dezember 2017 verfügte Abschiebungsanordnung sei rechtswidrig. Der Antragsteller gehe davon aus, dass es sich dabei um eine Abschiebungsandrohung handle. Die Abschiebungsandrohung verstoße gegen § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Unter Verletzung unionsrechtlicher Vorgaben habe die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht zur Ausreise nach Italien aufgefordert und Italien nicht als Zielstaat in der Abschiebungsandrohung genannt. Aus Art. 6 Abs. 2 RL 2008/115/EG ergebe sich eindeutig ein Stufenverhältnis Ausreiseaufforderung – Nichtbefolgung – Rückkehrentscheidung. Eine solche Ausreiseaufforderung habe die Antragsgegnerin nicht erlassen. Der Bescheid vom 15. Dezember 2017 könne insoweit nicht umgedeutet werden, weil er Italien nicht als Zielstaat enthalte. Es sei auch kein Ausnahmefall nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RL 2008/115/EG gegeben. Eine sofortige Ausreise sei nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit geboten. Der Begriff der öffentlichen Ordnung sei nach Unionsrecht auszulegen. Von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, könne beim Antragsteller nicht ausgegangen werden. Die Art und die Menge der bei ihm aufgefundenen Drogen hätten berücksichtigt werden müssen. Auch ein Grundinteresse der Gesellschaft sei nicht berührt. Wegen der angeblichen rechtswidrigen Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen sei lediglich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das noch nicht abgeschlossen sei. Von einer illegalen Einreise sei bislang noch nicht einmal die Antragsgegnerin ausgegangen. Die Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei frühestens mit Erlass des Bescheids vom 15. Dezember 2017 erloschen. Im Übrigen habe der Antragsteller einen Asylfolgeantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller sei in die Drogengeschäfte in H. fest eingebunden gewesen. Die Aufnahme des Betäubungsmittelhandels sei aus finanziellen Gründen erfolgt. Der Besitz und der Handel von Betäubungsmittel sei strafbar, dies gelte auch für Cannabis. Eine Einstellung nach § 29 Abs. 5 BtMG sei nicht erfolgt. Der Strafbefehl wegen des unberechtigten Bezugs von Sozialhilfeleistungen gehe dem Antragssteller in den nächsten Tagen zu. Er habe bereits kurz nach seiner Einreise beim Sozialamt vorgesprochen, so dass die Voraussetzungen des Art. 21 SDÜ bei seiner Einreise nicht erfüllt gewesen seien. Der Asylfolgeantrag sei inzwischen abgelehnt.
II.
Die Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren 10 CS 18.350 dargelegten Gründe, die der Senat ausschließlich prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung der Nr. 1 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar 2018 (1.). Die Beschwerde gegen Nr. 4 des Beschlusses (10 C 18.351) ist ebenfalls unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren M 12 S 18.476 zu Recht abgelehnt hat (2.). Ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren besteht nicht (3.).
1. Im Beschwerdeverfahren 10 CS 18.350 verfolgt der Antragsteller nur noch seinen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung, nicht aber den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO weiter.
Insoweit ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers aus der Haft heraus nicht gegen § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verstößt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich bei Nr. 2 des Bescheids vom 15. Dezember 2017 nicht um eine Abschiebungsandrohung, sondern um die Ankündigung der Abschiebung nach § 59 Abs. 5 i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG (Abschiebungsanordnung), weil der Antragsteller aufgrund seiner Inhaftierung ohnehin keine Möglichkeit hat, innerhalb einer bestimmten Frist freiwillig auszureisen. Die Regelung in § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist mit Art. 7 Abs. 4 RL 2008/115/EG vereinbar (BayVGH, B.v. 12.12.2016 – 10 C 16.2176 – juris Rn. 8; VGH BW, U.v. 29.3.2017 – 11 S 2029/16 – juris Rn. 4).
Seinem Wortlaut nach bezieht sich § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur auf die Ausreisepflicht (vgl. OVG NRW, B.v. 25.8.2016 – 18 B 635/14 – juris Rn. 14), so dass die Anwendung dieser Vorschrift auf eine Fallkonstellation, in der eine freiwillige Ausreise nicht möglich ist, ins Leere geht. Andererseits sieht Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RL 2008/115/EG vor, dass illegal in einem Mitgliedstaat aufhältige Drittstaatsangehörige vor Erlass der Rückkehrentscheidung zu verpflichten sind, sich in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu begeben, ohne danach zu differenzieren, ob überhaupt eine freiwillige Ausreise möglich ist. Die Rückkehrentscheidung ist vorliegend in der Ankündigung der Abschiebung ohne Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise zu sehen.
Ob sich der in Abschiebehaft befindliche Ausländer überhaupt auf die Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG berufen kann, kann offen bleiben, weil sowohl Art. 7 Abs. 4 als auch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RL 2008/115/EG jeweils eine Ausnahme vom Erfordernis der Frist für die Gewährung einer freiwilligen Ausreise bzw. von der Verpflichtung zur Aufforderung, sich in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu begeben (§ 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) zulassen, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt bzw. seine sofortige Ausreise (ohne die Verpflichtung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) geboten ist.
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Januar 2018 (C-240/17, juris Rn. 45) zu Recht angenommen, dass der Antragsteller nicht in die Lage versetzt werden muss, in den Mitgliedstaat, über dessen Aufenthaltstitel er verfügt, auszureisen, weil er die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RL 208/115/EG) und daher unmittelbar aus der Haft in sein Heimatland abgeschoben werden darf. Dabei hat das Verwaltungsgericht – wie auch der Antragsteller einräumt – den zutreffenden unionsrechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Gründe der öffentlichen Ordnung i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RL 2008/115/EG sind gegeben, wenn außer der Störung der sozialen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, U.v. 15.2.2016 – C-601/15 PPU – juris Rn. 65 m.w.N.). Allerdings steht es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin frei, nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung erfordert (EuGH, U.v. 11.6.2015 – C-554/13 – juris Rn. 48). Die öffentliche Ordnung kann dabei den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedsstaat als grundlegend für sein eigenes Wertesystem ansieht. Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller durch sein persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung erheblich gefährdet. Er hat mit Drogen gehandelt. Nicht maßgeblich ist insoweit, dass es sich hierbei „nur“ um Marihuana gehandelt hat und die Menge gering war. Denn die Drogen waren nicht zum Eigenverbrauch bestimmt, der Antragsteller wollte damit Einnahmen erzielen. Drogenhandel ist, auch wenn er sich nur auf weiche Drogen bezieht, strafbar. Der Gesetzgeber geht nach wie vor davon aus, dass auch der Konsum weicher Drogen gesundheitsgefährdend ist, so dass durch Drogenhandel ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt wird. Zu berücksichtigen sind bei der Bewertung, ob der Antragsteller durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung gefährdet, auch sein „Vorleben“ und die Umstände, die zu seiner Inhaftierung geführt haben. Bei der Stellung des Asylantrags hat er die Behörden über seine Identität (falsches Geburtsdatum) getäuscht. Er hat dadurch unberechtigt Jugendhilfeleistungen in nicht geringer Höhe bezogen. Auch hat er verschwiegen, dass er bereits in Italien ein Asylverfahren durchgeführt hat und einen gambischen Nationalpass und einen italienischen Ausweis besitzt. Er hielt sich nach seiner „Wiedereinreise“ illegal im Bundesgebiet auf. Seinen gambischen Nationalpass hält er versteckt. Die Wertung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei nicht gewillt, sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten, und daher eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, ist angesichts seines bisherigen Verhaltens nachvollziehbar.
Unabhängig davon teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller am 20. August 2017 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist (und damit den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erfüllt hat), weil er sich bei der Einreise nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels befand (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Nach Art. 21 Abs. 2a i.V.m. Art. 21 Abs. 1 SDÜ ist eine Einreise mit einem von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik nur dann erlaubt i.S.v. § 14 Abs. 1 AufenthG, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt i.S.v. Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerichtet ist. Dies folgt aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ, der ein Kurzaufenthaltsrecht für Drittausländer in anderen Mitgliedstaaten nur unter dem Vorbehalt gewährt, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen u.a. die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex – SGK -) aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Maßgeblich ist ein geplanter Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Plant der Drittstaater bei der Einreise indes einen längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik, bedarf es bereits zu diesem Zeitpunkt wegen der beabsichtigten Überschreitung des in Art. 21 Abs. 1 SDÜ vorgegebenen zeitlichen Rahmens eines nationalen Visums für einen längerfristigen Aufenthalt in der Bundesrepublik (HessVGH, B.v. 4.6.2014 – 3 B 785/14 – juris Rn. 7; allgemein zum visumfreien Kurzaufenthalt: HessVGH, B.v. 20.10.2016 – 7 B 2114/168 – juris). Wie die Stellung des Asylantrags im Jahr 2015 sowie der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen Daueraufenthalt vom 19. September 2017 zeigen, kam es dem Antragsteller von vornherein darauf an, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten. Hätte er vorgehabt, die Bundesrepublik wieder zu verlassen, hätte er dies jederzeit nach dem 21. September 2017 tun können, da er ab diesem Zeitpunkt wieder im Besitz seines Passes und des italienischen Aufenthaltstitels war. Auch hatte er bei seiner Einreise nicht die für einen Kurzaufenthalts notwendigen finanziellen Mittel bei sich, weil er bereits kurz nach seiner Einreise Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen wollte.
Unabhängig davon hat die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass der Abschiebungsanordnung aufgefordert, nach Italien auszureisen. Bei einer Vorsprache am 21. September 2017 wurden ihm sein Pass, der italienische Ausweis und der permesso di soggiorno ausgehändigt. Er wurde aufgefordert, die Bundesrepublik bis 17. November 2017 zu verlassen (Bl. 318 der Akten der Antragsgegnerin). Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen.
Art. 12 Dublin III-VO ist nicht einschlägig, da es vorliegend nicht um die Prüfung der Zuständigkeit für einen vom Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz geht, sondern um die Beendigung eines illegalen Aufenthalts, nachdem bereits in Italien und in der Bundesrepublik über entsprechende Anträge des Antragstellers entschieden worden ist.
2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO für das Antragsverfahren sind nicht gegeben. Prozesskostenhilfe erhält derjenige, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Insoweit ist das Verwaltungsgericht aus den im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2018 dargelegten Gründen zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 bzw. § 123 VwGO keinen Erfolg haben wird.
Tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse bestehen nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts nach § 25 Abs. 5 AufenthG liegen offensichtlich nicht vor. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse in Bezug auf Gambia scheiden ausweislich des Bescheids des Bundesamtes vom 10. Juli 2017 aus.
Den Asylfolgeantrag des Antragstellers hat das Bundesamt mit Bescheid vom 9. Februar 2018 als unzulässig abgelehnt. Die entsprechende Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG liegt vor. Die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids an den Antragsteller ist nicht Voraussetzung einer Abschiebung (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 10 ZB 16.877 – juris Rn. 8).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller bereits aufgrund des Bescheids des Bundesamts vom 10. Juli 2017 vollziehbar ausreisepflichtig ist. Es spricht vieles dafür, dass er der Ausreisaufforderung aus diesem Bescheid nicht nachgekommen ist. Seine Ausreisepflicht erfüllt ein Ausländer nicht schon dann, wenn er nur zum Schein ausreist oder bereits kurzfristig nach der Ausreise wieder einreist (BVerwG, B.v. 20.6.1990 – 1 B 80.89 – juris Rn. 3). Einen Nachweis dafür, dass er nach Bekanntgabe des Bescheids des Bundesamts ausgereist ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder nach Italien verlegt hat, hat der Antragsteller nicht erbracht. Er wurde bereits am 20. August 2017 am Grenzübergang Lindau aufgegriffen. Auch nach Ablehnung des inzwischen gestellten Asylfolgeantrags mit Bescheid vom 9. Februar 2018 bleibt die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 10. Juli 2017 vollziehbar.
3. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren liegen nicht vor, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung für die Beschwerdeverfahren 10 CS 18.350 und 10 C 18.351 folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Kostenentscheidung für das Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es nicht, da weder Gerichtkosten anfallen noch Kosten erstattet werden können (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 CS 18.350 beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 C 18.351 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).