Verwaltungsrecht

Abschiebungsverbot für afghanische Asylbewerber nach § 60 Abs. 7 AufenthG aus medizinischen Gründen

Aktenzeichen  W 1 K 16.30614

Datum:
5.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3b Abs. 1 Nr. 2, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 6

 

Leitsatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des BayVGH ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Anbindung mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Trotz der allgemein schlechten Versorgungslage in Afghanistan wäre der Betroffene in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (stRspr, VGH München BeckRS 2016, 47776). (red. LS Clemens Kurzidem)
Eine extreme Gefahrenlage nach § 70 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich für besonders schutzbedürftige Rückkehrer nach Afghanistan wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben. Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können. (red. LS Clemens Kurzidem)
Eine 61 Jahre alte afghanische Staatsangehörige der religiösen Minderheit der Hindus, die an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis, Hypertonie) leidet, die einen sehr geschwächten Eindruck macht und sich beim Gehen auf einen Rollator stützen muss, besitzt aufgrund ihrer sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft keine Möglichkeit, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Sie ist daher bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefährdungslage ausgesetzt. (red. LS Clemens Kurzidem)
Ein durch ärztliches Attest nachgewiesenes cerebrale Anfallsleiden (Epilepsie) stellt eine schwerwiegende Erkrankung iSd § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG dar, die ein zwei- bis dreifach höheres relatives Sterblichkeitsrisiko gegenüber der nicht erkrankten Vergleichsbevölkerung aufweist. Durch eine Abschiebung nach Afghanistan würde sich die Erkrankung wesentlich verschlechtern, insbesondere wenn die erforderliche Medikation für den Betroffenen auch mit Unterstützung des Familienverbands nicht finanzierbar ist. (red. LS Clemens Kurzidem)
Hindus unterliegen in Afghanistan keiner Gruppenverfolgung (wie VGH Mannheim BeckRS 2013, 58669). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei den Klägern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 24. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 24. Juli 2012 rechtmäßig. Die Kläger haben weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
A. I.
Die Kläger haben Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v. 4.6.1996 – NVwZ-Beilage 11/1996, 89 f., juris). Insoweit lässt sich aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Grundsatz ableiten, dass ein Staat nicht durch seine Abschiebung dazu beitragen darf, den elementaren Anspruch eines jedes Menschen auf Menschenwürde und Leben zu beeinträchtigen. Jenseits des Extremfalles der Auslieferung eines Menschen in den sicheren Tod und in die Gefahr schwerster Verletzungen besteht aber keine verfassungsrechtlich begründbare Garantenpflicht für die im Ausland als Folge der dort bestehenden sozialen, politischen oder ökonomischen Verhältnisse drohenden Gefahren für Leib und Leben (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 187).
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG, B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris Rn. 4, 6; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m. w. N.; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 3.3.2016 – 13a A 1828/09 A – juris Rn. 73 m. w. N.; Sächs. OVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; Nds. OVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris). Für eine Neubewertung der Lage in Afghanistan geben auch die jüngsten Berichte u. a. des UNHCR (Eligibility Guidelines vom 19. April 2016), des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 6. November 2015) sowie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 13. September 2015) derzeit keinen Anlass (vgl. etwa BayVGH, B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris Rn. 6).
b) Die Kläger im vorliegenden Verfahren können jedoch aufgrund ihrer persönlichen Umstände gerade nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zugerechnet werden. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München, U.v. 21.4.2016 – M 15 K 16.30413 – juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 – 5 a K 4515/13.A – juris Rn. 40 m. w. N.; VG Augsburg, U.v. 13.3.2012 – Au 6 K 11.30402 – juris Rn. 28).
Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 6. November 2015 fest, dass die humanitäre Situation weiterhin schwierig bleibe. Neben der Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern und Binnenvertriebenen stelle vor allem die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten das Land vor große Herausforderungen. Rückkehrer nach Afghanistan könnten auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer langjährigen Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehrten und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlten. Wie alle Afghanen sähen sie sich mit unzureichenden wirtschaftlichen Perspektiven und geringen Arbeitsmarktchancen konfrontiert, die eine Wiedereingliederung erschweren könnten. Afghanistan sei nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belege Afghanistan in 2015 nur Platz 169 von 187 im Human Development Index. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich zur Verfügung zu stellen, gerieten dadurch zusätzlich unter Druck. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung für das Land. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß in verstärktem Maße gelte. Aktuell liege die Lebenserwartung in Afghanistan bei ca. 50 Jahren.
Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom 13. September 2015 mit, dass Afghanistan weiterhin eines der weltweit ärmsten Länder bleibe. Rund 36% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Weite Teile der Bevölkerung hätten aufgrund des Konflikts nur einen eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheit und Arbeit. Die Arbeitslosenrate betrage bis zu 50% und Unterbeschäftigung sei weit verbreitet. Jedes Jahr gelangten weitere ca. 500.000 junge Personen auf den Arbeitsmarkt. Die Mehrheit verfüge nur über eine unzureichende Qualifikation. Die Analphabetenrate sei nach wie vor sehr hoch. Vor allem in Kabul gehöre die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Die Situation für Rückkehrende bleibe weiterhin schwierig. Der Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und anderen Dienstleistungen sei teilweise erschwert. Aufgrund der fehlenden Netzwerke sei es äußerst schwierig, eine Verdienstmöglichkeit und eine Unterkunft zu finden. Die Unterstützung durch Hilfswerke mit Nahrungsmitteln oder Bargeld habe eher symbolischen Wert. Während der afghanische Staat kaum in der Lage sei, die Rückkehrenden wirksam zu unterstützen, könnten auch die humanitären Organisationen aufgrund der zurückgehenden finanziellen Mittel diese Rolle immer weniger erfüllen.
Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom 19. April 2016, dass sich infolge der wachsenden Gewalt und Unsicherheit über die Zukunft die wirtschaftliche Situation verschlechtert und das ökonomische Wachstum von 2014 auf 2015 verlangsamt habe. Die Arbeitslosigkeit liege inzwischen bei 40%. Beobachter erwarteten, dass die Zahl der Menschen, die humanitärer Unterstützung bedürften, in 2016 ansteigen werde. 8,1 Millionen Menschen – bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 27 Millionen – seien Ende 2015 von humanitärer Unterstützung abhängig gewesen. 35,8% der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. Nur 46% der Bevölkerung habe Zugang zu Trinkwasser. Afghanistan belege Platz 171 von 188 Staaten im UN Human Development Index. Der UNHCR stellt weiterhin fest, dass die einzige Gruppe von Rückkehrern, die nicht von externer Unterstützung abhängig sei, körperlich leistungsfähige Männer und Paare im arbeitsfähigen Alter ohne erkennbare sonstige Beeinträchtigungen sei. Diesem Personenkreis sei es unter bestimmten Umständen möglich, unabhängig von familiärer Unterstützung in Gebieten, die unter effektiver Kontrolle der Regierung stünden und die die notwendige Infrastruktur und Wohnmöglichkeiten aufwiesen, zu leben.
c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BVR 586/13 – juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 – 9 C 8.91 – juris; VG München, U.v. 21.4.2016 – M 15 K 16.30413 – juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 – 5 a K 4515/13 A – juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der beiden verheirateten Kläger im hiesigen Verfahren mit ihrer Tochter, der Klägerin im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30615, zugrunde zu legen ist.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Kläger derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.
Bezogen auf den Kläger zu 1) ergibt sich dies insbesondere bereits aus dem hohen Alter des Klägers, der mittlerweile 70 Jahre alt ist und damit die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn – wie es in Afghanistan vielfach üblich ist – auch für seine Familie, mit der er nach dem oben Ausgeführten gemeinsam nach Afghanistan zurückkehren würde, zu erwirtschaften. Zwar hat der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Kläger augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Kläger zu 1) Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH vom 7.10.2010, S. 9). Hierbei könnte der Kläger im Wettbewerb mit der großen Zahl an jungen und körperlich weit überlegenen Männern, die alljährlich auf den afghanischen Arbeitsmarkt drängen, nicht mehr bestehen, so dass es für ihn keine Aussicht gäbe, auch nur eine derartige Hilfsarbeitsmöglichkeit zu erlangen. In seinem ursprünglichen Beruf als Fotograf hat der Kläger zuletzt bereits in Afghanistan nicht mehr gearbeitet, nachdem die Familie von Ghazni nach Kabul verzogen war, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Das Gericht sieht keine Möglichkeit, dass er an diese Tätigkeit nach seiner Rückkehr – ganz abgesehen von seinem dem entgegenstehenden hohen Alter – noch einmal anknüpfen könnte, zumal er gänzlich vermögenslos ist (s.u.) und nicht mehr über eine entsprechende Ausrüstung verfügt, um diesbezüglich tätig zu werden.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Der Kläger hat insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Kläger zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat – nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren – keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Klägerin zu 2) hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.
Auch verfügt der Kläger zu 1) weder hier in Deutschland noch in Afghanistan über Vermögen. Er hat insofern auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar vorgetragen, dass er insbesondere seinen Grundbesitz in der Stadt Ghazni seinerzeit verkauft habe, um die Flucht der Familie zu finanzieren, was sich insoweit auch mit seinen Angaben vor dem Bundesamt deckt.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation des Klägers über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehöriger einer kleinen Minderheit könnte der Kläger nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.
Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Kläger zu 1) bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der sein Leben akut in Gefahr wäre.
Dasselbe gilt für die Klägerin zu 2). Auch sie ist bereits 61 Jahre alt, Angehörige der religiösen Minderheit der Hindus und leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Auch die Klägerin zu 2) machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Klägerin zu 2) verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Darüber hinaus ist bei der Klägerin zu 2) zu bedenken, dass sie – zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft – zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Klägerin zu 2) ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach dem klägerischen Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Klägerin zu 2) und damit den der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus verteuern und stützen damit zusätzlich die Erkenntnis, dass sich für die Klägerin zu 2), aber auch den Kläger zu 1), alsbald nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine extreme Gefahr für Leib und Leben ergeben würde.
Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Tochter der Kläger, die Klägerin im Parallelverfahren W 1 K 16.30615. Auch wenn diese – wie oben dargelegt – gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so wäre sie doch allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, für ihren Unterhalt, geschweige denn den gesamten Familie, zu sorgen. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Sie wäre – abgesehen von den obigen Ausführungen – keinesfalls in der Lage, in dem harten Verdrängungswettbewerb mit jungen Männern um die einfachen und körperlich anstrengenden Hilfsarbeiten zu konkurrieren. Darüber hinaus gehört auch die Tochter der in Afghanistan von Ausgrenzung betroffenen religiösen Minderheit der Hindus an.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Kläger landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.
2. Bei der Klägerin zu 2) ergibt sich darüber hinaus eine nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG relevante individuelle Gefahr aus dem cerebralen Anfallsleiden (Epilepsie), an dem diese nach den von der Klägerseite vorgelegten medizinischen Attesten und Unterlagen leidet.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich aus gesundheitlichen Gründen ergeben – dies allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, weil die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat wegen des geringen Versorgungsstandards generell unzureichend oder nicht verfügbar sind (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NVwZ 2007, 12 ff.). Es ist dabei allerdings nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist, § 60 Abs. 7 S. 3 und 4 AufenthG. Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich im Einzelfall aber daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung mit Blick auf die konkrete Situation des Betroffenen tatsächlich nicht erlangen kann, z. B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl. 2003, 463).
Das cerebrale Anfallsleiden (Epilepsie) der Klägerin zu 2), von dessen Vorhandensein das Gericht aufgrund der vorliegenden ärztlichen Atteste, insbesondere über die stationäre Behandlung im B. Krankenhaus in Hamburg vom 28. bis 30. Juni 2011 sowie ärztlicher Atteste des Dr. P., zuletzt vom 20. Juni 2016, überzeugt ist, stellt eine schwerwiegende Erkrankung i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar. So haben Menschen mit Epilepsien ein zwei- bis dreifach höheres relatives Sterblichkeitsrisiko gegenüber der nicht erkrankten Vergleichsbevölkerung. Auch besteht vor allem im Zusammenhang mit den charakteristischen Krampfanfällen ein hohes Verletzungsrisiko sowie das Risiko einer zunehmenden Schädigung des Gehirns (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Epilepsie). Das Gericht ist darüber hinaus der Überzeugung, dass sich die Erkrankung durch die Abschiebung nach Afghanistan wesentlich verschlechtern würde. Zwar ist – wie die Beklagte zu Recht eingewandt hat – eine Epilepsie in Afghanistan grundsätzlich behandelbar, was die Klägerin für ihre eigene Person auch vor dem Bundesamt bestätigt hat. Allerdings geht das Gericht davon aus, dass die erforderliche Medikation für die Klägerin nicht finanzierbar ist – auch nicht mit Unterstützung durch ihren Familienverband, in dem sie nach Afghanistan zurückkehren würde, s.o. Eine medikamentöse Therapie ohne zeitliche Begrenzung hat bereits das B. Krankenhaus in H. am 30. Juni 2011 empfohlen. Eine solche Dauermedikation ist bei Epilepsie von herausragender Bedeutung, um den gefahrenträchtigen epileptischen Anfällen möglichst vorzubeugen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Epilepsie). Laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 ist das staatliche Gesundheitssystem in Afghanistan nach der Verfassung zwar kostenfrei, die Patienten müssen jedoch de facto erforderliche Medikamente in aller Regel selbst beschaffen. Davon geht auch die Beklagte im angegriffenen Bescheid vom 24. Juli 2012 aus, aus dem sich unter Hinweis auf Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes ergibt, dass die Kosten für Medikamente, niedergelassene Ärzte und die Durchführung eines EEG selbst finanziert werden müssten. Dies jedoch ist den Klägern nicht möglich. Wie oben ausführlich dargelegt, ist die Klägerin zu 2) bereits nicht – auch nicht gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter – in der Lage, ihren allgemeinen Lebensunterhalt in Afghanistan zu finanzieren. Verteuert sich dieser durch die zusätzlich erforderliche Beschaffung von Medikamenten und die Finanzierung von Arztbesuchen, so erscheint dies erst recht gänzlich ausgeschlossen, so dass der Klägerin zu 2) auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen ihrer Epilepsie zur Seite steht.
Die im ärztlichen Attest vom 20. Juni 2016 genannten anderweitigen Erkrankungen stellen zur Überzeugung des Gerichts keine schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen dar. Es handelt sich hierbei um weit verbreitete „Volkskrankheiten“ und natürliche Alterungserscheinungen (chronische Bronchitis, Hypertonie, Helicobacter positive Gastritis, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Retropatellararthrose, Arthrosen der rechten Hand), für deren wesentliche Verschlechterung im Heimatland weder etwas vorgetragen noch anderweitig ersichtlich ist.
II.
Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. – soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht – aufzuheben war.
B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihnen im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Dies zugrunde gelegt haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 24. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.
Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 – A 11 S 689/13 – juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.
So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 – A 11 S 689/13 – juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden – auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindus, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, können die Kläger nicht geltend machen.
Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 – C – 71/11 und C – 99/11 – BayVBl. 2013, 234, Rn. 57 ff.) sowie der deutschen Rechtsprechung (BVerwG v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 21 ff.; VGH BW v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 41 ff.; OVG NRW v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 23 ff.), der sich das erkennende Gericht anschließt, auch in einer schwerwiegenden Verletzung des in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Rechtes auf Religionsfreiheit liegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (EuGH a. a. O. Rn. 59). Die „erhebliche Beeinträchtigung“ muss nicht schon eingetreten sein, es genügt bereits, dass ein derartiger Eingriff unmittelbar droht (BVerwG a. a. O. Rn. 21). Zur Qualifizierung eines Eingriffs in das Recht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta als „erheblich“ kommt es nicht auf die im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sowie § 51 Abs. 1 AuslG 1990 maßgebliche Unterscheidung an, ob in den Kernbereich der Religionsfreiheit, das „religiöse Existenzminimum“ (forum internum) eingegriffen wird oder ob die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit (forum externum) betroffen ist (vgl. BVerwG v. 20.1.2004 – 1 C 9/03 – BverwGE 120,16/20 f., juris Rn. 12 ff. m. w. N.). Vielmehr kann ein gravierender Eingriff in die Freiheit, den Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, ebenso zur Annahme einer Verfolgung führen wie ein Eingriff in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH a. a. O. Rn. 62 f; BVerwG a.a.O Rn. 24 ff.; VGH BW a. a. O. Rn. 43; OVG NRW a. a. O. Rn. 29 ff.). Für die Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ist daher abzustellen auf die Art der Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (EuGH a. a. O. Rn. 65 ff.), mithin auf die Schwere der Maßnahmen und Sanktionen, die dem Ausländer drohen (BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere – aber nicht nur – dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG v. 9.12.2010 – 10 C 19.09 – BverwGE 138, 270 Rn. 43). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist (BVerwG v. 20.2.2013 a. a. O. Rn. 29). Dieser Maßstab setzt nicht voraus, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste (BVerwG a. a. O. Rn. 30). Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmemitgliedsstaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben auszuüben oder hierauf zu verzichten (BVerwG a. a. O.; VGH BW a. a. O. Rn. 49).
a) Die vom Kläger zu 1) vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
Der Kläger zu 1) hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass es – als er noch in Ghazni gelebt habe – öfters vorgekommen sei, dass er als Hindu beschimpft und bespuckt worden sei. Als er einmal Geld verliehen und es nicht zurück erhalten habe, sei er zur Polizei gegangen, die ihn aber nicht einmal angehört habe. Dies bringt er mit seiner Glaubenszugehörigkeit in Verbindung. Auch hätten sie immer Angst gehabt, wenn sie tagsüber die Tempel in Kabul besucht hätten. Dieser Teil seiner Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Handlungen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen und Bespucken sowie das Versagen von Rechtshilfe durch die Polizei im Falle einer Darlehensrückforderung weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre des Klägers zu 1) ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt – abgesehen von der fehlenden Unterstützung durch die Polizei, bei der es sich offensichtlich ohnehin um einen Einzelfall handelte – aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber dem Kläger, der insoweit angegeben hat, dass das Beschimpfen und Bespucken „öfters“ geschehen sei. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. So konnte der Kläger etwa – wie zur Überzeugung des Gerichts feststeht, s.u. – in Kabul bis zur Ausreise einer Arbeit nachgehen und seine Familie ernähren. Ebenso konnte er den Hindutempel aufsuchen, auch wenn dies mit Ängsten verbunden gewesen sein mag.
Soweit der Kläger zu 1) darüber hinaus weiterreichende Verfolgungshandlungen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihm diese nicht geglaubt werden. Der Kläger zu 1) hat nämlich bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere aber auch schriftsätzlich (eingereicht als Anlage zum Schriftsatz seines Klägerbevollmächtigten vom 24. Juni 2016), erhebliche Steigerungen seines diesbezüglichen Vortrages vorgenommen, welche zur Überzeugung des Gerichts erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben hervorrufen (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Der Kläger hat vielmehr alle wesentlichen Umstände seiner Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). So hat der Kläger zu 1) in seinem schriftsätzlichen Vortrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung und fast 5 Jahre nach seiner Einreise nach Deutschland erstmals erwähnt, dass er während seiner Aufenthaltszeit in Kabul mehrmals geschlagen worden sei. Es habe auch Tage gegeben, an denen die Muslime ihn auf offener Straße mit dem Messer bedroht hätten, damit er zum Islam konvertiere. Es sei die Drohung ausgesprochen worden, dass er und seine Familie getötet würden, falls sie nicht konvertierten. Damit hat der Kläger für die Einschätzung seiner Bedrohungssituation wesentliche Punkte seines Schutzbegehrens erst sehr spät im gerichtlichen Verfahren vorgebracht und damit sein bisheriges Vorbringen wesentlich gesteigert. Dies alles führt zur Überzeugung des Gerichts dazu, dass sein Vortrag in diesen Teilen nicht glaubhaft ist, zumal der Kläger auch auf Vorhalt durch den Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung diese Steigerungen nicht nachvollziehbar erklären konnte. Der Hinweis des Klägers zu 1) darauf, dass er vor dem Bundesamt nur das vorgetragen habe, was er auch gefragt worden sei, und die Fragen nicht sehr ausführlich gewesen seien, geht nach Auffassung des Gerichts fehl, da der Kläger auf die ausdrückliche Frage des Anhörenden vor dem Bundesamt, ob er in Kabul aufgrund seiner hinduistischen Glaubenszugehörigkeit irgendwelche Probleme gehabt habe, klar mit „Nein“ geantwortet hat. Zum Ende der Anhörung hat er zudem bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe.
Zudem stehen weitere Teile seines Vortrags zu einer angeblichen religiösen Verfolgung auch in Widerspruch zum insoweit getätigten früheren Vortrag. So hat der Kläger zu 1) schriftsätzlich unter dem 24. Juni 2016 vorgetragen, dass sich die Familie aus Angst nicht getraut habe, in den Tempel zu gehen. Sie hätten nicht einmal beten und ihre Feste feiern können. Darüber hinaus habe er in Kabul nicht arbeiten können, weil sonst seine Familie alleine gewesen sei. Ohne Arbeit habe er aber seine Familie nicht versorgen können. Vor dem Bundesamt hat der Kläger im Widerspruch hierzu auf Nachfrage eindeutig erklärt, dass er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gearbeitet habe. Er berichtete ebenso darüber, dass sie die Tempel tagsüber besucht hätten, auch wenn sie dabei Angst gehabt hätten. In der mündlichen Verhandlung wiederum gibt der Kläger zu 1) auf Befragen des Gerichts an, dass er in Kabul seine Familie finanziell über Wasser gehalten habe, indem er in verschiedenen Geschäften gearbeitet habe. Auch seine Tochter, die Klägerin im Verfahren W 1 K 16.30615, hat auf Befragen des Gerichts angegeben, dass ihr Vater stets gearbeitet habe, um die Familie zu ernähren.
Abschließend kann dem Kläger auch nicht geglaubt werden, wenn er behauptet, dass eine muslimische Familie versucht habe, seine Tochter bzw. beide Töchter mit deren Sohn zwangsweise zu verheiraten. Dies ist schon aus dem Grunde unglaubhaft, weil die muslimische Mehrheitsbevölkerung die Hindus als Ungläubige betrachtet und diese diskriminiert, so dass es schlicht abwegig erscheint, dass ausgerechnet eine Zwangsverheiratung mit der Tochter einer Hindufamilie in Betracht gezogen wird. Auf einen entsprechenden Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger zu 1) keine sinnvolle Erklärung hierzu abgeben. Er flüchtete sich vielmehr in Allgemeinplätze, indem er erklärte, die Hindus seien als Minderheit stets unterdrückt und von anderen Bevölkerungsgruppen ausgenutzt worden. Eine Zwangsverheiratung seiner Töchter aus religiösen Gründen kann dem Kläger nicht abgenommen werden.
Das Gericht ist nach alledem zusammenfassend der Überzeugung, dass der gesamte Vortrag des Klägers zu 1) zu auf seiner Religion beruhenden Verfolgungshandlungen, soweit sie über die – als glaubhaft eingestuften – Angaben vor dem Bundesamt hinausgehen, aufgrund nicht erklärbarer Steigerungen sowie zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten unglaubhaft ist. Bezeichnenderweise erklärt der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung auf die Frage seines Bevollmächtigten, welche Verfolgungsmaßnahmen er konkret in Kabul erlitten habe auch nur, sie seien immer wieder gefragt worden, woher sie kämen und was sie denn hier machten. Darüber hinaus seien sie nach Geld und Essen gefragt und allgemein ausgenutzt worden, was – am Rande bemerkt – wiederum jedenfalls in keiner Weise den erforderlichen Schweregrad einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 Asyl erreicht.
b) Auch die Klägerin zu 2) hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG aus begründeter Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen.
Im Hinblick hierauf hat die Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt vorgetragen, dass sie in Kabul auf der Straße beschimpft, beleidigt und bespuckt worden sei, weil sie Hindu sei. Dies sei ihr ein- oder zweimal selbst passiert. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin auf Frage des Gerichts zu einer religiösen Verfolgung in Afghanistan, sie hätten immer Angst gehabt aus der Wohnung zu gehen. Sie seien dann immer gefragt worden, was sie hier überhaupt machten. Diesen Vortrag nimmt das Gericht der Klägerin als wahr und tatsächlich erlebt ab, zumal sich dieser auch mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage deckt und mit den Schilderungen ihres Ehemannes vor dem Bundesamt im Kern übereinstimmt. Wie allerdings bereits beim Kläger zu 1) ausgeführt erreicht das Erlittene nicht die Qualität, die § 3a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AsylG für relevante Verfolgungshandlungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fordern. Insofern wird auf die Ausführungen den Kläger zu 1) betreffend verwiesen.
Soweit die Klägerin zu Beginn ihrer informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, alles was ihr Ehemann gesagt habe, sei richtig gewesen und sie damit auf den erweiterten Vortrag ihres Ehemannes zur religiösen Verfolgung in der mündlichen Verhandlung sowie in der mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 24. Juni 2016 vorgelegten schriftlichen Stellungnahme abhebt, so sind diese Weiterungen als nicht nachvollziehbarer gesteigerter, mit Widersprüchen behafteter und letztlich nicht glaubhafter Vortrag einzustufen. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Ausführungen den Kläger zu 1) betreffend Bezug.
Sind die Kläger nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass den Klägern bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
3. Darüber hinaus ergibt sich für die Kläger auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen weiteren Tochter sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer Tochter K., der Klägerin im Verfahren W 1 K 16.30615, bzw. sogar der gesamten Familie.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt haben die Kläger dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit die Kläger jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen wollen, dass sie Hindus sind und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.
Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten weiteren Tochter der Kläger. Während der Kläger zu 1) vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von seiner Ehefrau und Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während wiederum die Tochter K., die Klägerin im Verfahren W 1 K 16.30615, den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte die Klägerin zu 2) bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Klägers zu 1) vom 24. Juni 2016 bezeichnet der Kläger zu 1) seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläutert der Kläger zu 1), es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem der Kläger zu 1) diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Kläger diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Tochter der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab die Tochter an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage am Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.
Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Kläger zu 1) vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten ein Schreiben des B.-Krankenhauses in Hamburg befindet, in dem die Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass die Klägerin kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Kläger zu 1) als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Tochter K. wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab die Tochter zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Klägerin zu 2) im vorliegenden Verfahren kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meint, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste – auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.
Zum Ablauf der Entführung hat der Kläger zu 1) vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Klägerin zu 2) erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Tochter K. schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Kläger zu 1) demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Kläger zu 1) nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Kläger die Entführer ins Haus gelassen haben oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Tochter K. bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Tochter und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.
Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Klägerin zu 2) diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Tochter K. hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.
Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Tochter bzw. Schwester noch in Ghazni verblieben ist. Der Kläger zu 1) sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Klägerin zu 2) sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Tochter K. erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.
Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Tochter K. und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Töchter bzw. der gesamten Familie in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Kläger zu 1) hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Kläger zu 1) vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab der Kläger zu 1) erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein unerklärliches gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Kläger zu 1) nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen würde und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich seinem Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können dem Kläger zu 1) als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Klägerin zu 2) hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wird. Auch insoweit besteht bei der Klägerin zu 2) ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärt die Tochter K. vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführt, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.
All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der K. oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1) vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Ehefrau meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Kläger in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.
IV.
Die Kläger haben des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Den Klägern droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihnen ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C – 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m. w. N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d. h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m. w. N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a. a. O.; Hailbronner a. a. O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z. B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a. a. O., Rn. 24, 25).
Dass den Klägern insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Kläger aufgrund ihrer Religion beschimpft, beleidigt und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.
Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Kläger infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 – 13a B 11.30427 – juris Rn. 15 m. w. N.). Die Kläger stammen vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 – 13 ZB 15.30062 – juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 – 13a ZB 13.30246 – juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 – 13a B 12.30063 – juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 – 9 LB 98/13 – juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan – Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägern befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, dem hohen Alter und den Erkrankungen der Klägerin zu 2), ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus oder alte und kranke Menschen der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.
V.
Schließlich haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da den Klägern keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 – NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Kläger in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.
VI.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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