Verwaltungsrecht

Kein vorläufiges Bleiberecht nach der Verfahrensrichtlinie trotz fehlender Regelung über offensichtlich unbegründeten subsidiären Schutz

Aktenzeichen  AN 4 S 16.30702

Datum:
27.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36, § 75 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
RL 2013/32/EU Art. 32 Abs. 2, Art. 46 Abs. 5, Abs. 6
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Ein Asylantrag erweist sich dann gemäß § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Diese Qualifizierung eines Asylantrags ist dann gerechtfertigt, wenn im gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei dem festgestellten Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt. (red. LS Clemens Kurzidem)
Asylbewerber können die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU  Verfahrensrichtlinie) ableiten (wie VG Berlin BeckRS 2016, 47421; entgegen VG Münster BeckRS 2016, 43090), da der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU ordnungsgemäß umgesetzt hat und diese Norm darüber hinaus ihrem Inhalt nach keinen unbedingten Rechtsanspruch beinhaltet. (red. LS Clemens Kurzidem)
Der deutsche Gesetzgeber hat durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1, § 36 AsylG in Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit und der Möglichkeit des Eilrechtsschutzantrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 5 VwGO das Bleiberecht in zulässiger Weise nach Art. 46 Abs. 6 lit. a) Var. 1 der Verfahrensrichtlinie eingeschränkt (wie VG Berlin BeckRS 2016, 47421; entgegen VG Münster BeckRS 2016, 43090). (red. LS Clemens Kurzidem)
Da der Antrag auf internationalen Schutz nach Art. 2 lit. b) der Verfahrensrichtlinie grundsätzlich sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die Gewährung des subsidiären Schutzes umfasst, setzt eine im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 der RL 2013/32/EU stehende nationale Regelung voraus, dass der Antrag sowohl in Bezug auf die Flüchtlingsanerkennung als auch in Bezug auf den subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet betrachtet wird. § 30 Abs. 1 AsylG, der seinem Wortlaut nach subsidiären Schutz nicht umfasst, kann richtlinienkonform dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden darf, wenn auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (wie VG Berlin BeckRS 2016, 47421). (red. LS Clemens Kurzidem)
Ein Asylantragsteller kann ein Aufenthaltsrecht bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU ableiten, da diese Vorschrift nicht inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist (wie VG Hannover BeckRS 2016, 46265; entgegen VG Münster BeckRS 2016, 43090). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten der Verfahren. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für die einstweiligen Rechtsschutzverfahren werden abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller, armenische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer Religionszugehörigkeit, reisten nach Aktenlage am 25. September 2015 mit einem Kleinbus in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 14. Januar 2016 Asylanträge (Erstanträge).
Als Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts gaben die Antragsteller die Ukraine an. Dort hätten sie die letzten 19 Jahre gelebt. Die Antragstellerin zu 3) sei in der Ukraine geboren. Nach eigenen Angaben hätten die Antragsteller in der Ukraine ein Daueraufenthaltsrecht in Form einer Niederlassungserlaubnis erworben.
Im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. Februar 2016 trugen die Antragsteller zu 1) und 2) vor, ihr Heimatland Armenien bereits im Jahre 1997 in die Ukraine verlassen zu haben, weil es in Armenien keine Arbeit gegeben habe und Krieg in Berg-Karabach geherrscht habe. Neben gelegentlichen Streitigkeiten mit Nachbarn hätten sie darüber hinaus keine Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden gehabt. Andere Ausreisegründe habe es damals nicht gegeben. Seit 1997 hätten sie in der Ukraine gelebt und dort mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis erhalten. Außer dem Umstand, dass zwei erwachsene Söhne zum ukrainischen Militär eingezogen hätten werden sollen, sei für die Antragsteller auch in der Ukraine alles in Ordnung gewesen. Sie hätten gemeinsam eine kleine Landwirtschaft betrieben und hiermit ihren Lebensunterhalt bestritten. Außerdem habe der Antragsteller zu 1) in der Ukraine eine monatliche Rente von 1000 Dollar erhalten.
Auf Nachfrage erläuterte der Antragsteller zu 1), dass die Familie die Ukraine verlassen habe, weil er keine Kraft mehr zum Arbeiten gehabt habe und für ihn eine kostspielige Operation angestanden habe. Der Antragsteller zu 1) sei bereits seit 15 Jahren Diabetiker und sei seit zwei Jahren von der Dialyse abhängig. In der Ukraine sei der Weg zur Dialyse zuletzt aufgrund der Entfernung vom Wohnort nach … mit rund 100-130 km sehr beschwerlich gewesen. Außerdem habe der Antragsteller zu 1) Probleme mit dem Blutdruck und dem Herzen. Die notwendige Operation sei zwischenzeitlich in Deutschland durchgeführt worden.
Die Antragstellerin zu 2) leide zudem schon rund 18 Jahre unter psychischen Problemen. Die Antragsteller zu 1) und zu 2) seien wegen ihrer Erkrankungen in der Ukraine in Behandlung gewesen und hätten entsprechende Medikamente erhalten. Die Dialyse sei kostenlos gewesen. Für die Medikamente hätten sie allerdings selbst aufkommen müssen. Die Kosten hierfür hätten umgerechnet etwa 300 Dollar pro Monat betragen.
Für die Antragstellerin zu 3) wurden keine eigenen Gründe geltend gemacht.
Gemäß eines dem Bundesamt vorliegenden Kurzarztbriefs der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Schlaflabor des Klinikums … vom 26. Oktober 2015 sei bei der Antragstellerin zu 2) eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, aufgrund derer eine ambulante fachpsychiatrische Betreuung vorgeschlagen wurde. Bei dem Antragsteller zu 1) seien gemäß einer vorläufigen Entlassungsinformation des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 6. Oktober 2015 eine dialysepflichtige chronische Niereninsuffizienz, eine Shaldon-Katheter-Infektion, insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ 2 sowie eine arterielle Hypertonie diagnostiziert worden. Zur längerfristigen Dialyse sei ein Demers-Katheter angelegt worden.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2016, den Antragstellern zugestellt am 9. Juni 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anträge auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung zuvorderst in die Ukraine angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Für die Einzelheiten des Bescheids und dessen Begründung wird auf Blatt 89 bis 109 der Bundesamtsakte, Az. …, Bezug genommen.
Mit am 15. Juni 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums ließen die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigten unter dem Az.: AN 4 K 16.30703 Klagen erheben gerichtet auf Aufhebung des Bundesamtsbescheids vom 3. Juni 2016 und Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragsteller als Asylberechtigte anzuerkennen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise, das Offensichtlichkeitsurteil aufzuheben.
Die Antragsteller ließen ferner beantragen,
die aufschiebende Wirkung der erhobenen Hauptsacheklage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen sowie
der klagenden Partei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … für das Antrags- und Klageverfahren zu bewilligen.
Zur Begründung wurde Bezug genommen auf die bisherigen Angaben der Antragsteller. Ergänzend wurde vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) seit dem 23. Februar 2016 dreimal wöchentlich an ein Dialysegerät angeschlossen werde. Ein Abbruch der Behandlung sei tödlich. Eine adäquate Behandlung sei im Heimatland Armenien oder in der Ukraine nicht zugänglich, insbesondere – wenn überhaupt vorhanden – nicht finanzierbar. Für den Antragsteller zu 1) wurde ein ärztliches Attest des Nierenzentrums … vom 10. Juni 2016 sowie ein weiteres Schreiben des Nierenzentrums … vom 9. Juni 2016 eingereicht. Hiernach seien bei diesem eine chronische Nierenerkrankung 5d, Diabetes mellitus Typ 2, eine chronische Hepatitis C, pAVK der Unterschenkelgefäße ohne relevante Stenose, eine arterielle Hypertonie sowie eine Katerakt beidseits diagnostiziert worden. Der Antragsteller zu 1) werde aufgrund des chronischen Nierenversagens seit dem 23. Februar 2016 dreimal wöchentlich mit der für ihn überlebensnotwendigen Dialyse behandelt. Die Antragstellerin zu 2) leide an einer Schizophrenie. Die Antragsteller zu 1) und 2) seien somit auf die Hilfe von Familienangehörigen, im konkreten Fall auf die Hilfe ihrer Tochter, angewiesen, um die Verrichtungen des täglichen Lebens in ausreichendem Maße vornehmen zu können.
Die Anfechtungsklage gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung habe zudem unabhängig von § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung. Dies folge aus Art. 46 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU. Da der Bundesgesetzgeber es bisher versäumt habe, die EU-Verfahrensrichtlinie vollständig umzusetzen und die Umsetzungsfrist am 20. Juli 2015 abgelaufen sei, könnten sich Schutzsuchende, deren Asylantrag nach dem 20. Juli 2015 gestellt wurde, unmittelbar auf diese Richtlinie berufen. Die Richtlinie sehe vor, dass Schutzsuchenden, deren Antrag auf internationalen Schutz, d. h. auf Flüchtlingsanerkennung und auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht in Übereinstimmung mit der Richtlinie als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ein vorläufiges Bleiberecht bis zur Entscheidung über ihre Klage gewährt werden müsse. Das Asylgesetz sehe aber bislang noch keine Grundlage für die Ablehnung eines Antrags auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet vor.
Für die Antragsgegnerin beantragte das Bundesamt mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Anträge, die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die in Ziffer 5 des Bundesamtsbescheids vom 3. Juni 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, haben in der Sache keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet und sind daher abzulehnen.
1.
Die Anträge sind zulässig, insbesondere statthaft, da die Klagen gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 3. Juni 2016 abweichend vom gesetzlichen Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. §§ 75 Abs. 1, 36 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
2.
In der Sache sind die Rechtsschutzanträge jedoch nicht begründet. Es besteht kein Grund, den Klagen entgegen der gesetzlichen Grundentscheidung in § 75 AsylG aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen.
a.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Unter dieser Prämisse sind gegen die Entscheidung des Bundesamtes keine Bedenken ersichtlich.
Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG dann offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Die Beurteilung als offensichtlich unbegründet ist dann gerechtfertigt, wenn im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt.
Gemessen daran ist die getroffene Entscheidung in dem angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden. Die Antragsteller haben offensichtlich weder eine ihnen drohende politische Verfolgung glaubhaft gemacht noch sind Anhaltspunkte für Umstände erkennbar, aufgrund derer die Gewährung subsidiären Schutzes in Betracht käme. Auch die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, erweist sich als rechtmäßig. Nach dem allein in Betracht zu ziehenden § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot ergibt sich nicht aus den für die Antragsteller zu 1) und zu 2) vorgetragenen Erkrankungen. Erforderlich hierfür wäre, dass ernsthaft zu befürchten steht, dass sich der Gesundheitszustand der Antragsteller bei einer Rückkehr in ihr Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil sie auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung ihrer Leiden angewiesen wären und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnten (vgl. etwa BVerwG, B. v. 17.8.2011 – 10 B 13/11; U. v. 17.10.2006 – 1 C 18/05). Gemessen an diesen Anforderungen ist es prognostisch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich der Gesundheitszustand der Antragsteller zu 1) und 2) im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien bzw. in die Ukraine wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten oder aus finanziellen Gründen im aufgezeigten Sinne erheblich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen, insbesondere dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 11. Februar 2016 (Stand: Januar 2016), ist die medizinische Versorgung in der Ukraine kostenlos und flächendeckend. Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen auch psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Fast alle gebräuchlichen Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Diese Auskünfte decken sich auch mit dem Vortrag der Antragsteller, die angaben, wegen ihrer Erkrankungen bereits in der Ukraine in Behandlung gewesen zu sein und entsprechende Medikamente erhalten zu haben. Den im Zusammenhang mit der in … stattfindenden Dialsyebehandlung geschilderten Beschwerlichkeiten kann der Antragsteller zu 1) durch einen Umzug innerhalb der Ukraine begegnen. Das Gericht nimmt im Übrigen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Bundesamtes Bezug und sieht insoweit von einer nochmaligen Darstellung ab.
In Anbetracht der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet ist auch die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG rechtmäßig.
Auch das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 6 des Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin im Rahmen einer auf den Maßstab des § 114 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden sind.
b.
Die Antragsteller können eine aufschiebende Wirkung der Klagen auch nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (RL 2013/32/EU – Verfahrensrichtlinie) ableiten (vgl. VG Berlin, B. v. 8.6.2016 – 23 L 337.16.A; VG Hannover, B. v. 11.5.2016 – 11 B 2258/16; VG Cottbus, B. v. 3.5.2016 – 4 L 182/16.A; VG Dresden, B. v. 21.4.2016 – 4 L 222/16.A; VG Köln, B. v. 7.4.2016 – 18 L 589/16.A; VG Gelsenkirchen, B. v. 22.3.2016 – 18a L 482/16.A; VG Düsseldorf, B. v. 13.1.2016 – 6 L 4047/15.A; a.A. VG Münster, B. v. 26.2.2016 – 6 L 142/16.A; VG Düsseldorf, B. v. 22.12.2015 – 7 L 3863/15.A). Zum einen hat der deutsche Gesetzgeber nach Auffassung des Gerichts die Vorgaben des Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU ordnungsgemäß umgesetzt (aa.), zum anderen ist diese Norm ihrem Inhalt nach nicht unbedingt (bb.).
aa.
Nach Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.
Dieses verfahrensrechtliche Bleiberecht bis zur Entscheidung über die Klage besteht indes nicht uneingeschränkt. Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten dazu in Art. 46 Abs. 6 RL 2013/32/EU die Möglichkeit ein, das durch Art. 46 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie gewährte (vorläufige) Bleiberecht zu beenden, wenn einer der in Art. 46 Abs. 6 lit. a) bis d) genannten Fälle vorliegt und verpflichtet sie zugleich – wenn sie sich hierfür entscheiden – ein gerichtliches Antragsverfahren, gerichtet auf Verschaffung eines solchen verfahrensrechtlichen Bleiberechts, einzuräumen.
Der deutsche Gesetzgeber hat durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage nach §§ 75 Abs. 1, 36 AsylG in Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit und der Möglichkeit des Eilrechtsschutzantrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 5 VwGO das Bleiberecht in zulässiger Weise nach Art. 46 Abs. 6 lit. a) Var. 1 der Verfahrensrichtlinie eingeschränkt (vgl. VG Berlin, B. v. 8.6.2016 – 23 L 337.16A, juris Rn. 8 ff.; VG Cottbus, B. v. 3.5.2016 – 4 L 182/16.A, juris Rn. 6 ff.; VG Köln, B. v. 7.4.2016 – 18 L 589/16.A, juris Rn. 7 ff.; VG Gelsenkirchen, B. v. 22.3.2016 – 18a L 482/16.A, juris Rn. 40 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 13.1.2016 – 6 L 4047/15.A, juris Rn. 13 ff.; a.A. VG Dresden, B. v. 21.4.2016 – 4 L 222/16.A; VG Münster, B. v. 26.2.2016 – 6 L 142/16.A; VG Düsseldorf, B. v. 22.12.2015 – 7 L 3863/15.A). Art. 46 Abs. 6 lit. a) Var. 1 der Richtlinie 2013/32/EU verlangt eine Entscheidung, einen Antrag im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie als offensichtlich unbegründet zu betrachten. Dieser in Bezug genommene Art. 32 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten, unbegründete Anträge, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie aufgeführten Umstände gegeben ist, als offensichtlich unbegründet zu betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
Da der Antrag auf internationalen Schutz nach Art. 2 lit. b) der Verfahrensrichtlinie grundsätzlich sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die Gewährung des subsidiären Schutzes umfasst, setzt eine im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 der RL 2013/32/EU stehende nationale Regelung voraus, dass der Antrag sowohl in Bezug auf die Flüchtlingsanerkennung als auch in Bezug auf den subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet betrachtet wird.
Eine solche nationale Regelung ergibt sich vorliegend aus § 30 Abs. 1 AsylG. Hiernach ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Von diesem Offensichtlichkeitsverdikt ist nach Auffassung des Gerichts auch der subsidiäre Schutz erfasst. Zwar ist § 30 Abs. 1 AsylG seinem Wortlaut nach erkennbar lückenhaft, weil er auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen den subsidiären Schutz nicht ausdrücklich einbezieht. § 30 Abs. 1 AsylG kann jedoch richtlinienkonform dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden darf, wenn auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (vgl. VG Berlin, B. v. 8.6.2016 – 23 L 337.16A, juris Rn. 12; VG Gelsenkirchen, B. v. 22.3.2016 – 18a L 482/16.A, juris Rn. 40).
Dass § 30 Abs. 1 AsylG nicht vorsieht, den Asylantrag auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes im Tenor des Bescheids als offensichtlich unbegründet abzulehnen, steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie (vgl. VG Berlin, B. v. 8.6.2016 – 23 L 337.16A, juris Rn. 14; VG Cottbus, B. v. 3.5.2016 – 4 L 182/16.A, juris Rn. 11; VG Gelsenkirchen B. v. 22.3.2016 – 18a L 482/16.A, juris Rn. 51; a.A. VG Münster, B. v. 26.2.2016 – 6 L 142/16.A; VG Düsseldorf, B. v. 22.12.2015 – 7 L 3863/15.A). Die auch vom Bevollmächtigten der Antragsteller angeführte Argumentation, wonach in der Entscheidung des Bundesamtes nicht nur tenoriert werden müsse, der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft werde als offensichtlich unbegründet abgelehnt, sondern auch noch ausdrücklich die Ablehnung des Antrags auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ausgesprochen werden müsse, trägt nicht. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist das Gericht davon überzeugt, dass Art. 46 Abs. 6 lit. a) Var. 1 der Richtlinie 2013/32/EU weder fordert, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet vom Bundesamt im Tenor des Bescheids ausdrücklich ausgesprochen wird, noch dass eine nationale Regelung überhaupt existiert, mit der die Behörde ermächtigt oder verpflichtet wird, einen Antrag hinsichtlich des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet auszusprechen. Den Anforderungen des in Bezug genommenen Art. 32 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie genügt eine nationale Regelung, nach der die Mitgliedstaaten unbegründete Asylanträge in den Fällen des Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU als offensichtlich unbegründet betrachten können. Ausgehend von diesem Wortlaut ist ein ausdrücklicher Ausspruch der offensichtlichen Unbegründetheit nicht zwingend zu fordern.
bb.
Im Übrigen können die Antragsteller ein Aufenthaltsrecht bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens auch deshalb nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU ableiten, da diese Vorschrift nicht inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist (vgl. VG Hannover, B. v. 11.5.2016 – 11 B 2258/16, juris Rn. 8 ff.; VG Dresden, B. v. 21.4.2016 – 4 L 222/16.A, juris Rn. 10; a.A. VG Münster, B. v. 26.2.2016 – 6 L 142/16.A; VG Düsseldorf, B. v. 22.12.2015 – 7 L 3863/15.A). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich der Einzelne gegenüber dem Staat auf die unmittelbare Anwendbarkeit einer nicht fristgemäß oder unrichtig in nationales Recht umgesetzten EU-Richtlinie nur dann berufen, sofern diese inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist (vgl. EuGH, U. v. 19.2.2009 – C-228/06; U. v. 23.2.1994 – C-236/92; U. v. 26.2.1986 – 152/84). Nach Auffassung des Gerichts ist der Inhalt des Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU nicht unbedingt in diesem Sinne, da ihm die Reichweite des Bleiberechts der Antragsteller im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht unmittelbar entnommen werden kann. Art. 46 Abs. 6 der RL 2013/32/EU räumt den Mitgliedstaaten vielmehr die Möglichkeit ein, das in Art. 46 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie normierte Bleiberecht in bestimmten, in den lit. a) bis d) a näher bezeichneten Fällen, auszuschließen. Da die Absätze 5 und 6 der Richtlinie 2013/32/EU bereits dem Wortlaut nach („Unbeschadet des Absatzes 6…“) in einem engen (wechselseitigen) Zusammenhang stehen, steht somit das im Grundsatz gewährte Bleiberecht unter dem Vorbehalt der jeweiligen Ausgestaltung der nationalen Umsetzungsvorschriften. Dieser Vorbehalt schließt eine unmittelbare Wirkung des Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU aus.
Nach alledem bleiben die Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
3.
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten für das Antragsverfahren unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsteller gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO abzulehnen ist.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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