IT- und Medienrecht

Unterlassungsanspruch gegen den Abschluss von Telekommunikationsverträgen ohne Berücksichtigung eines vereinbarten Rabatts in den monatlichen Abrechnungen

Aktenzeichen  4 HK O 9215/15

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG UWG § 3, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Werden einem Kunden zweimal in ein und demselben Vertragsverhältnis ein zunächst gewährter Rabatt fehlerhaft nicht in Rechnung gestellt und Rechnungen übersandt, die einen höheren als den vereinbarten Betrag ausweisen, handelt es sich unabhängig davon um irreführende Geschäftspraktiken, ob ein systematisches Handeln oder ein Fehler im Einzelfall vorliegt. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – untersagt im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Telekommunikationsverträge abzuschließen, dabei mit dem Verbraucher die Gewährung eines Rabatts auf die monatliche Pauschalvergütung zu vereinbaren und diesen Rabatt für den vereinbarten Zeitraum dann in den Rechnungen an den Verbrauchern nicht zu berücksichtigen, wie geschehen im Vertragsverhältnis mit dem Verbraucher … Kundennummer:
…; Anlagen K 2 und K 4).
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,00 im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 I Satz 2 Nr. 2, 8 UWG zu. Im einzelnen gilt folgendes:
1. Bei der von der Klägerin nach Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2015 vorgenommenen Umformulierung des Klageantrags handelt es sich nicht um eine teilweise Klagerücknahme sondern lediglich um eine Präzisierung des ursprünglich gewollten aber im zunächst angekündigten Klageantrag nicht eindeutig formulierten Klagebegehrens.
Was Gegenstand des Klageantrags ist, ist durch Auslegung unter Heranziehung des Antrags und der Begründung zu ermitteln. Wie sich aus der Begründung des Klageantrags in der Klageschrift ergibt, war bereits dass ursprüngliche Klagebegehren darauf gerichtet, der Beklagten zu verbieten, ihre Kunden dadurch irrezuführen, dass die gewährten Rabatte in der Rechnung nicht ausgewiesen werden mit der Folge, dass dem Kunden vorgespiegelt wird, die Beklagte müsse die telefonisch zugesagten Rabatte nicht gewähren sondern habe einen Anspruch auf eine höhere vertragliche Zahlung.
Nach der mündlichen Verhandlung ist der Klageantrag dann lediglich – ohne Beschränkung des tatsächlich verfolgten Klagebegehrens – durch Umformulierung des Begehrens inhaltlich konkretisiert worden.
Wie sich aus dem Antwortschreiben gemäß Anlage K 6 ergibt, hat die Beklagte das Petitum der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt falsch verstanden. Die Beklagte hat nämlich bereits hierin Ausführungen dazu gemacht, dass die Versendung falscher Rechnungen keine Irreführung gemäß § 5 UWG enthält, weil es sich um ein Versehen im Einzelfall handele und kein systematisches Vorgehen der Beklagten gegeben sei.
2. Bei dem Schreiben gemäß Anlage K 2 und K 4 an den Kunden … handelt es sich um irreführende Geschäftspraktiken im Sinne von §§ 3, 5 I Satz 2 Nr. 2 UWG. Die Beklagte hat dem Kunden zweimal in ein und demselben Vertragsverhältnis eine zunächst gewährten Rabatt fehlerhaft nicht in Rechnung gestellt und Rechnungen übersandt, die einen höheren als den vereinbarten Betrag ausweisen. Hierdurch hat sie den Kunden konkludent darüber getäuscht, sie habe einen Anspruch auf Zahlung der höheren Summe.
Der Einwand der Beklagten, eine wettbewerbswidrige Irreführung liege schon deshalb nicht vor, weil es sich um einen bedauerlichen Fehler handele und deshalb kein systematisch Handels festgestellt werden könne, verfängt nicht.
Nach der Rechtssprechung des EuGH zu Artikel 6 I UGP – RL, zu der § 5 UWG die nationale Korrespondenzvorschrift ist, ist bei einer Irreführung des Verbrauchers kein systematisches Handeln erforderlich sondern es genügt ein Verstoß im Einzelfall.
Der EuGH weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden soll. Es liegt daher bereits dann eine Irreführung vor, wenn die Praxis des Gewerbetreibenden mit der Absatzförderung, den Verkauf oder der Lieferung einer Ware oder einer Dienstleistung an Verbraucher in unmittelbaren Zusammenhang steht, ohne dass erforderlich ist, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden sich wiederholt hätte oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein muss.
Begründet wird diese Rechtssprechung vom EuGH damit, dass mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dass Ziel verfolgt werden soll, die Verbraucher umfassend vor derartigen Praktiken zu schützen, weil sich ein Verbraucher im Vergleich zu einem Gewerbetreibenden insbesondere hinsichtlich des Informationtsniveaus in einer unterlegenden Position befindet, weshalb die Erteilung einer falschen Auskunft durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher stehts als „irreführende Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, auch wenn die Auskunftserteilung nur einen Verbraucher betraf (vgl. EuGH GRUR 2015, 600 – Ungarische Verbraucherschutzbehörde/UPC).
Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass Klägerin im vorliegenden Fall kein Verbraucher sondern ein Verband ist, ändert dies nichts an der Wettbewerbswidrigkeit der Irreführung. Die Klägerin nimmt lediglich die Interessen der Verbraucher war. Das auch sie sich – wie der die Verbraucher selbst – hinsichtlich des Informationsniveau in einer unterlegenen Position befinden, zeigt sich bereits daran, dass lediglich der Beklagte, nicht aber die Klägerin Zugang zu den Personendaten der Kunden, die sich gemäß Anlagenkonvolut K 7 und K 9 über die Geschäftspraktiken der Beklagten beschwert haben, hat und dass die Beklagte die Herausgabe dieser Informationen verweigert, indem sie sich auf datenschutzrechtliche Probleme beruft.
b. Eine Haftung der Beklagten ist auch nicht unverhältnismässig.
Soweit die Beklagte für ihre gegenteilige Beurteilung auf die Entscheidung des BGH GRUR 2007, 987 – Änderung der Voreinstellung Bezug nimmt und vorträgt, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Einzelfall lag nicht vor. Vielmehr wurde der Kunde in zwei Fällen mit irreführenden Rechnungen zur Zahlung aufgefordert. Darüberhinaus belegen auch die von der Beklagten zugestandenen Fälle der Kunden mit dem Benutzernamen … und …, dass ein Einzelfall gerade nicht vorlag.
Selbst wenn die von der Beklagten vorgetragenen Prozentzahlen hinsichtlich der in ihrem Unternehmer vorkommenden Ausrutscher zutreffen, erscheint es im vorliegenden Fall nicht unverhältnismäßig, von einer Haftung der Beklagten auszugehen.
Die Sanktion der wiederholt aufgetretenen unzutreffenden Rechnungstellung mit damit verbundener Täuschung der Kunden über den der Beklagten zustehenden Rechnungsbetrag in Gestalt des tenorierten Unterlassungsgebots widerspricht schon deshalb nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. zu den maßgeblichen Kriterien EuGH a.a.O. Rn. 58), weil im Rahmen eines etwaigen Ordnungsmittelververfahrens überprüft werden kann und muss, ob ein schuldhafter Verstoß der Beklagten gegen den Tenor vorliegt oder ob es sich tatsächlich um einen Ausrutscher bzw. ein Versehen handelte. Grundsätzlich verbleibt es jedoch erst einmal dabei, dass das Versendung von Rechnungen, die einen vorher gewährten Rabatt nicht ausweisen, irreführend und wettbewerbswidrig nach § 5 UWG ist.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 I ZPO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 Satz 1 ZPO.

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