Strafrecht

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 9 K 12.6182

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 55
EMRK EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Ausweisungsentscheidung stützt sich in rechtmäßiger Weise auf § 55 AufenthG
(1.1). Insbesondere die Annahme einer hinreichenden Gefahr der erneuten Begehung schwerer Straftaten durch den Kläger erfolgte zu recht
(1.2). Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang zu treffende Ermessensentscheidung ist inhaltlich nicht zu beanstanden
(1.3). Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßig dar
(1.4). Ein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht nicht (4.).
1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Befristungsentscheidung und der Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Die Entscheidung der Beklagten erging verfahrensfehlerfrei. Es ist mittlerweile geklärt, dass das Vier-Augen-Prinzip nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221 in den Fällen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger nicht anwendbar ist (BVerwG U.v. 10.7.2012 – Az. 1 C 19.11 – NVwZ 2013, 365 (368); BayVGH U.v. 17.7.2012 – 19 B 12.417 – juris Rn. 30 f).
1.1 Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ARB 1/80) i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger besitzt zumindest eine von seiner Mutter abgeleitete Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Diese war während des gesamten zu beurteilenden Zeitraums Angehörige des regulären Arbeitsmarktes. Im Übrigen ist die Rechtsposition des Klägers zwischen den Parteien unstreitig.
a) Der demnach assoziationsberechtigte Kläger kann daher nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegen wärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, U.v. 8.12.2011 – Rs. C-371/08, Ziebell – NVwZ 2012, 422). Im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 setzt eine Ausweisung voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und im Fall einer Straftat eine gegenwärtige Gefahr der öffentlichen Ordnung darstellt. Es ist dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren und eine Einzelfallwürdigung insbesondere auch im Hinblick auf die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechtspositionen verlangt (EuGH v. 11.11.2004 – Rs C-467/02 „Cetinkya“; EuGH v. 29.4.2004 – Rs C-482/01 und C-493/01 „Orfanopoulos und Oliveri“). Dies gilt auch, obwohl dem Kläger kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zusteht, da dieser nicht weiter reichen würde als der dem Kläger ohnehin aufgrund seines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts zustehende Ausweisungsschutz.
b) Der Kläger ist zuletzt mit Urteil des Landgerichts München I vom 7. Oktober 2011 wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Diese Straftat stellt einen Aus-weisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Das vom Landgericht strafrechtlich geahndete persönliche Verhalten des Klägers begründet eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft. Die erhöhten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der anzustellenden Gefahrenprognose hat die Beklagte zu Recht als verwirklicht angesehen. Die Beklagte will mit der Ausweisung verhindern, dass der Kläger erneut schwere Straftaten begeht. Die Straftat, wegen der der Kläger verurteilt worden ist, zählt zum Bereich der Schwerkriminalität und ist durch das auch vom Landgericht bei der Strafzumessung gewürdigte arbeitsteilige und planvolle Vorge hen der Täter, durch das die hohe kriminelle Energie zu Ausdruck kommt, von erheblichem Unrechtsgehalt. Sie stellt eine besonders schwerwiegende, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Dies wird auch durch das verhängte Strafmaß von sechs Jahren dokumentiert.
c) Nach diesen Maßstäben stellt das persönliche Verhalten des Klägers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 dar.
1.2 Zutreffend ist die Beklagte auch von einer konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger ausgegangen. Auch wenn das persönliche Verhalten eines Ausländers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 darstellt, ist eine Ausweisung nur möglich, wenn von dem Ausländer die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens ausgeht.
a) Für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr. BVerwG u.a. U.v. 4.10.2012 – 1 C 13/11 – juris Rn. 18; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19/11 – NVwZ 2013, 365). Die auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe (EuGH, U.v. 8.12.2011 – Rs C-371/08, Ziebell – NVwZ 2012, 422). Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Wiederholungsgefahr begründet.
b) Das Gericht teilt zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid (vgl. die Seiten 6-9 des Bescheides) vorgenommene Einschätzung, dass beim Kläger die ernsthafte Gefahr weiterer vergleichbarer Straftaten nach seiner Haftentlassung besteht. Zu Recht hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass der Kläger bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, und dies bereits in sehr jungen Jahren. Er hat im Laufe seines Lebens eine Vielzahl unterschiedlicher Delikte verwirklicht (Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bandendiebstahl, räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung). Die angeordneten erzieherischen Maßnahmen und ausländerrechtlichen Verwarnungen waren jedoch bis zum heutigen Tage wirkungslos und ließen den Kläger unbeeindruckt. Der Kläger, der auch bereits inhaftiert war, hat sich den verhängten Strafvollzug nicht zur Warnung dienen lassen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die zuletzt verurteilten Straftaten in offener Bewährung erfolgten und der Kläger als sog. „Bewährungsversager“ anzusehen ist.
Auch eine Abmilderung der Gefährdungsprognose durch das bloße Älterwerden des Klägers ist nicht gerechtfertigt. Die bisherige Entwicklung des Klägers lässt auch keine Zäsur erkennen, die die Annahme rechtfertigen würde, dass eine Wiederholungsgefahr aufgrund eines Reifungsprozesses, wie er bei jugendlichen Straftätern oftmals zu beobachten ist, mittlerweile nicht mehr besteht. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger bereits früher an einem AntiAggressionstraining teilgenommen hat, sich sein Verhalten im Anschluss daran aber nicht geändert hat.
Zu Lasten des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass das Landgericht in seinem Urteil trotz eines beim Kläger bestehenden und untherapierten Hanges, Drogen zu konsumieren, von einer Unterbringung nach § 64 StGB abgesehen hat, weil die Neigung, strafbare Handlungen zu begehen, nicht allein oder im Wesentlichen auf seinen Substanzgebrauch zurückzuführen ist (S. 29 der Urteilsgründe, Bl. 382 der Behördenakten).
1.3 Nachdem der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei der gerichtlichen Überprüfung dieser Entscheidung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen. Die Ermessensentscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 Auf-enthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal dann, wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen (BVerwG U.v. 10.7.2012 – 1 C 19/11 – NVwZ 2013, 365; BayVGH B.v. 17.7.2012 – 19 B 12.417 – juris Rn. 65).
Die an diesen Kriterien zu messende Ermessensentscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Sie hat ausführlich ihr Ermessen ausgeübt und die gegenläufigen Interessen miteinander abgewogen. Die streitgegenständliche Ausweisungsentscheidung setzt sich umfassend mit den Bindungen des Klägers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, wo er geboren und aufgewachsen ist, dem Ausmaß seiner wirtschaftlichen wie sozialen Integration sowie dem Umfang der Bindungen zu seinem Herkunftsland auseinander. Eine Unverhältnismäßigkeit ist auch nicht unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK oder Art. 6 GG gegeben. Es handelt sich bei dem Kläger um einen faktischen Inländer, der außer seiner Staatsangehörigkeit keine bedeutenden Bindungen mehr zum Herkunftsland seiner Eltern aufweist, jedoch starke Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland besitzt, wo die maßgeblichen Verwandten leben. Dieser Umstand führt dazu, dass die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftat, die Dauer des Aufenthalts des Klägers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und das Verhalten des Klägers in dieser Zeit, die familiäre Situation des Ausländers sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen zum Gastland und zum Zielland umfassend abzuwägen sind. Allerdings verleiht Art. 8 EMRK den Personen, die in dem Mitgliedsstaat geboren wurden, kein absolutes Recht, nicht aus dem Hoheitsgebiet des Staates ausgewiesen zu werden (EGMR U. v. 28.6.2007 – 31753/02 – juris Rn. 51; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 22.3.2012 – 18 A 951/09 – juris Rn. 83). Die Beklagte hat die Schwere der Straftaten und die vorstehend geschilderte Gefährdungslage zutreffend einbezogen und demgegenüber auch berücksichtigt, dass der Kläger nur wenige Be ziehungen zu seinem Heimatland besitzt und die Ausweisung für ihn deshalb besonders schwerwiegend in die persönliche Lebensführung eingreift. Sie hat diesen Umstand insbesondere dadurch ausreichend berücksichtigt, dass sie den Kläger nicht dauerhaft vom Bundesgebiet fernhalten will. Die Folgen der Ausweisung werden durch die Befristung derselben auf acht Jahre in Nr. 3 des Bescheids 16. November 2012 abgemildert. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Aufenthaltsverbots ist gerade dessen Dauer als ein Faktor in Betracht zu ziehen. Die Beklagte hat damit einen maßgeblichen Gesichtspunkt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt. Zudem wurde dem Kläger in Aussicht gestellt, drei Jahre vor Ablauf der Frist auf Antrag unter entsprechenden Voraussetzungen (Straf- und Drogenfreiheit) die Verkürzung der Sperrfrist zu prüfen. Trotz seiner Eigenschaft als „faktischer Inländer“ ist daher die Ausweisung in Einklang mit Art. 8 Abs. 2 EMRK (vgl. insofern auch EGMR v. 25.3.2010 Az. 40601/05 – juris Rn. 61 ff.) erfolgt.
Im vorliegenden Fall ist auch im Hinblick darauf, dass der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet lebt, dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger ein höheres Gewicht beizumessen als dessen persönlichen Belangen. Für den Kläger stellt die Ausweisung durchaus einen erheblichen Eingriff in seine persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dar. Gleichwohl ist der Eingriff dem Kläger zumutbar, zumal er über Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt. Wegen fehlender deutscher Sprachkenntnisse musste er nämlich eine deutsch-türkische Klasse besuchen (vgl. S. 22 und 201 der Behördenakte). Auch bei einer Wohnungsdurchsuchung am *. April 2010 anlässlich des Raubüberfalls, wegen dem der Kläger am *. Oktober 2011 verurteilt wurde, sprach der Kläger seinen Vater in türkisch an bevor er aus der Wohnung flüchtete. Gegen eine entsprechende Verwurzelung spricht auch seine fehlende wirtschaftliche und soziale Integration. Auch wenn seine Eltern und seine Schwestern im Bundesgebiet leben, ist der Kläger seit langem erwachsen und deshalb nicht mehr in dem Maße auf seine Familie angewiesen, wie dies bei einem jüngeren Menschen der Fall ist. Eine besondere Ausnahmesituation, dass nämlich entweder der Kläger auf die besondere Betreuung durch seine Familie angewiesen wäre oder umgekehrt ein Familienmitglied der Betreuung des Klägers bedürfte, liegt nicht vor (BayVGH B.v. 3.9.2012 -10 CE 12.293 – juris Rn. 24 ff.).
Die Ausweisung erweist sich damit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als verhältnismäßig. Dabei hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen in ausreichender Weise während der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts aktualisiert (vgl. dazu BVerwG U.v. 13.12.2011 – 1 C 14.10 – juris Rn. 18).
2. Die im Bescheid enthaltene Befristung für die Dauer von acht Jahren begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10.7.2012 – 1 C 19/11 – NVwZ 2013, 365) steht die Dauer der Befristung nicht mehr im Ermessen der Behörde, sondern unterliegt einer uneingeschränkten, vollen gerichtlichen Überprüfung. Die Dauer der Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).
Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 Auf-enthG vorliegen, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung – insbesondere jüngerer Menschen – kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 14/12 – juris Rn. 14). Dies zugrunde gelegt, erachtet das Gericht unter Würdigung der Einzelfallumstände die Frist von acht Jahren für angemessen. Sie ist auch mit höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK vereinbar. Den schutzwürdigen Belangen des Klägers wird dadurch Rechnung getragen, dass dieser bei Nachweis der Straf- und Drogenfreiheit nach Ablauf der fünfjährigen „Regelfrist“ des § 11 AufenthG auf Antrag die Verkürzung der Frist überprüfen lassen kann.
3. Auch gegen die Abschiebungsandrohung (Nr. 3 des Bescheids) bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. §§ 58, 59 AufenthG).
4. Dem Kläger steht wegen § 5 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu. Die diesbezügliche Ablehnung erfolgte demnach zu Recht.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 ff. ZPO.

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