Steuerrecht

14 K 2804/13

Aktenzeichen  14 K 2804/13

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 14 K 2804/13
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort: Tauschähnlicher Umsatz – Einräumung eines Dachnutzungsrechts als Gegenleistung der durchgeführten Dachsanierung
In der Streitsache

Kläger
prozessbevollmächtigt: …
gegen

Beklagter
wegen Umsatzsteuer 2011
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin … und die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 28. April 2016 für Recht erkannt:
1. Der Umsatzsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.b…de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.
Gründe:
I.
Der Kläger ist seit 2010 Betreiber mehrerer Photovoltaikanlagen. Seine Umsätze versteuert er bisher nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 2011 – UStG -). Im Streitjahr (2011) erwarb er eine weitere Anlage für netto … EUR zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von … EUR (vgl. Rechnung vom 6. Dezember 2011). Die Anlage wurde auf einer im Eigentum einer GbR stehenden Reithalle errichtet; Gesellschafter der GbR waren je zur Hälfte der Kläger und seine Schwester. Die Reithalle wurde neben zwei weiteren Hallen von der GbR ab 15. Oktober 2010 zum Zwecke der Pferdehaltung und zur Erteilung von Reitunterricht für monatlich 250 EUR an einen Dritten vermietet. Dabei vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Mängel der Hallendächer nicht zu Kürzung des Mietzinses berechtigen.
Grundlage für die Nutzung des Daches ist ein zwischen der GbR und dem Kläger geschlossener Dachnutzungsvertrag (DNV). Nach Ziff. 5 (2) des DNV ist der Grundeigentümer verpflichtet, das Gebäude nebst Nebengebäude, insbesondere die darauf befindlichen Dachflächen sowie die sich darin befindlichen technischen Anlagen in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und zu erhalten. Hinsichtlich der Nutzungsdauer der Photovoltaikanlage gingen die Vertragspartner von einem Zeitraum von mindestens 30 Jahren aus (vgl. Präambel des DNV). Nach Ziff. 1 (3) des DNV bleiben die PV-Anlage sowie sämtliche weitere zum Betrieb der Anlage erforderlichen technischen Anlagen und Bauteile im Eigentum des Klägers und sind nach Beendigung des DNV zu entfernen. Die sich auf dem Dach befindlichen Befestigungseinrichtungen der PV-Module gingen gem. Ziff. 1 (3) des DNV ins Eigentum des Grundstückseigentümers über. Laut Ziff. 4 des DNV verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgelts von 1 EUR (Abs. 1), das jährlich auf ein Konto der A-Bank zu zahlen ist (Abs. 2 b, c).
Vor der Errichtung der Photovoltaikanlage wurde im Auftrag des Klägers im Oktober/November 2011 eine Dachsanierung durchgeführt und eine Unterkonstruktion angebracht. Da das Altdach aus Asbestplatten bestand, musste dieses komplett erneuert werden. Die Kosten hierfür betrugen ausweislich der auf den Kläger ausgestellten Rechnung vom 2. November 2011 nach Abzug von 2% Skonto netto … EUR zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von … EUR.
Da das Finanzamt dem Kläger die in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 2011 geltend gemachten Vorsteuern aus der Dachsanierung versagte, legte der Kläger hiergegen Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 dem Kläger zum einen mit, dass der Vorsteuerabzug aus der übernommenen Dachsanierung in Höhe von … EUR möglich sei. Gleichzeitig führe der Kläger aber eine Werklieferung an die GbR aus, die zu einer Umsatzsteuer in gleicher Höhe führe. Des Weiteren führte das Finanzamt aus, dass die im Fragebogen zur Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage beantragte Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht möglich sei, weil bei einem Pachtzeitraum von 20 bis 30 Jahren das Steueraufkommen gefährdet sei. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte trotz zweimaliger Erinnerung (zuletzt am 27. Dezember 2012) nicht.
In seiner zwischenzeitlich eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2011 erklärte er Umsätze aus dem Betrieb der Anlage. Daneben machte er u. a. die Vorsteuern aus der Sanierung des Daches geltend. Er wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt veranlagt.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Februar 2013 erhöhte das Finanzamt jedoch sodann die steuerpflichtigen Umsatzerlöse laut Erklärung um die vom Steuerpflichtigen getragenen Aufwendungen für die Dachsanierung und die Erstellung der Unterkonstruktion in Höhe von … EUR mit der Begründung, dass insoweit eine steuerpflichtige Lieferung des Klägers an die Grundstücksgemeinschaft vorliege.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Er wurde mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Die Dachsanierung sei wie die Unterkonstruktion für die Installation und den Betrieb der Photovoltaikanlage zwar erforderlich gewesen und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vorsteuern abzugsfähig. Da aber das Gewerk „Dachsanierung“ zivilrechtlich mit Fertigstellung in das Eigentum der GbR übergegangen sei, habe der Kläger insoweit eine steuerpflichtige Werklieferung an die Grundstücksgemeinschaft erbracht. Nichts anderes ergebe sich aus dem DNV, demgemäß die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck angebracht werde, aber die sich auf dem Dach befindlichen Befestigungseinrichtungen der Module ins Eigentum der GbR übergingen und nach Ablauf der Nutzungsdauer durch den Kläger nicht entfernt werden dürften. Denn wenn selbst der Eigentumsübergang der Unterkonstruktion der Anlage auf die GbR vertraglich geregelt sei, könne nichts anderes für das Gewerk „Dachsanierung“ gelten. Das Entgelt bestehe in der Dachüberlassung für einen Zeitraum von 30 Jahren. Damit komme eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 UStG nicht in Betracht, da die Anwendung dieser Vereinfachungsregel bei einer Entgeltsverteilung auf 30 Jahre eine Steuerverzerrung bzw. Steuergefährdung nicht ausschließe.
Seine hiergegen eingelegte Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass der Argumentation des Finanzamts, wenn schon die Unterkonstruktion der Anlage selbst ins Eigentum der GbR übergehen soll, müsse dies erst recht für das darunterliegende sanierte Dach gelten, nicht gefolgt werden könne. Denn die Entfernung der Befestigungseinrichtungen seien nur deshalb vertraglich ausgeschlossen worden, weil eine solche ohne Beschädigung des Daches nicht möglich sei. Alle übrigen Teile der Anlage müssten entfernt werden. Die Sanierung des Daches der Halle, bei der es sich um einen sog. „Offenstall“ handle, sei auch nur aufgrund der Errichtung der Anlage notwendig geworden, da die Installation auf einem asbesthaltigen Dach verboten sei. Die Erneuerung des Daches, das komplett mit Modulen eingedeckt worden sei, sei daher Voraussetzung für den Betrieb der Photovoltaik gewesen. Der Kläger behalte daher das wirtschaftliche Eigentum am Gewerk „Dachsanierung“ für die Dauer von 30 Jahren. Außerdem weist er darauf hin, dass die GbR für diese Zeit von der Nutzung des Daches ausgeschlossen sei. Betriebswirtschaftlich dürfte das Gewerk „Dachsanierung“ nach 30 Jahren auch verbraucht sein, so dass von einer Lieferung allenfalls nach 30 Jahren zu einem entsprechenden Preis ausgegangen werden könne. Instandhaltungskosten bzw. Erhaltungsaufwand stelle zudem keine Werklieferung an den Vermieter dar, und zwar unabhängig davon, ob der Mieter zu diesen Maßnahmen verpflichtet sei oder er sie aus eigenem Interesse trage. Ferner weist der Kläger darauf hin, dass die vertraglich vereinbarte Miete nicht insgesamt 1,00 EUR, sondern 1,00 EUR pro qm und Jahr betrage. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Preis zuzüglich Umsatzsteuer zu verstehen sei. Dem entsprechend sei auch die Zahlung von 1.800 EUR zu verstehen. Insofern seien die Formulierungen im verwandten Mustervertrag aus dem Internet unübersichtlich und teilweise missverständlich. Die vorgenommenen Ergänzungen seien lücken- und laienhaft. Der Form halber sei daher diese Passage im DNV in einem Nachtrag in 2012 bereits richtig gestellt worden. Eine Lieferung – wie vom Finanzamt angenommen – scheide schon deshalb aus, weil Reparaturkosten bzw. Instandhaltungsaufwendungen nicht Gegenstand einer Lieferung sein könnten. Der Kläger gebe am Ende des Mietverhältnisses vielmehr das zurück, was er mit dem wirtschaftlichen Eigentum erworben habe.
Der Kläger beantragt, den Umsatzsteueränderungsbescheid 2011 vom und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass aufgrund des im Original vorgelegten Dachnutzungsvertrags vom 4. August 2011 und des dort vereinbarten Entgelts von 1,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer pro Jahr von einem tauschähnlichen Umsatz zwischen den Beteiligten ausgegangen worden sei. Der Lieferung der Dacherneuerung durch den Kläger in Höhe von netto … EUR sei in gleicher Höhe eine Nutzungsüberlassung durch die GbR für 30 Jahre gegenübergestellt worden. Zudem bestünden Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. So sei die anderweitige Regelung über die Höhe des Nutzungszinses weder den Steuerakten noch der Klageschrift zu entnehmen und wurden im Rahmen der Gewinnermittlung in 2013 brutto 1.800 EUR angesetzt. Ein Nachweis über die Mietzahlungen in 2011 liege dem Finanzamt nicht vor. Die Bemessungsgrundlage für den streitgegenständlichen Umsatz ergebe sich aus § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG i. V. m. § 10 Abs. 4 UStG, da der Kläger an der GbR zu 50% beteiligt und daher die GbR als naher Angehöriger zu betrachten sei. Da er die vollen Kosten der Dachsanierung getragen habe, entsprächen der Mindestbemessungsgrundlage die getragenen Aufwendungen in Höhe von 62.078 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamtsakten, die eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat die Dachsanierung nicht im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes an die Grundstücksgemeinschaft ausgeführt.
1. Er war, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im Streitjahr im vollen Umfang zum Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Er war Leistungsempfänger der Dachreparatur, auch wenn er nicht Eigentümer der Halle ist. Zudem ist der zwischen dem Eingangsumsatz und dem Ausgangsumsatz erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang gegeben (vgl. hierzu ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- und des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH -, z. B. BFH-Urteile vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667 m. w. N.; vom 24. April 2013 XI R 25/10, BStBl II 2014, 346 m. w. N.). Die Maßnahmen waren für die Errichtung der Photovoltaikanlage, deren Module das gesamte Dach bedecken, erforderlich. Auch ist die vorgelegte Rechnung nicht zu beanstanden.
2. Das Finanzamt hat die Aufwendungen für die Dachsanierung aber zu Unrecht bei der Bemessung der steuerpflichtigen Umsätze in Höhe von 62.078 EUR berücksichtigt, da es zwischen dem Kläger und der GbR zu keinem tauschähnlichen Umsatz i. S. d. §§ 3 Abs. 12 Satz 2, 10 Abs. 2 Satz 2 UStG kam.
Der Umsatzsteuer unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
a) Eine Leistung gegen Entgelt setzt voraus, dass zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 4. Juli 2013 V R 33/11, BStBl II 2013, 937, mit zahlreichen Nachweisen). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages liegt regelmäßig ein Leistungsaustausch vor (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736). Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH (z. B. EuGH-Urteil vom 26. September 2013 C-283/12, Serebryannay vek, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE-2014, 476, Rn. 37, m. w. N.). Der EuGH hat diesen Grundsätzen entsprechend entschieden, dass keine Leistung gegen Entgelt vorliegt, wenn ein Musikant, der auf öffentlichen Wegen spielt, von Passanten eine Vergütung erhält. Zum einen bestehe zwischen den Parteien keine Vereinbarung, da die Passanten freiwillig eine Vergütung zahlten. Zum anderen bestehe zwischen der musikalischen Darbietung und den dadurch veranlassten Zahlungen kein notwendiger Zusammenhang. Die Passanten hätten nicht darum gebeten, dass ihnen Musik zu Gehör gebracht werde; außerdem zahlten sie die Beträge nicht aufgrund der musikalischen Darbietung, sondern aus persönlichen Motiven, wobei gefühlsmäßige Erwägungen eine Rolle spielen könnten (EuGH vom 3. März 1994 C-16/93, Betriebs-Berater -BB- 1994, 1132, Rn. 16 f.).
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung ist auch in Fällen von Tausch oder tauschähnlichen Umsätzen – wie vorliegend vom Finanzamt angenommen – erforderlich. Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i. S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld besteht, aber in Geld ausdrückbar sein muss. § 3 Abs. 12 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird (sog. tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe). Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind. § 3 Abs. 12 UStG steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), nunmehr Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL- (BFH-Urteil vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, BFH/NV 2013, 326 m. w. N.).
Dementsprechend hat der BFH für Mietereinbauten und -umbauten entschieden, dass eine entgeltliche Lieferung bei solchen Leistungen des Mieters vorliege, die vom Vermieter gewünscht und vertraglich festgelegt waren, nicht jedoch für Leistungen, die der Mieter ohne vertragliche Verpflichtung in eigenem betrieblichen Interesse tätigt (BFH-Urteil vom 15. September 1983 V R 154/75, nv zu § 1 Abs.1 Nr.1 und § 10 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 1970). Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein Mieter oder Pächter, der auf einem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude zwangsläufig auf den Eigentümer weiter überträgt. Vielmehr kommt es für die Annahme einer Weiterlieferung auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an (BFH-Urteile vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634; vom 25. November 2015 V R 66/14, BFH/NV 2016, 497, Rz. 16; BFH-Beschluss vom 20. Februar 1997 V B 161/96, BFH/NV 1997, 722; Schreiben des Bundesfinanzministeriums -BMF – vom 23. Juli 1986, BStBl I 1986, 432, unter C.I.2).
b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger hier die Dachsanierung nicht an den Vermieter gegen Entgelt geliefert und es liegt kein tauschähnlicher Umsatz vor. Insbesondere führt der Umstand, dass die durch die Dachsanierungsmaßnahmen erstellten Dachteile gemäß § 946 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Eigentum der GbR wurden, zu keiner anderen Beurteilung (a. A. offenbar Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 17. August 2011 S 7168 1.1-4/6 St 33 unter 2; vgl. auch Verfügungen der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 13. November 2014 2012-04.15 S 7300St 241 unter 5; der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 19. Februar 2015 S 7104 unter 7). Denn für die Frage, ob ein Vorgang der Umsatzsteuer unterliegt, kommt es von vornherein nicht auf das nationale Zivilrecht an (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 634; vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, Rz. 21 m. w. N.). Außerdem reicht der gesetzliche Eigentumsübergang nach den dargelegten Grundsätzen auch nicht aus, um eine Lieferung gegen Entgelt anzunehmen.
Im Streitfall kann auch nicht aufgrund des Inhalts des DNV auf das Vorliegen einer Weiterlieferung der Sanierungsarbeiten an den Vermieter geschlossen werden. Anders als der vorformulierte Mustervertrag in § Ziff. 5 (2) des DNV ausweist, haben sich die Beteiligten vorliegend vielmehr darauf geeinigt, dass der Kläger im eigenen Interesse eine PV-Anlage auf den Dachflächen errichten durfte und etwaige Sanierungsarbeiten am Dach im Einverständnis mit dem Vermieter auf eigene Kosten des Mieters erfolgen sollten. Gegenstand des DNV waren nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien sanierungsbedürftige und keine bereits sanierten Dachflächen, was der vereinbarte niedrige Mietzins nachdrücklich bestätigt. Zudem betrieb der Kläger bereits mehrere Photovoltaikanlagen, während die GbR dies nicht tat. Einer Sanierung des Daches durch den Vermieter bedurfte es außerdem auch nicht aufgrund der Vermietung der Reithalle, auf dem die PV-Anlage angebracht wurde. Gegenstand dieses Mietvertrages war nämlich ausdrücklich eine Reithalle mit mangelhaften Dächern, wie der Vermerk belegt, dass die Mängel am Dach nicht zu einer Minderung des Mietzinses führen sollten. Nach diesen Umständen waren sich der Kläger und die GbR dar über einig, dass die GbR mit der Photovoltaikanlage nichts zu tun haben, sondern dem Kläger die Dachflächen im unsanierten Ist-Zustand zu einem sehr niedrigen Mietzins zur Verfügung stellen sollte und der Kläger allein das von ihm beabsichtigte Photovoltaikanlagen-Projekt mit allen hierfür erforderlichen Maßnahmen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko realisieren sollte. Mithin gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass zwischen dem Kläger und der GbR eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung dahin gehend bestand, dass der Kläger die Sanierungsarbeiten an seine Vermieterin weiter liefern wollte.
Eine andere Auslegung hätte weitreichende Folgen auf andere Fälle der Nutzungsüberlassung und auch für den Vermieter: Denn nicht nur beim unternehmerischen Mieter wäre ein Umsatz anzunehmen; die Aufwendungen auf den überlassenen Gegenstand erhöhten auch die Bemessungsgrundlage für die Überlassung beim Vermieter. Nach Auffassung des Senats beträfe dies z. B. Mietereinbauten genauso wie Aufwendungen des Leasingnehmers auf den Leasinggegenstand.
3. Schließlich liegt auch keine missbräuchliche Gestaltung vor.
Wann eine solche Gestaltung gegeben ist, ist im nationalen Recht in § 42 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (BFH-Urteil vom 9. September 2015 XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597, m. w. N.).
Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Grundstückseigentümer, der eine Photovoltaik-anlage errichten oder sein Dach zum Betreiben einer solchen (steuerpflichtig) vermieten möchte, die Kosten einer Dachsanierung nur entsprechend der Nutzung des gesamten Gebäudes und damit ggf. nur anteilig abziehen (BFH-Urteile vom 19. Juli 2011 XI R 29/10, BStBl II 2012, 438, Rz. 32; vom 14. März 2012 XI R 26/11, BFH/NV 2012, 1192, Rz. 31). Demgegenüber kann – wie dargelegt – der Mieter eines Dachs die dort zur Errichtung einer unternehmerisch betriebenen Photovoltaikanlage erforderlichen Aufwendungen vollständig abziehen. Eine unterschiedliche Behandlung von Eigentümer und Mieter ergibt sich entsprechend dem System der Umsatzsteuer dann, wenn der Eigentümer – wie hier die GbR – aufgrund seiner Verwendung des gesamten Gebäudes z. B. wegen teilweiser steuerfreier Ausgangsumsätze (Hallennutzung für die Erteilung von Reitunterricht) nicht vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Unterschiede laufen also nicht dem Ziel des Vorsteuerabzugs zuwider, sondern ergeben sich aus einer maßgeblich anderen Verwendung der Eingangsleistung. Außerdem ist nicht jedes Ausnutzen einer Vorschrift oder Gesetzeslücke, so dass weniger Steuer gezahlt werden muss, ein Missbrauch (EuGH-Urteil vom 29. April 2004, C-487/01 und C-7/02, Gemeente Leusden und Holin Groep, Umsatzsteuer-Rundschau -UR2004, 302, Rz. 79).
Die Umstände des Streitfalles führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Aus den unter II.2.b. genannten Gründen waren sich die GbR und der Kläger aber darüber einig, dass der Kläger die Dachfläche sanieren solle. Außerdem ist zu beachten, dass der Kläger, der – im Gegensatz zur GbR – den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, auch die Aufwendungen alleine trägt, die er bei Durchführung der Sanierung durch die GbR zusammen mit seiner Schwester zu tragen gehabt hätte, so dass die Gestaltung auch erhebliche Folgen außerhalb des Steuerrechts nach sich zieht. Da zu einer Schwester i. d. R. ein anderes „wirtschaftliches“ Verhältnis als zu einem Ehegatten besteht, lässt die Dachsanierung durch den Kläger daher nicht den zwingenden Schluss zu, dass sie im Wesentlichen wegen des Steuervorteils gewählt wurde. Dies hat das Finanzamt auch nicht vorgetragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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