Aktenzeichen W 7 K 15.152
Leitsatz
Bei einer unzureichender Begründung der Gefahrenprognose iRd § 53 Abs. 3 AufenthG ist keine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu bejahen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 20. Januar 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger und die Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in der gleichen Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I.
Die Klage hat teilweise Erfolg. Soweit sich der Kläger gegen die Ausweisung in Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 20. Januar 2015 wendet, ist die Klage zulässig und begründet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.
1. Die Klage ist wirksam erhoben. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Kammer keine Zweifel an der Bevollmächtigung des Rechtsanwalts K. Dieser hat mit der Einreichung der Klageschrift eine vom Kläger unterschriebene Prozessvollmacht vorgelegt und damit den Anforderungen des § 67 Abs. 6 Satz 1 VwGO entsprochen. Zwar ist diese Vollmacht nicht datiert; dies ist jedoch unerheblich, da die Vollmacht auch blanko erteilt werden kann (Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 67, Rn. 18 unter Hinweis auf BVerwG, DÖV 1984, 775). Zudem hat Rechtsanwalt K. im Termin zur mündlichen Verhandlung anwaltlich versichert, dass er vor der Abreise mit dem Kläger die weiteren rechtlichen Schritte besprochen habe und der Kläger am Tag seiner Abreise telefonisch erklärt habe, dass die Klage erhoben werden solle. Für eine Bevollmächtigung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass bereits im behördlichen Verfahren (Bl. 271 der Behördenakten) eine Vollmacht vorgelegt worden ist. Liegt somit eine wirksame Vollmacht vor, so ist diese für das Gericht bis zu ihrem Widerruf beachtlich (BVerwG, U.v. 13.12.1982 – 9 C 894/80, NJW 1983, 2155). Anhaltspunkte für einen Widerruf sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden.
2. Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 20. Januar 2015 ist aufzuheben, da die Ausweisung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9/12, InfAuslR 2013, 418, Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11, BVerwGE 143, 277, Rn. 12 m. w. N.).
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Im vorliegenden Verfahren ist in richtlinienkonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 3 AufenthG die Ausweisung allerdings an den dort erhöhten Ausweisungsanforderungen zu messen. Danach darf ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Im Einzelnen gilt dazu folgendes:
2.1. § 53 Abs. 3 AufenthG ist vorliegend maßgeblich, weil der Kläger, der russischer Staatsangehöriger ist, im Besitz einer gültigen litauischen Daueraufenthaltserlaubnis-EU ist und die Beklagte die Abschiebung des Klägers nach Russland angedroht hat.
Mit der Sonderregelung in § 53 Abs. 3 AufenthG will der deutsche Gesetzgeber den europarechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, 50); dazu zählen ausweislich des Wortlauts auch Inhaber einer EU-Daueraufenthaltserlaubnis. Diese partizipieren aufgrund der Regelung in Art. 12 RL 2003/109/EG (Richtlinie betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen) an einem besonderen Ausweisungsschutz. Danach können die Mitgliedstaaten gegen einen langfristigen Aufenthaltsberechtigten eine Ausweisung nur verfügen, wenn der Drittstaatenangehörige eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Der diese Norm konkretisierende § 53 Abs. 3 AufenthG gilt im Lichte des Art. 12 RL 2003/109/EG sowie der Richtlinienkonzeption zwar unmittelbar nur für solche Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 9a AufenthG sind. In richtlinienkonformer Auslegung ist § 53 Abs. 3 AufenthG aber auch dann zur Anwendung zu bringen, wenn ein Drittstaatsangehöriger eine ausländische EU-Daueraufenthaltserlaubnis besitzt und eine Ausweisung mit dem Ziel der Rückführung aus der Union in den Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen verfügt wird; dies gilt selbst dann, wenn dem Ausländer im Bundesgebiet noch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG erteilt worden ist (ebenso Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 53, Rn. 67).
Art. 12 RL 2003/109/EG bindet grundsätzlich zwar nur denjenigen Mitgliedstaat, der eine Daueraufenthaltserlaubnis-EU erteilt hat (hier Litauen), während dem weitergewanderten langfristig Aufenthaltsberechtigten im zweiten Mitgliedstaat nur der (verminderte) Ausweisungsschutz des Art. 17 RL 2003/109/EG zusteht. Dieses differenzierende Regelungskonstrukt beruht auf der Überlegung, dass der zweite Mitgliedstaat entsprechend den Vorgaben der Richtlinie den betroffenen Inhaber einer EU-Daueraufenthaltserlaubnis zunächst in den EU-Mitgliedstaat zurückführt, der diese Rechtsstellung erteilt hat (vgl. Art. 22 Abs. 2 RL 2003/109/EG). Dieser ist auch grundsätzlich verpflichtet, diese Personen im Rahmen seiner Rückübernahmepflicht wieder aufzunehmen (vgl. Art. 22 Abs. 2 RL 2003/109/EG). Auf Art. 12 RL 2003/109/EG ist allerdings auch dann zu rekurrieren, wenn der zweite Mitgliedstaat die Ausweisung mit dem Ziel der Rückführung aus dem Unionsgebiet in den Heimatstaat des Ausländers verfügt, wie dies die Beklagte im Hinblick auf den Kläger (Russland) getan hat. Denn durch ein solches Vorgehen wird dem Drittstaatsangehörigen der besondere Schutz des Art. 12 RL 2003/109/EG genommen. Dies folgt im Übrigen auch aus Art. 22 Abs. 3 RL 2003/109/EG, wonach für die Rückführung des Drittstaatsangehörigen in das Heimatland durch den zweiten Mitgliedstaat schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegen sowie die Vorgaben des Art. 12 RL 2003/109/EG beachtet werden müssen. Daraus ergibt sich, dass der zweite Mitgliedstaat zwar über das Aufenthaltsrecht auf dem gesamten Unionsgebiet mitentscheiden darf, in diesen Fällen aber den besonderen Anforderungen in Art. 12 RL 2003/109/EG Rechnung tragen muss.
Dagegen kann auch von der Beklagten nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die litauische EU-Daueraufenthaltserlaubnis offensichtlich fehlerhaft erteilt worden sei, wodurch der Kläger nicht mehr berechtigt sei, die Rechtstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter zu behalten. Der Kläger hat im Verfahren die Kopie einer litauischen EU-Daueraufenthaltserlaubnis vorgelegt, woraus sich ergibt, dass dem Kläger am 11. November 2013 eine solche Rechtstellung zuerkannt worden ist; die litauischen Behörden haben dies im Verwaltungsverfahren entsprechend bestätigt. Die Echtheit dieses Dokuments wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Die insoweit von der Beklagten aber vorgebrachten Bedenken bzgl. des Vorliegens der Vorrausetzungen des Entzugs oder Verlusts dieser Rechtsstellung nach Art. 9 RL 2003/109/EG stellen die Wirksamkeit des litauischen Dokuments nicht in Frage. Denn über den Entzug dieser Rechtstellung, etwa nach den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 lit. a) RL 2003/109/EG, auf den die Beklagte hier verweist, kann nur der Mitgliedstaat entscheiden, der die Daueraufenthaltserlaubnis-EU nach Art. 4 RL 2003/109/EG erteilt hat (BayVGH, B.v. 11.2.2013 – 19 AS 12.2476, BeckRS 2013, 47552, Rn. 13). Auch die Formulierung in § 2 Abs. 7 AufenthG stellt klar, dass diese Rechtsstellung fortbesteht, bis sie entzogen wird und nicht etwa bereits dann entfällt, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung gegeben sind (BT-Drs. 16/5065, 158, r. Sp). Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen; in der Ausweisungsverfügung hat sie nur angegeben, dass sie nicht wisse, ob die litauische Daueraufenthaltserlaubnis-EU von den dortigen Behörden widerrufen oder zurückgenommen worden ist.
Ob diese Grundsätze auch für die Verlusttatbestände des Art. 9 Abs. 4 RL 2003/109/EG gelten, kann im Übrigen dahinstehen, da dessen Voraussetzungen schon nicht vorliegen. Denn dem Kläger ist bisher kein entsprechender Aufenthaltstitel nach § 9a AufenthG erteilt worden ist, was Art. 9 Abs. 4 Satz 1 RL 2003/109/EG aber voraussetzt. Auch ein Verlust nach Art. 9 Abs. 4 Satz 2 RL 2003/109/EG ist schon tatbestandlich nicht gegeben, da sich der Kläger am 4. Februar 2015 in Vilnius bei der deutschen Botschaft gemeldet hat und sich damit seit Erteilung der EU-Daueraufenthaltserlaubnis am 11. November 2013 jedenfalls nicht länger als sechs Jahre nicht in Litauen aufgehalten hat.
2.2. Nach § 53 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Angesichts dieser strengen Vorgaben können grundsätzlich nur Fälle mittelschwerer oder schwerer Kriminalität, insbesondere schwere Gewalttaten, einen Ausweisungsgrund im Sinne dieser Vorschrift darstellen (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Januar 2016, § 53, Rn. 159). Geringfügige Delikte, die etwa die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen vorsehen, bieten schon keinen hinreichenden Ausweisungsanlass im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG, zumal diese Vorschrift wohl auch rechtskräftige strafrichterliche Entscheidungen verlangt. Auch ausländerrechtliche Verstöße reichen für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG grundsätzlich nicht aus (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Januar 2016, § 53, Rn. 160 f.); hieraus kann noch keine schwerwiegende Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft hergeleitet werden (vgl. BT-Drs. 15/538, 104).
Zudem ist die von der Beklagten angestellte Gefahrenprognose im Lichte des § 53 Abs. 3 AufenthG bzw. des Art. 12 RL 2003/109/EG hier unzureichend, da sie nicht konkret dargelegt hat, aus welchen Umständen ein persönliches Verhalten des Betroffenen zu erkennen ist, aus dem folgt, dass dieser eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt. Denn eine strafrechtliche Verurteilung, die im Übrigen hier schon nicht vorliegt (siehe 2.3.), kann die Ausweisung nur rechtfertigen, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten des Betroffenen erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt. Daraus folgt das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des Betroffenen ausgeht. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ausweisungsverfügung insoweit lediglich isoliert Verstöße gegen die Rechtsordnung angeführt, ohne in ausreichendem Maße konkrete Anhaltspunkte zu benennen, dass in Zukunft bedeutsame Gefahren für ein wichtiges Schutzgut durch neue Verfehlungen des Klägers ernsthaft drohen.
2.3. Zudem liegen die von der Beklagten benannten Verstöße teilweise schon nicht vor bzw. stehen nicht in der erforderlichen zweifelsfreien Weise fest.
So ist eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nämlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Bestrafung nach dieser Norm ausgeschlossen ist, wenn und soweit einem Ausländer, dessen Aufenthalt den Ausländerbehörden bekannt ist, ein illegaler Aufenthalt nur während des laufenden Rückführungsverfahrens zur Last gelegt wird. Denn die Normen und Verfahren der EU-Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) würden beeinträchtigt, wenn der betreffende Mitgliedstaat, nachdem er den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen festgestellt hat, vor der Vollstreckung der Rückkehrentscheidung oder gar vor deren Erlass ein Strafverfahren durchführt, das ggf. zu einer Freiheitsstrafe während des Rückkehrverfahrens führen könnte. Ein solches Vorgehen droht nämlich die Abschiebung zu verzögern (vgl. EuGH, U.v. 28.4.2011 − C 61/11 PPU, NJOZ 2012, 837, Rn. 59 – Hassen El Dridi; EuGH, U.v. 6.12.2011 – C-329/11, Slg. 2011, I-12695, Rn. 45 – Achughbabian). Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechung auch dann zu beachten ist, wenn eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RL 2008/115/EG noch nicht getroffen worden ist, sondern der Erlass einer solchen Entscheidung bevorsteht. Da der Beklagten während des Zeitraums zwischen Antragstellung und ablehnender Entscheidung über diesen Antrag der Aufenthalt des Klägers bekannt war, scheidet eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aus.
Soweit die Beklagte die Ausweisung auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Schweinfurt vom 18. Dezember 2014 stützt, ist zu berücksichtigen, dass dieser nicht rechtskräftig ist. Selbst wenn eine Ausweisung auf § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gestützt wird, der eine rechtskräftige Entscheidung des Strafgerichts nicht voraussetzt, so ist es doch erforderlich, dass ein Rechtsverstoß feststeht; ein bloßer Verdacht reicht nicht aus (BayVGH, U.v. 15.12.2003 – 10 B 03.1725, InfAuslR 2004, 291). Erforderlich ist also, dass sich der Rechtsverstoß aus den getroffenen Feststellungen ergibt, da der Ausweisungsgrund nur erfüllt ist, wenn der Verstoß zweifellos feststeht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht jedenfalls die dem Kläger im Strafbefehl zur Last gelegte Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug (noch) nicht in dieser erforderlichen zweifelsfreien Weise fest. Der Kläger hat seinen Einspruch gegen diesen Strafbefehl (nachvollziehbar) damit begründet, dass nach den Bankanweisungen und -vorschriften sowie gemäß dem Kreditformular die Unterschriften auf dem Kreditvertrag vor dem Banksachbearbeiter zu leisten waren und sich schon allein daraus ergebe, dass die (damalige) Ehefrau des Klägers den Kreditvertrag eigenhändig unterzeichnet habe.
3. Die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 des Bescheides ist hingegen rechtmäßig und verletzt den Kläger (schon deshalb) nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht dem Kläger nicht zu.
Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, U.v. 7.4.2009 – 1 C 17/08, NVwZ 2010, 262, Rn. 10).
3.1. Zu diesem Zeitpunkt kommt aufgrund der gültigen litauischen Daueraufenthaltserlaubnis-EU zwar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG grundsätzlich in Betracht. Danach wird einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten will. Für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels bedarf es aber darüber hinaus auch des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG (BayVGH, B.v. 16.11.2012 – 10 CS 12.803, juris, Rn. 5). Dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG vom Vorliegen dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, insbesondere von der Sicherung des Lebensunterhalts, abhängig gemacht werden darf, steht im Übrigen in Einklang mit der Richtlinie 2003/109/EG. Denn nach Art. 15 Abs. 2 lit a) RL 2003/109/EG können die Mitgliedstaaten von den betreffenden Personen verlangen, dass sie feste und regelmäßige Einkünfte nachweisen, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Familienangehörigen ausreichen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Ausländers unter Einbeziehung aller bekannten Umstände und bei nicht wesentlich veränderten und unter Außerachtlassung von unvorhergesehenen Umständen den Lebensunterhalt aus eigenen oder „unschädlichen“ öffentlichen Mitteln auf Dauer wird bestreiten können. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 10/12, NVwZ 2013, 1339, Rn. 13). In diese Prognose ist auch der Verlauf der bisherigen Erwerbstätigkeit des Ausländers mit einzubeziehen (vgl. nur OVG Lüneburg, B.v. 29. 11.2006 – 11 LB 127/0, BeckRS 2006, 27258).
Gemessen daran hat der Kläger zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. nur BayVGH, B.v. 19.8.2015 – 10 ZB 15.1050; BeckRS 2015, 52034) nicht darlegen können, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne der § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, Art. 15 Abs. 2 lit. a) RL 2003/109 EG eigenständig bestreiten kann. Vorliegend ist zwar zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik zuletzt im Zeitraum vom April 2013 bis zu seiner Ausreise regelmäßig eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt hat. Zuvor hatte der Kläger aber auch Sozialleistungen bezogen (vgl. Bl. 201 f., 210 f. der Behördenakten) oder, etwa im Hinblick auf die Beschäftigung bei der R. GmbH, ergänzenden Anspruch auf Sozialleistungen. Entscheidend für die negative Prognose ist allerdings der Umstand, dass der derzeit im Ausland lebende Kläger nicht nachweisen konnte, aus welchen Mitteln er gegenwärtig und auch künftig seinen Lebensunterhalt sichern kann. § 2 Abs. 3 AufenthG verlangt aber, dass der Ausländer Nachweise beibringt, aus denen sich hinreichend erkennen lässt, ob und in welchem Umfang der Lebensunterhalt gesichert ist (BayVGH, U.v. 1.10.2008 – 10 BV 08.256, BeckRS 2008, 28465). Für die im Rahmen dieser Vorschrift anzustellende Prognose bedarf es daher grundsätzlich eines bestehenden oder bereits vertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnisses, das die Prognose hinreichend stabiler und dauerhafter Einkommensverhältnisse erlaubt (BVerwG, U.v. 19.3.2002, BVerwGE 116, 128; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 11.5.2010 – 12 B 26/09, BeckRS 2010, 54124) oder zumindest die begründete Aussicht auf Erwerbstätigkeit bzw. den konkreten Nachweis hinreichender eigener Mittel und Ansprüche (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Dezember 2013, § 2, Rn. 41). Vorliegend hat der Klägerbevollmächtigte schon nicht darlegen können, aus welchen Mitteln der Kläger seit seiner Ausreise aus Deutschland im Februar 2015 seinen Lebensunterhalt verdient. Ob dieser etwa gegenwärtig einer Tätigkeit in Litauen nachgeht oder über ausreichende sonstige Mittel verfügt, ist nicht bekannt. Auch ist im gerichtlichen Verfahren nicht dargetan worden, wie der Kläger nach Wiedereinreise in die Bundesrepublik seinen Lebensunterhalt bestreiten will; insbesondere konkrete Arbeitsangebote, etwa in Form einer Wiedereinstellungszusage seines ehemaligen Arbeitgebers, sind nicht vorgelegt worden. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, der es fordern würde, von der (Regel-)Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3.2. Es kann dahinstehen, ob der Kläger rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seiner nach § 31 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis gestellt hat und damit ggf. einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hat. Denn auch diese Vorschrift verlangt das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 5 AufenthG (vgl. nur Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: September 2011, § 31, Rn. 38 f. m.w.N.).
Deshalb scheidet auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund anderer Rechtsgrundlagen aus. § 18 AufenthG verlangt außerdem den hier fehlenden Nachweis einer konkreten Beschäftigung (siehe nur Sußmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 18, Rn. 20). Von seinem volljährigen Sohn kann der Kläger ebenfalls kein Aufenthaltsrecht ableiten.
4. Soweit sich der Kläger gegen die von der Beklagten in Ziffer 3 des Bescheides verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung wendet, ist die Klage bereits unzulässig. Aufgrund der freiwilligen Ausreise des Klägers entfällt das insoweit erforderliche Rechtschutzinteresse, da die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung keine Rechtswirkung mehr entfalten. Denn aus Ziffer 3 des Bescheides kann auch im Fall der erneuten Einreise nicht mehr vollstreckt werden, womit sich die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung jedenfalls erledigt hat (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, § 59 Rn. 96, unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 20.6.1990 – 1 B 80/89, NVwZ 1991, 273; VGH Baden-Württemberg, B.v. 15.2.1995 – 11 S 2954/94, NVwZ-RR 1996, 115; ebenso VG Freiburg, B.v. 3.6.2011 – 4 K 728/11, BeckRS 2011, 51660; VG Saarlouis, U.v. 30.11.2011 – 10 K 549/11, BeckRS 2012, 47684; VG Ansbach, B.v. 31.1.2006 – AN 19 S. 05.01841, BeckRS 2006, 29384; VG München, GB.v. 24.7.2006 – M 4 K 05.3145, BeckRS 2006, 32056).
5. Soweit der Kläger die Gestattung der Wiedereinreise in das Bundesgebiet begehrt, ist die Klage wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig.
Dem Kläger steht nach Aufhebung der Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides das Recht auf visumsfreie Wiedereinreise aufgrund der gültigen litauischen EU-Daueraufenthaltserlaubnis bereits nach Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) zu (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.2.2013 – 19 AS 12.2476, BeckRS 2013, 47552, Rn. 13).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.