Aktenzeichen M 4 S 16.30583
Leitsatz
Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Der Asylbewerber hat keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (§ 29a Abs. 1 AsylG). (redaktioneller Leitsatz)
Die Fristbestimmungen der Dublin III-VO gewähren keinen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Die Bestimmungen der Dublin III-VO richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an die Mitgliedstaaten und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (ebenso EuGH BeckRS 2013, 82158 und EuGH BeckRS 2013, 82312). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller, der keinerlei Papiere vorlegt, gibt sich als ein am … Februar 1996 geborener Senegalese vom Volk der … aus, der Französisch und Wolof beherrsche. Am … Februar 2014 stellte er in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag, nachdem er am … Januar 2014 von der Bundespolizeiinspektion … festgenommen worden ist. Bei seiner Befragung gab er an, am … Januar 2014 eingereist zu sein. Seine wirtschaftliche Situation sei schlecht, er habe die Grundschule besucht und sei ohne Arbeit. Aus einem Vermerk über eine Beschuldigtenvernehmung ergibt sich, dass der Antragsteller am … Januar 2014 gegen 23.00 Uhr mit einem Euroliner-Fernreisebus über die BAB 93 nach Deutschland eingereist ist und bei der Kontrolle durch die PIF-… keinerlei Ausweisdokumente vorweisen konnte. Bei seiner Befragung vor der Polizei gab er an, vor knapp sieben Monaten aus Senegal geflohen zu sein und über Mauretanien, Marokko und Spanien nach Frankreich und zuletzt nach Italien gereist zu sein. Dort sei er vor fünf Monaten angekommen und habe auf der Straße gelebt, er habe chinesische Waren verkauft. Er habe in … in einem Haus mit mehreren Afrikanern zusammengelebt. Da das Leben auf der Straße in Italien so hart gewesen sei, habe er sich entschlossen, nach Deutschland aufzubrechen. Er wolle ein neues Leben anfangen, ohne Sorgen und Verfolgung. Er würde gerne hier arbeiten und legal hier leben dürfen. In seinem Land würden schon ganz junge Leute zum Militär geholt. Deshalb sei er geflohen. Er habe nicht in den Krieg ziehen wollen.
Die Eurodac-Recherche verlief negativ.
Am … November 2015 wurde der Antragsteller über seine Fluchtgründe befragt. Er gab an, weder in Spanien noch in Italien Asyl beantragt zu haben. Er habe anfangs einen Auszug aus dem Geburtenregister dabei gehabt, den er später dann ins Mittelmeer geworfen habe. Er habe den Senegal wegen eines Angriffs der Rebellen verlassen, bei dem zwei seiner Freunde ihr Leben verloren hätten. Sie seien von Rebellen erschossen worden. Seine Familie sei von den Rebellen bedroht worden. In anderen Teilen Senegals habe er nicht leben wollen, da er dort niemanden kenne.
Ausweislich eines in der Bundesamtsakte enthaltenen Arbeitsvertrages und einer Lohnabrechnung für Juli 2015 arbeitet der Antragsteller seit … März 2015 als Produktionshelfer und verdient netto etwa 1.100,- Euro.
Mit Bescheid vom 14. März 2016, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 21. März 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) sowie den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) als offensichtlich unbegründet ab und lehnte auch den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziff. 3). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), ordnete für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung des Antragstellers in den Senegal oder in einen anderen zur Aufnahme verpflichteten
oder bereiten Staat an (Ziff. 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise (Ziff. 6), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 21. März 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht … eingegangen, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 14. März 2016 erheben, gleichzeitig beantragte die Bevollmächtigte,
die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
Es bestünde die Verpflichtung nach der Dublin-III-Verordnung, nach objektiven Kriterien den Mitgliedsstaat, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag zuständig ist, zu finden. Nachdem der Kläger mitgeteilt habe, dass er in Italien und Spanien gelebt habe, sei sein Asylverfahren in Italien zu überprüfen gewesen.
Am 05. April 2016 legte das Bundesamt die Behördenakten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids vom 14.03.2015) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs.1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). “Ernstliche Zweifel” im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst insgesamt der Begründung des angegriffenen Bundesamtsbescheides (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Auch der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachte Gedanke einer Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung hinsichtlich einer möglichen Zuständigkeit Spaniens oder Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens einzuleiten, verhilft dem Eilantrag des Antragstellers nicht zum Erfolg. Die Fristbestimmungen der Dublin-III-Verordnung dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern einen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Die Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedsstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (EUGH, Urteil v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris; Urteil v. 10.12.2013 – C-394/12 – juris). Sie begründen kein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVGSH, Beschluss v. 24.02.2015 – LA 15/15 – juris mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen steht es jeden Mitgliedstaat frei, gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung abweichend von Art. 3 zu beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass zum einen eine EURODAC-Abfrage hinsichtlich Italiens ein negatives Ergebnis erzielt hat und für den Fall, dass man sich der Rechtsmeinung der Bevollmächtigten anschließen wollte, allenfalls Spanien, nicht aber Italien, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. In den Akten ist jedoch auch hinsichtlich von Spanien kein EURODAC-Treffer verzeichnet, im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bereits sämtliche Fristen nach der Dublin-III-Verordnung abgelaufen sind. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist also in jedem Fall auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsanordnung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).