Europarecht

Vogelschutz bei der Windenergieanlagengenehmigung

Aktenzeichen  22 B 14.1875, 22 B 14.1876

Datum:
29.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 271
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG BNatSchG § 7 Abs. 2, § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 7, § 67 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. An die Stelle der in der Anlage 2 der “Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen” (Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Finanzen, für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, für Umwelt und Gesundheit sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.12.2011 – “Windkrafterlass Bayern”) genannten Distanzen sind jedenfalls seit dem Frühjahr 2016 die in der Tabelle 2 der von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten herausgegebenen “Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” angegebenen Entfernungen getreten. (amtlicher Leitsatz)
2. Es kann rechtlich zulässig sein, bei der Beantwortung der Frage, ob sich der Erhaltungszustand einer die Grenzen von Bundesländern übergreifenden Population im Sinn von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG verschlechtern wird, nur auf die im Gebiet desjenigen Bundeslandes vorhandene Teilpopulation abzustellen, dessen Behörden über die Zulassung einer Ausnahme vom naturschutzrechtlichen Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) zu befinden haben. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 12.904 2013-11-12 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsverfahren zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Gegenstand des vorliegenden Berufungsurteils bilden die Haupt- sowie die im Tatbestand unter den laufenden Nummern 2 und 3 wiedergegebenen Hilfsanträge der Klägerin. Diese Anträge sind zulässig.
Ob es sich bei den erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten, im Tatbestand dieses Urteils mit der Nummer 2 versehenen Hilfsanträgen um ein bloßes Minus gegenüber den Hauptanträgen im Sinn von § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO handelt, so dass sie nicht an den sich aus § 91 VwGO ergebenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung zu messen sind, kann dahinstehen. Denn da sich der Beklagte auf diese neuen Anträge sachlich eingelassen hat (vgl. die im vorletzten Absatz auf Seite 9 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof festgehaltenen Ausführungen), ist gemäß § 91 Abs. 2 VwGO von seiner Einwilligung mit einer Einbeziehung dieses Begehrens in die Streitsachen auszugehen.
2. Nicht zu befinden ist demgegenüber über die im Tatbestand dieses Urteils mit den Nummern 4 versehenen weiteren Hilfsanträge. Denn die Klagepartei hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, diese Eventualanträge würden für den Fall gestellt, dass das Gericht nicht die Rotmilanproblematik, sondern den Regionalplan als Genehmigungshindernis ansehe. Da dem Erfolg der Haupt- und der beiden vorrangigen Hilfsanträge bereits das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG statuierte Tötungsverbot in Bezug auf den Rotmilan und der fehlende Anspruch der Klägerin auf die Zulassung einer Ausnahme von dieser Bestimmung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG entgegenstehen, erübrigen sich im vorliegenden Urteil Ausführungen darüber, ob die im Regionalplan nunmehr vorgenommene Zuordnung der Grundstücke, auf denen die Klägerin ihr Vorhaben verwirklichen will, zu einem Ausschlussgebiet für die Errichtung von Windkraftanlagen ebenfalls eine Zurückweisung der Berufungen erfordert. Nach Auffassung des erkennenden Senats begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, die Pflicht des Gerichts zur Entscheidung über einen Hilfsantrag nicht – wie üblich – vom Misserfolg (oder vom Erfolg) eines vorrangigen Klagebegehrens als solchen, sondern von den Gründen abhängig zu machen, derentwegen des Gericht zu diesem Ergebnis gelangt. Denn auch in einem solchen Fall hängt der rückwirkende Wegfall der Rechtshängigkeit des Hilfsantrags (vgl. zu dieser Wirkung des Eintritts der auflösenden Bedingung, an die die Stellung eines Eventualantrags geknüpft ist, z. B. Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 260 Rn. 4a) ausschließlich von einem klar konturierten innerprozessualen Umstand, nämlich einer bestimmten Entwicklung der Verfahrenslage ab, die ihrerseits an die zukünftige Überzeugungsbildung des Gerichts geknüpft ist (vgl. zu diesen Wesensmerkmalen einer innerprozessualen Bedingung Lüke/Kerwer, NJW 1996, 2121/2123).
3. Die Hauptanträge sind unbegründet, da ein Betrieb von Windkraftanlagen an allen verfahrensgegenständlichen Standorten zur Folge hätte, dass Rotmilane hierdurch mit signifikant erhöhter Wahrscheinlichkeit getötet würden. Der erstrebten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung steht deshalb der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG als „sonstiger“ Versagungsgrund im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sowie als öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen (3.1), ohne dass die Klägerin gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BNatSchG die Zulassung einer Ausnahme hiervon verlangen kann (3.2).
3.1 Das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG statuierte Verbot, Tiere einer besonders geschützten Art zu töten, wird verletzt, wenn sich das Risiko, dass ein solcher Erfolg eintritt, durch das zu beurteilende Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (BVerwG, U. v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 219; U. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 90; U. v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 Rn. 11). Nicht erfüllt ist dieser Verbotstatbestand, wenn die den geschützten Tieren drohende Gefahr in einem Bereich verbleibt, der mit dem stets bestehenden Risiko vergleichbar ist, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (BVerwG, U. v. 9.7.2008 a. a. O. Rn. 91).
Bei der Prüfung der Frage, ob der artenschutzrechtliche Tötungstatbestand erfüllt ist, steht der öffentlichen Verwaltung auch in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einschließlich solcher, die die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen zum Gegenstand haben, ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 – 7 C 40.11 – NVwZ 2014, 524 Rn. 14). Diese Einschätzungsprärogative bezieht sich sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 a. a. O. Rn. 19). Kein Raum ist für sie allerdings dann, wenn sich für die Bestandserfassung von betroffener Arten eine bestimmte Methode oder für die Risikobewertung ein bestimmter Maßstab als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt haben, so dass gegenteilige Standpunkte als nicht (mehr) vertretbar angesehen werden können (BVerwG, U. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 66; U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 15; U. v. 21.11.2013 a. a. O. Rn. 19). Pflicht der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist es, zu kontrollieren, ob die artenschutzrechtlichen Untersuchungen im Gesamtergebnis sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 16; U. v. 21.11.2013 a. a. O. Rn. 20).
Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten erforderlichen Maßnahmen lassen sich mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben; sie hängen wesentlich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (BVerwG, B. v. 18.6.2007 – 9 VR 13.06 – Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 2 Rn. 20; U. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 59). Sie werden sich regelmäßig aus zwei Quellen speisen, die sich wechselseitig ergänzen können, nämlich zum einen aus der Bestandserfassung vor Ort, zum anderen aus der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und der Fachliteratur (BVerwG, U. v. 9.7.2008 a. a. O. Rn. 59). Wie viele Begehungen zu welchen Jahres- und Tageszeiten im Rahmen der Bestandsaufnahme vor Ort erforderlich sind und nach welchen Methoden die Erfassung stattzufinden hat, lässt sich nicht für alle Fälle abstrakt bestimmen, sondern hängt von vielen Faktoren, z. B. von der Größe des Untersuchungsraumes sowie davon ab, ob zu diesem Gebiet bereits hinreichend aktuelle und aussagekräftige Ergebnisse aus früheren Untersuchungen vorliegen (BVerwG, U. v. 9.7.2008 a. a. O. Rn. 60).
Angesichts der Weite und relativen Unbestimmtheit der rechtlichen Vorgaben, anhand derer sich beurteilt, welche Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44 BNatSchG im Vorfeld der Genehmigung von Windkraftanlagen durchzuführen sind, hat das damalige Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit in seiner Eigenschaft als oberste Naturschutzbehörde auf Landesebene (Art. 43 Abs. 2 Nr. 1 BayNatSchG) durch den im Einvernehmen mit den weiteren in ihrem Aufgabenbereich berührten Ministerien herausgegebenen „Windkrafterlass Bayern“ Art und Weise der insoweit gebotenen Erhebungen näher konkretisiert. Den in dieser Verwaltungsvorschrift enthaltenen Aussagen kommt zwar nicht der Rang bindender rechtlicher Bestimmungen zu. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind jedoch, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden (BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736/738).
Unter Beachtung dieser rechtlichen und fachlichen Vorgaben steht zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass mit dem Auftreten von Rotmilanen – sie gehören gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b Doppelbuchst. bb BNatSchG i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG und Art. 1 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 (ABl L 20 S. 7 [nachfolgend „Vogelschutzrichtlinie“ bzw. „VRL“ genannt]) zu den besonders geschützten Arten – im Gefahrenbereich der streitgegenständlichen Anlagen auch künftig mit außerordentlich hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, und dass sie dort einem Tötungsrisiko ausgesetzt wären, das signifikant über demjenigen liegt, dem sich Vögel dieser Spezies ansonsten im Naturraum ausgesetzt sehen. Dies folgt aus den in den Verwaltungs- und in den gerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen insbesondere der höheren Naturschutzbehörde, die sich auf breite, hinsichtlich ihrer Aussagekraft eindeutige tatsächliche Erkenntnisgrundlagen stützen können.
Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob dem Genehmigungsverlangen der Klägerin der sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebende Versagungsgrund entgegengehalten werden kann, sind, da das einschlägige materielle Recht keine abweichende Festlegung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts vornimmt, die bei Schluss der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug bestehenden Verhältnisse. Sie sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass im Jahr 2015 in relevanter Nähe zu den Standorten der geplanten Windkraftanlagen zwei bebrütete Rotmilanhorste vorhanden waren. Einer davon befand sich am Ostrand des den Mühlberg bedeckenden Waldes in der Flurlage „Flöhgraben“. Angesichts der detailgenauen Angaben, die sich in den von Fachkräften für Naturschutz des Landratsamts gefertigten Vermerken vom 22. April 2015 und vom 22. Juli 2015 sowie in den Karten finden, die die Landesanwaltschaft Bayern als Anlagen zu ihren Schreiben vom 4. Mai 2015 und vom 29. Juli 2015 übersandt hat, steht die Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beklagten für das Gericht außer Frage; auch die Klägerin ist den naturschutzfachlichen Feststellungen, die durch das letztgenannte Schreiben der Landesanwaltschaft in das Verfahren eingeführt wurden, nicht mehr entgegengetreten. Nach der gleichfalls überzeugenden und von der Klägerin ebenfalls nicht bestrittenen Mitteilung einer Fachkraft für Naturschutz des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof fand im Jahr 2015 außerdem ein (wenngleich nicht erfolgreicher) Brutvorgang von Vögeln dieser Art am Nordrand des als „Geheg“ bzw. „Gehegholz“ bezeichneten Waldstücks statt, das die Waldschneise, innerhalb derer das Vorhaben der Klägerin verwirklicht werden soll, nach Süden hin teilweise abschließt (vgl. auch die diesbezügliche Eintragung in der dem Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 14.3.2016 beigefügte Karte); dieser Horst habe sich etwa 250 m weiter östlich als derjenige befunden, den die K. GmbH bei den von ihr durchgeführten Erhebungen festgestellt hatte. Ein dritter Rotmilanhorst befand sich nach den Angaben in der dem Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 14. März 2016 beigefügten Karte am östlichen Rand des den Mühlberg bedeckenden Waldes in unmittelbarer Nähe zu dem für die Windkraftanlage 3 in Aussicht genommenen Standort; ein dort unternommener Brutversuch sei allerdings wegen eines im März 2015 stattfindenden Holzeinschlags abgebrochen worden. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet auch diese Darstellung, der die Klägerin ebenfalls nicht entgegengetreten ist, u. a. deshalb für glaubhaft, weil bereits in der Abbildung 4 der von der K. GmbH erstellten faunistischen Bestandsaufnahme an gleicher Stelle ein „Horst/großes Nest“ eingetragen ist, ohne dass dieser Nistplatz während der von jenem Unternehmen durchgeführten Erhebungen allerdings besetzt gewesen sei.
Unerheblich ist, ob die beiden erstgenannten Horste auch im laufenden Jahr wieder für Brutvorgänge genutzt werden. Denn die Prüfung, ob durch die Verwirklichung eines Vorhabens gegen das sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebende Tötungsverbot verstoßen wird, dient der künftigen Vermeidung von Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift; es bedarf in ihrem Zusammenhang deshalb einer auch zukunftsorientierten Betrachtung, ob innerhalb absehbarer Zeit konkret mit der Verwirklichung dieses Verbotstatbestands zu rechnen ist. Soweit sich in der Wissenschaft hinsichtlich der Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Zeitspanne mit erneuten Brutvorgängen in einem in der Vergangenheit zu diesem Zweck genutzten Vogelnest gerechnet werden muss, kein eindeutiger, allgemein anerkannter Meinungsstand herausgebildet hat, kommt den zuständigen Fachbehörden auch insoweit eine Einschätzungsprärogative zu. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit hat in seinem durch den Verwaltungsgerichtshof in die vorliegenden Streitsachen eingeführten Schreiben vom 8. August 2012 (Az. 63a-U8685.2-2001/11-101) insoweit die Auffassung vertreten, drei Jahre der Nichtnutzung seien ein fachlich angemessener Zeitraum, nach dessen Ablauf nicht mehr von einem „Brutplatz“ im Sinne des Windkrafterlasses Bayern auszugehen sei, gleichzeitig allerdings zu erkennen gegeben, dass in diesem Zusammenhang auch anderen Umständen (eingetretene Zerfallserscheinungen eines Horstes, fortdauernde Besetzung des Reviers in Gestalt der Nutzung eines in der Nähe befindlichen Nests) Bedeutung zukommen kann. Da bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz weder der Brutplatz im Flöhgraben noch derjenige am Nordrand des Gehegholzes seit drei Jahren ungenutzt geblieben ist und dem Gericht nichts dafür vorgetragen wurde, dass andere Indizien für eine Aufgabe dieser Nistplätze sprechen, kommt der Existenz dieser besetzten Horste auch gegenwärtig weiterhin Bedeutung zu.
Bei kollisionsgefährdeten Vogelarten (hierzu rechnet die Anlage 2 zum Windkrafterlass Bayern u. a. den Rotmilan) ist dann eine nähere Betrachtung der in § 44 Abs. 1 BNatSchG normierten Verbotstatbestände erforderlich, wenn bestimmte Abstände zu Brutplätzen oder regelmäßig aufgesuchten Nahrungshabitaten unterschritten werden. Diese Abstände legt der Windkrafterlass in der bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof noch geltenden Fassung dergestalt fest, dass bei einem Brutvorkommen des Rotmilans eine Distanz von 1.000 m und bei regelmäßig aufgesuchten Nahrungshabitaten eine Entfernung von 6.000 m vom geplanten Standort der Windkraftanlage für maßgeblich erklärt werden. Diese Vorgaben dürfen der Rechtsanwendung im vorliegenden Fall allerdings nicht mehr zugrunde gelegt werden, da sich inzwischen ein hiervon abweichender, allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat. Er ergibt sich, wie der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der Regierung von Unterfranken in der Berufungsverhandlung dargelegt hat, aus den von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten herausgegebenen, auf dem Stand vom April 2015 befindlichen „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten“ (nachfolgend kurz „Abstandsempfehlungen 2015“ genannt). Diese Auffassung hätten in einer am 2. März 2016 abgehaltenen Besprechung sowohl die beteiligten Staatsministerien als auch das Bayerische Landesamt für Umwelt und die höheren Naturschutzbehörden vertreten. Damit in Einklang steht, dass die überarbeitete Fassung des Windkrafterlasses Bayern, mit deren Herausgabe nach Darstellung des Beklagten in nächster Zeit zu rechnen ist, eine Ausdehnung des („engeren“) Prüfbereichs, der bei einem Brutvorkommen des Rotmilans um den Standort einer geplanten Windkraftanlage zu ziehen ist, von 1.000 m auf 1.500 m vorsehen wird (vgl. Seite 5 unten des Schriftsatzes der Landesanwaltschaft Bayern vom 14.3.2016).
3.1.1 Die für die Windkraftanlagen 2 und 3 in Aussicht genommenen Standorte unterschreiten nach den glaubhaften, insbesondere mit den vorgelegten Karten übereinstimmenden Angaben des Beklagten gegenüber dem im Jahr 2015 im Flöhgraben festgestellten, bebrüteten Horst die Distanz von 1.500 m.
Während die „Abstandsempfehlungen 2015“ die kleineren der in der dortigen Tabelle 2 jeweils bezeichneten zwei Radien durchgängig als „Mindestabstände“ bezeichnen, geht der Windkrafterlass Bayern in der bei Schluss der mündlichen Verhandlung allein zur Verfügung stehenden Fassung vom 20. Dezember 2011 davon aus, dass allein aus der Unterschreitung der in der Spalte 2 der Anlage 2 zu dieser Verwaltungsvorschrift genannten Entfernungen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht hergeleitet werden kann. Ob dies der Fall sei, müsse vielmehr „jeweils orts- und vorhabensspezifisch entschieden werden“ (Windkrafterlass Bayern, Seite 42). Ergebe die Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten in dem in der Anlage 2 Spalte 2 angegebenen Prüfbereich nicht, dass die Windkraftanlage gemieden oder selten überflogen wird, sei insofern von einem erhöhten Tötungsrisiko auszugehen (Windkrafterlass Bayern, ebenda). Wird innerhalb des „engeren Prüfbereichs“ das Brutvorkommen einer kollisionsgefährdeten Art festgestellt, so gilt nach der Konzeption des Windkrafterlasses Bayern mithin eine Art von widerleglicher Vermutung: Es ist von der Verwirklichung des Tötungsverbots auszugehen, sofern sich im konkreten Einzelfall nicht der Nachweis der Meidung des Gefährdungsbereichs der zu beurteilenden Anlage(n) oder eines nur seltenen Aufenthalts von Individuen der betroffenen Spezies dort führen lässt.
Die vorliegenden Streitsachen erfordern keine Entscheidung der Frage, ob an diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis angesichts der Ausgestaltung des 1.500-m-Kriteriums in den „Abstandsempfehlungen 2015“ als „Mindestabstand“ festzuhalten ist, wobei eine solche „Mindestabstandsregelung“ in eindeutig atypischen Fällen aus rechtsstaatlichen Gründen schwerlich Geltung beanspruchen könnte. Auch dann, wenn dies zu bejahen sein sollte, könnte nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Standorte der Windkraftanlagen 2 und 3 von den Flugaktivitäten der Rotmilane entweder gänzlich oder doch in so hohem Umfang ausgenommen sind, dass die Gefahr, Tiere dieser Art könnten mit der Anlage kollidieren, das allgemeine Lebensrisiko der betroffenen Individuen nicht mehr signifikant übersteigt.
Bereits im Rahmen der von der K. GmbH durchgeführten faunistischen Bestandserhebungen wurden mehrfach Flugbewegungen von Rotmilanen wahrgenommen, die unmittelbar an den Standorten dieser beiden Windkraftanlagen vorbei- bzw. auf sie zuführten; auf die Eintragungen in der Abbildung 4 (Seite 10) der von diesem Unternehmen erstellten, vom Dezember 2011 datierenden faunistischen Bestandsaufnahmen wird insoweit Bezug genommen.
In Einklang damit stehen die Angaben in den avifaunistischen Gutachten des Ingenieurbüros S. vom 22. Juli 2012. Ausweislich der grafischen Darstellungen, die dieser Ausarbeitung als Abbildungen 3b, 3c, 3d, 3f, 3g, 3i und 3k beigefügt sind, kreisten Rotmilane an sieben der 14 Beobachtungstage über den für die Windkraftanlagen 2 und/oder 3 in Aussicht genommenen Standorten bzw. in deren unmittelbarer Nähe.
Die Feststellungen der beiden vorgenannten Privatgutachter stehen der Annahme, die Areale, auf denen diese beiden Windkraftanlagen errichtet werden sollen, würden durch Rotmilane gemieden oder nur selten genutzt, umso mehr entgegen, als während der Zeiträume, in denen diese Erhebungen durchgeführt wurden, Vögel dieser Art noch nicht innerhalb eines Umkreises von 1.500 m gebrütet haben. Halten sich nämlich bereits Rotmilane, die das Vorhabensgebiet von weiter entfernten Orten her aufsuchen, häufig im Gefahrenbereich der verfahrensgegenständlichen Anlagen auf, so muss das für Individuen dieser Spezies, die innerhalb des 1.500-m-Radius brüten, erst recht angenommen werden, sofern im Einzelfall keine konkreten Indizien dagegen sprechen.
3.1.2 Mit einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für Rotmilane ginge aber auch die Errichtung der Windkraftanlage 1 einher. Die „Abstandsempfehlungen 2015“ definieren den um den Standort einer geplanten Windkraftanlage zu bildenden (weiteren) „Prüfbereich“ als dasjenige Gebiet, innerhalb dessen zu prüfen ist, ob dort Nahrungshabitate, Schlafplätze oder andere wichtige Habitate der betreffenden Art vorhanden sind (vgl. die Vorbemerkung zur Tabelle 2 der „Abstandsempfehlungen 2015“); es weist im Fall des Rotmilans einen Radius von 4.000 m auf. Insofern besteht kein ins Gewicht fallender Unterschied zu den Vorgaben des Windkrafterlasses Bayern, der auf den Seiten 42 und 44 die Bejahung des Verbotstatbestands nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG innerhalb des „weiteren Prüfbereichs“ (Spalte 3 der Anlage 2 zum Windkrafterlasses Bayern) ebenfalls von der plausiblen Darlegung abhängig macht, dass es im Bereich der geplanten Anlage zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kommt oder ihr Nahbereich – z. B. bei Nahrungsflügen – signifikant häufiger überflogen wird.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat ein Fachbeamter der vierten Qualifikationsebene der höheren Naturschutzbehörde dargelegt, die gesamte Waldschneise, innerhalb derer die strittigen Windkraftanlagen errichtet werden sollen, sei als regelmäßig aufgesuchtes Nahrungshabitat im Sinn der Ausführungen auf Seite 44 des Windkrafterlasses Bayern anzusehen; es sei nicht sinnvoll, insofern weiter nach Teilbereichen zu differenzieren. Der Grund hierfür liege in der ausgeprägten Heterogenität der dortigen Grundstücksnutzung; der Rotmilan gehe beim Aufsuchen dieses Gebiets davon aus, dass er immer irgendwo Beute finden könne. Der Auffassung des Fachbeistandes der Klägerin, Rotmilane würde sich angesichts der guten Ernährungsbasis, die sie in der Waldschneise vorfänden, nicht allzu weit von ihrem Horst entfernen, könne er nicht bestätigen; aus den durchgeführten Beobachtungen ergebe sich, dass Vögel dieser Art die gesamte Waldschneise überdurchschnittlich häufig frequentiert hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof folgt der Darstellung des Vertreters der höheren Naturschutzbehörde, da ihr eine sachgerechte Ausübung der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative zugrunde liegt. Seine Auffassung wird insbesondere durch die Angaben über die innerhalb der Waldschneise während der Brutzeit des Jahres 2012 anzutreffenden landwirtschaftlichen Nutzungen bestätigt, die sich den Abbildungen 2 der avifaunistischen Gutachten vom 22. Juli 2012 entnehmen lassen. Die Bandbreite der damals dort angebauten Feld- und Gartenfrüchte reichte danach von unterschiedlichen Getreidearten über Raps-, Mais-, Rüben- und Kartoffeläcker bis hin zu Parzellen, die mit Feldfutter, Erbsen oder Disteln bestanden waren oder als Grünland bewirtschaftet wurden. Die Gutachten vom 22. Juli 2012 merkten vor diesem Hintergrund (jeweils auf Seite 15) an, die vielfältigen und mosaikartig strukturierten Feldflächen im Bereich des Windparks und in dessen Umkreis, zu denen auch Stilllegungskulturen gehörten, bewirkten „eine sehr gute Basis für eine stabile lokale Kleinsäugerpopulation, die es dem Brutpaar [sc.: in dem damals als einzigem bekannten Horst am Nordrand des Gehegholzes] ermögliche, im relativ engen Radius von bis zu 3 km den überwiegenden Teil der notwendigen Beute zu schlagen“. Verglichen mit den Lebensraumbedingungen der Rotmilane in Thüringen sei das Untersuchungsgebiet „als nahezu optimales Nahrungshabitat“ für diese Vogelart einzustufen (Gutachten vom 22.7.2012, jeweils Seite 17). Die Raumnutzung durch den Rotmilan sei „flächig“ gegeben; eine Ausschlusswirkung habe sich aktuell hinsichtlich keiner Teilfläche erkennen lassen (Gutachten vom 22.7.2012, jeweils Seite 16).
Angesichts einer Entfernung zwischen dem im Jahr 2015 im „Flöhgraben“ aufgefundenen Horst und der Windkraftanlage 1 von 1.590 m liegt diese Anlage innerhalb eines Gebiets mit einem Radius von 3 km, innerhalb dessen an den Rändern der Waldschneise brütende Rotmilane nach der Auffassung des Fachbeistands der Klägerin ihren überwiegenden Nahrungsbedarf decken werden. Gleiches gilt für am Nordrand des Gehegholzes brütende Tiere dieser Art. Denn der Abstand dieses Horstes zur Windkraftanlage 1 beläuft sich auf 2.600 bis 2.700 m, wie sich anhand der einen Maßstab von 1 : 10.000 aufweisenden Karte, die einen Bestandteil des von der Klägerin beim Landratsamt eingereichten landschaftspflegerischen Begleitplans bildet, zuverlässig feststellen lässt. Jedenfalls aber ist die Distanz zwischen beiden Horsten und der Windkraftanlage 1 geringer als jene 4 km, die nach den „Abstandsempfehlungen 2015“ den Radius des im Umgriff einer Windkraftanlage zu bildenden („weiteren“) Prüfbereichs darstellen.
Stellt aber grundsätzlich die gesamte Waldschneise (wenn auch ggf. in zeitlich versetzter Abfolge) ein hochattraktives Nahrungshabitat für den Rotmilan dar, so kann nicht davon gesprochen werden, dort gebe es nur eine „diffuse“ Verteilung solcher Habitate, wie sie nach dem Windkrafterlass Bayern (Seite 42) innerhalb des „weiteren Prüfbereichs“ nicht genügt, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bejahen zu können. Erfüllt ist angesichts der deutlichen Begrenzung der Waldschneise, die sich aus den im Osten, Westen und Norden sowie – in Gestalt des Gehegholzes – teilweise auch im Süden vorhandenen Waldflächen ergibt, auch das im Windkrafterlass (ebenda) aufgestellte Erfordernis der guten räumlichen Abgrenzbarkeit einer solchen Habitatfläche. Angesichts der Tatsache, dass innerhalb des kreisförmigen Gebiets mit einem Radius von nunmehr 4 km um den Standort der Windkraftanlage 1 umfangreiche Waldflächen liegen, die für die Ernährung von Rotmilanen keine (ins Gewicht fallende) Rolle spielen, ist ferner das im Windkrafterlass (siehe auch insoweit Seite 42) aufgestellte Postulat gewahrt, dass Nahrungshabitate nur eine kleine Teilmenge des weiteren Prüfbereichs darstellen dürfen.
Dass Rotmilane den Gefährdungsbereich der Windkraftanlage 1 mit beachtlicher Häufigkeit durchqueren würden, folgt bereits aus der Lage des Standorts dieser geplanten Anlage unmittelbar an der Flugstrecke, die von den beiden im Jahr 2015 bebrüteten Horsten zum nördlichen Teil der Waldschneise führt. Unabhängig hiervon zeigen die von Mitarbeitern des Ingenieurbüros S. am 2. Mai 2012, am 16. Mai 2012, am 14. Juni 2012 und am 19. Juni 2012 getätigten Wahrnehmungen, dass sich Rotmilane über dem Standort dieser Anlage aufhalten (vgl. die in den Gutachten vom 22.7.2012 enthaltenen Abbildungen 3b, 3f, 3k und 3m). Diese Beobachtungen lassen trotz ihrer vergleichsweise geringen Zahl den sicheren Schluss auf ein von der Windkraftanlage 1 ausgehendes, signifikant erhöhtes Tötungsrisiko deshalb zu, weil die Rotmilane den Gefährdungsbereich dieser Anlage nicht nur – gleichsam zufällig – „durchflogen“, sondern sie sich dort jeweils während einer geraumen Zeitspanne (am 19.6.2012 fünf Minuten, an den drei anderen vorgenannten Tagen jeweils zehn Minuten lang) kreisend aufgehalten haben; die Gutachten vom 22. Juli 2012 sprechen auf ihrer jeweiligen Seite 16 sogar von „Einflügen in den Windparkbereich“ mit einer durchschnittlichen Dauer von 25 bis 30 Minuten. Diese beträchtlichen Aufenthaltszeiten erhöhen das Risiko, von den Rotoren u. a. der Windkraftanlage 1 erfasst zu werden, erheblich.
Gesteigert wird diese Gefahr durch den Umstand, dass die im Vorfeld der Erstellung der Gutachten vom 22. Juli 2012 getätigten Beobachtungen ein gleichbleibendes Verhaltensmuster der Rotmilane dergestalt erkennen lassen, dass diese Tiere die kreisenden Flüge über den Standorten aller von der Klägerin geplanten Windkraftanlagen, von Westen oder Norden her kommend, stets um die Mittagszeit durchgeführt haben. Der Fachbeistand der Klägerin hat diese Gegebenheit in der Berufungsverhandlung – aus der Sicht des Gerichts nachvollziehbar – damit erklärt, dass die Rotmilane während der Morgenstunden im Saaletal auf Nahrungssuche unterwegs seien und sie dann, wenn die Thermik stark genug geworden sei (d. h. gegen Mittag), den Flug über den Mühlberg angetreten hätten.
3.1.3 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erweist es sich als unschädlich, dass sowohl die von der K. GmbH als auch die seitens des Ingenieurbüros S. durchgeführten avifaunistischen Erhebungen aus den im Schreiben der Regierung von Unterfranken – höhere Naturschutzbehörde – vom 21. August 2012 aufgezeigten Gründen den Anforderungen des Windkrafterlasses Bayern nicht im vollen Umfang genügen. Erlauben nämlich bereits solche Feststellungen den sicheren Schluss, dass der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bei einer Verwirklichung des zu prüfenden Vorhabens erfüllt sein wird, so liegt – wie vom Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 18. Juni 2014 (22 B 13.1358 – NuR 2014, 736/738) gefordert – ein „fachlicher Grund“ vor, der ein Abweichen von den Vorgaben dieser Verwaltungsvorschrift rechtfertigt; Gutachten, die hinter den Anforderungen des Windkrafterlasses Bayern zurückbleiben, stellen unter dieser Voraussetzung einen „gleichwertigen Ersatz“ (vgl. auch dazu BayVGH, U. v. 18.6.2014 a. a. O. S. 738) dar. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Verwaltungsgerichtshof war vor diesem Hintergrund nicht veranlasst.
3.1.4 Der Umstand, dass die von den Mitarbeitern des Ingenieurbüros S. über dem Gebiet des geplanten Windparks beobachteten Flugbewegungen von Rotmilanen nach Darstellung in den Gutachten vom 22. Juli 2012 eine Höhe von 60 m über Grund nicht überschritten haben, die Rotoren der streitgegenständlichen Anlagen jedoch einen Bodenabstand von 84,9 m aufweisen sollen, ist nicht geeignet, dem Befund durchgreifend entgegengesetzt zu werden, dass eine Verwirklichung dieses Vorhabens mit einem Verstoß gegen das sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebende Tötungsverbot einherginge. Denn der Fachbeistand der Klägerin hat in der Berufungsverhandlung eingeräumt, die Flughöhe des Rotmilans sei im Lauf eines Jahres sehr verschieden; Tiere dieser Art könnten von ihrer Flughöhe her den Rotorbereich durchaus abdecken, insbesondere mit wenigen Flügelschlägen Höhen von 100 m über dem Gelände erreichen. Der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde hat dem uneingeschränkt zugestimmt. In Einklang mit diesen Bekundungen steht, dass die „Abstandsempfehlungen 2015“ (Seite 26) davon ausgehen, die Balzflüge sowie das Thermikkreisen, teilweise aber auch „Nahrungsflüge“ des Rotmilans würden sich in Höhen abspielen, in denen sich die Rotoren von Windkraftanlagen befänden; das gelte auch für repowerte (d. h. eine größere Höhe erreichende) Anlagen. Weiter bestätigt wird dieser Befund durch den Umstand, dass die von der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenburg erstellten „Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel“, die der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof auszugsweise übergeben hat, auf Seite 32 festhalten, getötete Rotmilane seien mehrfach selbst unter Windkraftanlagen aufgefunden worden, deren Rotorzone einen zwischen 90 und 100 m liegenden Abstand vom Boden aufweist.
3.1.5 Ebenfalls nicht geeignet, das für Rotmilane bestehende Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle abzusenken, sind die von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erwähnten Vermeidungsmaßnahmen.
3.1.5.1 Zu dem Vorschlag, die Grundstücksnutzung im Bereich der streitgegenständlichen Windkraftanlagen dergestalt zu ändern, dass dort nur noch Grünland vorhanden sei, hat der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde angemerkt, die bisherigen Erfahrungen der Naturschutzbehörden sprächen dagegen, dass sich eine solche Maßnahme hinsichtlich des Rotmilans als zielführend erweisen könne. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet diese Einschätzung deshalb für zutreffend, weil die „Abstandsempfehlungen 2015“ auf Seite 26 festhalten, dass der Rotmilan Bereiche bevorzugt, die (außer durch lange Grenzen zwischen Wald und Offenland, wie sie für die inmitten stehende Waldschneise typisch sind) durch „einen hohen Grünlandanteil“ gekennzeichnet sind. Auf die Bedeutung von Grünlandflächen für die Nahrungssuche des Rotmilans weist ferner die vom Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der Berufungsverhandlung übergebene Ausarbeitung der Deutschen Wildtier-Stiftung „Rotmilan – Land zum Leben“ hin. Den Umstand, dass als Nahrungsreviere für den Rotmilan „vor allem verschiedene Formen von Grünland“ in Betracht kommen, sprechen schließlich auch die den Rotmilan betreffenden „Arteninformationen zu saP-relevanten Arten“ des Bayerischen Landesamtes für Umwelt an; auf sie wird in Gestalt eines Links in der von der gleichen Behörde erstellten „Arbeitshilfe“ Bezug genommen, auf die der Windkrafterlass Bayern auf Seite 39 verweist und die unter der im Windkrafterlass (ebenda) genannten Internetadresse http://www.lfu.bayern.de/natur/sap/index.htm allgemein zugänglich ist.
3.1.5.2 Ebenfalls ungeeignet, die von den verfahrensgegenständlichen Anlagen ausgehende Gefährdung des Rotmilans auf ein Maß abzusenken, bei der von keiner gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko dieser Tierart signifikant erhöhten Tötungswahrscheinlichkeit mehr ausgegangen werden kann, ist der weitere Vorschlag der Klägerin, im Saaletal attraktive Futterplätze zu schaffen. Der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde hat hierzu ausgeführt, es sei keine Prognose möglich, dass eine solche Maßnahme zu einer Reduzierung des Tötungsrisikos führen werde; es könne vielmehr sein, dass hierdurch zusätzliche Brutplätze entstünden.
Auch diese naturschutzfachliche Einschätzung ist nachvollziehbar. Wie bereits dargestellt, suchen die Rotmilane schon bisher das Saaletal regelmäßig zum Zweck der Nahrungssuche auf, begeben sich jedoch um die Mittagszeit bei entsprechender Thermik jeweils in den Luftraum über der auf der angrenzenden Hochfläche befindlichen Waldschneise. Es ist nicht erkennbar, warum die Schaffung attraktiver Futterplätze im Saaletal durchgreifende Veränderungen dieses Verhaltensmusters nach sich ziehen soll. Dies kann umso weniger angenommen werden, als der Fachbeistand der Klägerin in seinen Gutachten vom 22. Juli 2012 (Seite 17) selbst einräumen musste, es seien bereits „Nahrungsflächen … auch außerhalb des künftigen Windparks ausreichend nutzbar vorhanden, wenngleich … keine Meidung des Windparkareals eintreten wird“. In Übereinstimmung mit der Einschätzung der höheren Naturschutzbehörde, dass sich die Zahl der im Umgriff der geplanten Windkraftanlagen vorhandenen Rotmilane als Folge der Schaffung weiterer attraktiver Futterplätze noch erhöhen könnte, steht es, wenn in den Gutachten vom 22. Juli 2012 jeweils auf Seite 8 darauf hingewiesen wurde, der seinerzeit als einziger vorgefundene Rotmilanhorst im Gehegholz schließe es nicht aus, „dass in den kommenden Jahren andere Waldgebiete im Umfeld als Brutplatz benutzt“ würden. Sollte es – als Folge eines nochmals verbesserten Nahrungsdargebots oder unabhängig hiervon – zu Neuansiedlungen von Rotmilanen am Ostrand der Waldschneise kommen, würde der Weg von dortigen Horsten zu zusätzlich zu schaffenden Futterplätzen im Saaletal u. U. unmittelbar durch den Gefährdungsbereich der Rotoren der geplanten Windkraftanlagen führen.
3.1.5.3 Keine taugliche Maßnahme, um die Verwirklichung des Tatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen, stellt schließlich der Einsatz des Systems „DT-Bird“ dar, bei dem nach Darstellung der Klägerin Windkraftanlagen abgeschaltet werden, sobald an ihnen angebrachte Kameras anfliegende Rotmilane erkannt haben. Der Beklagte ist diesem Vorschlag mit dem Argument entgegengetreten, dieses System sei Gegenstand der am 2. März 2016 abgehaltenen Besprechung der höheren Naturschutzbehörden gewesen; die Staatliche Vogelschutzwarte im Bayerischen Landesamt für Umwelt habe hierbei die Auffassung vertreten, es sei noch nicht praxistauglich. Die höheren Naturschutzbehörden seien deshalb der Auffassung, die Auflage, dieses System einzusetzen, sei nicht geeignet, einem Vorhaben die Genehmigungsfähigkeit zu verschaffen.
Auch diese Einschätzung hält der Verwaltungsgerichtshof für plausibel. Stünde in Gestalt des Systems „DT-Bird“ nämlich ein verlässliches Mittel zur Verfügung, um eine Gefährdung von Rotmilanen durch Windkraftanlagen auf ein Maß abzusenken, das das allgemeine Lebensrisiko dieser Tiere nicht signifikant übersteigt, wäre zum einen unverständlich, warum die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten im Jahr 2014 Anlass gesehen hat, den Mindestabstand, den solche Anlagen von einem Brutvorkommen des Rotmilans einzuhalten haben, auf 1.500 m anzuheben, und warum dieses System nicht bereits in jenen nicht seltenen anderen Fällen eingesetzt wurde, in denen sich das Vorkommen von Rotmilanen im engeren oder weiteren Prüfbereich um eine geplante Windkraftanlage als Genehmigungshindernis erwiesen hat. Nicht nachvollziehbar wäre zum anderen, warum auf eine solche Möglichkeit der Problembewältigung nicht in der vorerwähnten Publikation „Rotmilan – Land zum Leben“ hingewiesen wird, obwohl diese Ausarbeitung unter der Zwischenüberschrift „Problemfeld Windenergie“ zutreffend ausführt, dass diese Vogelart zu einem Symbol für den Konflikt zwischen erneuerbaren Energien und dem Artenschutz geworden ist, der regelmäßig den Gegenstand von Gerichtsverfahren bilde.
3.2 Die Klägerin kann nicht verlangen, dass zu ihren Gunsten gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG eine Ausnahme von dem sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebenden Verbot zugelassen wird. Hierbei kann dahinstehen, ob § 45 Abs. 7 BNatSchG bei Windkraftanlagen angesichts der in dieser Vorschrift aufgestellten hohen Hürden überhaupt Anwendung finden kann (verneinend Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Aufl. 2013, Rn. 293; grundsätzlich bejahend Müller-Mitschke, NuR 2015, 741/744). Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob entweder die Nutzung der Windkraft für Zwecke der Stromgewinnung generell oder aber der Wunsch der Klägerin, die verfahrensgegenständlichen Windkraftanlagen an den dafür in Aussicht genommenen Standorten zu errichten, als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinn von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG verstanden werden können, und ob vorliegend eine „zumutbare Alternative“ (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG) zur Verfügung steht. Der Zulassung einer Ausnahme steht im gegebenen Fall nämlich jedenfalls das Erfordernis entgegen, dass sich durch sie der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtern darf, wie dies § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG als zwingenden Versagungsgrund statuiert.
Unter einer Population ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG eine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art zu verstehen. Im Urteil vom 16. März 2006 (4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 571) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Begriffsbestimmung, die der deutsche Gesetzgeber in Anlehnung an Art. 2 Buchst. l der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl L 61 S. 1) vorgenommen hat, dahingehend präzisiert, dass die Individuen innerhalb ihres Verbreitungsgebiets zueinander in generativen oder vegetativen Vermehrungsbeziehungen stehen müssen. Das Abstellen auf die Verbindung der einzelnen Tierindividuen untereinander durch einen gemeinsamen Genpool entspricht, wie die in Abschnitt I.2.2 Fn. 17 und in Abschnitt III.2.3 (Rn. 43) des von der Europäischen Kommission im Februar 2007 herausgegebenen „Leitfadens zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG“ vorgenommene Erläuterung des Begriffs der Population verdeutlicht, auch dem auf unionsrechtlicher Ebene befürworteten Verständnis dieses Fachausdrucks.
Bei der Prüfung, ob sich durch die Zulassung einer Ausnahme von dem sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebenden Tötungsverbot der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Art im Sinn von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG verschlechtern würde, darf nicht auf die lokale Population in dem Gebiet abgestellt werden, in dem sich das jeweils zu beurteilende Vorhaben auswirkt (BVerwG, U. v. 16.3.2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 572; B. v. 17.4.2010 – 9 B 5.10 – NJW 2010, 2534 Rn. 10; U. v. 28.3.2013 – 9 A 22.11 – BVerwGE 146, 145 Rn. 135). Als Bezugsgröße für die Beantwortung dieser Frage scheidet aber auch die Gesamtheit der Tiere aus, die innerhalb des Verbreitungsgebiets des Rotmilans (d. h. in Deutschland, in einigen weiteren Gebieten Mitteleuropas und in Teilen des westlichen Mittelmeerraums; vgl. das den Rotmilan betreffende Kapitel in den vom Bayerischen Landesamt für Umwelt herausgegebenen „Arteninformationen zu saP-relevanten Arten“) leben. Denn angesichts der Standorttreue des Rotmilans, die sich u. a. darin ausdrückt, dass diese Tiere nach der Rückkehr aus einem ggf. aufgesuchten Winterquartier umgehend ihre gewohnten Brutreviere aufsuchen (vgl. dazu die vorerwähnte Ausarbeitung „Rotmilan – Land zum Leben“), kann nicht davon ausgegangen werden kann, unter allen in diesem Verbreitungsgebiet lebenden, artangehörigen Individuen bestünden die erforderlichen generativen oder vegetativen Vermehrungsbeziehungen. Sachlich gerechtfertigt erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr die Auffassung der höheren Naturschutzbehörde, die in ihrer Stellungnahme vom 21. August 2011 (Seite 8 unten) – wenn auch nur gleichsam als erste Stufe der durchzuführenden Prüfung – auf die Brutpopulation in der gesamten Rhön abgestellt hat, da es sich hierbei um ein „distinktes Teilvorkommen“ des Rotmilans handele.
Bei der Beantwortung der Frage, ob sich der Erhaltungszustand dieser Population dann verschlechtern würde, wenn als Folge der Erteilung der von der Klägerin erstrebten Genehmigung im Wege einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG die Tötung von Rotmilanen in Kauf genommen würde, steht der zuständigen Behörde ein Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U. v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 60; U. v. 28.3.2013 – 9 A 22.11 – BVerwGE 146, 145 Rn. 135). Das Landratsamt hat in den Bescheiden vom 24. September 2012 von diesem Beurteilungsspielraum in der Weise Gebrauch gemacht, dass es – gestützt auf die Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 21. August 2012 – bei der Prognose, wie sich die Zulassung einer Ausnahme im vorliegenden Fall auswirken würde, nur auf die im bayerischen Teil der Rhön brütenden Rotmilane abgestellt hat. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass es zwischen den einzelnen Bundesländern keine Steuerungsmechanismen gebe, durch die – insbesondere im Hinblick auf von Windkraftanlagen ausgehende Summationswirkungen – der Erhaltungszustand grenzübergreifender Populationen sichergestellt werden könne; die öffentliche Verwaltung eines jeden Landes müsse deshalb auf die Wahrung der in ihrem Gebiet vorhandenen Teilpopulationen Bedacht nehmen. Diese Begründung hält sich im Rahmen des naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums. Selbst wenn auf die Brutpopulation der gesamten Rhön abzustellen wäre, käme die Erteilung einer Ausnahme gleichwohl nicht in Betracht.
Der Ansatz der Regierung lässt sich folgendermaßen rechtfertigen: Würde der Beklagte eine Ausnahme zulassen, durch die sich der Erhaltungszustand der Rotmilane – bezogen auf das Vorkommen dieser Tierart in der gesamten Rhön – nicht verschlechtern würde, so besäße er keine Gewissheit, dass die Verwaltungen der beiden anderen Bundesländer, in deren Gebieten ebenfalls Teile der Rhön liegen, künftig nicht ihrerseits gleichartige Entscheidungen treffen, die in ihrer Summe alsdann zur Folge haben, dass eine mit der zweiten Tatbestandsalternative des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG unvereinbare Entwicklung eintritt. Es ist nicht erkennbar, dass und wie gewährleistet wird, dass dann, wenn nur ein Windpark im Gebiet der gesamten Rhön mit der dortigen Rotmilanpopulation vereinbar wäre, auch nur ein Windpark errichtet werden würde und dies aufgrund einer Absprache der betroffenen Länder geschehen würde. Die unsubstantiiert gebliebene Behauptung der Klägerin, es seien länderübergreifende Schutzprogramme eingeleitet worden (Seite 10 der Berufungsbegründungen vom 24.11.2014), vermag diese Besorgnis nicht zu entkräften, da sich aus ihr nicht ergibt, dass ein effektiver Mechanismus besteht, der gewährleistet, dass Ausnahmen nur in einem Umfang zugelassen werden, angesichts dessen die vom Beklagten befürchtete Summationswirkung ausgeschlossen ist.
Wenn der Beklagte bei der Beantwortung der Frage, ob durch die Zulassung einer Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG im vorliegenden Fall der Erhaltungszustand der Rotmilanpopulation nicht verschlechtert wird, nur auf die Zahl der im bayerischen Teil der Rhön brütenden Tiere abstellt, so entspricht dies auch den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union. In seinen beiden Urteilen vom 8. Juli 1987 (247/85 – Slg. 1987, 3029 Rn. 7; 262/85 – Slg. 1987, 3073 Rn. 7) und im Urteil vom 7. März 1996 (C-118/94 – Slg. 1996, I-1223 Rn. 21) hat der Europäische Gerichtshof jeweils ausgesprochen, dass Art. 9 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl L 103 S. 1), der mit Art. 9 der nunmehr geltenden Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG sachlich (und weithin sogar dem Wortlaut nach) übereinstimmt, eine „konkrete und gezielte Anwendung“ vorsieht, „um bestimmten Erfordernissen und besonderen Situationen Rechnung zu tragen“. Der Umstand, dass sich die Population einer besonders geschützten Vogelart über das Gebiet mehrerer, mit eigenständiger Verwaltungshoheit ausgestatteten Teilentitäten eines föderativ aufgebauten Mitgliedstaates der Europäischen Union erstreckt, stellt in Verbindung mit fehlenden effektiven Koordinierungsregelungen zwischen den Verwaltungen der Teilentitäten dieses Mitgliedstaates, die sicherstellen, dass die Zulassung von Ausnahmen von unionsrechtlich vorgegebenen Erfordernissen des Vogelschutzes durch die Behörden dieser Teilentitäten nicht in ihrer Summe zu unionsrechtswidrigen Zuständen führen, eine „besondere Situation“ im Sinn der vorgenannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs dar, die eine den hieraus resultierenden Erfordernissen Rechnung tragende, die Zielsetzungen der Vogelschutzrichtlinie wahrende Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften erfordert. Auch der vorerwähnte, von der Europäischen Kommission herausgegebene „Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG“ hält in Abschnitt III.2.3.a (Rn. 46) fest, dass eine angemessene Bewertung der Auswirkungen, die eine Ausnahme von artenschutzrechtlichen Verboten zeitigt, eine Betrachtung auf einem unterhalb der Ebene der biogeografischen Region liegenden „niedrigeren Niveau“ erfordern kann, „um im spezifischen Kontext der betreffenden Ausnahme aussagekräftig zu sein“. Der vom Beklagten vorgenommene Rekurs auf die zahlenmäßige Stärke der in der bayerischen Rhön brütenden Teilpopulation des Rotmilans stellt eine derartige, die Erfordernisse der Vogelschutzrichtlinie einzelfallbezogen und damit „gezielt“ (EuGH, U. v. 8.7.1987 – 247/85 – Slg. 1987, 3029 Rn. 7; U. v. 8.7.1987 – 262/85 – Slg. 1987, 3073 Rn. 7; U. v. 7.3.1996 – C-118/94 – Slg. 1996, I-1223 Rn. 21) berücksichtigende Anwendung des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG dar.
Ausgehend von diesem Ansatzpunkt hat die Regierung in ihrer Stellungnahme vom 21. August 2012 dargelegt, dass sich der bayerische Anteil an der Rhönpopulation des Rotmilans im Jahr 2012 zwischen 16 und 30 Brutpaaren bewegte. Dies stellt in doppelter Hinsicht eine der Klägerin günstige Annahme dar, da hierbei zum einen auch jene 14 „C“-Nachweise berücksichtigt wurden, denen nur ein wahrscheinlicher, nicht aber sicher feststehender Brutvorgang zugrunde lag, und zum anderen die Zahl der 2012 im Landkreis Rhön-Grabfeld festgestellten oder mutmaßlichen Rotmilanbruten deutlich höher war als in den vorangegangenen Jahren. Sachlich zutreffend hat die Regierung – und ihr folgend das Landratsamt in den Bescheiden vom 24. September 2012 – darauf hingewiesen, dass die Tötung auch nur eines brütenden Rotmilanpaares bei einer Population von 16 Paaren in der bayerischen Rhön einen Ausfall von 6,3% bedeutet; bei angenommenen 30 Brutpaaren errechnet sich eine Verlustquote von 3,3%.
In rechtlich nicht zu beanstandender Wahrnehmung des naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums gingen die Regierung und das Landratsamt ferner davon aus, dass die Schwelle, bis zu der eine Tötung von Rotmilanen nicht mit einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population einhergeht, bei maximal 1% des berücksichtigungsfähigen Bestandes liegt. Wenn die Regierung hierbei einen Maßstab herangezogen hat, der – ihrer Darstellung zufolge – beim Vollzug des FFH-Rechts inzwischen allgemein angewandt wird, so ist hiergegen auch deshalb nichts zu erinnern, weil die aus Art. 9 Abs. 1 VRL resultierenden Anforderungen nicht hinter denjenigen zurückbleiben, die sich aus der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl L 206 S. 7; „FFH-Richtlinie“) ergeben (BVerwG, U. v. 16.3.2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 570). An der fachlichen Auffassung, die Schwelle, bei deren Überschreitung von einer Verschlechterung des Erhaltungszustands im Sinn von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG ausgegangen werden müsse, sei im vorliegenden Fall bei 1% der maßgeblichen (Teil-)Population anzusetzen, hat die höhere Naturschutzbehörde auch angesichts des Umstands festgehalten, dass die Studie von Bellebaum u. a. (Wind turbine fatalities approach a level of concern in a raptor population, Journal Nature Conservation 21, 394 – 400) bei einer jährlichen zusätzlichen Mortalität von 4 bis 5% von Auswirkungen auf Populationsebene ausgehe. Begründet hat die Regierung ihr Beharren auf der 1-%-Quote u. a. damit, dass es sich beim Rotmilan um eine langlebige Art mit niedriger Reproduktionsrate handele, die in Bayern einen ungünstigen Erhaltungszustand aufweise, und von der zudem eine hohe Anzahl an Schlagopfern in der Zentralen Fundkartei registriert sei. Daher könnten sich grundsätzlich auch Einzelverluste von Rotmilanen populationsrelevant auswirken (vgl. die Ausführungen auf den Seiten 10 unten der Klageerwiderungen vom 4.7.2013).
Selbst wenn auf die Brutpopulation der gesamten Rhön abzustellen wäre, die mit 120 bis 130 Brutpaaren anzusetzen ist, käme eine Ausnahme nach dem nicht zu beanstandenden Ansatz von Landratsamt und Regierung nicht in Betracht. Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass der Betrieb der verfahrensgegenständlichen Anlagen – bezogen auf den Rotmilan – mit Verlustquoten einherginge, die sogar die von Bellebaum u. a. als populationsrelevant eingestufte Größenordnung erreichen würden, damit ein Mehrfaches des Hinnehmbaren mit Relevanz für die Gesamtpopulation in der Rhön. Denn die Regierung hat im Schreiben vom 21. August 2012 – und ihr folgend das Landratsamt in den Bescheiden vom 24. September 2012 – zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die von ihr ermittelten Ausfallraten von 3,3 bzw. 6,3% in der bayerischen Rhön für die bayerische Rhön noch deutlich erhöhen könnten, wenn sich im Umgriff der geplanten Windkraftanlagen mehr als ein Brutpaar ansiedeln würde (wie das im Jahr 2015 tatsächlich der Fall war). Eine weitere Erhöhung der vorgenannten Prozentsätze ergibt sich daraus, dass – wie die Regierung auf Seite 10 ihres Schreibens vom 21. August 2012 glaubhaft dargelegt hat – als Folge der Tötung brütender Altvögel auch die Jungtiere zugrunde gehen werden. Ebenfalls nachvollziehbar ist es, wenn der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, angesichts der Attraktivität der Waldschneise für den Rotmilan sei damit zu rechnen, dass ein dortiger Horststandort nach der Tötung der ihn bisher nutzenden Rotmilane durch andere Vögel dieser Art wiederbesiedelt werden würde, so dass sich die Tötungsgefahr fortlaufend aktualisiere. Zu diesem Risiko für dort lebende Brutpaare komme noch das Gefährdungsmoment hinzu, dem sich solche Rotmilane durch die geplanten Anlagen ausgesetzt sähen, die das Gebiet als Nahrungsgäste aufsuchen würden (vgl. zu alledem Seite 7 unten der Niederschrift über die Berufungsverhandlung).
4. Eine Befreiung vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot kommt vorliegend nicht in Betracht.
Es kann dahinstehen, ob der für eine Befreiung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erforderliche Antrag, den die Klägerin nie ausdrücklich gestellt hat, darin gesehen werden kann, dass ihr Wille erkennbar darauf gerichtet ist, die für die Verwirklichung ihres Vorhabens erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf jedem von der Rechtsordnung hierfür eröffneten Weg zu erlangen (vgl. zu der unter dieser Voraussetzung ggf. entfallenden Notwendigkeit einer ausdrücklichen Antragstellung Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, Stand Januar 2015, § 67 BNatSchG Rn. 22 m. w. N.). Denn das Landratsamt ging auf den Seiten 19 der Bescheide vom 24. September 2012 zutreffend davon aus, dass die Klägerin eine solche Vergünstigung nicht verlangen kann.
Hierbei kann auf sich beruhen, ob dieses Ergebnis bereits daraus folgt, dass für einen Rückgriff auf § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG immer dann kein Raum ist, wenn durch ein Vorhaben – wie hier der Fall – europäische Vogelarten nachteilig betroffen werden (so Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, Stand Januar 2015, § 67 BNatSchG Rn. 18). Denn unabhängig hiervon fehlt es vorliegend jedenfalls an dem Erfordernis, dass die Beachtung des sich aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebenden Verbotstatbestands zu einer unzumutbaren Belastung der Klägerin führen würde. Durch § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG soll vor allem sichergestellt werden, dass in Fällen einer unzumutbaren, nicht mehr als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums einzustufenden und auch durch eine Ausgleichszahlung nicht zu beseitigenden Belastung das Interesse an der Beachtung des gesetzlichen Verbots, von dem eine Befreiung begehrt wird, mit dem Interesse an der Ermöglichung oder der Fortdauer einer Nutzung abgewogen werden kann (so die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, BT-Drs. 16/5100, S. 13, zu der mit § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG heutiger Fassung im Wesentlichen übereinstimmenden Vorschrift des § 62 Satz 1 BNatSchG in der Fassung jenes Entwurfs). Von einer „unzumutbaren Belastung“ kann deshalb nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen des betroffenen Privatrechtssubjekts, insbesondere bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum, gesprochen werden (OVG SA, U. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 – NuR 2012, 196/204); betriebswirtschaftliche Erwägungen oder entgangene Gewinnmöglichkeiten genügen nicht (OVG SA, U. v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 – S. 204).
Wenn der Klägerin die Möglichkeit verschlossen bleibt, an den von ihr in Aussicht genommenen Standorten Windkraftanlagen zu errichten, so würde das auch dann keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG darstellen, wenn sie Eigentümerin der fraglichen Grundstücke sein sollte. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihr durch die Versagung der zu diesem Zweck erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die Ausübung einer eigentumsgleich verfestigten Rechtsposition hinsichtlich der Nutzbarkeit dieser Grundstücke verwehrt wird; vielmehr wird sie lediglich an der Verwirklichung einer erhofften Gewinnchance gehindert.
5. Unbegründet ist auch der Hilfsantrag, mit dem der Beklagte verpflichtet werden soll, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die verfahrensgegenständlichen Windkraftanlagen mit der Maßgabe zu erteilen, dass sie vom 15. März bis zum 31. Juli eines jeden Jahres von 7.00 Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang abgeschaltet werden. Denn eine solche Betriebszeitenbeschränkung hätte nicht zur Folge, dass das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für die Rotmilane entfiele.
Dies steht zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs vor allem aufgrund der eindeutigen und glaubhaften Bekundungen des Vertreters der höheren Naturschutzbehörde fest. Er hat in Reaktion auf diesen neuen Hilfsantrag der Klägerin ausgeführt, die Flugzeit von Jungvögeln (sc.: der Spezies Rotmilan) dauere bis zum 15. August eines Jahres; die Zugzeit dieser Vogelart ende regelmäßig erst am 1. November. Überdies sei ein landesweiter Trend dahingehend zu beobachten, dass Rotmilane auch im Winter vor Ort bleiben würden; dies sei zuletzt vor zwei Jahren der Fall gewesen.
Bestätigt wird die Richtigkeit der Angaben dieses Fachbeamten vor allem durch Informationen, die sich aus den bereits erwähnten „Arteninformationen zu saP-relevanten Arten“ ergeben, auf die der Windkrafterlass Bayern unter Angabe der die übergeordnete, vom Bayerischen Landesamt für Umwelt herausgegebene „Arbeitshilfe“ betreffenden Fundstelle im Internet mittelbar verweist. Zum Rotmilan wird in diesen Arteninformationen unter der Zwischenüberschrift „Phänologie“ ausgeführt, die Ankunft dieser Vogelart im Brutgebiet finde im „(Februar) März“, der Wegzug im Oktober statt; in milderen Gebieten werde „regelmäßig“ auch überwintert.
Damit übereinstimmende Angaben finden sich in der Ausarbeitung „Rotmilan – Land zum Leben“. Dort wird ausgeführt, die meisten Rotmilane kämen im März nach Deutschland zurück. Allerdings sei ein mit einem Satellitensender ausgestattetes Tier dieser Art bereits Ende Februar 2015 in sein Brutgebiet in Thüringen zurückgekehrt. Im Verlauf des Oktobers und des Novembers brächen sie auf, um den Zug in die Winterquartiere anzutreten. Während früher fast alle Rotmilane den Winter auf der iberischen Halbinsel verbracht hätten, würden nunmehr regelmäßig 1.000 bis 1.200 Tiere in Deutschland überwintern.
Diese Informationen bestätigen nicht nur die Bekundungen des Vertreters der höheren Naturschutzbehörde in vollem Umfang; sie verdeutlichen zugleich, dass die von ihm mitgeteilten Wahrnehmungen und Einschätzungen den allgemeinen, gesicherten Stand des vogelkundlichen Wissens widerspiegeln. Denn auch die Unterlagen, die der Windkrafterlass Bayern in Gestalt von Verweisungen gleichsam „inkorporiert“, nehmen an seinem Charakter als „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ (BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – NuR 2014, 736/738) teil. Eine Einstufung der vorerwähnten, vom Landesamt für Umwelt herausgegebenen Arbeitshilfe als Erkenntnismittel von besonderer Zuverlässigkeit erscheint ferner deshalb gerechtfertigt, weil die darin enthaltenen Hinweise nach der Darstellung in Abschnitt 9.4 des Windkrafterlasses Bayern durch ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 29. April 2011 (Az.: 62g-U8640.0-2008/16-32) als für alle Naturschutzbehörden verbindlich erklärt wurden. Diese Wirkung erstreckt sich zwar nicht auf die Gerichte. Der hohe Stellenwert, der der „Arbeitshilfe“ und den in ihr in Bezug genommenen Informationsquellen nach dem Willen der zuständigen obersten Landesbehörden für den Gesetzesvollzug durch die Verwaltungsbehörden zukommen soll, bildet jedoch ein Indiz dafür, dass den darin enthaltenen Aussagen aus fachlicher Sicht erhebliches Gewicht für die Gewinnung artenschutzrechtlich zutreffender Ergebnisse beizumessen ist.
Die von der Klägerin konzedierte Betriebszeitenbeschränkung greift damit jedenfalls unter „saisonalem“ Blickwinkel deutlich zu kurz. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin die von ihr geplanten Windkraftanlagen während dreier Monate (August, September und Oktober), in denen ebenfalls konkret mit der Anwesenheit von Rotmilanen im Vorhabensgebiet gerechnet werden muss, auch tagsüber betreiben möchte, kann keine Rede davon sein, das Tötungsrisiko, dem sich diese Tiere ausgesetzt sehen, sinke wegen der von Mitte März bis Ende Juli tagsüber vorzunehmenden Abschaltung unter die nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG maßgebliche Erheblichkeitsschwelle. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Brutphase des Rotmilans auf die Monate April bis Juni beschränkt (vgl. auch dazu die diese Vogelart betreffenden Angaben in den vorerwähnten „Arteninformationen“). Zwar stellt die Brutzeit eine der Phasen dar, während derer erwachsene Vögel besonders oft verunglücken (vgl. hierzu die vorerwähnte Ausarbeitung „Rotmilan – Land zum Leben“ unter der Zwischenüberschrift „Problemfeld Windenergie“). Ausweislich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung auszugsweise übergebenen Unterlage „Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel“ der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenburg erreichen die Kollisionsfälle in den Monaten August/September jedoch einen (weiteren) Spitzenwert.
Zusätzlich bekräftigt wird der Befund, dass ein Abschalten der verfahrensgegenständlichen Anlagen zwischen dem 15. März und dem 31. Juli von 7.00 Uhr bis Sonnenuntergang das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für den Rotmilan nicht entfallen lässt, dadurch, dass nach den Ausführungen in den vorerwähnten „Arteninformationen“ und in der Ausarbeitung „Rotmilan – Land zum Leben“ mit dem Eintreffen von Rotmilanen in den Brutarealen bereits vor dem 15. März zu rechnen ist, und dass das Vorhabensgebiet ausweislich der Eintragungen in den als Bestandteile der Antragsunterlagen eingereichten landschaftspflegerischen Begleitplänen nur etwas mehr als 300 m über NN sowie das im Westen unmittelbar angrenzende Tal der Fränkischen Saale sogar nur etwas mehr als 200 m über NN liegen. Dieser Lebensraum ist damit von den durch strengere Winter gekennzeichneten, zum Teil mehr als 900 m über NN erreichenden Hochlagen der Rhön deutlich abgesetzt, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, außer den Rotmilanen, die sich zwischen Frühjahr und Herbst ohnehin im Vorhabensgebiet aufhalten, könnten auch in klimatisch ungünstigeren Teilen der Rhön lebende Vögel dieser Art geneigt sein, das Saaletal im Gebiet von Bad Bocklet sowie die sich über diesem Tal erstreckende Waldschneise als Winterquartier aufzusuchen (vgl. zur Eigenschaft des Rotmilans, außer als Durchzügler auch als „Kurzstreckenzieher“ in Erscheinung zu treten, die Ausführungen unter der Zwischenüberschrift „Phänologie“ im Abschnitt „Rotmilan“ der „Arteninformationen“). Der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde hat in der mündlichen Verhandlung zudem darauf hingewiesen, dass angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung mit einer Verstärkung der Entwicklung zu rechnen ist, wonach Rotmilane während des Winters in hierfür geeigneten Regionen Deutschlands bleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte nicht zu prüfen, ob eine Gefährdung von Tieren dieser Art dadurch ausgeräumt werden könnte, dass der Klägerin weiterreichende Abschaltzeiten auferlegt werden, als sie von ihr benannt wurden. Denn in der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass das streitgegenständliche Vorhaben angesichts einer prognostizierten, nur zwischen 69% und 71% des Referenzertrags liegenden Stromausbeute selbst dann, falls die Rentabilitätsschwelle – wie von der Klägerin behauptet – bei ca. 60% des Referenzertrags liegen sollte, bereits unter der Voraussetzung eines ganzjährigen Betriebs allenfalls maßvoll oberhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegt. Wenn sich die Klägerin trotz der in der mündlichen Verhandlung seitens der zuständigen Fachbeamten dezidiert erfolgten Bejahung eines weiterhin signifikant erhöhten Tötungsrisikos nicht von sich aus zu einer Verlängerung der von ihr zugestandenen Abschaltzeiten verstand, so kann das nur so verstanden werden, dass bei einem noch umfangreicheren Stillstand der geplanten Anlagen das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an dem Vorhaben entfallen würde. An einer Verpflichtung des Beklagten, eine Genehmigung zu erteilen, die für die Klägerin ohne praktischen Nutzen ist, besitzt sie jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine solche Verpflichtung angesichts der zunehmenden Wahrscheinlichkeit eines Aufenthalts von Rotmilanen im Vorhabensgebiet auch während der Wintermonate von der Sache her überhaupt in Betracht käme.
6. Da § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG einen zwingenden Versagungsgrund darstellt und der Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG die gleichfalls zwingende Vorschrift des § 45 Abs. 7 Satz 2, zweite Alternative BNatSchG entgegensteht, müssen auch die im Tatbestand dieses Urteils unter der Nummer 3 aufgeführten Hilfsanträge erfolglos bleiben. Denn eine Verpflichtung des Beklagten, über die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen neu zu befinden, käme nur in Betracht, falls das Landratsamt ein ihm eröffnetes Ermessen noch nicht oder nicht in rechtmäßiger Weise ausgeübt oder es den Sachverhalt in entscheidungserheblichen Punkten nicht aufgeklärt hätte, hinsichtlich derer das Gericht die Streitsachen wegen eines behördlichen Beurteilungsspielraums nicht selbst zur Spruchreife führen kann.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
8. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
I.
Die Verfahren 22 B 14.1875 und 22 B 14.1876 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Unter Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 12. November 2013 wird der Streitwert des Verfahrens W 4 K 12.904 auf 580.000 Euro, derjenige des Verfahrens W 4 K 12.905 auf 290.000 Euro festgesetzt.
III.
Bis zur Verbindung beläuft sich der Streitwert des Verfahrens 22 B 14.1875 auf 580.000 Euro, derjenige des Verfahrens 22 B 14.1876 auf 290.000 Euro. Für die Zeit ab der Verbindung wird der Streitwert auf 870.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Ausspruch unter der Nummer I des Beschlusstenors beruht auf § 93 Satz 1 VwGO, die unter den Nummern II und III vorgenommenen Streitwertfestsetzungen auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in der Nummer 19.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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