Aktenzeichen 27 W (pat) 551/12
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke Nr. 30 2010 069 797
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzen-den Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Kruppa und des Richters k.A. Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Gegen die eingetragene Wortmarke Nr. 30 2010 069 797
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PEEKFINE
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ist aus der für “Bekleidungsstücke (Kl. 25)” eingetragenen Wortmarke Nr. 398 51 479
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Peek
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sowie aus der angemeldeten Wortmarke EM Nr. 004 918 934
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Peek,
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die sich auf die Waren bzw. Dienstleistungen
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Klasse 18:
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Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren
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Klasse 25:
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Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
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Klasse 35:
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Dienstleistungen des Einzelhandels, nämlich Zusammenstellung von Waren, insbesondere Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, Häuten und Fellen, Reise- und Handkoffern, Regenschirmen, Sonnenschirmen und Spazierstöcken, Peitschen, Pferdegeschirren und Sattlerwaren, Bekleidungsstücken, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, um Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern
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bezieht, Widerspruch erhoben worden.
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Die angegriffene Marke genießt Schutz für folgende Waren und Dienstleistungen:
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Klasse 14:
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Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente
18
Klasse 18:
19
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren
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Klasse 20:
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Möbel, Spiegel, Bilderrahmen; Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen
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Klasse 24:
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Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken
24
Klasse 25:
25
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
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Klasse 35:
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Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.
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Die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA hat beide Widersprüche durch Beschluss vom 30. Mai 2012 zurückgewiesen.
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In der Begründung der Entscheidung hat die Markenstelle durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zugrunde gelegt. Der Vortrag der Widersprechenden zur Benutzung des Zeichens “Peek & Cloppenburg” rechtfertige es nicht, den Widerspruchsmarken gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzuerkennen. Die insofern notwendige Bekanntheit eines hier in Rede stehenden Bestandteils einer benutzten mehrteiligen Marke könne nämlich ausschließlich auf der Grundlage einer hier nicht angebotenen demoskopischen Untersuchung zuverlässig bewertet werden.
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Bei dieser Sachlage bestehe auch im Bereich identischer Waren der Klassen 18 und 25 keine Verwechslungsgefahr. Die Wortsilbe “PEEK-” präge den Gesamt-eindruck der angegriffenen Marke nicht, zumal die Bezugnahme auf den Ausdruck “piekfein” die Wahrnehmung als Gesamtbegriff nahe lege. Dieser Gesichtspunkt stehe auch der Annahme mittelbarer Verwechslungsgefahr entgegen, da das Element “peek” unter diesen Voraussetzungen nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie begriffen werde.
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In ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde (§ 64 Abs. 6 MarkenG) macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vergleichszeichen unterlägen jedenfalls unter dem Gesichtspunkt gedanklicher Verbindung rechtserheblicher Verwechslungsgefahr. Der Verbraucher werde die angegriffene Marke, die die Widerspruchsmarke voll aufnehme, auch im Hinblick auf die in der Modebranche übliche Ausbildung von Untermarken demselben Träger zuordnen.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,
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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die angegriffene Marke auf der Grundlage der beiden Widerspruchsmarken zu löschen.
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Der Beschwerdegegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdegegner ausgeführt, dass die angegriffene Marke mehrdeutig angelegt sei, indem sie neben der Verbindung der englischsprachigen Wörter “to peek” (schauen, suchen) und “fine” (fein, schön) auch die Assoziation zum Begriff “piekfein” i.S.v. “vornehm” hervorrufe. Beide Bedeutungsebenen seien nur verständlich, wenn die Silbe Element “peek” nicht isoliert, sondern als Bestandteil des Gesamtzeichens wahrgenommen werde. Ver-wechslungsgefahr bestehe daher unter keinem Gesichtspunkt.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Widersprechende kann nicht die Löschung der Eintragung der eingetragenen Marke erwirken, da im Verhältnis der angegriffenen Marke gegenüber den Widerspruchsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 u. – hinsichtlich EM Nr. 004 918 934 – § 125b Nr. 1 MarkenG besteht.
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Dem Begriff der Verwechslungsgefahr liegt eine Wechselwirkung zwischen allen insoweit im Einzelfall erheblichen Faktoren zugrunde, insbesondere dem Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den streitbefangenen Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2006, 859, 860 – Malteserkreuz).
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1. Beide Widerspruchsmarken verfügen mangels Anhaltspunkten insbesondere für einen sachbezogenen Bedeutungsgehalt über durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft (vgl. BGH GRUR 2000, 1028, 1029 – Ballermann), d.h. sie sind unabhängig von der Benutzungslage uneingeschränkt geeignet, auf das Publikum als Mittel zur Kennzeichnung der Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen zu wirken. Sie genießen daher normalen Schutzumfang.
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Für die durch die Widersprechende angenommene Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken “PEEK” aufgrund umfangreicher Benutzung des Zeichens “PEEK & CLOPPENBURG” fehlt hinreichendes tatsächliches Vorbringen.
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Insofern wäre nur ein durch die Benutzung erreichter Bekanntheitsgrad erheblich, der ausreicht, um die Zuordnung hoher Kennzeichnungskraft zu rechtfertigen (vgl. Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz – Urheberrecht – Medien-recht, 2. Aufl., § 14 Rn. 273 f.). Der durchschnittliche Kennzeichnungsgrad ist dagegen, obwohl gute Gründe für eine derartige Differenzierung sprechen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rn. 125), keiner am Umfang der Bekanntheit orientierten weiteren Abstufung im Sinn insbesondere “hoher durch-schnittlicher Kennzeichnungskraft” zugänglich (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 55 – Culinaria/Villa Culinaria).
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Erhöhte Verkehrsbekanntheit eines Zeichens kann auch auf der Benutzung ausschließlich als Teil eines Gesamtzeichens beruhen (EuGH GRUR-RR 2008, 335 Rn. 49 ff. – Aire Limpio). Der diesbezügliche Vortrag der Widersprechenden, der sich vorrangig auf die Firmenbezeichnung im Bereich Textileinzelhandel er-streckt, entbehrt bereits aussagekräftiger Tatsachenangaben zur Verkehrsbekanntheit des Gesamtzeichens “PEEK & CLOPPENBURG” als Marke. Darüber hinaus lässt selbst der Bekanntheitsgrad des Gesamtzeichens keine Rückschlüsse auf die Durchsetzung eines Teils des Gesamtzeichens zulassen, da nicht zuverlässig einzuschätzen ist, inwieweit das Publikum einen Zusammenhang zwischen dem Gesamtzeichen und einem bloßen Element daraus herstellt. Obwohl die Markenstelle hierauf hingewiesen hat, hat die Widersprechende davon abgesehen, die behauptete Bekanntheit der Widerspruchsmarken anhand eines demoskopischen Gutachtens zu belegen. Für die Annahme erhöhter Kennzeichnungskraft der Wider-spruchsmarken fehlen daher ausreichende Tatsachengrundlagen.
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2. Obwohl bei durchschnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke und teilweise identischen Waren bzw. Dienstleistungen (im Bereich der Klassen 18, 25 und – wie unterstellt werden kann – auch in Klasse 35) ein deutlicher Abstand der Marken zu wahren ist, begründet der zwischen den Vergleichszeichen gegebene Ähnlichkeitsgrad nicht die Gefahr, dass das Publikum diese irrtümlich vertauschen wird.
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Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die einander gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können (vgl. BGH, GRUR 2006, 60 Rn. 19 – coccodrillo).
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Weiter ist möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammen-gesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH, GRUR 2005, 1042 Rn. 30 – THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Rn. 18 – Malteserkreuz I). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kenn-zeichnenden Bestandteils mit einem Zeichen älteren Zeitrangs kann Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Eine hierdurch begründete Ausnahme von der regelmäßig zu erwartenden Wahrnehmung der Marke als Ganzes kommt allerdings nur bei qualifizierten Anhaltspunkten in Betracht (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 50 – Culinaria/Villa Culinaria).
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Die jüngere Marke als Ganzes unterscheidet sich durch den zusätzlichen Bestandteil “-FINE” in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ausreichend von der Widerspruchsmarke. Der Bestandteil “-FINE” wird naheliegend wie das deutsche Wort “fein” gesprochen und verfügt damit phonetisch über eine weitere Silbe, die angesichts des auffälligen Vokalklangs selbst bei identischer Aussprache der Komponente bzw. der Zeichen “Peek” eine ausreichende Unterscheidung gewährleistet. In schriftbildlicher Hinsicht schließt die gegenüber den älteren Marken doppelte Zeichenlänge der angegriffenen Marke Verwechslungen aus. Hinzu kommt, dass die angegriffene Marke über einen Bedeutungsgehalt (s.u.) verfügt, der die Abgrenzung der Zeichen zusätzlich unterstützt.
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Objektive Anhaltspunkte für eine auf das Element “PEEK” verkürzte Wahrnehmung bzw. Wiedergabe der angegriffenen Marke, die Grundlage für ausgeprägte Ähnlichkeit der Marken im Gesamteindruck bilden könnte, oder für eine selbständig kennzeichnende Stellung der Silbe “PEEK” der angegriffenen Marke sind nicht gegeben.
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Eine auf dieses Element der angegriffenen Marke abhebende Betrachtung ist auch bei aus einem Wort gebildeten Zeichen nicht schlechthin ausgeschlossen. Regelmäßig wird das Publikum aber keine Veranlassung sehen, ein zusammengesetztes Wort einer zergliedernden Betrachtung zu unterziehen (BGH GRUR 2008, 905 Rn. 38 – Pantohexal; GRUR 2010, 729 Rn. 34 f. – Mixi).
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Dies liegt hier umso ferner, als das Publikum der angegriffenen Marke ungeachtet der abweichenden Schreibweise intuitiv die Bedeutung des gängigen Ausdrucks “piekfein” im Sinn der Bedeutung “vornehm” entnimmt. Das genannte Verständnis drängt sich jedenfalls im Kontext der einschlägigen Waren/Dienstleistungen der Einrichtungs- und Bekleidungsbranche auf, zumal sich bezogen auf die angegriffene Marke keine plausible andere Aussprache anbietet.
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Die Verschränkung der Bestandteile des angegriffenen Wortes zu einer auch äußerlichen und begrifflichen Einheit steht einer isolierten Betrachtung des Elements “PEEK” entgegen. Dahinstehen kann, ob das Publikum zusätzlich die vom Markeninhaber ergänzend angenommene Bedeutung als englischsprachige Begriffe zu verstehen vermag.
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Eine andere Betrachtung könnte gegebenenfalls dann Platz greifen, wenn der Widerspruchsmarke erhöhte Kennzeichnungskraft zukäme oder die Verbraucher hierin eine Firmenbezeichnung erkennen würden. Dann könnte der Gesamteindruck der angegriffenen Marke ausnahmsweise unter der Einbeziehung der Widerspruchsmarke zu bestimmen sein (BGH GRUR 2003, 880, 881 – City Plus; GRUR 2005, 513, 514 – MEY/Ella May) oder eine selbständig kennzeichnende Stellung des übereinstimmenden Elements “Peek” nahe gelegt werden (vgl. BGH GRUR 2009, 484 – Metrobus). Dafür fehlen allerdings ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte (s.o. 1.).
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Mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbil-dung setzt die Benutzung mehrerer verschiedener Marken mit einem gemeinsa-men Stammbestandteil voraus (vgl. BGH MarkenR 2013, 456 Rn. 40 – Volks-wagen/Volks.Inspektion). Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere wird der Bestandteil “Peek” innerhalb des Zeichens “PEEK & CLOPPENBURG” nicht als Stammbestandteil, sondern als einer von zwei gleichwertigen Namen wahrgenommen. Auch insofern wirkt im Übrigen die der angegriffenen Marke eigene äußerliche und begriffliche Einheit der Bewertung des Elements “PEEK” als eigenständigen Stammbestandteil entgegen.