Aktenzeichen 27 W (pat) 521/13
Leitsatz
ECR-Award II
Die Rechtsprechung zu Marken, die eine Abkürzung (Akronym) neben der ausgeschriebenen Form enthalten, lässt sich nicht auf Buchstabenfolgen in anderen Kombinationen übertragen.
Verfahrensgang
vorgehend BPatG München, 8. Juli 2013, Az: 27 W (pat) 521/13, Beschlussvorgehend BGH, 22. Mai 2014, Az: I ZB 64/13, Beschluss
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 029 180.5
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. April 2015 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Hermann und Richterin Werner
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle vom 28. Januar 2013 wird aufgehoben.
Gründe
I.
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Angemeldet ist die Wortmarke
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ECR-Award_
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für die Dienstleistungen der Klasse 41
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Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Managementleistungen, insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumenten.
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Die Markenstelle hat die Anmeldung vom 28. Januar 2013 wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen und dazu ausgeführt, ECR sei die Abkürzung für „Efficient Consumer Response“. Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen gebe das angemeldete Zeichen damit nur einen beschreibenden Sachhinweis auf die im Mittelpunkt der Preisverleihung stehenden Leistungen.
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Diesen Beschluss hat die Anmelderin am 7. Februar 2013 erhalten. Sie hat dagegen am 6. März 2013 Beschwerde eingelegt.
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Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 8. Juli 2013 bestätigt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde das angesprochene Publikum, Fachleute für Managementdienstleistungen, „ECR“ als Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Zwar werde es aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung „ECR“ nicht zwingend als Thema die optimierte Lagerlogistik erkennen. Es werde den Begriff aber jedenfalls nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen thematisch bestimmten Preis auffassen. Diesen Begriff verwendet die Anmelderin selbst im Dienstleistungsverzeichnis als eine beschreibende Angabe. Hiervon ausgehend besitze die angemeldete Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Rechtsbeschwerde werde zugelassen, da die Frage, ob die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine in der Marke enthaltene Abkürzung als beschreibende Angabe erscheinen lassen könnten, noch nicht höchstrichterlich geklärt sei.
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Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZB 64/13 den Beschluss des Senats vom 8. Juli 2013 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Das ist damit begründet, die Beurteilung des Bundespatentgerichts, dass hinsichtlich der angemeldeten Wortmarke „ECR-Award“ das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben sei, halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkenne, sei anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses könne zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.
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Das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen sei dem die Marke wahrnehmenden Verbraucher nicht bekannt. Ohne Kenntnis des Inhalts des Dienstleistungsverzeichnisses könne er der angemeldeten Marke aber keine bestimmte, ohne weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.
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Dies gelte selbst dann, wenn das Zeichen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung im Bereich „Efficient Consumer Response“ benutzt werde, weil sich auch in diesem Fall kein die Dienstleistungen glatt beschreibender Begriff ergebe. Wie aus den Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts folge, sei dieser Begriff nicht einfach durch Übersetzung der englischen Wörter zu ermitteln.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke sei die mutmaßliche Wahrnehmung durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen. Dieser werde die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentrete, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen.
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Die Anmelderin beantragt weiterhin,
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den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rn. 11 = WRP 2013, 909 – Kaleido). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rn. 10 = WRP 2014, 573 – HOT).
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Die Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, also die Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Dienstleistungen, hat der Senat anhand der objektiven Gegebenheiten festzustellen.
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Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist u. a das Allgemeininteresse angemessen zu berücksichtigen, um die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH; Urteil v. 12.02.2004 – C-363/99, GRUR 2004, 674 Rn. 68 – Postkantoor; Hacker, GRUR 2001, 630 ff.).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung durch den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH, Urteil v. 03.03.2006 – C-421/04, GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH, Beschluss v. 31.03.2010 – I ZB 62/09 GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II).
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Die Buchstabenfolge „ECR“ kann vielfältige Bedeutungen haben. Welche konkrete Bedeutung sie tatsächlich hat, lässt sich ohne Berücksichtigung des Zusatzes „insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response“ beanspruchten Dienstleistungsverzeichnis nicht ergründen.
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ECR hat – wie bereits von der Markenstelle ermittelt – vielfältige Bedeutungen. So steht die Abkürzung „ECR“ nicht nur für den Begriff „Efficient Consumer Response“ im Sinn einer „optimierten“ Lagerlogistik, sondern unter anderem auch für die Begriffe „Earth Centered Rotation“, „El Charco“, „Electro Coat Replacement“, „Electronic Cash Register“, “Electronic Combat Reconnaissance“, „Engineer Change Request“, „Extendet Control Register“ oder „Elektrische Strassenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid“.
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Der angesprochene inländische Verbraucher erkennt „ECR-Award“ nicht ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für „Efficient-Consumer-Response-Award“.
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Die Rechtsprechung zu Marken, die aus einer Wortkombination verbunden mit einer als deren Abkürzung wirkender Buchstabenfolge bestehen (z. B. EuGH GRUR 2012, 616 – NAI; BGH GRUR 2008, 719 – idw, BPatG GRUR 2011, 527 – MMF), ist nicht übertragbar auf alleinstehende Buchstabenfolgen, die als Abkürzung von Begriffen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wirken können.