Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Freilauf-Rundstall” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 5/19

Datum:
30.4.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:300419B28Wpat5.19.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 102 181.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 30. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ (Klasse 35)
zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.
1
Der Anmelder hat am 26. Februar 2018 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Zeichen
2
Freilauf-Rundstall
3
als Wortmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31, 35 und 44 in das Markenregister einzutragen. Die Dienstleistungen der Klasse 35 lauten wie folgt:
4
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen.
5
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat die Anmeldung nach vorausgegangener Beanstandung durch Beschluss vom 22. Oktober 2018 zurückgewiesen. Das aus der Kombination der Begriffe „Freilauf“ und „Rundstall“ bestehende Anmeldezeichen verweise auf eine schonende Tierhaltung in einer Behausung, die den Tieren eine Freilauffläche biete. Das angesprochene Publikum verstehe die Wortfolge in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich als eine Sachangabe. So werde es dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 darauf gerichtet seien, einen landwirtschaftlichen Betrieb so zu organisieren und damit zu werben, dass Tiere in Freiläufen und Rundställen untergebracht werden könnten. Das Anmeldezeichen eigne sich damit nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem konkreten Unternehmen und entbehre daher der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
6
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er meint, das angemeldete Wortzeichen sei schutzfähig. Nach Hinweis des Senats hat er im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 16. April 2019 die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31 und 44 zurückgenommen.
7
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. Oktober 2018 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen
9
„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ (Klasse 35)
10
zurückgewiesen worden ist.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
12
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 kein Schutzhindernis entgegen. Der angefochtene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes war daher insoweit aufzuheben.
13
Soweit die Zurückweisung auch Waren und Dienstleistungen betrifft, für die die Anmeldung im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wird, ist der angegriffene Beschluss wirkungslos.
14
1. Dem angemeldeten Wortzeichen
15
Freilauf-Rundstall
16
kann für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.
17
Unterscheidungskraft, also die einem Zeichen innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; BGH GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 ff. – Kaleido; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT), fehlt insbesondere Wortzeichen, denen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2010, 640, Rdnr. 13 – hey!; GRUR 2013, 731, Rdnr. 13 – Kaleido; GRUR 2016, 934, Rdnr. 12, 23 – OUI). Ob das Publikum ein Zeichen rein sachlich als merkmals- oder sonst inhaltsbestimmende Angabe versteht, richtet sich nach den in einer bestimmten Branche herrschenden Kennzeichnungsgewohnheiten (vgl. BGH GRUR 2009, 949, Rdnr. 24 – My World; GRUR 2014, 1204, Rdnr. 19 – DüsseldorfCongress).
18
Die beanspruchte Dienstleistung „Werbung“, also die werbende Tätigkeit für Dritte wird ausweislich der Marktgepflogenheiten vor allem durch die Branche, auf die sie sich bezieht, oder durch die zur Bewerbung eingesetzten Medien beschrieben (vgl. BGH GRUR 2009, 949, Rdnr. 24 – My World; BPatG, Beschluss vom 27. November 2013, 29 W (pat) 523/12 – myJobs; Beschluss vom 23. Januar 2017, 28 W (pat) 22/15 – smartcrutch). Dem Anmeldezeichen kommt ein solcher Aussagegehalt jedoch nicht zu. Vielmehr benennt es eine spezifische Form der Tierhaltung in einem Rundstall mit Freilauf. Es ist nicht erkennbar, dass der Verkehr hierin ein Synonym für artgerechte Tierhaltung und damit eine Bezeichnung eines selbständigen Branchenzweigs sieht. Um zu diesem verallgemeinernden Verständnis des Ausdrucks „Freilauf-Rundstall“ zu kommen, bedarf es zusätzlicher Überlegungen, die das Publikum regelmäßig nicht anstellt. Eine Werbemaßnahme mag zwar im Einzelfall darauf abzielen, die Rundstalltierhaltung mit Freilauf oder den Vertrieb von dafür bestimmten Stallgehäusen bzw. von Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung zu fördern. Für die Beschränkung der Werbedienstleistungen auf ein derart enges Dienstleistungs- bzw. Warensegment oder für die Herausstellung eines solchen Angebots einer Werbeagentur ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich.
19
Entsprechendes gilt für die weiteren Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen“ und „Büroarbeiten“. Es liegt fern, dass das Anmeldezeichen zur näheren inhaltlichen Bestimmung dieser kaufmännischen bzw. administrativen Tätigkeiten herangezogen wird. Hierfür kommen auch im Zusammenhang mit den eben genannten Dienstleistungen regelmäßig nur Branchenangaben, wie Automobil- oder Textilindustrie, ernsthaft in Betracht, da das Angebot derartiger Dienstleister regelmäßig auf bestimmte Geschäftsfelder und nicht auf die Herstellung oder den Einsatz spezieller Einzelgegenstände ausgerichtet ist. Einen solchen und nicht einen Wirtschafts- oder Geschäftszweig in seiner Gesamtheit bezeichnet die Wortfolge „Freilauf-Rundstall“ jedoch.
20
2. Aus vorgenannten Gründen ist das Anmeldezeichen auch nicht als unmittelbar beschreibende freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzusehen.
Weitere Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich, so dass der Beschwerde im noch verfahrensgegenständlichen Umfang stattzugeben war.

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