Aktenzeichen 30 W (pat) 511/17
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 057 374.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 4. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 09 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 2016 insoweit aufgehoben, als darin die Anmeldung für die Dienstleistungen
„Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet mit Waren der Nizzaer Klasse 16, nämlich Papier, Pappe (Karton)“
zurückgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Bezeichnung
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reggae jam
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ist am 27. Oktober 2015 für die Waren und Dienstleistungen
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„Klasse 9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray-Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten;
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Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen, insbesondere T-Shirts; Kapuzenpullover; Pullover; Jacken; Kappen; Mützen; Sweater;
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Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung, insbesondere Vermietung von Werbeflächen; Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet mit Waren der Nizzaer Klasse 9, nämlich Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray-Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten; Waren der Nizzaer Klasse 16, nämlich Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind und Druckereierzeugnisse, insbesondere Aufkleber, Stickers, Abziehbilder, Poster, Plakate, Postkarten, Bildbände; Waren der Nizzaer Klasse 25, nämlich Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere T-Shirts, Kapuzenpullover, Pullover, Jacken, Kappen, Mützen, Sweater; Waren der Nizzaer Klasse 34, nämlich Feuerzeuge;
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Klasse 41: Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbesondere Buchung, Vorbereitung, Organisation, Durchführung und Veranstaltung von Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerten, musikalischen Darbietungen und Musik-Festivals; Aufzeichnung von Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerten, musikalischen Darbietungen und Musik-Festivals; Eintrittskartenvorverkauf für Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerte, musikalische Darbietungen und Musik-Festivals; Beratungs- und Informationsdienste in Bezug auf Vorbereitung, Durchführung und Organisation von Konzerten; Dienstleistungen von Tonstudios; Musikproduktion“
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zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
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Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. Oktober 2016 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
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Die angemeldete Wortmarke verbinde die beiden, ursprünglich der englischen Sprache entstammenden Begriffe “reggae” und “jam”. Beide Begriffe hätten Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Dabei bezeichne “reggae” einen aus Jamaika stammenden Musikstil, der aus dem Rhythm and Blues entwickelt worden sei. Der weitere Bestandteil “Jam” sei die Kurzform für “Jamsession”. Die angemeldete Bezeichnung sei zwar lexikalisch nicht nachweisbar, würde aber angesichts der Bekanntheit und Verständlichkeit der Bestandteile „reggae“ und „jam“ nicht nur vom Fachverkehr und von fachlich interessieren Kreisen, sondern auch von allgemeinen Verkehrskreisen sofort und ohne gedankliche Zwischenschritte in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen als beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass diese in Zusammenhang mit einer „reggae jamsession“ und der dort zu hörenden Musik stehen könnten.
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So könnte mit den Waren der Klasse 9 diese Musik gehört, gespeichert und wiedergegeben werden, so dass die angemeldete Bezeichnung als Hinweis auf Inhalt und Gegenstand der Waren verstanden werde. Bei den Artikeln der Klasse 25 handele es sich um typische Merchandisingartikel, die im Rahmen einer Musikveranstaltung angeboten würden und mit Hinweisen und Inhalten bspw. eines Festivals bedruckt würden, so dass sie zwar auf das Festival hinwiesen, nicht aber auf einen bestimmten Bekleidungshersteller. Dies gelte auch für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 41, die sich inhaltlichthematisch auf (irgend)eine Musikveranstaltung in Form einer „reggae jamsession“ beziehen könnten, so dass der angemeldete Gesamtbegriff auch insofern nur als beschreibender Hinweis, nicht aber als Hinweis auf einen ganz bestimmten Veranstalter oder Anbieter verstanden werde.
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Unerheblich sei, dass der angemeldeten Bezeichnung kein Hinweis darauf entnommen werde könne, welche Reggaemusik konkret angeboten werde oder sich bei der Veranstaltung entwickele; maßgebend sei allein, dass die Bezeichnung reggae jam bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung einer Jamsession mit dem Schwerpunkt der Musikstilrichtung Reggae hervorrufe. Aus dem Wort „jam“ einen Bezug zu der Ware Marmelade herauszulesen, sei hingegen fernliegend.
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Der in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen rein sachbezogene Aussagehalt von reggae jam werde entgegen der Auffassung des Anmelders nicht dadurch in Frage gestellt, dass die von dem Anmelder unter der angemeldeten Bezeichnung konkret durchgeführte Veranstaltung sich nicht nur mit Reggae-Musik befasse bzw. dort auch andere Musikrichtungen dargeboten würden.
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Soweit der Anmelder weiterhin geltend mache, dass er unter dieser Bezeichnung seit mehr als 20 Jahren ein jährlich stattfindendes und nach Angaben des Anmelders sehr bekanntes Festival durchführe, betreffe dies die Frage der Verkehrsdurchsetzung einer von Haus aus nicht schutzfähigen Bezeichnung nach § 8 Abs. 3 MarkenG. Die Voraussetzungen dafür seien aber weder schlüssig vorgetragen worden noch seien Unterlagen eingereicht worden, die Anhaltspunkte für eine solche Verkehrsdurchsetzung böten.
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Ob der Eintragung des angemeldeten Zeichens auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne offen bleiben.
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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass ein Verständnis von reggae jam in dem von der Markenstelle angenommenen Sinne schon aufgrund der Mehrdeutigkeit des Begriffs „jam“, welcher auch für „Marmelade“ stehe und daher nicht ohne weiteres der Musik bzw. einer Musikrichtung zugeordnet werden könne, eine ausgiebige Interpretation erfordere. Schon aus diesem Grunde werde der Verkehr die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls nicht ohne weiteres als Sachangabe auf deren Gegenstand, Inhalt und Thematik auffassen.
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Vor allem jedoch handele es sich bei der von dem Anmelder gegründeten und jährlich stattfindenden Veranstaltung, für die das Zeichen reggae jam verwendet werde und bekannt sei, gerade nicht um eine „Jamsession“ in seiner definitionsgemäßen Bedeutung als „zwangsloses Zusammenspiel von Musikern, die nicht üblicherweise in einer Band zusammenspielen und singen“, sondern um eine Veranstaltung mit feststehendem Programm und Spielplan, bei der nicht nur Musik des Genres „Reggae“ angeboten würde und bei der der Fokus auf einer Zusammenkunft von Menschen, die in kulturellen/musikalischen o.ä. Fragen über dieselbe Einstellung verfügten, liege. Die unter der Bezeichnung reggae jam vom Anmelder angebotenen und beanspruchten Waren und Dienstleistungen würden daher nicht für eine „jamsession“ im definitionsgemäßen Sinne verwendet, so dass die Bezeichnung auch nicht deren Bestimmung, Inhalt etc. beschreibe. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die angemeldete Bezeichnung reggae jam vielmehr allein mit der unter dieser Bezeichnung organisierten und durchgeführten Veranstaltung in Verbindung bringen, was aber ausreiche, um beim Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung zu wecken.
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Dementsprechend seien auch eine Reihe Marken mit dem Bestandteil „Reggae“ eingetragen worden.
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Da der Verkehr dem angemeldeten Zeichen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen könne, fehle es auch an einem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Oktober 2016 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
23
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache lediglich in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG insoweit nicht bestehen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, da die angemeldete Marke in Bezug auf sämtliche weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Markenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) – OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).
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Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) – Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) – Stadtwerke Bremen; 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) – Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) – DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) – TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).
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2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen fehlt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen reggae jam bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der im Beschlusstenor genannten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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a. Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich um eine aus den Begriffen „reggae“ und „jam“ gebildete Wortkombination, was schon aufgrund der getrennten Schreibweise ohne weiteres erkennbar ist. Das Substantiv „reggae“ bezeichnet eine „aus Jamaika stammende Spielart der Popmusik, deren Rhythmus durch die Hervorhebung unbetonter Taktteile gekennzeichnet ist“ und ist mit dieser Bedeutung auch im Inland lexikalisch nachweisbar (vgl. DUDEN-online zu „reggae“). Der dem englischen Wortschatz entstammende Begriff „jam“ weist für sich gesehen mehrere Bedeutungen auf; in Zusammenhang mit der Musikrichtung „reggae“ liegt aber für den allgemeinen wie auch den Fachverkehr allein ein Verständnis als ebenfalls lexikalisch nachweisbares Kurzwort für „jamsession“ nahe (vgl. DUDEN-Online zu „jam“), welches allgemein für ein nicht nur auf den Bereich der Jazzmusik beschränktes „zwangloses Zusammenspiel von Musikern, die üblicherweise nicht in einer Bandzusammenspielen und –singen“ steht (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Jam-Session).
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Da auch Reggae-Musik Gegenstand eines solchen spontanen, zwangslosen Zusammenspiels von Musikern sein kann, wird der Verkehr die angemeldete Wortfolge reggae jam daher entgegen der Auffassung des Anmelders sofort und ohne weiteres als Bezeichnung einer Jamsession, bei der Reggae gespielt wird, verstehen. Ein Verständnis von „jam“ in anderen Bedeutungen wie zB „Marmelade“ ist hingegen in Zusammenhang mit dem Begriff „reggae“ nicht naheliegend.
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b. Ausgehend von dieser Bedeutung fehlt es dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldete Zeichen reggae jam zunächst hinsichtlich der zu Klasse 09 beanspruchten „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray- Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten“ an Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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aa. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die mit „insbesondere“ eingeleitete (beispielhafte) Aufzählung der Waren „mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray- Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten“ sich nicht allein auf „Magnetaufzeichnungsträger“ bezieht, da es sich zwar bei den Waren „Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten“, nicht jedoch bei „mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray- Discs“ um „Magnetaufzeichnungsträger“ handelt. Die „insbesondere“ beanspruchten Waren fallen daher nach dem vom Anmelder zu Klasse 09 eingereichten Warenverzeichnis unter sämtliche beanspruchten Warenober-begriffe „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger“.
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Ob die Subsumtion dieser „insbesondere“ beanspruchten Waren unter die Obergriffe „Geräte zur“ letztlich zutrifft, ist dabei unerheblich. Maßgebend ist allein, dass der für Inhalt, Umfang und Formulierung des Warenverzeichnisses allein verantwortliche Anmelder mit seiner Fassung des Warenverzeichnisses zum Ausdruck gebracht hat, dass die genannten Waren unter die beanspruchten Warenoberbegriffe fallen sollen. Dieses vom Anmelder zu Klasse 09 so formulierte Warenverzeichnis ist auch Gegenstand der Entscheidung.
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Aufgrund dieser Fassung entfällt dann aber unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Eintragung einer Marke für Oberbegriffe von Waren/Dienstleistungen auch dann ausgeschlossen ist, wenn ein Schutzhindernis nur in Bezug auf einen Teil der unter den jeweiligen Oberbegriff fallenden Waren/Dienstleistungen besteht (vgl. BGH GRUR 2006, 850, 856 Tz. 36 – FUSSBALL WM 2006 Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 8 Rdnr. 119), ein Schutz für die zu dieser Klasse beanspruchten Oberbegriffe „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger“ bereits dann, wenn ein Schutzhindernis sich allein in Bezug auf einzelne oder mehrere der „insbesondere“ beanspruchten Waren „…mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray- Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten“ feststellen lässt. Dies ist vorliegend der Fall.
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bb. Zwar beschreibt reggae jam in Bezug auf die danach zu Klasse 09 maßgeblichen Waren weder unmittelbar deren Merkmale und Eigenschaften noch enthält die Bezeichnung insoweit einen hinreichend konkreten Sachhinweis auf bestimmte Eigenschaften der so bezeichneten Waren unter Gesichtspunkten wie Bestimmungs- und Verwendungszweck.
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Allerdings handelt es sich jedenfalls bei „Magnetaufzeichnungsträger(n)“ sowie vor allem den „insbesondere“ beanspruchten Waren „…mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray- Discs, Tonbänder, Video-Kassetten, Audio-Tapes, Kassetten“ um Waren, welche neben ihrem Charakter als handelbare Güter auch einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen können. Unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG ist bei solchen Waren aus dem Medienbereich die markenrechtliche Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt zu beschreiben (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042, 1043 – REICH UND SCHOEN; GRUR 2001, 1043, 1045 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070, 1072-Bar jeder Vernunft), so dass der Verkehr die Bezeichnung in Zusammenhang mit den Waren insoweit nur als Inhaltsangabe, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis auffasst (vgl. BPatG GRUR 1998, 145, 146 – Klassentreffen; BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär).
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Davon ist in Bezug auf die vorgenannten Waren der Klassen 9 auszugehen, da diese sich inhaltlich sowohl in informativer als auch künstlerischer Form (Literatur und/oder Musik) mit einer reggae jam befassen können, so dass der Verkehr der angemeldeten Bezeichnung reggae jam insoweit lediglich einen beschreibenden Hinweis auf deren Thema und Inhalt entnehmen wird, nämlich dass diese Aufnahmen und/oder Informationen (zu) einer reggae jam enthalten.
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c. Ebenso können sich die zu Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen „Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbesondere Buchung, Vorbereitung, Organisation, Durchführung und Veranstaltung von Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerten, musikalischen Darbietungen und Musik-Festivals; Aufzeichnung von Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerten, musikalischen Darbietungen und Musik-Festivals; Eintrittskartenvorverkauf für Live-Veranstaltungen, insbesondere Konzerte, musikalische Darbietungen und Musik-Festivals; Beratungs- und Informationsdienste in Bezug auf Vorbereitung, Durchführung und Organisation von Konzerten; Dienstleistungen von Tonstudios; Musikproduktion“ ihrem Gegenstand und Inhalt nach auf die Vorbereitung, Durchführung und Organisation einer reggae jam beziehen bzw. sich mit dieser befassen, so dass der Verkehr der angemeldeten Bezeichnung auch insoweit lediglich einen Hinweis auf deren Gegenstand und Inhalt entnehmen wird.
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Dies gilt speziell auch für die Dienstleistungen „sportliche und kulturelle Aktivitäten“, da unter diese Dienstleistungsoberbegriffe nach der Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses auch die „insbesondere“ benannten und einem Schutz nicht zugänglichen Dienstleistungen „Buchung, Vorbereitung, Organisation, Durchführung und Veranstaltung von Live-Veranstaltungen“ fallen. Der angemeldeten Bezeichnung ist dann aber für den gesamten beanspruchten Oberbegriff „sportliche und kulturelle Aktivitäten“ der Schutz zu versagen.
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d. Auch hinsichtlich der zu Klasse 25 beanspruchten Waren „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen, insbesondere T-Shirts; Kapuzenpullover; Pullover; Jacken; Kappen; Mützen; Sweater“ fehlt es der Wortfolge reggae jam an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, und zwar unabhängig davon, ob man bei Berücksichtigung der üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warensektor nur auf die wahrscheinlichste Verwendungsform abstellt (vgl. dazu EuGH GRUR 2013, 519 Rn. 55 – Deichmann), oder ob man es entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügen lässt, dass es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den Waren, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird (BGH GRUR 2008, 193 Rn. 22 – Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2010, 825Rn. 21 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 1100 Rn. 28 – TOOOR!; GRUR 2018, 932 Tz. 21 – #darferdas?).
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aa. Die zu Klasse 25 beanspruchten Waren umfassen typische Merchandising-Artikel, welche speziell auch für (Musik)Veranstaltungen wie z.B. eine reggae jam bestimmt sein können und im Rahmen einer solchen Veranstaltung angeboten werden. Bei diesen Waren ist daher die Verwendung der (Veranstaltungs-)Bezeichnung reggae jam als deutlich sichtbarer Schriftzug auf der Vorder- oder auch der Rückseite der Bekleidungsstücke wie T-Shirts bzw. als erkennbarer Schriftzug auf Kopfbedeckungen oder Schuhwaren und somit als Motiv als die wahrscheinlichste und zugleich praktisch bedeutsame Verwendungsform der angegriffenen Wortfolge anzusehen. Bei einer solchen Verwendung wird der Verkehr die Bezeichnung reggae jam dann aber ausschließlich als beschreibende Angabe im Sinne eines Hinweises auf die damit bezeichnete Veranstaltung als solche und nicht auf den Hersteller der so gekennzeichneten Waren verstehen (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rn. 32, 46 – FUSSBALL WM 2006).
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bb. Dies gilt aber auch im Rahmen einer bei Bekleidungsstücken als ebenfalls praktisch bedeutsam und naheliegend in Betracht zu ziehenden Verwendung des Zeichens z.B. als (eingenähtes) Etikett, Anhänger o.ä. auf der Innenseite von Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen (vgl. dazu BGH GRUR 2008, 193 Rn. 31 – Marlene-Dietrich-Bildnis I). Zwar gilt der Erfahrungssatz, dass der Verkehr in Zeichen, die sich z.B. auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH GRUR 2008, 1093 Rn. 22 – Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2017, 730 Rn. 22 – Sterzinsky-Dreieck; GRUR 2012, 1044 Rn. 20 – Neuschwanstein). Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Vielmehr kann auch bei der Anbringung auf Etiketten die Beurteilung, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens und der Waren, an denen das Etikett angebracht wird, variieren. Danach wird der Verkehr in einer (Veranstaltungs-)Bezeichnung wie reggae jam angesichts der ihm bekannten Verwendungsmöglichkeit von Bekleidungsstücken als Merchandisingartikel z.B. für Musikveranstaltungen nicht nur bei einer Verwendung z.B. als Schriftzug auf Vorder- und Rückseite der jeweiligen Bekleidungsstücke, sondern unabhängig von der konkreten Präsentation der Bezeichnung und damit auch bei einer Verwendung auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder der Verpackung der Waren naheliegend nur einen beschreibenden Hinweis auf die so bezeichnete Veranstaltung erkennen; er wird darin aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis z.B. auf den Hersteller der so gekennzeichneten Bekleidungsstücke sehen (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 30 – TOOOR!; ferner BPatG 27 W (pat) 535/11 v. 16. Juli 2012 – Neustadt Summer Sounds, veröffentlicht in juris sowie auf der Internetseite des BPatG).
41
cc. Scheidet daher in beiden vorgenannten Varianten ein markenmäßiges Verständnis von reggae jam in Zusammenhang mit den zu Klasse 25 beanspruchten Waren aus, kann auch die bisher nicht abschließend geklärte und Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH (GRUR 2018, 932 – #darferdas?) bildende Frage offen bleiben, ob die vorgenannte Entscheidung des EuGH (GRUR 2013, 519 – Deichmann) dahingehend zu verstehen ist, dass im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft
nur
auf die wahrscheinlichste Verwendungsform abzustellen ist, auch wenn weitere praktisch bedeutsame oder naheliegende Möglichkeiten, die Marke als Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren zu benutzen, in Betracht zu ziehen sind (so Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 8 Rdnr. 147; BPatG 27 W (pat) 551/16 v. 3. Mai 2017 – #darferdas?), oder ob der Europäische Gerichtshof damit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft die Prüfung nur dann auf die wahrscheinlichste Verwendungsform zu beschränken ist, wenn die übrigen in Betracht kommenden Verwendungsformen nicht praktisch bedeutsam oder naheliegend sind (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 21 – DüsseldorfCongress).
42
e. Soweit die vorgenannten, zu den Klassen 9 und 25 beanspruchten Waren auch den Gegenstand der zu Klasse 35 beanspruchten „Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet“ bilden, besteht jedenfalls ein die Unterscheidungskraft ausschließender enger beschreibender Bezug der angemeldeten Bezeichnung zu diesen Dienstleistungen. Denn der Verkehr wird der Bezeichnung reggae jam insoweit den Hinweis entnehmen, dass diese Dienstleistungen für eine solche jam bestimmte „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere T-Shirts, Kapuzenpullover, Pullover, Jacken, Kappen, Mützen, Sweater“ betreffen (z.B. als Merchandising-Artikel) bzw. die dienstleistungsgegenständlichen „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild sowie Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere mit Ton und/oder Video bespielte Compact-Discs, DVDs und Blu-ray-Discs, Tonbänder, Video- Kassetten, AudioTapes, Kassetten“ sich inhaltlich/thematisch damit beschäftigen.
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f. Dies gilt auch, soweit zu dieser Klasse Schutz für „Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet mit … Waren der Nizzaer Klasse 16, nämlich Druckereierzeugnisse, insbesondere Aufkleber, Stickers, Abziehbilder, Poster, Plakate, Postkarten, Bildbände“ beansprucht wird. Denn „Druckereierzeugnisse“ (wie z.B. Bücher, Magazine etc.) können sich ebenfalls thematisch ohne weiteres mit einer reggae jam befassen, so dass der Verkehr auch insoweit dieser Bezeichnung lediglich einen beschreibenden Hinweis auf den gedanklichen Inhalt der dienstleistungsgegenständlichen „Druckereierzeugnisse“ entnehmen wird. Damit entfällt dann auch der Schutz für die zu diesem Oberbegriff „insbesondere“ benannten Waren „Aufkleber, Stickers, Abziehbilder, Poster, Plakate, Postkarten, Bildbände“, weil diese nach der Fassung des Warenverzeichnisses als beispielhafte Benennung unter den weiten Oberbegriff „Druckereierzeugnisse“ fallen und daher in rechtlicher Hinsicht dessen Schicksal teilen. Ungeachtet dessen können sich aber auch diese Waren thematisch mit einer reggae jam befassen bzw. – was „Aufkleber, Stickers, Abziehbilder“ betrifft – mit einem Hinweis darauf versehen sein, so dass sich reggae jam auch insoweit in einem beschreibenden Hinweis auf den Inhalt der Waren erschöpft bzw. ausschließlich als Hinweis auf eine solche Veranstaltung verstanden wird.
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g. Dies gilt ferner für die in Klasse 35 beanspruchten „Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet mit Waren der Nizzaer Klasse 16, nämlich Waren aus Papier, Pappe (Karton)“ sowie „Waren der Nizzaer Klasse 34, nämlich Feuerzeuge“, da sowohl „Feuerzeuge“ als auch „Waren aus Papier und Pappe“ wie z.B. Bierdeckel, Papiertragetaschen, Getränkebehälter ebenfalls als Merchandisingartikel für eine reggae jam bestimmt sein können.
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h. Einen zumindest im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt enthält das Anmeldezeichen schließlich auch für die in Klasse 35 beanspruchte Dienstleistung „Werbung“. Musikunterhaltungssendungen, moderne Musik(groß)veranstaltungen, Konzerte und Festivals bieten ein ideales Forum für Merchandising und Werbung. Dementsprechend müssen Werbedienstleistungen in diesem Bereich besondere Anforderungen erfüllen (vgl. BPatG 30 W (pat) 7/17 Beschluss v. 12. Oktober 2017 – music for millions). Das angesprochene inländische Publikum wird in dem Anmeldezeichen daher einen beschreibenden Hinweis auf spezielle Werbung in Zusammenhang mit einer reggae jam sehen, weshalb auch hier der beschreibende Charakter der Wortfolge im Vordergrund steht.
46
i. Dies gilt gleichermaßen für die weiterhin zu dieser Klasse beanspruchte Dienstleistung „Geschäftsführung, insbesondere Vermietung von Werbeflächen“, da auch die Gestaltung und Bereitstellung wie auch die „insbesondere“ beanspruchte Vermietung von Werbeflächen in Zusammenhang mit den vorgenannten Veranstaltungen speziellen Anforderungen genügen muss, so dass reggae jam sich auch insoweit in einem Hinweis auf eine entsprechende Veranstaltung erschöpft. Da nach der Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses die „insbesondere“ benannte „Vermietung von Werbeflächen“ unter den beanspruchten Oberbegriff „Geschäftsführung“ fällt, ist der angemeldeten Bezeichnung dann aber für diesen beanspruchten Oberbegriff der Schutz zu versagen
47
j. Die angemeldete Bezeichnung wird somit in Bezug auf sämtliche vorgenannten Waren und Dienstleistungen als beschreibende bzw. sachbezogene Bestimmungs- und/oder Inhaltsangabe, nicht aber als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, verstanden.
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3. Entgegen der Auffassung des Anmelders kommt es nicht darauf an, ob er die vorgenannten Waren/Dienstleistungen tatsächlich im Rahmen einer bzw. für eine reggae jam in obengenanntem Sinne anbieten und/oder erbringen will bzw. ob die von ihm gegründete und jährlich unter der Bezeichnung reggae jam durchgeführte Veranstaltung überhaupt den Charakter einer solchen jamsession aufweist. Denn für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kommt es nicht darauf an, wofür sie tatsächlich z.B. durch den Anmelder benutzt wird, sondern allein, wofür sie nach den beanspruchten Waren- und Dienstleistungs(ober)begriffen benutzt werden kann. Maßgeblich für ein sachbezogenes Verständnis der Bezeichnung ist daher allein, ob die fraglichen Waren und Dienstleistungen für eine so bezeichnete jam bestimmt sein oder erbracht werden können bzw. sich inhaltlich/thematisch damit befassen können. Dies ist aber aus den vorgenannten Gründen ohne weiteres der Fall ist.
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4. Die Begriffskombination reggae jam weist auch keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit auf. Vielmehr wird der Verkehr reggae jam Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf Anhieb und ausschließlich im dargelegten Sinne verstehen. Im Übrigen ist ein Zeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der konkret in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR 2003, 450 – DOUBLEMINT; EuGH MarkenR 2004, 111, 115 – BIOMILD/Campina Melkunie).
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Die angemeldete Bezeichnung weist auch keine ungewöhnliche Struktur oder weitere Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnten. Sie ist weder vage noch unbestimmt, sondern erschöpft sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einer aus sich heraus verständlichen und sofort erfassbaren schlagwortartigen und werbewirksamen Sachaussage zu deren Bestimmungs- und Verwendungszweck bzw deren Gegenstand, Inhalt und Thematik. Über diese Sachinformationen hinaus enthält die angemeldete Bezeichnung kein Element, das den Eindruck einer betrieblichen Herkunftskennzeichnung, also einer Marke hervorruft.
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5. Der von dem Anmelder angeführte Umstand, dass der Verkehr bei der Bezeichnung reggae jam nur an die von dem Anmelder gegründete und jährlich unter dieser Bezeichnung organisierte Veranstaltung denke, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Ob einer zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung absolute Schutzhindernisse nach § 8 MarkenG entgegenstehen, ist losgelöst von der Person des Anmelders zu prüfen, so dass weder Namens- noch Monopolrechte zu einer von den gesetzlichen Bestimmungen des Markengesetzes abweichenden Beurteilung führen können (vgl. BGH MarkenR 2012, 76 f., Rn. 17 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.; GRUR 2006, 503, Rn. 10 – Casino Bremen). Selbst wenn die angemeldete Bezeichnung derzeit ausschließlich mit dem Anmelder in Verbindung gebracht wird, wird dadurch die Eignung zur unmittelbaren Beschreibung nicht ausgeschlossen.
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Dem von dem Anmelder vorgetragenen Umstand, dass die angemeldete Bezeichnung vom Verkehr nur mit ihm in Verbindung gebracht werde, könnte Bedeutung zukommen, wenn zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG der Nachweis geführt wird, dass sich die Bezeichnung im Verkehr infolge ihrer Benutzung als Marke für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt hat. Diesen Nachweis hat der Anmelder nicht geführt.
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6. Der Anmelder kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine seiner Meinung nach abweichende Eintragungspraxis insbesondere von Marken mit dem Bestandteil „reggae“ berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 (Nr. 18) – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2012, 276, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m.w.N.; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche).
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7. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
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8. In Bezug auf die Dienstleistung „Einzelhandelsdienstleistungen und Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet mit Waren der Nizzaer Klasse 16, nämlich Papier, Pappe (Karton)“ können Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG indessen nicht festgestellt werden, da reggae jam in Bezug auf die Waren „Papier, Pappe (Karton)“ keinen sachbezogenen und beschreibenden Aussagehalt aufweist und es insofern auch nicht naheliegend ist, bei diesen Waren einen Hinweis auf eine solche Veranstaltung zu erkennen.