Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Mauerblümchen” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  26 W (pat) 504/19

Datum:
12.9.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:120919B26Wpat504.19.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 102 279.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. September 2019 unter Mitwirkung der Richter Kätker, Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. September 2018 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
Mauerblümchen
3
ist am 28. Februar 2018 angemeldet worden unter der Nummer 30 2018 102 279.0 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren der
4
Klasse 32: Bier; Biermischgetränke.
5
Mit Beschluss vom 27. September 2018 hat die Markenstelle für Klasse 32 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der angemeldete Begriff „Mauerblümchen“ bezeichne eine meist weibliche Person, die sich am Rande einer Gruppe bewege, nicht so beliebt sei und sich stets zurückhalte, weil sie glaube, dass sie hässlich sei. Derart allgemeinverständlichen Angaben billigten die angesprochenen Verkehrskreise keine Unterscheidungskraft zu, da sie sich in werbemäßig anpreisender Form auf eine rein sachbezogene Angabe ohne herkunftshinweisenden Gehalt beschränkten.
6
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er vertritt die Ansicht, das Anmeldezeichen enthalte keine sachbezogene Angabe hinsichtlich der beanspruchten Waren. Es könne auch nicht als ernsthafter Hinweis auf die Abnehmerkreise verstanden werden. Das DPMA habe in jüngerer Vergangenheit eine Vielzahl vergleichbarer Marken in das Register eingetragen.
7
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. September 2018 aufzuheben.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
10
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
11
Der Eintragung des Wortzeichens „Mauerblümchen“ stehen für die beanspruchten Waren der Klasse 32 keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
12
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
13
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
14
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH a. a. O. Rdnr. 16- Düs-seldorfCongress).
15
2. Diesen Anforderungen genügt das angemeldete Wortzeichen, weil es hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klasse 32 keinerlei Sachaussage enthält.
16
a) Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise sind die Endverbraucher und der Fachhandel für Getränke.
17
b) Das Anmeldezeichen besteht allein aus dem Substantiv „Mauerblümchen“. Hierunter versteht man ein „Mädchen, das beim Tanzen nur selten aufgefordert wird“ bzw. ein „unscheinbares Mädchen, das von Männern kaum beachtet wird“ oder eine „Person oder Sache, der wenig Beachtung, Aufmerksamkeit zuteilwird“ (www.duden.de). Der Begriff entstammt dem Bild der einzeln an einer Mauer wachsenden Blume, die fernab von anderen Artgenossen ihr Dasein fristet. Deshalb wird z. B. das Zimbelkraut auch Mauerblümchen genannt (www.wikipedia.org). Das angemeldete Wort gehört zur Alltagssprache und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen mühelos in seinem Sinngehalt erfasst.
18
c) Für die beanspruchten Waren weist das angemeldete Wort weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf, noch stellt es einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her.
19
aa) Das Wortzeichen ist nicht geeignet, die beanspruchten Waren „Bier; Biermischgetränke“ zu beschreiben, insbesondere kann es keinen Inhaltsstoff dieser Getränke bezeichnen. Zimbelkraut ist zwar grundsätzlich genießbar. Nach der Recherche des Senats wird es jedoch nur in Form von Salat verzehrt und nicht für die Zubereitung von Getränken genutzt (www.heilkraeuter.de). Es als Zutat bei der Bierherstellung zu verwenden, verstieße schon gegen das Reinheitsgebot.
20
bb) Ebenso wenig eignet sich das angemeldete Markenwort, eine spezielle Zielgruppe zu beschreiben, zumal der Begriff „Mauerblümchen“ eher negativ besetzt ist und sich kaum jemand dadurch angesprochen fühlen wird (vgl.  BPatG 26 W (pat) 41/17 – Sportsfreund zu der Marke „Kleiner Feigling“; 29 W (pat) 536/15 – P’TIT FILOU).
21
3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des angemeldeten Zeichens als Marke für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht entgegen.

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