Aktenzeichen 26 W (pat) 568/19
Tenor
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2019 106 347.3
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 30. März 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. August 2019 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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Eisblock
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ist am 15. Mai 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 25: Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke;
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Klasse 33: Alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken; Alkoholische Mischgetränke, ausgenommen Biermischgetränke; Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier;
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Klasse 41: Unterhaltung; Sportliche und kulturelle Aktivitäten; Organisation von Veranstaltungen für kulturelle, Unterhaltungs- und sportliche Zwecke; Organisation von Partys; Organisation und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Durchführung von Sportveranstaltungen; Durchführung von kulturellen Veranstaltungen; Betrieb von Diskotheken; Betrieb von Clubs zu Unterhaltungszwecken; Beratung in Bezug auf Planung von Special-Events; Beratung auf dem Gebiet der Partyplanung;
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Klasse 43: Zubereitung von Speisen und Getränken; Verpflegung von Gästen mit Speisen und Getränken; Servieren von Speisen und Getränken in Restaurants und Bars; Catering; Bereitstellung von Speisen und Getränken in Restaurants und Bars; Beherbergung von Gästen.
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Mit Beschluss vom 26. August 2019 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in Wörterbüchern aufgeführten Begriffen und allgemeinverständlichen Angaben wie dem Anmeldezeichen billigten die angesprochenen Verkehrskreise keine Unterscheidungskraft zu. Die beanspruchten Waren der Klasse 25 seien Merchandisingprodukte, auf die das Anmeldezeichen nur als Aufdruck aufgebracht werde. Laut Internet sei die Anmelderin im Bereich Vertrieb, Handel und Produktion der beanspruchten Waren der Klasse 33 tätig und erbringe nicht die Dienstleistungen der Klassen 41 und 43. Zudem seien die künstlerische Erstellung von Skulpturen aus Eisblöcken und die Zubereitung von Speisen und Getränken mit Hilfe von Eisblöcken bekannt.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, für die Annahme der Unterscheidungskraft sei es unschädlich, wenn das Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bloße Assoziationen wecke. Wörter, die im Duden enthalten seien, seien unterscheidungskräftig, solange sie wie das Anmeldezeichen keinen direkten Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellten. Ob es sich bei den in Klasse 25 beanspruchten Waren um Merchandisingartikel handele, spiele für die Frage der Schutzfähigkeit keine Rolle.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 26. August 2019 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
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1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf eine ungenügend zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen differenzierende Begründung gestützt worden ist.
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a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
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b) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
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c) Die Markenstelle hat nur pauschal behauptet, dass in Wörterbüchern aufgeführten Begriffen und allgemeinverständlichen Angaben wie dem Anmeldezeichen die nötige Unterscheidungskraft fehle. Sie hat nicht einmal den Wortsinn des Anmeldezeichens definiert. Auch eine Begründung zu dessen Bedeutungsgehalt im Hinblick auf die zahlreichen Waren und Dienstleistungen des angemeldeten Verzeichnisses fehlt nahezu vollständig. Lediglich zu einer einzigen in Klasse 43 beanspruchten Dienstleistung hat die Markenstelle Ausführungen gemacht und schlicht behauptet, die Zubereitung von Speisen und Getränken erfolge mit Hilfe von Eisblöcken, ohne dies näher zu erläutern oder zu belegen. Der Umstand, dass die Anmelderin nach ihren eigenen Angaben die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41 und 43 nicht erbringe, ist für die Beurteilung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Wortzeichens unbeachtlich.
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Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensgegenständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
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e) Da eine inhaltliche Auseinandersetzung der Markenstelle mit dem angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht erkennbar ist, sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende differenzierte Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen, der eine zeitnahe Behandlung des vorliegenden, erst im Jahr 2019 anhängig gewordenen Verfahrens nicht zulässt.
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Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob und gegebenenfalls für welche konkreten Waren und Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist.
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2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.