Aktenzeichen 29 W (pat) 4/20
Tenor
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die Marke
30 2014 011 829
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. April 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Lachenmayr-Nikolaou und Seyfarth
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2017 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 004 424 198 in Bezug auf die Waren der Klasse 25 „Hemden“ und die Dienstleistungen der Klasse 35 „Versandhandelsdienstleistungen mit Bekleidungsaccessoires“ zurückgewiesen worden ist.
Die Eintragung der Marke 30 2014 011 829 ist auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 004 424 198 in diesem Umfang zu löschen.
2. Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die am 13. Januar 2014 angemeldete Wort-/Bildmarke
2
ist am 21. Februar 2014 für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:
3
Klasse 24: Stoffetiketten;
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Klasse 25: Hemden;
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Klasse 35: Versandhandelsdienstleistungen mit Bekleidungsaccessoires.
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Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 28. März 2014.
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Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin aus ihrer am 25. August 2006 eingetragenen Unionswortmarke
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BELMONDO
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zunächst vollumfänglich Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für die nachfolgend genannten Waren:
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Klasse 03: Pflegemittel für Schuhe und Lederbekleidung, soweit in Klasse 3 enthalten;
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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Handtaschen, Reise- und Handkoffer, Regenschirme;
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Klasse 25: Schuhe und Stiefel; Bekleidungsstücke und Strumpfwaren, Kopfbedeckungen.
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Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. September 2019 ihren Widerspruch beschränkt auf die Waren der Klasse 25 und die Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke. Soweit sich der Widerspruch zunächst auch gegen die Waren der Klasse 24 der angegriffenen Marke gerichtet hat, wurde dieser ausdrücklich zurückgenommen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner hat mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 bestritten, dass die Beschwerdeführerin die Widerspruchsmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke für die Waren „Bekleidungsstücke” benutzt habe.
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Mit Beschluss vom 6. März 2017 hat die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA den Widerspruch aus der Unionsmarke 004 424 198 zurückgewiesen.
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Zur Begründung führt die Markenstelle aus, dass es an einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr fehle. Zwar habe die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Waren „Bekleidungsstücke und Strumpfwaren, Kopfbedeckungen“ glaubhaft gemacht. Auch seien die Waren der angegriffenen Marke der Klasse 25 „Hemden“ mit den Waren der Widerspruchsmarke der Klasse 25 „Schuhe und Stiefel; Bekleidungsstücke und Strumpfwaren, Kopfbedeckungen“ hochgradig ähnlich und die Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke aus dem Bereich der Versandhandelsdienstleistungen mit den einschlägigen Waren der Widerspruchsmarke zumindest mittelgradig ähnlich. Die angegriffene Marke halte aber den selbst aufgrund identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen überdurchschnittlichen Abstand ein. In visueller Hinsicht erwecke die angegriffene Wort-/Bildmarke aufgrund ihrer zweizeiligen Gestaltung und der markanten graphischen Ausgestaltung mittels des einen Großteil beider Worte umspannenden Bogens einen flächigen und prägnanten Eindruck, während die Widerspruchsmarke eine schlichte einzeilige Wortmarke sei. Zudem würden sich beide Marken in ihren Wortelementen sehr deutlich unterscheiden. Auch im klanglichen Eindruck seien die Marken nur entfernt ähnlich. Die angegriffene Marke werde insoweit durch den Wortbestandteil „Bell & Mondo“ geprägt. Die unbefangene Artikulation dieser Wortkombination wäre daher „Bell und Mondo“ bzw. – im Hinblick auf die auch mögliche englische Anmutung des Wortes „Bell“ – auch „Bell and Mondo“. Die Vergleichszeichen würden sich daher in der Anzahl der Worte (drei gegenüber einem) und der Silben (vier gegenüber einer) und in der Vokalfolge („e-u-o-o“ gegenüber „e-o-o“) sowie in ihrer Anmutung unterscheiden. Letztere sei bei „Belmondo“ mit der Bedeutung „schöne Welt“ italienisch, während die angegriffene Marke „Bell & Mondo“ aufgrund der Kombination zweier Worte mit einem kaufmännischen „und“- Zeichen eher als Zusammenfügung zweier Einzelworte erscheine, die wie eine Kombination zweier Namen (entsprechend „Dolce & Gabbana“) oder wie eine Themenangabe (wie z.B. „Jagd & Hund“) wirke, nicht aber wie ein einheitliches Wort. Es bestehe auch keine überwiegende Übung auf dem Bekleidungssektor, die zahlreichen Marken, die aus zwei mittels kaufmännischen „und“-Zeichens verbundenen Namen bestehen, unter Weglassung des „und“-Zeichens einheitlich zu artikulieren. Vielmehr würden derartige Marken wie beispielsweise „Jack & Jones“, „fire & Ice“, „more & more“, „Baci & Abbraci“, „C & A“, „H&M“ immer mit diesem kaufmännischen „und“-Zeichen artikuliert.
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Schließlich sei im Modebereich für die Bewertung einer verwechslungsrelevanten Markenähnlichkeit primär auf die visuelle Zeichenähnlichkeit abzustellen, da diese hier im Vordergrund stehe. Demgegenüber habe die Bedeutung der klanglichen Wahrnehmung, die beispielsweise bei Käufen bzw. Produktsuchen auf mündliche Empfehlung bzw. telefonische Nachfragen im Vordergrund stehe, deutlich nachgelassen. Es wäre nicht sachgerecht, aufgrund einer möglicherweise höheren klanglichen Ähnlichkeit in einem Markt mit in quantitativer Hinsicht überwiegend visueller Wahrnehmung aufgrund einer lediglich klanglichen Markenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr anzunehmen, die nur selten zum Tragen käme.
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Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
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Zur Begründung trägt die Beschwerdeführerin vor, die Markenstelle habe sich nicht ausreichend mit den von der jüngeren Marke in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen auseinandergesetzt. Die im Beschluss enthaltenen Ausführungen zur Zeichenähnlichkeit und zu den Besonderheiten in der Modebranche beträfen lediglich Modeartikel, also Waren, nicht jedoch die ebenfalls relevanten Dienstleistungen. Da sich der Beschluss somit nicht mit allen wesentlichen Aspekten des Widerspruchs befasst habe, weise er erhebliche Mängel auf, aus denen eine Versagung des rechtlichen Gehörs resultiere.
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Zudem sei der Beschluss auch im Ergebnis falsch. Den vor dem Hintergrund teilweise identischer, im Übrigen nicht unerheblich ähnlicher Waren und Dienstleistungen und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen erheblichen Zeichenabstand halte die jüngere Marke nicht ein. Es sei bereits eine visuelle Verwechslungsgefahr zu bejahen. Der Verkehr werde auch bei der visuellen Wahrnehmung die jüngere Marke „in den Wortbestandteilen erkennen“. Dabei werde jedenfalls ein beachtlicher Teil des Verkehrs das kleine, unscheinbar angeordnete „&”-Zeichen übersehen und in der Marke lediglich die Worte „Bell Mondo” erkennen. Diese seien in visueller Hinsicht ähnlich zu dem mit der Widerspruchmarke geschützten Markenwort „Belmondo”. Selbst für den Fall, dass der Verkehr das „&”-Zeichen in der visuellen Darstellung erkenne, sei dieses derart zurückhaltend dargestellt und trete derart hinter die Wortbestandteile zurück, dass weiterhin auch in visueller Hinsicht eine klare Nähe zwischen den Vergleichszeichen bestehe. Daneben sei eine klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen. Der Aspekt der klanglichen Ähnlichkeit könne auch in der Modebranche nicht vernachlässigt werden. So spiele beispielsweise die Rundfunkwerbung im Radio, bei der naturgemäß die Wiedergabe von Marken nur gesprochen erfolge, weiterhin auch in dieser Branche eine Rolle. Auch bei der gesprochenen Wiedergabe werde ein entscheidungsrelevanter Teil des Verkehrs das „&”-Zeichen, das in der jüngeren Marke vergleichsweise klein und unauffällig platziert sei, nicht erkennen und daher nicht mitsprechen. Dann aber sei von einer identischen klanglichen Wiedergabe der Wortfolge „Bell-Mondo” der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke „Belmondo” auszugehen. Schließlich bestehe eine deutliche konzeptionelle Ähnlichkeit der Zeichen, die von einem nicht unerheblichen Teil des Verkehrs beide im Sinne von „schöne Welt“ verstanden würden.
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Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt zuletzt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. März 2017 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 004 424 198 für die Waren der Klasse 25 „Hemden“ und die Dienstleistungen der Klasse 35 „Versandhandelsdienstleistungen mit Bekleidungsaccessoires“ zurückgewiesen worden ist, und die Eintragung der Marke 30 2014 011 829 auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 004 424 198 in diesem Umfang zu löschen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke und Beschwerdegegner beantragt zuletzt sinngemäß,
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die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Im Beschwerdeverfahren hat er sich nicht zur Sache geäußert, sondern lediglich auf die Ausführungen der Markenstelle im angegriffenen Beschluss Bezug genommen. Im Verfahren vor dem DPMA hat er die Ansicht vertreten, dass eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Anders als die Widerspruchsmarke bestehe die angegriffene Marke aus zwei Worten „Bell” und „Mondo”, die durch das Zeichen „&” verbunden seien. Auch die graphische Gestaltung über zwei Zeilen und mit jeweils einem Großbuchstaben zu Beginn des Wortes verdeutliche die Trennung der beiden Worte. Die beiden Worte „Bell” und „Mondo” seien an die beiden Gründer des Unternehmens B.… GmbH, nämlich Herrn B… und Herrn R…, angelehnt. Da die angegriffene Marke „Bell und Mondo“ gesprochen werde, liege gerade keine klangliche Identität zur Widerspruchsmarke vor. Die angegriffene Marke werde auch nicht durch ihren Textteil geprägt, sondern erlange Unterscheidungskraft durch ihre graphische Gestaltung. Im Übrigen seien die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, den am 28. August 2019 an die Beteiligten versandten Hinweis des zu diesem Zeitpunkt zuständigen 27. Senats, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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I. Die zulässige, insbesondere nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht im zuletzt noch beschwerdegegenständlichen Umfang Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 125 b Nr. 1 MarkenG, so dass der Beschluss
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des DPMA aufzuheben und gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren der Klassen 25 und Dienstleistungen der Klasse 35 anzuordnen waren.
29
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG n. F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG a. F., im Folgenden nur MarkenG) anzuwenden. In Bezug auf die erhobene Nichtbenutzungseinrede sind gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG n. F. die Vorschriften des § 43 Abs. 1 und § 26 MarkenG ebenfalls in ihrer bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.
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Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundes-gerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z.B. EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER/HABM; BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2019, 173 Rn. 17 –combit/Commit; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2017, 914 Rn. 13 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2016, 283 Rn. 7, BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 41 ff m. w. N.).
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Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, 125 b Nr. 1 MarkenG anzunehmen.
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1. Der Beschwerdegegner hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.
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a) Die Erhebung der Einrede beschränkt sich ausdrücklich auf die Ware „Bekleidungsstücke“ (vgl. Schriftsatz vom 15.12.2014, VA). Die rechtserhaltende Benutzung der älteren Marke ist somit hinsichtlich der Waren der Klassen 3 und 18 sowie hinsichtlich der weiteren Waren der Klasse 25 „Schuhe und Stiefel; Kopfbedeckungen“ unbestritten. Die in Klasse 25 zugunsten der Widerspruchsmarke geschützten „Strumpfwaren“ fallen unter den Oberbegriff „Bekleidungsstücke“ und werden somit von der Nichtbenutzungseinrede ebenfalls erfasst. Demgegenüber fallen die weiteren Waren „Schuhe und Stiefel; Kopfbedeckungen“ nicht unter diesen Oberbegriff, wie sich insbesondere aus den Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation ergibt. Dem Waren- und Dienstleistungsvergleich können dementsprechend auf Seiten der Widerspruchsmarke unabhängig von einer Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung die Waren der Klassen 3 und 18 sowie die Waren „Schuhe und Stiefel; Kopfbedeckungen“ der Klasse 25 zugrunde gelegt werden.
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b) Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke wurde hinsichtlich diverser unter den Oberbegriff „Bekleidungsstücke“ fallender Waren glaubhaft gemacht gem. §§ 125 b Nr. 4 MarkenG, 43 Abs. 1 MarkenG, Art. 18 UMV.
35
aa) Neben der ausdrücklichen Beschränkung der Einrede der mangelnden Benutzung auf „Bekleidungsstücke“ ist eine solche auch hinsichtlich des Zeitraums von fünf Jahren vor Veröffentlichung der angegriffenen Marke gem. § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG erklärt worden (vgl. Schriftsatz vom 15.12.2014, VA). Die Veröffentlichung der jüngeren Marke erfolgte am 28. März 2014. Zu diesem Zeitpunkt war die Widerspruchsmarke, die am 25. August 2006 eingetragen wurde, bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen. Gem. § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG oblag es der Beschwerdeführerin daher, die rechtserhaltende Benutzung für den Zeitraum vom 28. März 2009 bis zum 28. März 2014 glaubhaft zu machen.
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bb) Bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine Unionsmarke. Gem. § 125 b Nr. 4 MarkenG ist für den Fall, dass ein Widerspruch auf eine ältere Unionsmarke gestützt wird, § 43 Abs. 1 MarkenG mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke mit älterem Zeitrang nach Art. 18 der UMV [VO (EU) 2017/1001] tritt. Nach dieser Vorschrift muss eine rechtserhaltende Benutzung „in der Union“ glaubhaft gemacht werden, wobei eine Gesamtschau sämtlicher relevanter Tatsachen und Umstände erforderlich ist, bei der die Grenzen der Mitgliedstaaten außer Betracht zu bleiben haben (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 55 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]).
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Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]; GRUR 2006, 582 Rn. 70 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2008, 719 Rn. 27 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Hiervon ist auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH a. a. O. – [ONELOMEL]; GRUR 2008, 343 Rn. 74 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Es ist Sache der Widersprechenden, diese Umstände konkret vorzutragen und glaubhaft zu machen. Die gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG erforderliche Glaubhaftmachung der Benutzung im Sinne von § 294 ZPO muss dabei – anders als der Vollbeweis – nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts führen. Vielmehr genügt es, wenn sich aus den vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der rechtserhaltenden Benutzung ergibt, welche die Möglichkeit des Gegenteils nicht ausschließen muss (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 54). Als Mittel zur Glaubhaftmachung kommen gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle (präsenten) Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung in Betracht. Dabei können auch Unterlagen wie beispielsweise Prospekte, Rechnungen (Rechnungskopien), Preislisten, Veröffentlichungen etc. als Glaubhaftmachungsmittel geeignet sein und insbesondere der Erläuterung, Ergänzung und Verdeutlichung einer eidesstattlichen Versicherung dienen (Ströbele in: Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 76).
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cc) Nach diesen Grundsätzen hat die Beschwerdeführerin ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die B… Vertriebsgesellschaft als Lizenznehmerin der Beschwerdeführerin die Bezeichnung „Belmondo“ im maßgeblichen Benutzungszeitraum März 2009 bis März 2014 in Europa, insbesondere in Deutschland, für diverse Bekleidungsstücke, insbesondere für Ponchos, Tücher und Schals, rechtserhaltend benutzt hat.
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(1) Aus den eidesstattlichen Versicherungen der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin C… M… und S… T… jeweils vom 12. Mai 2015 sowie der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der B… Vertriebsgesellschaft mbH C… G… ebenfalls vom 12. Mai 2015 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin der B… Vertriebsgesellschaft mbH für den maßgeblichen Benutzungszeitraum eine Lizenz zur Nutzung der Widerspruchsmarke eingeräumt hatte. Die Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Vertriebsgesellschaft mit Zustimmung der Beschwerdeführerin als Inhaberin dieser Marke gilt gem. Art. 18 Abs. 2 UMV als Benutzung durch die Widersprechende selbst.
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(2) Die Beschwerdeführerin hat die Verwendung der Widerspruchsmarke durch die B… Vertriebsgesellschaft mbH u. a. für Ponchos, Tücher und Schals glaubhaft gemacht. Dies folgt ebenfalls aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der B… Vertriebsgesellschaft mbH C… G… vom 12. Mai 2015. In dieser ist unter Bezugnahme auf in die eidesstattliche Versicherung eingebundenes Bildmaterial konkret dargelegt, dass diese Waren mit der Bezeichnung „Belmondo“ gekennzeichnet waren, die auf angehängten und/oder eingenähten Etiketten oder auf Buttons angebracht war. Die Beschwerdeführerin hat somit die Form der Benutzung glaubhaft gemacht. Es handelt sich um eine funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke für die vorgenannten Waren.
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(3) Die glaubhaft gemachten Verwendungen stellen eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke im relevanten Benutzungszeitraum sowie im maßgeblichen Benutzungsgebiet dar. Die eidesstattliche Versicherung von C… G… enthält Umsatzzahlen für die Waren Ponchos, Tücher und Schals für die Jahre 2009 bis 2014. So wird beispielsweise für die Jahre 2010 bis 2013 der Verkauf von … mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Tüchern (Tücher und Schaltücher), von … mit der älteren Marke funktionsgemäß bezeichneten Schals (Strickschals, Webschals und Strickloopschals) sowie von … derart gekennzeichneten Ponchos in der Europäischen Union glaubhaft gemacht. Hierbei handelt es sich zwar um relativ geringe Stückzahlen, zumal es um den Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung im Unionsgebiet geht. Das Kriterium der Ernsthaftigkeit der Benutzung dient jedoch in erster Linie der Abgrenzung von einer Scheinbenutzung, die lediglich das Ziel hat, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26 Rn. 13, Rn. 102). Ob eine ernsthafte Benutzung in der Union vorliegt, ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]). Vorliegend ist neben der reinen Stückzahl der vorgenannten Waren zu berücksichtigen, dass diese relativ kontinuierlich über den vorgenannten Zeitraum 2010 bis 2013 vertrieben wurden. Darüber hinaus ist relevant, dass die Widerspruchsmarke unstreitig für Schuhe und Kopfbedeckungen rechtserhaltend in der Union benutzt wurde. Dies kommt auch in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der B… Vertriebsgesellschaft mbH zum Ausdruck. Die Tatsache, dass die Widerspruchsmarke überwiegend für Schuhe und Kopfbedeckungen genutzt wurde, spricht dafür, dass auch der Vertrieb von Bekleidungsstücken wie Schals und Tüchern in eher geringer Stückzahl wirtschaftlich sinnvoll ist.
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Die Ernsthaftigkeit der Benutzung in der Union kann zudem vorliegend angenommen werden, obwohl in den eidesstattlichen Versicherungen genauere Angaben zum Benutzungsgebiet fehlen bzw. die Angaben nicht klar verständlich sind, wenn dort angegeben wird, die genannten Stückzahlen seien „in Europa aus Deutschland“ verkauft worden. Grundsätzlich sind Angaben zum Benutzungsgebiet notwendig, um unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilen zu können, ob eine ernsthafte Benutzung in der Union angenommen werden kann. Allerdings ergibt sich aus den weiteren Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der B… Vertriebsgesellschaft mbH und den dieser eidesstattlichen Versicherung beigefügten Unterlagen, dass Schals, Tücher und Ponchos unter der Bezeichnung „Belmondo“ in deutschsprachigen Broschüren beworben wurden, die im relevanten Benutzungszeitraum in einer Auflagenstärke von … bis … Stück erschienen sind und in nicht unerheblichem Umfang an Kunden und auch an die Presse verteilt und auf Messen verwendet wurden. Ebenso ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung, dass derartige mit der Marke „Belmondo“ gekennzeichnete Produkte im relevanten Benutzungszeitraum in diversen deutschsprachigen und jedenfalls deutschlandweit erhältlichen Frauen- und Modemagazinen beworben wurden (z.B. „Schöne Woche”, „Instyle“, „Für Sie“, „Maxi“, „GALAstyle“), zudem belegen exemplarisch vorgelegte Rechnungen auch Verkäufe in Deutschland. Hieraus ergibt sich eine Benutzung der Widerspruchsmarke für die relevanten Waren jedenfalls in Deutschland. Selbst wenn sich die in der eidesstattlichen Versicherung genannten Umsatzzahlen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränken sollten, so steht dies der Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung in der Union nicht entgegen, da eine Benutzung nicht notwendigerweise in einem größeren räumlichen Gebiet als dem Gebiet eines Mitgliedstaats erfolgen muss, um als ernsthaft qualifiziert zu werden (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 54 – Leno Merken [ONEL/OMEL]).
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Im Hinblick auf die genannten Umsatzzahlen, die Kontinuität der Benutzung und die Einbettung der Benutzungshandlungen in die weitere Nutzung der Widerspruchsmarke für die Waren Schuhe und Kopfbedeckungen ist insgesamt von einer ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke im Unionsgebiet für die unter den Oberbegriff „Bekleidung“ fallenden Waren Schals, Tücher und Ponchos auszugehen.
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2. Unter Berücksichtigung der Waren „Schals, Tücher, Ponchos“, für die die rechtserhaltende Benutzung nachgewiesen wurde, sowie der Waren der Klasse 25 „Schuhe und Stiefel; Kopfbedeckungen“, für die die Benutzung nicht bestritten wurde, können sich die Vergleichszeichen im Zusammenhang mit durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.
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Eine Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese bei Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – was zu unterstellen ist – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. EuGH GRUR 2006, 582 Rn. 85 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2014, 378 Rn. 38 – OTTO CAP; GRUR 2008, 719 Rn. 29 – idw Informationsdienst Wissenschaft).Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2018, 79 Rn. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2014, 378 Rn. 38 – OTTO CAP; GRUR 2008, 719 Rn. 29 – idw Informationsdienst Wissenschaft).
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Nach diesen Grundsätzen können sich die Vergleichszeichen im Zusammenhang mit durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.
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Die Waren der Klasse 25 „Hemden“, für die die jüngere Marke Schutz genießt, sind hochgradig ähnlich zu den Waren „Kopfbedeckungen, Schals, Tücher, Ponchos“ der älteren Marke. In der Modebranche werden regelmäßig von denselben Herstellern die verschiedensten Bekleidungsstücke wie Oberbekleidung, Kopfbedeckungen und Schals hergestellt, oftmals auch farblich etc. aufeinander abgestimmt.
48
Zwischen den Dienstleistungen der Klasse 35 „Versandhandelsdienstleistungen mit Bekleidungsaccessoires“ der angegriffenen Marke und den auf Seiten der älteren Marke zu berücksichtigenden Waren der Klasse 25 ist eine durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen.
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Für die Bejahung einer Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren reicht es aus, dass sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP). Die Tatsache, dass Handelsmarken, also Warenmarken in der Hand von Handelsunternehmen, seit Jahren „auf dem Vormarsch“ sind, führt zu einer Gewöhnung des Verkehrs an ein Nebeneinander von Hersteller-, Handels- und Handelsdienstleistungsmarken und zu der Annahme, dass das Handelsunternehmen häufig nicht nur die Verantwortung für die Einzelhandelsdienstleistungen, sondern auch eine Produktverantwortung übernimmt; vor diesem Hintergrund kann zwischen den Waren und den Einzelhandelsdienstleistungen, die identische Waren zum Gegenstand haben, je nach Handelssektor und Zuschnitt eine (geringe bis mittlere) Ähnlichkeit angenommen werden (Büscher /Dittmer /Schiwy: Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage 2014, § 14 MarkenG, Rn. 234). Dies gilt jedenfalls dann, wenn große Handelshäuser in dem betreffenden Warensektor neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP; zur Kritik an diesem Kriterium vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O. § 9 Rn. 130: besondere branchenbezogene Anhaltspunkte für die Annahme eines Ähnlichkeitsverhältnisses notwendig). Für den vorliegend relevanten Warensektor der Bekleidung, in dem große Handelshäuser häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten, ist eine Ähnlichkeit zwischen den Waren und den auf diese bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen daher zu bejahen (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O. § 9 Rn. 130).
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Da die auf Seiten der Widerspruchsmarke dem Vergleich zugrunde zu legenden Waren wie „Tücher“ unter den Begriff der „Bekleidungsaccessoires“ gefasst werden können, beziehen sich die von der jüngeren Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 „Versandhandelsdienstleistungen mit Bekleidungsaccessoires“ somit auf diese Waren, für die die ältere Marke Schutz genießt. Vor dem Hintergrund der dargelegten Vertriebsmodalitäten in der Bekleidungsbranche ist vorliegend von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit zwischen diesen Waren und Dienstleistungen auszugehen.
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3. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
52
Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET / ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rn. 29 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. BGH GRUR 2016, 283 Rn. 10 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2012, 64 Rn. 12 – Maalox/Melox-GRY).
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Auch wenn die angesprochenen Verkehrskreise in der Widerspruchsmarke „BELMONDO“ die italienische Wortfolge „bel mondo“ erkennen und der älteren Marke daher die Aussage „schöne Welt“ entnehmen sollten, so ist dieser Bedeutungsgehalt für die hier relevanten Waren der Klasse 25 nicht unmittelbar beschreibend. Ein möglicher beschreibender Anklang dahingehend, dass diese Waren schön seien bzw. zu einer „schönen Welt“ beitragen sollten, ist derart unspezifisch, dass er nicht zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft führt. Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch Benutzung wurde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
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4. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die jüngere Marke ausgehend von durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlichen Waren und Dienstleistungen, durchschnittlicher bis etwas erhöhter Aufmerksamkeit der Verkehrskreise und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den gebotenen Abstand nicht ein.
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Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen kann, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (BGH GRUR 2017, 914 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2015, 1114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 – IPS/ISP; GRUR 2014, 382 Rn. 25 – REAL-Chips; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 268 f. m. w. N.). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 34 – KNEIPP; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 248 m. w. N.).Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 41 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; GRUR 2005, 1042 Rn. 29 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2014, 382 Rn. 14 – REAL-Chips; GRUR 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/Melox-GRY).
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Vorliegend ist eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen.
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Angesprochene Verkehrskreise der relevanten Vergleichswaren und -dienstleistungen sind die allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere der Handel sowie der durchschnittlich informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeit beim Erwerb der relevanten Waren der Klasse 25 durchschnittlich bzw. bei höherwertigen und teureren Produkten etwas erhöht ist.
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Der Gesamteindruck der angegriffenen Wort-/Bildmarke wird in phonetischer Hinsicht durch seinen Wortbestandteil geprägt. Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil – sofern er kennzeichnungskräftig ist – den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP). Für den klanglichen Zeichenvergleich ist maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Dabei kann die klangliche Wiedergabe auch durch die graphische Gestaltung der Marke beeinflusst werden. Ausnahmsweise kann – entgegen dem Erfahrungssatz „Wort vor Bild“ – dem Bild auch bei der mündlichen Benennung der Marke der Vorrang einzuräumen sein, wenn die graphische Ausgestaltung durch ihren Umfang und ihre kennzeichnende Wirkung die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum mehr beachtet wird (vgl. BPatG, 29 W (pat) 517/15 – elAMARA/Esmara m. w. N.). Von einer derartigen Ausnahme kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da sich die graphische Ausgestaltung in der Verwendung einer besonderen Schriftart in zwei verschiedenen Graustufen, einer zweizeiligen Anordnung und einem vom Anfangsbuchstaben „M“ bis zum Buchstaben „d“ gespannten Bogen erschöpft. Die graphischen Elemente beschränken sich damit auf die reine Ausgestaltung und Verzierung der Wortfolge „Bell & Mondo“ und stellen kein eigenständiges bildliches Element dar, das einer sinnvollen sprachlichen Benennung zugänglich ist. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die angegriffene Marke dementsprechend mit ihrem Wortbestandteil benennen.
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Dieser Wortbestandteil lautet „Bell & Mondo“, wobei das kaufmännische „&“- Zeichen aufgrund seiner im Vergleich zu den beiden Wortbestandteilen kleineren und graphisch schwächeren Gestaltung mittels einer nur dünnen Linie in den Hintergrund tritt. Daher ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise dieses „&“-Zeichen übersehen und bei der klanglichen Wiedergabe vernachlässigen. Hierfür spricht auch, dass die Wiedergabe der Worte „Bell Mondo“ klanglich identisch mit dem Namen „Belmondo“ ist, der den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen beispielsweise im Hinblick auf den auch im Inland bekannten französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo geläufig ist. Die Anordnung der Bestandteile „Bell“ und „Mondo“ über zwei Zeilen ist nicht ungewöhnlich, sondern werbeüblich (vgl. beispielsweise die in einem absoluten Verfahren ergangene Entscheidung BGH GRUR 2014, 376 Rn. 18 – grill meister), und steht der Annahme, dass die angegriffene Marke unmittelbar im Sinne eines Namens „Bellmondo“ erfasst und in einem Wort ausgesprochen wird, nicht entgegen. Auch die Argumentation der Markenstelle dahingehend, dass im Bekleidungssektor derartige aus zwei mittels kaufmännischen „und“-Zeichens verbundenen Namen bestehenden Marken wie beispielsweise „Jack & Jones“, „fire & Ice“, „more & more“, „Baci & Abbraci“, „C & A“, „H&M“ regelmäßig mit dem kaufmännischen „und“-Zeichen und nicht nur mittels der verbundenen Worte artikuliert würden, führt nicht zu einer anderen Bewertung der klanglichen Wiedergabe der jüngeren Marke. Anders als die aufgeführten Beispiele, insbesondere die aus zwei Einzelbuchstaben bestehenden Marken wie „C&A“ und „H&M“, lassen sich die Bestandteile „Bell“ und „Mondo“ der jüngeren Marke zwanglos als einheitliche Bezeichnung „Bellmondo“ aussprechen.
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Selbst wenn neben der Aussprache der jüngeren Marke als „Bell Mondo“ bzw. „Bellmondo“ auch die Wiedergabe als „Bell und Mondo“ als naheliegend anzusehen wäre, so wäre die klangliche Wiedergabe der jüngeren Marke ohne das kaufmännische „&“-Zeichen als eine der naheliegenden Aussprachemöglichkeiten in jedem Fall beim Zeichenvergleich in phonetischer Hinsicht zu berücksichtigen. Bei der Ähnlichkeitsprüfung von Marken in klanglicher Hinsicht sind sämtliche dem Sprachgefühl entsprechenden und wahrscheinlichen Möglichkeiten der Aussprache und Betonung zu beachten (vgl. BPatG, Beschluss vom 09.10.2017, 29 W (pat) 517/15 – elAMARA/Esmara; Beschluss vom 04.12.2015, 24 W (pat) 47/14 – NYX/NUXE; Beschluss vom 21.10.2015, 29 W (pat) 31/13 – CARSI/CARS; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 294 f.).
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Im Rahmen des klanglichen Zeichenvergleichs ist somit der älteren Marke „Belmondo“ der als „Bell Mondo“ bzw. „Bellmondo“ ausgesprochene Wortbestandteil der jüngeren Marke gegenüberzustellen. Die Vergleichszeichen sind daher in klanglicher Hinsicht hochgradig ähnlich – sofern man von einer Aussprache der jüngeren Marke in zwei Worten ausgeht – bis identisch, falls die jüngere Marke als „Bellmondo“ ausgesprochen wird; denn die Verdoppelung des Buchstabens „l“ fällt phonetisch nicht ins Gewicht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch die Widerspruchsmarke „Belmondo“ mit einem kurzen „e“ gesprochen wird.
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Der Annahme einer klanglichen Verwechslungsgefahr stehen insbesondere nicht begriffliche Unterschiede der Vergleichszeichen entgegen, die ausnahmsweise vorhandene klangliche Ähnlichkeiten neutralisieren können (vgl.EuGH GRUR 2006, 413 Rn. 35 – Muelhens GmbH & Co. KG/HABM [ZIRH/SIR]; BGH GRUR 2019, 173 Rn. 23 – combit/Commit m. w. N.; GRUR 2017, 914 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke). Ebenso wenig scheidet eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Argumentation der Markenstelle aus, dass im Modebereich für die Bewertung einer verwechslungsrelevanten Markenähnlichkeit primär auf die visuelle Zeichenähnlichkeit abzustellen sei, da in diesem Bereich die visuelle Wahrnehmung im Vordergrund stehe.
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Zwar soll nach der Rechtsprechung des EuG allein die klangliche Ähnlichkeit für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichen, wenn die Vergleichsmarken vom angesprochenen Verkehr nicht nur phonetisch, sondern vor allem auch visuell wahrgenommen und überwiegend auf Sicht gekauft werden (vgl. Nachweise bei Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 9 Rn. 273). Demgegenüber wird aber zum einen von der deutschen Rechtsprechung praktisch einhellig die Auffassung vertreten, dass die Feststellung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr in einer der drei Wahrnehmungsrichtungen (klanglich, (schrift-)bildlich, begrifflich) ausreicht (vgl. BGH GRUR 2017, 914 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 37 – BioGourmet; GRUR 2015, 1114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2014, 382 Rn. 25 – REAL-Chips; GRUR 1999, 241, 243 – Lions; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 268 m. w. N.).
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Zum anderen gilt auch bei dem in der Bekleidungsbranche häufig getätigten „Kauf auf Sicht“, dass mündliche Nachfragen im Bekleidungsgeschäft oder Empfehlungen von Bekannten relevant sein können, wie auch sonst einem „Kauf auf Sicht“ telefonische Bestellungen sowie Gespräche unter Verbrauchern vorausgehen können (BGH GRUR 2008, 719 Rn. 36,55 – idw Informationsdienst der Wissenschaft; GRUR 2005, 326, 327 – il Padrone/Il Portone; GRUR 1999, 241, 244 – Lions; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 274). Zudem ist auch im Zeitalter des Internets akustische Werbung beispielsweise im Radio weiterhin relevant. Auch bei Sucheingaben im Internet ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig eine Google-Suche unter Eingabe des Markennamens bzw. des Wortbestandteils einer Marke tätigen und keine Bildersuche. Bereits aus diesen Gründen kommt eine Neutralisierung der klanglichen Verwechslungsgefahr durch die graphische Ausgestaltung der angegriffenen Marke im vorliegend relevanten Waren- und Dienstleistungszusammenhang nicht in Betracht.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die graphische Gestaltung der jüngeren Marke auf eine bloße Ausgestaltung des Wortbestandteils beschränkt und die angegriffene Marke kein auffälliges eigenständiges Bildelement enthält. Vor diesem Hintergrund ist aufgrund der sehr hohen phonetischen Ähnlichkeit der Vergleichszeichen und unter Berücksichtigung durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlicher Waren und Dienstleistungen sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr unter klanglichen Gesichtspunkten zu bejahen.
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II. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen wurden noch sonst ersichtlich sind. Der Antrag des unterlegenen Beschwerdegegners, der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, war daher zurückzuweisen.
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III. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er eine solche nicht für geboten hielt (§ 69 Nr. 3 MarkenG) und lediglich die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hilfsweise für den Fall beantragt hatte, dass ihrem im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Antrag nicht im schriftlichen Verfahren stattgegeben werden könne.