Aktenzeichen 28 W (pat) 513/18
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 001 059.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. Februar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Dr. Söchtig und des Richters Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Zeichen
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ist am 15. Januar 2016 zur Eintragung als dreidimensionale Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die nachfolgenden Waren der Klasse 7 angemeldet worden:
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Maschinen für die Kunststoffindustrie; Filtermaschinen; Filter für Maschinen für die Kunststoffindustrie.
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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, hat mit Beanstandungsbescheid vom 9. März 2016 die Anmelderin gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 MarkenV in der vor dem 24. Juni 2016 geltenden Fassung gebeten, bis zu sechs verschiedene Ansichten der Marke auf einem Blatt Papier entsprechend den Vorgaben des § 8 Abs. 3 MarkenV in der vor dem 24. Juni 2016 geltenden Fassung einzureichen. Darüber hinaus hat das Amt dargelegt, dass dem Anmeldezeichen die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle und an ihm ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe.
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Auf vorstehenden Beanstandungsbescheid hin hat die Anmelderin zur Frage der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens sowie zu dessen Verkehrsdurchsetzung weiter vorgetragen und die Durchführung einer Verkehrsbefragung beantragt.
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Mit weiterem Beanstandungsbescheid vom 9. März 2017 hat die Markenstelle ausgeführt, der Eintragung des Anmeldezeichens stehe das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung entgegen, da dessen Form lediglich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei. Zur Begründung hat das Deutsche Patent- und Markenamt unter anderem auf die Offenlegungsschrift DE 103 58 672 A1 zu einer Patentanmeldung der Anmelderin verwiesen, die einen „Schmelzfilter für die Reinigung von Kunststoffschmelzen“ zum Gegenstand hat. Dieses Schutzhindernis könne nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden.
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Die Anmelderin ist dieser neuerlichen Beanstandung mit Schriftsatz vom 5. April 2017 entgegengetreten und hat ausgeführt, es sei zwar zutreffend, dass eine auf den ersten Blick dem Anmeldezeichen sehr ähnliche Siebscheibe in der vom Amt eingeführten Offenlegungsschrift zu finden sei. Es handele sich hierbei jedoch nur um ein Ausführungsbeispiel. Die konkrete Gestaltung sei jedoch weder technisch notwendig, noch werde sie von der zitierten Offenlegungsschrift vorausgesetzt. Die darin wiedergegebenen Aussparungen könnten ebenso trapezförmig ausgebildet sein. Zudem seien gleichschenklige als auch ungleichschenklige Trapeze möglich. Auch die Form des Zahnkranzes sei technisch nicht vorgegeben. Entsprechendes gelte für die Anzahl und Größe der Zähne. Die Form des Anmeldezeichens sei nicht technisch bedingt. Sie werde durch die besonders ungewöhnliche nierenförmige Gestaltung der Aussparungen geprägt. Gerade die ausschließlich aus ästhetischen Gründen gewählte Nierenform der Aussparungen habe das gegenständliche Zeichen so bekannt gemacht und dazu geführt, dass entsprechende Produkte ausschließlich mit dem Unternehmen der Anmelderin assoziiert würden. Darin bestehe das wesentliche herkunftshinweisende Merkmal dieser Gestaltung.
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Mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, die Anmeldung vollumfänglich zurückgewiesen, da der Eintragung des beanspruchten Zeichens das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung entgegenstehe. Dabei hat die Markenstelle im Rahmen ihrer Prüfung lediglich die erste der vier eingereichten Ansichten zugrunde gelegt. Sie führt aus, Gegenstand der Anmeldung sei eine naturgetreue zeichnerische Wiedergabe der Form einer Filterscheibe. Die den Gesamteindruck der angemeldeten Form im Wesentlichen bestimmenden Merkmale seien (1) die runde Form der Filterscheibe, welche am äußeren Ende mit einem Zahnkranz versehen sei, (2) die einzelnen nierenförmigen Siebscheiben, die durch Stege voneinander getrennt seien, und (3) die runde Öffnung in der Mitte der Filterscheibe. Jedem dieser wesentlichen Merkmale sei eine technische Funktion zuzuschreiben. So diene die zentrale Öffnung des Filterrades dazu, dieses über eine Zentralachse in eine rotierende Bewegung zu versetzen. Die runde Form der Filterscheibe sowie die am Filterrand abgebrachten Klinken seien für das kontinuierliche Weiterdrehen der Siebscheibe bestimmt. Das Siebelement sei dadurch gekennzeichnet, dass es einen nierenförmigen Umriss besitze, der sich mit dem Umriss der Kavität decke. Der Schutzausschließungsgrund gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung betreffe nicht nur das Bauteil „Filter für Maschinen für die Kunststoffindustrie“, sondern auch die dieses Bauteil enthaltenen Waren „Maschinen für die Kunststoffindustrie; Filtermaschinen“. Die genannten Grundsätze seien nämlich ebenfalls anzuwenden, wenn die Marke nicht die Ware als Ganzes, sondern nur einen Teil davon darstelle, da ansonsten über eine entsprechende Formulierung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses die Ausschlusswirkung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung umgangen werden könnte. Die gegenständliche Filterscheibe könne Teil der Waren „Maschinen für die Kunststoffindustrie; Filtermaschinen“ sein. Es könne deshalb offenbleiben, ob der Eintragung des Anmeldezeichens auch die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegenstehen. Zudem sei es nicht möglich, dass das Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werde.
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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 11. Januar 2018, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 7, vom 13. Dezember 2017 aufzuheben.
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Sie trägt vor, die Bewertung des Deutschen Patent- und Markenamtes zu der nierenförmigen Ausgestaltung der Abschnitte, die mit Sieben ausgestattet seien, sei unzutreffend. Insbesondere weise diese Ausgestaltung keine technische Funktion auf, sondern stelle vielmehr ein optisch-ästhetisches Merkmal dar. So müsse eine Siebscheibe immer mit einem Einsatz versehen werden, damit sie ihre technische Funktion erfüllen könne. Es sei zwar technisch sinnvoll, den Siebeinsatz in mehrere Segmente zu unterteilen und diese aus Gründen der Stabilität durch Stege voneinander zu trennen. Jedoch spiele für die technische Funktion der Siebscheibe die Form der Segmente keine Rolle. Der vorliegende Fall sei vergleichbar mit der „Traubenzuckertäfelchen“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Darin habe er festgestellt, dass die Quaderform als solche technisch bedingt sei. Da jeder Quader von Natur aus über „Ecken und Kanten“ verfüge, seien diese Merkmale auch technisch bedingt. Lediglich deren konkrete Ausgestaltung habe der Bundesgerichtshof nicht für technisch bedingt, sondern für ein optisches Merkmal gehalten, das frei wählbar sei, obwohl der Bundesgerichtshof die sensorischen Vorteile beim Verzehr solcher Traubenzuckertäfelchen durchaus gesehen habe. Ebenso verhalte es sich mit der nierenförmigen Form der Siebelemente. Das Vorhandensein solcher Segmente sei technisch bedingt, wobei jedoch deren Formgebung frei wählbar sei. Insoweit bestehe ein Gestaltungsspielraum, welcher von der Beschwerdeführerin dergestalt genutzt worden sei, dass sie ein besonders prägnantes Design ausgesucht habe.
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Soweit der Senat in seinem gerichtlichen Hinweis vom 8. Mai 2019 auf die Offenlegungsschrift EP 1 369 219 A1 (Reinigungsvorrichtung für Siebscheiben) verwiesen habe, ergebe sich auch hieraus keine technische Funktion der Siebeinsätze in Nierenform. Die fragliche Nierenform sei nämlich zur Erreichung des in der Offenlegungsschrift genannten Zwecks technisch nicht erforderlich. Es handele sich nur um eine von zahlreichen denkbaren Möglichkeiten, um das beschriebene Ergebnis zu erzielen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung des Anmeldezeichens steht das Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in der ab dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung entgegen, die mangels einer Übergangsregelung für vorliegendes Altverfahren Anwendung findet. Die gegenständliche dreidimensionale Gestaltung besteht ausschließlich aus Formen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind.
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1. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat frei von Rechtsfehlern dem angegriffenen Beschluss vom 13. Dezember 2017 lediglich die erste Ansicht der dreidimensionalen Marke zu Grunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hatte mit der Anmeldung am 15. Januar 2016 insgesamt vier verschiedene Ansichten auf jeweils einem Blatt eingereicht. Daraufhin hat die Markenstelle für Klasse 7 mit Beanstandungsbescheid vom 9. März 2016 unter Verweis auf § 9 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 8 Abs. 3 MarkenV in der vor dem 24. Juni 2016 geltenden Fassung die Beschwerdeführerin gebeten, bis zu sechs verschiedene Ansichten der Marke auf einem Blatt Papier einzureichen. Die Beschwerdeführerin hat auf diesen Hinweis hin jedoch keine den vorgenannten Anforderungen genügende modifizierte Darstellung des Anmeldezeichens eingereicht. Daher bestehen keine Bedenken, dass sich das Deutsche Patent- und Markenamt im Rahmen seiner Prüfung auf die erste der eingereichten Ansichten beschränkt hat.
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2. Bei der beanspruchten dreidimensionalen Gestaltung handelt es sich um ein nach § 3 Abs. 1 MarkenG in der maßgeblichen ab dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung markenfähiges Zeichen. Es sind keine Anhaltspunkte für das Fehlen seiner abstrakten Unterscheidungseignung ersichtlich.
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3. Der Eintragung des Anmeldezeichens steht in Verbindung mit den verfahrensgegenständlichen Waren das absolute Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen (vgl. zur rechtlichen Einordnung des § 3 Abs. 2 MarkenG: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 3, Rdnr. 88).
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Ein Zeichen besteht im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, wenn alle wesentlichen Merkmale der Form einer technischen Wirkung zuzuschreiben sind, selbst wenn die technische Wirkung auch durch andere Formen erzielt werden kann (vgl. BGH GRUR 2018, 411 – Traubenzuckertäfelchen). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dann nicht greift, wenn die Form der Ware ein wesentliches nichtfunktionelles Merkmal – wie ein dekoratives oder phantasievolles Element – aufweist, das für die Form von Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR Int. 2017, 623 – Yoshida Metal Industry/EUIPO).
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a) Im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind zunächst die wesentlichen Merkmale der angemeldeten Form zu bestimmen. Hierzu werden entweder die Bestandteile des Zeichens nacheinander einzeln geprüft oder es wird unmittelbar der von dem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck zu Grunde gelegt (vgl. EuGH GRUR 2014, 1097 – Hauck/Stokke). Die Ermittlung der wesentlichen Merkmale des Formzeichens kann bei einem nicht allzu schwierig gelagerten Fall – wie vorliegend – anhand einer bloßen visuellen Prüfung dieses Zeichens erfolgen (vgl. EuGH GRUR 2010, 1008 – Lego).
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Zu den wesentlichen Merkmalen der angemeldeten Form zählen (1) die runde Filterscheibe, deren Rand als Zahnrad bzw. Klinkenkranz ausgebildet ist, (2) die mittig der Filterscheibe befindliche runde Öffnung und (3) die Nierenform der durch Stege voneinander getrennten Siebeinsätze. Diese Merkmale hat bereits das Deutsche Patent- und Markenamt zutreffend herausgearbeitet. Auch die Beschwerdeführerin ist dieser Merkmalsanalyse nicht entgegengetreten.
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b) Jedes oben genannte wesentliche Merkmal der angemeldeten Form entfaltet eine technische Wirkung.
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Die Prüfung der Technizität der wesentlichen Merkmale ist grundsätzlich anhand objektiver Kriterien auf Grundlage der grafischen Darstellung der angemeldeten Form und somit unabhängig von der Wahrnehmung der angesprochenen Verbraucher vorzunehmen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 3, Rdnr. 136). Insbesondere können zur Ermittlung der technischen Funktionalität von Merkmalen externe Erkenntnisquellen wie technische Schutzschriften herangezogen werden, falls die beanspruchte Form Gegenstand einer Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung bzw. eines erteilten Schutzrechts war oder ist (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., Rdnr. 138).
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(1) Aus der vom Deutschen Patent- und Markenamt zitierten Offenlegungsschrift DE 103 58 672 A1 und Patentschrift EP 1 053 854 B1 ergeben sich die technischen Wirkungen der runden, am Rand mit einem Zahnrad bzw. Klinkenkranz versehenen Filterscheibe und der mittig der Filterscheibe angeordneten runden Öffnung. Gemäß Patentanspruch 1 und Absatz [0012] der Offenlegungsschrift DE 103 58 672 A1 sind am Umfang einer Siebscheibe Klinken angeordnet, die mit einem Klinkenantrieb zusammenarbeiten, wodurch die Siebscheibe mittels des Klinkenantriebs „drehantreibbar“ ist. Aus Absatz [0012] sowie den Figuren 1 und 1a der Patentschrift EP 1 053 854 B1 geht hervor, dass die mittige Öffnung in dem Filterrad zur Aufnahme einer Zentralachse dient, wodurch das Filterrad in seiner Umfangsrichtung drehbar ist.
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Bei den genannten Funktionen handelt es sich um technische Wirkungen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, zu denen beispielsweise eine verbesserte Handhabbarkeit, Brauchbarkeit oder Leistungsfähigkeit der Ware, ihre Verbaubarkeit in anderen Waren oder eine durch die Form bedingte verbesserte Haltbarkeit gehören (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 3, Rdnr. 126). Durch die mittige runde Öffnung kann die Filterscheibe in eine Filtereinrichtung eingebaut und mit einem darin befindlichen, in das Zahnrad bzw. den Klinkenkranz greifenden Ritzel angetrieben werden (vgl. Patentanspruch 5 der Patentschrift EP 1 053 854 B1). Damit werden die Verbaubarkeit als auch die Brauchbarkeit der Filterscheibe verbessert.
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Soweit die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgetragen hat, dass die Form des Zahnkranzes nicht technisch vorgeben sei, da die Zähne sowohl schräg zum Umfang als auch senkrecht angeordnet sein könnten, vermag dies ein anderweitiges Ergebnis nicht zu begründen. Die Erforderlichkeit der Form zur Erreichung einer technischen Wirkung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entfällt nicht, wenn dieselbe technische Wirkung durch abweichende Formen mit anderen Abmessungen oder in anderer Gestaltung erzielt werden kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 3, Rdnr. 129).
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(2) Ob die Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamtes auch eine technische Funktion der nierenförmigen Ausgestaltung der Siebeinsätze zu belegen vermögen, kann im Ergebnis dahinstehen. Der Senat hat die Beschwerdeführerin nämlich in seinem Hinweis vom 8. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass vom Vorliegen einer solchen technischen Funktion auszugehen ist.
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Die vom Senat recherchierte und der Beschwerdeführerin mit vorgenanntem Hinweis übersandte Offenlegungsschrift EP 1 369 219 A1, die die Anmeldung eines Patents für eine Reinigungsvorrichtung für Siebscheiben der hiesigen Beschwerdeführerin zum Gegenstand hat, zeigt nämlich in Figur 4 eine Siebscheibe mit nierenförmigen Siebeinsätzen. Ausweislich der Absätze [0011] und [0018] der genannten Offenlegungsschrift können aufgrund der Nierenform zwei Siebeinsätze mittels einer Beaufschlagungsöffnung mit Fluid beaufschlagt werden. Der technische Vorteil liegt darin, dass die Leistungsfähigkeit der Filterscheibe durch ihre nierenförmigen Siebeinsätze erhöht wird, da gleichzeitig zwei Siebeinsätze mit Reinigungsmittel versehen werden können. Dass die genannte Offenlegungsschrift auf eine Reinigungsvorrichtung gerichtet ist, stellt die technische Wirkung der Nierenform der Siebeinsätze der Filterscheibe nicht in Frage, auch wenn diese Teil einer Filtereinrichtung ist. Ausweislich Absatz [0013] der Offenlegungsschrift EP 1 369 219 A1 kann die beschriebene Reinigungsvorrichtung „besonders vorteilhaft mit einer Filtervorrichtung für eine Schmelze in einer Maschine derart verbunden sein, dass die Siebeinsätze durch Drehung der Siebscheibe jeweils der Reinigungsvorrichtung oder der Filtervorrichtung zugeführt werden, so dass beide Prozesse zeitgleich ablaufen können“. Demzufolge wird ein Teil der Filterscheibe für die Filterung eingesetzt, während ein anderer Teil gleichzeitig gereinigt und für die erneute Filterung vorbereitet wird.
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Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme zu dem gerichtlichen Hinweis des Senats ausgeführt, die fragliche Nierenform sei zur Erreichung des in der Offenlegungsschrift EP 1 369 219 A1 genannten Zwecks technisch nicht erforderlich, da es sich nur um eine von zahlreichen denkbaren Möglichkeiten handele, um das beschriebene Ergebnis zu erzielen. Dieses Vorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Warenform ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Markenschutz auch dann ausgenommen, wenn die technische Lösung durch unterschiedlich ausgestaltete Merkmale erreicht werden kann (vgl. BGH GRUR 2010, 231 – Legostein). Ergänzend wird auf die Ausführungen unter Ziffer (1) Bezug genommen.
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Auch der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung „Traubenzuckertäfelchen“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2018, 411) ist nicht geeignet, das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu überwinden. Es handelt sich um eine andere Fallgestaltung. Der Bundesgerichtshof hat den abgeschrägten Kanten und den abgerundeten Ecken der einzelnen Traubenzuckertäfelchen keine technische Wirkung beigemessen (vgl. Rdnr. 37 der Entscheidung). Demgegenüber weist die vorliegend in Rede stehende nierenförmige Ausgestaltung der Siebeinsätze entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht nur ein „prägnantes Design“ auf, sondern verfügt – wie bereits ausgeführt – über eine technische Funktion.
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c) Die technische Wirkung der wesentlichen Merkmale des Anmeldezeichens kommt bei allen beanspruchten Waren zum Tragen. „Filter für Maschinen für die Kunststoffindustrie“ können zwar vielfältige Formen aufweisen, so dass die gegenständliche Filterscheibe nicht als deren Grundform anzusehen ist, die dem Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen würde (vgl. BGH GRUR 2010, 231, Rdnr. 28 – Legostein). Allerdings handelt es sich bei dem Anmeldezeichen um eine Variante eines Filters für Maschinen für die Kunststoffindustrie, die kein einziges nichtfunktionelles Merkmal aufweist und damit gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.
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Die weiterhin angemeldeten „Maschinen für die Kunststoffindustrie“ sowie „Filtermaschinen“ können mit den gegenständlichen Filterscheiben versehen sein. So handelt es sich bei der in der Offenlegungsschrift EP 1 369 219 A1 offenbarten Reinigungsvorrichtung um eine Maschine für die Kunststoffindustrie, in der sich eine Filterscheibe befindet. Die „Maschinen für die Kunststoffindustrie“ können auch „Filtermaschinen“ sein, deren charakteristischer Bestandteil ein Filter, also auch eine Filterscheibe ist. Das Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG umfasst nicht nur die angemeldeten Einzelwaren, deren wesentlichen Merkmale in der Formmarke wiedergegeben werden, sondern auch Warenoberbegriffe, unter die die Einzelwaren fallen. Jede andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass durch eine entsprechende Formulierung des Warenverzeichnisses die Ausschlusswirkung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG umgangen werden könnte, was der gesetzgeberischen Intention zuwiderliefe.
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d) Das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann nicht im Wege der ursprünglich von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden werden.
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4. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass die Frage, ob der Eintragung des Anmeldezeichens auch das Schutzhindernis des Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, dahinstehen kann.