Aktenzeichen 26 W (pat) 549/19
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 106 894.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2020 unter Mitwirkung der Richter Kätker als Vorsitzender sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wort-/Bildzeichen
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ist am 21. Juni 2018 unter der Nummer 30 2018 106 894.4 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
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Klasse 3: Körperpflegemittel; Körperreinigungs- und Körperpflegepräparate; Seifen und Gele; Haut-, Augen- und Nagelpflegemittel; Enthaarungs- und Rasiermittel.
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Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 hat die Markenstelle für Klasse 3 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen bestehe nur aus einem schwarzen Kreuz, das aus zwei waagrechten und zwei schrägen senkrechten Strichen gebildet werde. In Texten werde dieses Rautezeichen oder Hashtag Schlüssel- oder Schlagwörtern vorangestellt, um diese zu markieren. Das Zeichen werde daher nur als allgemeiner Hinweis, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden, auch wenn es keinen beschreibenden Gehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren besitze.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen sei ähnlich wie einzelne Buchstaben oder Zahlen grundsätzlich markenfähig. Aufgrund seiner Alleinstellung sei es ungewöhnlich und deshalb auch unterscheidungskräftig.
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Sie beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 25. Juni 2019 aufzuheben.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Januar 2020 ist die Anmelderin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlage 1, Bl. 16 – 27 GA) darauf hingewiesen worden, dass das Anmeldezeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke steht im Hinblick auf die beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.
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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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2. Diesen Anforderungen genügt das angemeldete Zeichen nicht. Einer Bejahung der Unterscheidungskraft steht entgegen, dass es sich bei „#“ um ein Zeichen handelt, das in der Informatik und Technik in vielerlei Zusammenhang verwendet wird. Das #-Zeichen ist allgegenwärtig und die hier angesprochenen Verkehrskreise sind an die Begegnung mit dem Zeichen im Alltag gewöhnt, so dass es stets nur als technisches Symbol, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Denn grundsätzlich kann jeder Marke die Unterscheidungskraft auch aus sonstigen Gründen fehlen. Das verfahrensgegenständliche #-Zeichen ist aus Sicht des Senats wie ein QR-Code oder das @-Zeichen ein Paradebeispiel dieser Fallgestaltung (vgl. BPatG 28 W (pat) 535/13 – ; 30 W (pat) 518/15 – ; 26 W (pat) 44/14 – @).
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a) Die beanspruchten Waren richten sich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee) als auch an den Fachhandel für Drogerieartikel.
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b) Das Anmeldezeichen besteht aus einem „#“ vor einem grauen Hintergrund in annähernd quadratischer Form.
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aa) Das Doppelkreuz „#“, auch Rautezeichen oder kurz „Raute“ bzw. „Hash“ vom englischen Wort für „zerhacken“, wird in vielen Bereichen und mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet.
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aaa) In der Informatik und IT hat es folgende Funktionen:
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– In einigen Programmiersprachen (z. B. C) als Präfix für Präprozessordirektiven ,
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– Kommentarzeichen in vielen Programmiersprachen, zum Beispiel Perl, Computer-Algebra-System Maple und in .htaccess-Dateien,
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– In ColdFusion werden alle Variablen (auch Datenbankfelder) zwischen zwei Doppelkreuze gesetzt,
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– In URL-Angaben als Abtrennung von Sprungmarken auf einen HTML-Anker vom Rest der Angabe,
24
– wird in HTML und CSS einer hexadezimalen Farbdefinition vorangestellt,
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– Als eindeutige ID in CSS gegenüber der Klassenauszeichnung durch einen vorangestellten Punkt,
26
– Unter unixoiden Betriebssystemen kennzeichnet die Zeichenkombination #! (genannt Shebang) am Anfang einer Datei diese als Skriptprogramm, sofern der Pfad zum zugehörigen Interpreterprogramm folgt,
27
– Unter unixoiden Betriebssystemen zeigt es als Prompt in der Shell an, dass es sich um eine Root-Shell handelt,
28
– führt, in der Suchleiste eingegeben, in vielen Wikis zurück zur Hauptseite,
29
– Im Namen der Programmiersprache C# (gesprochen „C-Sharp“, was dem deutschen „Cis“ entspricht) und F# wird statt des (musikalisch korrekten) Zeichens ♯ das Doppelkreuz benutzt.
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bbb) In der Technik wird es verwendet als
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– das „Raute“-Symbol der Telefontastatur wird häufig durch das Doppelkreuz wiedergegeben,
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– eines von mehreren Präfixen für Namen von IRC-Kanälen,
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– beim Bildschirmtext als Abschlusszeichen für Adressen,
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– auf Rechenmaschinen ist die „Nichtrechentaste“ mit einem Doppelkreuz gekennzeichnet. Sie bewirkt, dass die zuletzt eingegebene Ziffernfolge als „Nummer“ auf dem Ausdruck erscheint, ohne beim Rechenergebnis berücksichtigt zu werden (in Übereinstimmung mit der Benennung „Nummerzeichen“). In dieser Funktion ist das Zeichen standardisiert in DIN ISO 7000 “Graphische Symbole auf Einrichtungen” als Symbol ISO-7000-0657 Non-Add (dt. ‚Nichtrechnen‘).
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ccc) In der Mathematik dient das #-Zeichen
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– alternativ zu einem Paar senkrechter Striche („||“) zur Kennzeichnung der Mächtigkeit einer Menge,
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– als Ersatzzeichen für Parallelogramm (https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelkreuz_(Schriftzeichen)).
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ddd) Im Internet kennzeichnet es eine Hervorhebung im Text. So befindet sich auf manchen Webseiten das Doppelkreuz als Symbol für Metatags oder Hashtags. Ein Hashtag, ein Kompositum aus dem Wort „Hash“ und dem englischen Substantiv „tag“ für „Markierung“, dient dazu, Nachrichten mit bestimmten Inhalten oder zu bestimmten Themen in sozialen Netzwerken auffindbar zu machen. Die so ausgezeichnete Zeichenkette fungiert (pragmatisch) als Meta-Tag und Meta-Kommentierung. Diese Form der Verschlagwortung erfolgt in der Regel innerhalb des Fließtextes, wobei ein Hashtag auch vor oder hinter dem eigentlichen Text stehen kann. Kontaktnetze wie Pinterest, Facebook und Mikroblogging-Dienste wie Twitter nutzen diese Angaben, um die Suche innerhalb ihres Netzwerks nach auf diese Weise verschlagworteten Begriffen zu erleichtern. In Instagram, tumblr und Pinterest werden Hashtags von Nutzern verwendet, um die selbst hochgeladenen Bilder zu verschlagworten. Ebenso wird es in der Werbung, aber auch in Nachrichten genutzt. Zudem existieren Suchmaschinen für Hashtags (www.wikipedia.de, s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
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bb) Vor allem in seiner Funktion als Verschlagwortungssymbol im Internet, insbesondere bei Twitter, ist das Zeichen den angesprochenen Verkehrskreisen auch durch die häufige Wiedergabe in den Medien allgemein bekannt und geläufig.
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cc) Im Bereich der von der Anmelderin beanspruchten Körperpflegemittel in Klasse 3 wird nach der Recherche des Senats seit langem das #-Zeichen im Internet verwendet, um auf Beiträge zu den Themenfeldern „Körperpflege“, „Schönheit“ oder „Beauty“ aufmerksam zu machen (s. Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis). Das Anmeldezeichen kann daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen. Auch in Alleinstellung wird es nur als Verschlagwortungssymbol angesehen.
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dd) Auch der Bildbestandteil ist nicht geeignet, dem Zeichen zur Unterscheidungskraft zu verhelfen. Er beschränkt sich auf eine zumindest annähernd quadratische Hinterlegung des #-Zeichens in grauer Farbe, wobei wenigstens im linken Bereich des Zeichens die Konturen kaum mehr wahrnehmbar sind. Hierbei handelt es sich um ein graphisches Gestaltungselement, das absolut werbeüblich ist und einem Zeichen nicht zur Unterscheidungskraft verhelfen kann (BPatG 26 W (pat) 544/16 – Schloss; 30 W (pat) 508/16 – SUISSE-print; 30 W (pat) 33/15 – Steinpark).
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3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.