Aktenzeichen 26 W (pat) 536/20
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 102 932.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Mai 2020 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzender sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. November 2019 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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Zweimalgut
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ist am 7. März 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
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Klasse 19: Baumaterialien und Bauelemente, nicht aus Metall; Türen, Tore, Fenster und Fensterabdeckungen, nicht aus Metall; Bauten und transportable Bauten, nicht aus Metall; nicht für einen bestimmten Gebrauchszweck angepasste, unverarbeitete und teilweise verarbeitete Materialien, soweit in dieser Klasse enthalten, nämlich Pech, Teer, Bitumen und Asphalt, Stein, Fels, Ton und Mineralien, Holz und Holzimitate; Statuen und Kunstwerke, soweit in dieser Klasse enthalten; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten; Vliesstoffe für den Bodenschutz; Vliesstoffe für den Flächenschutz;
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Klasse 24: Stoffe; Textilwaren und Textilersatzstoffe; Filtermaterialien aus Textilien; Vliesstoffe; Haushaltstextilien aus Vliesmaterial; Malervlies;
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Klasse 25: Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten.
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Mit Beschluss vom 29. November 2019 hat die Markenstelle für Klasse 24 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus dem Numeral “zweimal”, das im Sprachgebrauch als Synonym für “doppelt” verwendet werde, und dem Adjektiv “gut” zusammen. Diesem komme die Bedeutung “für etwas günstig, passend, geeignet, angenehm, erfreulich, sich positiv auswirkend” zu. Das Zeichen bilde in seiner Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination der Einzelbestandteile hinausgehenden Begriff. Es werde von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als werbewirksame Anpreisung und allgemeines Qualitätsversprechen in dem Sinn aufgefasst, dass die so gekennzeichneten Produkte von guter Qualität seien.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um eine Wortneuschöpfung, die den Sprachregeln widerspreche. Das Wort “zweimal” könne nicht mit einem Adverb in seiner Grundform kombiniert werden, sondern erfordere als Ergänzung ein Adverb im Komparativ, um eine Relation zu einem Vergleichsobjekt oder -zustand anzuzeigen. Grammatikalisch korrekt seien daher nur die Ausdrücke “zweimal so gut” oder “zweimal besser”. Werde das Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren verwendet, habe es herkunftshinweisende Funktion. Im Bekleidungssektor müsse eine Verwendung an Positionen der Ware berücksichtigt werden, an denen wie auf eingenähten Etiketten typischerweise Marken angebracht seien. An diesen Stellen sei eine Kommunikationswirkung im Sinn eines Werbe- oder Fun-Spruchs ausgeschlossen. Auf Baumaterialien würden Marken üblicherweise an Stellen angebracht, die im eingebauten Zustand nicht sichtbar seien und keine werbliche Wirkung entfalten könnten. Vlies- und Textilstoffe seien nicht in reißerischer Form mit werblichen Anpreisungen oder Fun-Sprüchen verziert. Diese würden nicht über Werbeanreize wie Fernsehwerbung oder großflächigen Produktwiedergaben in Prospekten verkauft, sondern nach rein praktischen Erwägungen wie ihre Materialeigenschaften oder ihren Preis ausgewählt.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des DPMA vom 29. November 2019 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
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1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf eine nicht zwischen den einzelnen Waren differenzierende Begründung gestützt worden ist.
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a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
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b) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
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c) Die Markenstelle hat nur pauschal behauptet, das Anmeldezeichen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen im Hinblick auf sämtliche beanspruchte Waren nur als werbewirksame Anpreisung und allgemeines Qualitätsversprechen verstanden. Dabei hat sie sich nicht einmal mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Zeichen sprachregelgerecht gebildet ist. Eine Begründung zu dessen Bedeutungsgehalt im Hinblick auf die zahlreichen, sehr unterschiedlichen Waren des angemeldeten Verzeichnisses im Einzelnen fehlt vollständig.
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Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensgegenständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
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e) Da eine inhaltliche Auseinandersetzung der Markenstelle mit dem angemeldeten Dienstleistungsverzeichnis nicht erkennbar ist, sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende differenzierte Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen, der eine zeitnahe Behandlung des vorliegenden, erst im Jahr 2020 anhängig gewordenen Verfahrens nicht zulässt.
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Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob und gegebenenfalls für welche konkreten Waren ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist. Insbesondere wird sie sich dabei auch mit den Kennzeichnungsgewohnheiten hinsichtlich der einzelnen Waren und der in den jeweiligen Branchen üblichen Werbung auseinanderzusetzen haben.
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2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.